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Blutrache: Ein badischer Krimi
Blutrache: Ein badischer Krimi
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eBook377 Seiten5 Stunden

Blutrache: Ein badischer Krimi

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Über dieses E-Book

Maren Mainhardts zweiter Fall: "Mord im Europa-Park!" – Eine Zeitungsmeldung bringt Abwechslung in die schwülen Sommertage der Ahnenforscherin Maren Mainhardt, die ihre Ferien aus Geldmangel zu Hause in der Karlsruher Südstadt verbringen muss.
Doch schon am nächsten Tag vergeht ihr das Lachen: Kommissarin Elfie Kohlschröter steht vor ihrer Tür. Denn Maren kannte das Opfer, die reiche Autohaus-Erbin Marlene Burk. Der Südwestrundfunk hatte sie einst beauftragt, Familiendokumente der Burks zu überprüfen. Der Anlass war eine Fernsehdokumentation über ein hundert Jahre zurückliegendes Schiffsunglück in New York, bei dem über 1000 deutsche Einwanderer ihr Leben verloren. In dem Film waren Interviews mit Nachfahren einiger Überlebender gezeigt worden – unter ihnen Marlene Burk, deren Großvater die Todesfahrt miterlebte.
Maren beginnt nun erneut zu recherchieren – nicht nur aus Langeweile. Zu gern möchte sie Elfies Freiburger Kollegen imponieren, dem dunklen, schweigsamen Melchior Oberst.
Doch dieser schenkt ihr erst Gehör, als ein zweiter Mord geschieht. Die Tote ist die Schwester von Marlene Burk, und beide Opfer wurden im Badewasser gefunden…
Marens Ermittlungen führen sie in den Europa-Park Rust und nach Baden-Baden, wo sie auf Dominik Burk trifft, den charmanten Bruder der Ermordeten. Spielt er ein doppeltes Spiel?
Oder ist der Mörder einer der jungen Mitarbeiter aus dem Vergnügungspark, deren Zuneigung sich die reichen Burk-Schwestern erkauften?
Gegen alle Widerstände hält Maren an ihrer Theorie fest: Es muss einen Zusammenhang zwischen den Morden und der damaligen Schiffskatastrophe geben! Doch kurz darauf liegt der Einzige, der ihr glaubte, tot im Europa-Park.
Maren will schon aufgeben, da entdeckt sie durch Zufall den entscheidenden Hinweis. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt – auf Leben und Tod. Denn die Polizei glaubt ihr nicht, und der Mörder ist ihr schon dicht auf den Fersen…
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Aug. 2016
ISBN9783765021404
Blutrache: Ein badischer Krimi

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    Buchvorschau

    Blutrache - Eva Klingler

    Inhaltsverzeichnis

    Zu diesem Buch

    Die Autorin

    Impressum

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    Zu diesem Buch

    »Mord im Europa-Park!«

    Eine Zeitungsmeldung bringt Abwechslung in die schwülen Sommertage der Ahnenforscherin Maren Mainhardt, die ihre Ferien aus Geldmangel zu Hause in der Karlsruher Südstadt verbringen muss.

    Doch schon am nächsten Tag vergeht ihr das Lachen: Kommissarin Elfie Kohlschröter steht vor ihrer Tür. Denn Maren kannte das Mordopfer, die reiche Autohaus-Erbin Marlene Burk: Der Südwestrundfunk hatte sie einst beauftragt, Familiendokumente der Burks zu überprüfen. Der Anlass war eine Fernsehdokumentation über ein hundert Jahre zurückliegendes Schiffsunglück in New York, bei dem über 1000 deutsche Einwanderer ihr Leben verloren. In dem Film waren Interviews mit Nachfahren einiger Überlebender gezeigt worden − unter ihnen Marlene Burk, deren Großvater die Todesfahrt miterlebte.

    Maren beginnt nun erneut zu recherchieren − nicht nur aus Langeweile. Zu gern möchte sie Elfies Freiburger Kollegen imponieren, dem dunklen, schweigsamen Melchior Oberst. Doch dieser schenkt ihr erst Gehör, als ein zweiter Mord geschieht. Die Tote ist die Schwester von Marlene Burk, und beide Opfer wurden im Badewasser gefunden ...

    Marens Ermittlungen führen sie in den Europa-Park Rust und nach Baden-Baden, wo sie auf Dominik Burk trifft, den charmanten Bruder der Ermordeten. Spielt er ein doppeltes Spiel? Oder ist der Mörder einer der jungen Mitarbeiter aus dem Vergnügungspark, deren Zuneigung sich die reichen Burk-Schwestern erkauften?

    Gegen alle Widerstände hält Maren an ihrer Theorie fest: Es muss einen Zusammenhang zwischen den Morden und der damaligen Schiffskatastrophe geben! Doch kurz darauf liegt der Einzige, der ihr glaubte, tot im Europa-Park.Maren will schon aufgeben, da entdeckt sie durch Zufall den entscheidenden Hinweis. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt − auf Leben und Tod. Denn die Polizei glaubt ihr nicht, und der Mörder ist ihr schon dicht auf den Fersen ...

    Die Autorin

    Eva Klingler, geboren 1955, ist Journalistin und Autorin. Sie arbeitete als Redakteurin beim SWR und für verschiedene Tageszeitungen und veröffentlichte bisher zahlreiche Romane und Krimis.

    2005 erschien ihr erster badischer Krimi „Erbsünde; seither hat sie in dieser Reihe fünf weitere Fälle der Ahnenforscherin Maren Mainhardt veröffentlicht: „Blutrache, „Kreuzwege, „Blaublut, „Weißgold und „Hassliebe

    Eva Klingler 

    B L U T R A C H E

    Ein badischer Krimi

    Maren Mainhardts zweiter Fall

    Impressum

    Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

    © 2016 Der Kleine Buch Verlag, Karlsruhe

    E-Book Konvertierung und Formatierung: Angela Hahn

    Titelgestaltung: Steffen Harms, Darmstadt

    Satz: Barbara Herrmann, Freiburg

    Lektorat: Patricia Keßler, DRW

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.

    E-Book ISBN: 978-3-7650-2140-4

    Dieses Buch ist auch als Printausgabe erschienen:

    ISBN: 978-3-7650-8336-5

    www.derkleinebuchverlag.de

    www.facebook.com/DerKleineBuchVerlag

    1. Kapitel

    Wenn es richtig Sommer wird, begnügt sich unsere Stadt nicht mit mitteleuropäischen 28 Grad. Hier in Karlsruhe knallt die Sonne gnadenlos vom fast unwirklich grellblauen Himmel herunter. »Wieder 33 Grad!« seufzen die Leute ergeben und verbringen den Tag im schummrigen Dunkel hinter heruntergelassenen Läden.

    Wenn er nicht gerade im Dschungel war, dann trifft den aus dem Urlaub zurückkehrenden Karlsruher die Heimatluft am Bahnhof wie eine Keule. Er taumelt hinaus auf den Bahnhofsvorplatz, wo sich die heiße feuchte Luft staut wie unter einer Glasglocke, und wundert sich, dass hier menschliches Leben und Atmen möglich ist. Schwitzend schleppt er sich nach Hause, packt aus, wirft die ausgeruhte Waschmaschine an und zieht wieder los, ins Wolfbräu am Werderplatz oder in den Strauß nach Altrüppurr. Nach zwei, drei Bier und ebenso vielen Stunden hat er sich dann wieder gewöhnt − an Karlsruhe!

    Ich, Maren Mainhardt, kam allerdings gar nicht erst in diese Verlegenheit, denn Urlaub war dieses Jahr bei mir nicht drin gewesen. Erstens hätte ich nicht gewusst wohin, zweitens nicht mit wem und drittens musste ich − wie immer − sparen. So unternahm ich, wie in derartigen Fällen üblich, kleine Besuchsausflüge zur Familie oder zu Bekannten, wobei ich stets den Spruch beherzigte: »Fisch und Besuch stinkt nach drei Tagen!«

    »Komm doch bald wieder vorbei!«, sagte meine Kusine, als sie mich verabschiedete, und auch darauf hatte ich einen weisen Satz parat: »Willst du als Gast was gelten − komme selten!« Dem hatte sie nichts entgegenzusetzen, denn sie wusste: Ich hatte Recht.

    An jenem Wochenende, kurz bevor sich die Ereignisse überschlugen, hatte ich Freunde bei Offenburg besucht. Was die Temperaturen anging, so war es dort nicht viel angenehmer als in Karlsruhe. Deutschlands Sonnenstube wurde im Hochsommer zur Sauna der Nation. Wir hatten bis in die Nacht hinein auf der Terrasse zusammengesessen und uns unterhalten. Ein guter Wein, das Gesumme im Sommerflieder, der Sternenhimmel und Rod Stewart im Hintergrund − was da noch fehlte, kann sich jeder ausmalen. Meiner Freundin Gabi allerdings fehlte zumindest das nicht − sie ist mit einem Historiker namens Bruno verheiratet, einem ehemaligen Studienkollegen von mir.

    Während die siebenjährige Tochter Trix drinnen vor dem Fernseher klebte und »Super-Nanny« anschaute, um ihren Eltern anschließend erklären zu können, was sie in ihrer Erziehung alles falsch machten, sprachen wir über Politik und Geschichte. Hätten die Reihenhausnachbarn gelauscht, wären sie erstaunt gewesen über die Weitsicht unserer Unterhaltungen, insbesondere als es spät geworden war und der Wein begonnen hatte, sein beflügelndes Werk zu tun.

    »Die Relevanz von historischen Aufzeichnungen wird uns erst klar werden, wenn es sie nicht mehr gibt!«, prophezeite Bruno düster, »E-Mails und SMS zerstören das kollektive Gedächtnis!« Wir nickten alle sehr besorgt und Gabi schenkte zum Trost Melonenbowle nach. »Stellt euch vor, die Emser Depesche wäre nur eine E-Mail gewesen!«

    Während unserer gemeinsamen Studienzeit hatten Bruno und ich keine Affäre. Deshalb sind wir heute noch gute Freunde. Er arbeitet für eine gemeinnützige Stiftung und wertet die Situation der Arbeiter im Schwarzwald des ausgehenden 19. Jahrhunderts aus − ein Thema, über das er mit Vorliebe referiert.

    »Oh, die wussten damals schon ganz genau, dass es noch eine andere Welt gab, irgendwo da draußen. Aber wenn du dich um deine alternden Eltern sorgen musst, einen Haufen Kinder hast und einen Zwölf-Stunden-Tag, der dir kaum die Kraft lässt, über dein Leben nachzudenken, dann bleibst du eben, wo du bist! Auch wenn die Industrielle Revolution an die Tür klopft und dir durch die Fensterscheiben das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit zeigt.«

    Gabi und ich nickten. Wir wussten − zu viel Zeit zum Nachdenken erzeugt Depressionen, zu wenig raubt dir die Kraft für Veränderungen. Warum hatten wir unsere Großmütter eigentlich ausgelacht, als sie behauptet hatten, alles im Leben hätte immer zwei Seiten?

    »Diejenigen aber, die weniger fest ins soziale System eingebunden waren, die gar keine Arbeit hatten oder die aus verschiedenen Gründen außerhalb der Gesellschaft standen, hatten kaum etwas zu verlieren, daher waren sie eher bereit dazu, ihr altes Leben aufzugeben! Und genau solche sind dann oft abgehauen. Um woanders ganz neu anzufangen − am besten weit weg. Zum Beispiel in Amerika! Nicht selten waren das unehrenhaft aus der Armee entlassene Männer oder Kerle, die was ausgefressen hatten.«

    »Und diese Leute haben dann das heutige Amerika mit aufgebaut!« Gabi jagte das letzte Melonenstückchen in der Bowle. »Da wundert mich gar nichts mehr!«

    Bruno grinste. »Es waren ja nicht alle Hallodris. Und stell dir vor, Schatz, manch einer ging auch bloß, weil er seine Frau loswerden wollte. Konnte gar nicht weit genug flüchten! Nach Australien oder eben nach Amerika. Allerdings hieß die Freiheitsstatue schon damals nicht gerade jeden willkommen − trotz des Propagandaspruchs, der da eingraviert ist: Dass man die Obdachlosen und die vom Sturm Gepeitschten zu ihrer goldenen Pforte schicken soll. Kennedys Satz ›America is a country of immigrants‹ lag noch in weiter Zukunft. In Ellis Island machten sie damals diese Tests: Kranke, Behinderte und ertappte Bigamisten wurden mit dem nächsten Kahn zurück geschickt.«

    »Tests? Was denn für Tests?«

    Bruno zuckte die Achseln. »Das waren natürlich schon eher Schnelltests. Ein paar Minuten pro Person. Gesundheitscheck, Papiere überprüfen. Aber immerhin: unerwünschte Kranke wurden aussortiert. Vor allem Herzkranke und Leute mit den damals gefürchteten ansteckenden Augenkrankheiten wollte man nicht im Land haben. Eine knallharte Gesellschaftsordnung. Wer arbeitete, sollte essen − aber durchfüttern wollte man keinen.«

    »Wurden sehr viele abgelehnt?«

    »Letztendlich nicht. Entweder ging ein nettes kleines Bestechungssümmchen über den Tisch oder man drückte schließlich doch ein paar Augen zu. Denn Amerika brauchte nichts so dringend wie Leute, die hart arbeiten wollten. Alles andere gab es im Überfluss: Boden, Rohstoffe. Denkt nur mal an die Präsidentenfamilie Bush: Die haben ihr Geld direkt aus dem Boden geholt. Beste Chancen für Leute mit guten Ideen und nicht allzu viel Skrupel − es galt ein ganzes Land mit Eisenbahnen, Öltürmen und Fabriken auszustatten! Obwohl −«, ich spürte regelrecht, wie Bruno es genoss, wenigstens einen Bruchteil seines Wissens preiszugeben, »ich habe mich ja bekanntlich ein wenig mit der Lage der Schwarzwaldbauern und der kleinen Lohnarbeiter im Oberschwäbischen befasst: Es muss schon ein Riesenschritt für die Leute gewesen sein. Zu Hause Enge, Bevormundung, Armut und feste Hierarchien, und dort? Eine neue Welt im Schnelldurchlauf. Mit technischen Errungenschaften, die jenseits ihrer Vorstellungskraft lagen ... Wir reden nicht nur vom Auto, aber auch davon.«

    »Warum gerade das Auto?«

    Meine Freundin Gabi gähnte. »Weil das Auto die Fantasien der Männer beflügelt!«, sagte sie schleppend.

    Bruno lachte. »Stimmt. Daimler hat die Idee vom Otto-Motor vorangebracht − dein Daimler, Maren, sage ich, denn er hat immerhin bei euch in Karlsruhe die Werkstätten der Maschinenbaugesellschaft geleitet. Aber glaube bloß nicht, der einfache Lohnarbeiter im Schwarzwald hätte jemals hinter dem Steuer eines Autos sitzen dürfen! Wahrscheinlich hat er nicht mal eins gesehen. War vielleicht auch besser so.«

    Er seufzte. »Dann kamen die also rüber. Schiffsreise, Ratten, stinkende Aborte, Kotzen von morgens bis abends, und neben dir der Kumpel aus dem Nachbardorf, der abends einschläft und morgens tot in seiner Koje liegt. Dann plötzlich: Land in Sicht! Rausklettern und sich die Augen reiben. Hier gibt es alles. Nicht nur Autos. Und gebetet wird in den Kathedralen des Konsums, nicht mehr in der heimischen Dorfkirche. Man kann sagen, dass in jenen Tagen um das Jahr 1900 herum auf den Straßen New Yorks das 20. Jahrhundert geboren wurde!«

    Ich rührte in der Bowle. Keine Melone mehr drin.

    »Eine gigantische Stadt neuen Zuschnitts wuchs in die Höhe. Seit die findigen Holländer entdeckt hatten, dass sie den genialsten Naturhafen der Welt bildete, hatte die Siedlung mit den ursprünglich gerade mal dreißig französischen Wallonen schon einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Man erzählte sich den Witz − warte mal, wie ging der? Also: Wenn eine New Yorker Straße aus allen Nähten platzte, habe man sie einfach nach oben geklappt und die Häuser in die andere Richtung wachsen lassen.«

    Von so viel abrufbarem Faktenwissen bin ich immer wieder beeindruckt. Würde man mich in eine Wissensshow einladen, ich wüsste, wen ich mir als Telefonkandidaten wählte: Zum einen Bruno, zum anderen Theophil, den Antiquar, meinen guten Freund und − zu seinem Leidwesen − platonischen Verehrer. Beide lasen nicht nur viel, sie konnten sich das Gelesene auch merken.

    »Weniger als 5 Prozent scheiterten und mussten wieder heim! Anfangs kamen die Leute übrigens gar nicht in Ellis Island an, sondern in Castle Garden, einem verfallenen Gebäude in Südmanhattan, wo seinerzeit schon die ersten Siedler gelandet waren. Das reichte dann bald nicht mehr aus und man baute 1892 das majestätische Gebäude der Einwanderungsbehörde auf Ellis Island, sinnigerweise auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionslagers. Hunderttausende kamen jedes Jahr dort an, manchmal bis zu 10.000 am Tag, nachdem sie mehrere Wochen eingepfercht in nasskalten Schiffsbäuchen ausgeharrt hatten. Sie kamen aus der ganzen Welt. In einer New Yorker Schulklasse der Jahrhundertwende saßen manchmal Kinder aus bis zu 20 verschiedenen Nationen. Soweit ich mich entsinne, schreibt ein Chronist, bereits 1654 seien auf den Straßen von Neu-Amsterdam − so hieß New York nämlich vor der Eroberung durch die Briten − achtzehn verschiedene Sprachen zu hören gewesen. Auch unser Deutsch war dabei!«

    Gabi erwachte aus ihrem kurzen Melonenrausch und drohte Bruno mit dem Finger. »Hab ich da vorhin nicht das Wort Bigamisten gehört? Warum hattest du dabei so einen sehnsüchtigen Ausdruck in den Augen?« Sie lachten und prosteten sich zu. Es versetzte mir einen Stich, aber sie konnten ja nichts dafür. Nur weil ich seit Jahren ein Chaos aus meinem Liebesleben machte, mussten andere das ja nicht nachahmen.

    »Ellis Island − dies nur der Vollständigkeit halber − wurde 1932 geschlossen, seit 1990 ist es ein Museum. Kommt mal kurz mit rein, ich zeig euch was ...«

    Gabi kam nicht mit. Sie blieb müde sitzen. Gabi hatte nach dem Studium als Medizinhistorikerin keine Anstellung gefunden und jobbte nun als Verkäuferin in der Parfümerie Douglas. Wenn man den ganzen Tag Kajalstifte anpreist, schwindet das Interesse an den deutschen Auswanderern in die USA automatisch gegen Null.

    Bruno hatte eine superschnelle Internetverbindung. Innerhalb von Sekunden hatte sich eine gut gemachte Homepage auf dem Bildschirm aufgebaut. »Da. Gerade neu eröffnet. Das Auswandererhaus in Bremerhaven. Da stellen sie nach, wie die Leute auf den Schiffen lebten, sogar wie der Gestank war ... und die Angst in Ellis Island. Aber auch, schau mal, hier ...«, ein Klick, und eine neue Seite erschien. »Die Nachkommen. Sieht der nicht typisch amerikanisch aus?«

    Vor dem Hintergrund einer ältlichen, grauen Auswandererfamilie tauchte das Bild eines strahlenden blonden Jungen auf. »Seine Leute haben es geschafft. Der fühlt sich gut drüben. Tief verwurzelt in amerikanischer Erde. In einem Land, wo das Haben das Sein bestimmt. Und nicht das Sein, das Bewusstsein, so wie in der alten DDR. Der kommt nur mal kurz zum Fotografieren nach Heidelberg und zum Knödelessen nach Rothenburg ob der Tauber. Na ja, warum sollte er auch sonst hierher kommen? Drüben spielt er Football und veranstaltet Barbecues.«

    Auch Gabi war inzwischen hereingekommen, sah auf die Uhr und streckte sich. »Ich muss ins Bett. Stell das Ding aus. Wollen wir noch schnell Nachrichten hören?«

    Bruno streckte sich ebenfalls. Mit dem Bildschirm schien sein Elan zu erlöschen. »Nein − was soll schon passiert sein? Ich habe sie heute Morgen gehört und es gab nichts Besonderes. Merkel sagt, sie kann es besser als Schröder und der will verhindern, dass sie es ausprobieren kann. Gehen wir ins Bett!«

    Hätten wir uns damals anders entschieden und Nachrichten gehört, dann wäre die Bluttat von Rust schon früher an mein Ohr gedrungen. So aber gönnte die Vorsehung mir noch eine ruhige Nacht.

    Gabi ging als Erste ins Bad und schminkte sich ab. Das dauerte. Schließlich musste ein professionelles Make-up entfernt werden. Kontrastprogramm pur: Während Bruno die Vergangenheit festhalten wollte, beschäftigte sie sich damit, die Auswirkungen der Jahre in den Frauengesichtern zu vertuschen. Ich nahm einen letzten Schluck Bowle und Bruno blies die Kerzen aus.

    Ich genoss solche Wochenendbesuche wie den bei Gabi und Bruno. Ein kleiner Ersatz für einen richtigen Jahresurlaub. Mein Beruf ist saisonabhängig. Ich bin Ahnenforscherin, und die Aufträge des ersten halben Jahres hatten bis zum Sommer gerade ausgereicht, um mich etwas mehr als überleben zu lassen. Die Leute waren derzeit eher beschäftigt damit, ihre Gegenwart zu bewältigen und ihre Zukunft zu sichern, anstatt sich um ihre Vergangenheit zu bemühen und Ahnenforschung zu betreiben − schon gar nicht Ahnenforschung für Frauen, mein etwas ausgefallenes Spezialgebiet.

    Wie alle Selbständigen musste ich also jetzt erfinderisch werden und mir Arbeit ausdenken. Es gab für mich schließlich noch andere Tätigkeitsgebiete. Ahnenforscher sind nämlich sehr flexibel. Man könnte sie in diesem Punkt mit Psychologen, Pfarrern und Polizisten vergleichen. Sie kennen die menschliche Seele mit all ihren Abgründen. Romane könnte ich schreiben über all die Geschichten meiner Auftraggeber, die ich beim Erstellen ihres Stammbaums oder ihrer Chronik weglassen musste!

    Im Juli hatte ich die Sommerfreizeit genossen und dabei ausgiebig vom Balkon aus beobachtet, wie die gegenüberliegende Wohnung renoviert wurde − ich kam mir beinahe vor wie James Stewart in »Fenster zum Hof«, einem meiner Lieblingsfilme, denn er schien zu beweisen, dass man auch etwas erleben konnte, ohne aus dem Haus zu gehen.

    Nun aber wurde ich aktiv. Ließ schlummernde Kontakte erwachen und rief ein paar Leute an, die mir unvorsichtigerweise ihre Visitenkarten hinterlassen hatten. Keine Frauenzeitschrift muss mir erklären, wie wichtig es ist, Netzwerke zu knüpfen. Ich knüpfe seit Jahren, und in gewissem Sinne funktioniert mein Netz auch immer wieder. Und sei es auch nur in der Karlsruher Südstadt. Sie ist trotz ihrer Vielfalt an Nationalitäten eine geschlossene Einheit, und zwar von Leuten, die sich mehr oder weniger freiwillig und bewusst dazu entschieden haben: »Wir wollen in engen Häuserschluchten inmitten der Innenstadt leben!« So ähnlich stellte ich mir das New York der Einwanderer vor 100 Jahren vor, von dem Bruno gesprochen hatte. Unser Zusammenleben funktionierte irgendwie.

    So wohnte ein freier Mitarbeiter der Karlsruher Tageszeitung BNN in der Augartenstraße, und er kannte jemanden, der wiederum jemanden kannte, und so kam das zustande, was wir Freiberufler einen »Kontakt« nennen. Seither hatte die BNN zweimal einen Artikel von mir angefordert. Geschichte und Geschichtchen von Karlsruher Unternehmen. Als Einstieg hatte man zwei recht gegensätzliche Geschäfte ausgesucht: eine aufstrebende Heizungsfirma und ein Wolllädchen. In der Heizungsfirma hatte mich ein gestresster junger Chef empfangen. Er hatte wenig Zeit, denn er kämpfte gegen Billiganbieter aus den EU-Beitrittsstaaten und gegen säumige Zahler.

    In dem Wolllädchen hingegen saßen gut gelaunte Frauen aller Altersgruppen und tauschten Häkeltipps aus. Die Chefin kristallisierte sich aus dem schwatzenden Haufen erst langsam heraus. Sie hatte fünfundzwanzig Jahre Wolllädchen hinter sich und musste keine Konkurrenz aus Osteuropa fürchten. Ihr Laden war ein atmendes und kicherndes Biotop inmitten der Konsumflaute. »Geht's den Leuten gut, stricken sie aus Spaß, geht's ihnen schlecht, stricken sie, um Geld zu sparen. Stricken tun sie jedenfalls immer!«

    Die Artikel kamen bei der Leserschaft gut an. Wenn ich Glück hatte − so beschied man mir seitens der Redaktion − würde eine »Sommerlochserie« daraus. Vielleicht auch nicht, wer wusste das schon. Ahnenforscher sind beinahe überall einsetzbar. So wie Juristen.

    Deshalb hatte ich dem Informationszentrum am Hauptfriedhof im Juni geholfen, eine Ausstellung über Grabmale prominenter Bürger zusammenzustellen. Ein eher morbider Job, doch für mich gehörte der Tod nicht erst seit meinem mörderischen Maulbronn-Abenteuer zum Leben. Genau betrachtet ist der Tod eigentlich mein Leben, denn ohne die werten Verstorbenen könnte ich schwerlich existieren. Die meisten haben nur Geschriebenes hinterlassen, und die Zeichen mühsam zu entschlüsseln hat keiner Zeit oder Lust, deshalb erledigen wir Ahnenforscher das.

    Neben all diesen kleineren Tätigkeiten hatte ich mich eigentlich auf einen klimatisch heißen, emotional aber ruhigen Sommer eingestellt. Dass es dann nicht so kam, dass erneut ein gewaltsamer Tod meinen Weg kreuzen sollte, das konnte ich an jenem ersten Tag im August noch nicht wissen, als ich beschloss, das Rheinstrandbad aufzusuchen. Schwimmen zu gehen ist für mich eine Entscheidung, die mich vorher jedes Mal ein wenig Überwindung kostet. Das Zusammensuchen der Badeutensilien − von der Sonnencreme über die Handtücher bis zum zweiten Bikini zum Wechseln −, vor allem aber die lange Fahrt durch die halbe Stadt sind Hürden, die ich nur überspringe, wenn es unerträglich heiß ist.

    Mein uraltes Auto, ein wahres Fossil selbst in der nicht von Nobelkarossen geprägten Südstadt, verfügt über keine Klimaanlage, und durch die geöffneten Fenster dringt die heiße Sommerluft ein, als bliese ein Fön. Trotzdem − ich musste raus. Weite sehen und Weite riechen. Einer Wolke hinterherblicken können, ohne dass sie hinter einem Dach verschwand.

    Ich schloss die Balkontür. Gegenüber war ein Handwerker mit Leitungen beschäftigt. Er hatte das Fenster weit geöffnet, man hörte das Radio − offensichtlich liebte er Volksmusik. Ich begann, meine Badesachen zusammenzusuchen. Meist schleppe ich mehr Bücher und Zeitschriften mit als Handtücher und Sonnencreme. Am Ende nehme ich sie dann ungelesen wieder mit nach Hause, denn im Bad lese ich zwei Zeilen, schaue dann hoch, bewundere die nahtlose Bräune der Blondine auf dem Nachbarhandtuch und zähle genießerisch die Speckröllchen der Braunhaarigen vorne am Beckenrand. Manchmal treffe ich jemanden, den ich kenne, und dann spazieren wir eine Runde bis zum Rhein und sehen den Lastkähnen nach, die majestätisch die uralte Wasserstraße entlang gleiten. Der Rhein hat für mich etwas Ewiges, auf eine nicht näher bestimmbare Weise Beruhigendes. Und selbst wenn ich nur faul im Gras liege − allein nach oben in die Baumkronen zu schauen ist Zeitvertreib genug.

    So stopfte ich also meine Sachen in den durchsichtigen knallblauen Plastikbadebeutel, den ich letztes Jahr zusammen mit fünf Kilo Nudeln als Sonderangebot auf der Verkaufsmesse »Offerta« erstanden hatte − ich mochte ihn, weil er mich auf undefinierbare Weise an die sechziger Jahre und zugleich an die ehemalige DDR erinnerte −, und überlegte, wen ich zum Mitkommen überreden konnte.

    Der bärtige, zerzauste Antiquar Theo, einer meiner beiden hoffnungslosen Dauerverehrer, saß wie angewurzelt in seinem Buchladen; ob draußen Sommer oder Winter war, registrierte er kaum.

    Mein zweiter Langzeitfreund Matthias, von Beruf Anlage- und Versicherungsberater, war gerade damit beschäftigt, seine neue Zweizimmerwohnung in dem idyllischen Wohnviertel Gartenstadt zu renovieren und einzurichten. Seit Jahren war er treues Mitglied in der dortigen Baugenossenschaft, und jetzt hatte er endlich eine der begehrten Wohnungen bekommen. Er hatte sich gefreut wie ein Kind, als er den Mietpreis gesehen hatte: 240 Euro für zwei Zimmer mit Gartenanteil. Küche mit Holzparkett. »Weißt du was ich von jetzt an jeden Monat spare?«

    Ich wusste es nicht, und es interessierte mich auch nicht besonders. Matthias war ein netter Kerl und ein treuer Freund, aber er hatte seine Eigenheiten, und seine Sparsamkeit gehörte zweifellos dazu. Als Mann hätte ich ihn nicht haben wollen, selbst wenn er so reich wäre wie David Beckham.

    Mit Matthias war sowieso am Badestrand kein Staat zu machen. Sein haarloser Körper war lang und blass wie ein Spargel. Mit seinen schmalen Schultern und seinen schlaksigen Beinen haftete ihm etwas Unsportliches an. Ich seufzte. Ich musste diese Wochen wohl alleine durchstehen. Meine Freundinnen waren entweder im Urlaub oder hatten keinen und gingen muffig zur Arbeit. Diejenigen, die nicht weggefahren waren und nicht arbeiteten, hatten Kinder, die beschäftigt werden mussten.

    Und mit einem Kind ins Rheinstrandbad zu gehen, dazu hatte ich im Augenblick keine Lust. Ich kannte das nur zu gut. Alle Mütter versprechen vorher vollmundig: »Im Schwimmbad braucht man sich gar nicht um Kevin zu kümmern. Du wirst sehen, da haben wir unsere Ruhe!«

    Die Realität sieht dann meistens anders aus. Der kleine Kevin wird von einer Biene in den Fuß gestochen, will ein Eis, muss aufs Klo, streitet sich mit einem anderen Kind, weigert sich, eingecremt zu werden, bricht in Gebrüll aus und will heim.

    Altgediente Mütter mögen das nicht verstehen, aber in diesen Momenten schmerzt es besonders, Single zu sein. Kein Kind zu haben − und keinen Mann.

    Doch seit dem traurigen Ende meiner letzten Liebesaffäre mit Thomas Urban waren Männer für mich nur noch Lebewesen, die zwar die Straßen bevölkerten, aber weder etwas in meinem Leben, noch in meinem Bett zu suchen hatten − und schon gar nichts in meinem Herzen.

    Ich war beinahe zu einer Art Nonne geworden. Eine, die sogar alleine ins Schwimmbad ging. Mit der Zeitung.

    Immerhin: Eine Tageszeitung hat etwas ungemein Tröstliches. Ungeachtet deiner eigenen kleinen Sorgen und Probleme dreht sich die Welt immer weiter, ihren ewigen Gesetzen gehorchend. In Karlsruhe ebenso wie in Paris, London und New York.

    Ich beschloss, vor dem Schwimmbad noch bei Theo vorbeizuschauen. Direkt neben seinem Laden befand sich einer dieser kleinen, etwas altmodisch wirkenden Südstadtkioske, in dessen Untiefen ein ominöses Warenangebot lauerte. Ich schwankte zwischen Moral und Lust, zwischen BNN und Bildzeitung. Oder doch lieber das halblinke Gedankengut der Frankfurter Rundschau? Ich fand es viel spannender, die Zeitung jeden Tag woanders aufzutreiben, als sie zu abonnieren. Ich las sie in der Bibliothek oder beim Bäcker, oft nahm ich die Tageszeitung meiner Nachbarin mit nach oben, da die junge Frau erst mittags aufwachte.

    Gelegentlich kaufte ich sie selbst. So wie heute. Ich entschied mich für die BNN und ging noch auf einen Sprung zu Theo hinein. Der saß, wie immer unverkennbar mit seinem dichten Bart und seinem zerrauften Haar, mit seinen Cordhosen und seinem gestreiften Hemd − eines von vielen ähnlichen, die er besaß − hinter einem großen Stapel von Büchern.

    Ich nahm einige zur Hand und besah mir die Titel. Hunde aller Größenordnungen und Rassen starrten mich aus den unterschiedlichsten Positionen an. »Ich habe bestens erhaltene Hundebücher reinbekommen! Geschäftsaufgabe. Ein kleiner Zooladen in Durlach!«, sagte Theo glücklich. »Die Besitzer waren alte Leute. Da sind auch Bücher aus den siebziger Jahren dabei! Schau mal − ein Collie, die sieht man heute kaum noch! Und Kampfhunde gab es damals überhaupt nicht. Zumindest hießen sie nicht so.«

    »Damals hießen sie wahrscheinlich Guck mal der große Hund da drüben!«

    Theo lächelte. In seinen Augen lag ein heiliger Glanz. Ich wusste, dass Theo immer begeistert war, wenn er eine komplette Sammlung von irgendwas bekam. Egal von was.

    Vor einiger Zeit war es der vollständige Nachlass einer nahezu unbekannten Autorin gewesen − noch heute hütete er die handbeschriebenen Seiten wie einen Schatz. Letztes Jahr hatte er eine intakte Sammlung »Ferne Reiseerfahrungen« hereinbekommen − geradezu eine Antithese zu seinem eigenen statischen Leben in der Südstadt. Er hatte viele davon gelesen und kannte sich in Amerika jetzt besser aus als die meisten, die dort gewesen waren.

    Und nun waren es also Hunde. Sie nisteten sich in der Lücke ein, welche die numismatischen Bücher hinterlassen hatten. Letztere waren vor zwei Monaten auf ihn herabgeregnet und noch am gleichen Tag hatten sich Interessenten gefunden.

    Ich kauerte mich auf die Treppenstufen, die zu seinem Lager führten, und genoss sein stilles andächtiges Sichten der Bücher, die Ruhe im Laden angesichts der draußen vor der Tür vorbeiziehenden Welt.

    Wobei man den Begriff »Welt« in der Südstadt durchaus wörtlich nehmen kann. Dass sich eine korpulente Afrikanerin in einem traditionellen bunten Gewand mit einem dürren Türken angeregt in einem für beide akzeptablen Badisch unterhält, ist hier tägliche Realität. Penner und Schickimickis, Studenten und Leute, die seit einem Jahr arbeitslos sind, Familien und Singles wie ich − wir leben hier Tür an Tür.

    Nicht immer harmonisch: Manchmal knallen die Türen, und gelegentlich wird dahinter oder auch davor gebrüllt. Es wird geklaut und gesoffen und nachts manchmal randaliert. Die Polizei taucht regelmäßig am Indianerbrunnen auf − so regelmäßig, dass die Hunde der Penner sie schon schwanzwedelnd begrüßen. Aber insgesamt wissen wir alle, dass wir aufeinander angewiesen sind.

    »Einen Tee?«, fragte Theo und blätterte mit genüsslichem Schaudern in einem Dobermann-Buch. »Bei der Hitze?« Ich überflog die Schlagzeilen meiner BNN. »Nein, danke!« »Obwohl die Orientalen Tee als bestes Mittel gegen Hitze empfehlen!«, erklärte Theo und blies in den Dampf, der aus seiner Tasse aufstieg. »Ich bin keine Orientalin, sondern ein Kind der gründlichen Amerikanisierung dieses Landes. Bei Hitze: Cola mit Eis und Zitrone, ansonsten Milchshakes.«

    »Schrecklich!«, erwiderte Theo. »Appetizer anstatt Hors d'úuvre, Dressing anstatt Vinaigrette, wer früher mal leger gekleidet war, ist jetzt stylish

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