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Hassliebe: Ein badischer Krimi
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eBook308 Seiten4 Stunden

Hassliebe: Ein badischer Krimi

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Über dieses E-Book

Maren Mainhardts sechster Fall:
Endlich Glück in der Liebe und dann noch ein gemeinsames Häuschen im elsässischen Selestat – für Maren Mainhardt scheint ein Traum in Erfüllung zu gehen. Doch während ihr Freund Oliver die meiste Zeit auf Konzertreise weilt, befindet sich die Ahnenforscherin bald unverhofft wieder auf Mörderjagd. Das Opfer, eine Baden-Badener Künstlerin mit eigener Galerie, hatte offenbar nur Feinde: Beleidigte Künstler, belogene Freunde, betrogene Kollegen – beinahe jeder hätte ein Motiv gehabt, Frau Freund zu töten. Aber ist eine vernichtende Kunstkritik wirklich ein Grund zum Mord? Oder hatte das Opfer ein dunkles Geheimnis? Im Lauf ihrer Ermittlungen deckt Maren immer neue Lügen der Ermordeten auf.
Dann lernt Maren den reichen, charmanten Frédéric Brel kennen, der sich allzu sehr für sie interessiert – und plötzlich ergibt sich ganz unerwartet eine Verbindung zwischen Marens neuem Ahnenforschungsauftrag und der ermordeten Frau. Doch als Maren endlich auf die richtige Spur stößt, ist das Unglück bereits passiert …
In ihrem neusten Fall arbeitet sich die unermüdliche Maren durch die Kunstszene von Baden-Baden und Karlsruhe. Doch ausgerechnet in ihrer neuen elsässischen Wahlheimat liegt der entscheidende Hinweis verborgen.
Ein badisch-elsässischer Krimi mit viel Spannung, Witz und einem überraschenden Höhepunkt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum25. Okt. 2016
ISBN9783765021442
Hassliebe: Ein badischer Krimi

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    Buchvorschau

    Hassliebe - Eva Klingler

    Inhaltsverzeichnis

    Buch und Autorin

    Impressum

    Prolog

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    Epilog

    Buch und Autorin

    Endlich Glück in der Liebe und dann noch ein gemeinsames Häuschen im elsässischen Sélestat – für Maren Mainhardt scheint ein Traum in Erfüllung zu gehen. Doch während ihr Freund Oliver die meiste Zeit auf Konzertreise weilt, befindet sich die Ahnenforscherin bald unverhofft wieder auf Mörderjagd, diesmal sogar auf Geheiß der Kripo in Gestalt ihrer Freundin Elfie Kohlschröter-Oberst. Das Opfer, eine Baden-Badener Künstlerin mit eigener Galerie, hatte offenbar nur Feinde: beleidigte Künstler, belogene Freunde, betrogene Kollegen – beinahe jeder hätte ein Motiv gehabt, Frau Freund zu töten. Aber ist eine vernichtende Kunstkritik wirklich ein Grund für einen Mord? Oder hatte das Opfer ein dunkles Geheimnis? Im Lauf ihrer Ermittlungen deckt Maren immer neue Lügen der Ermordeten auf.

    Dann lernt Maren den reichen, charmanten Frédéric Brel kennen, der sich allzu sehr für sie interessiert – und plötzlich ergibt sich ganz unerwartet eine Verbindung zwischen Marens neuem Ahnenforscher-Auftrag und der ermordeten Frau. Doch als Maren endlich auf die richtige Spur stößt, ist das Unglück bereits passiert …

    In ihrem sechsten Fall arbeitet sich die unermüdliche Maren Mainhardt durch die Kunstszene von Baden-Baden und Karlsruhe. Doch ausgerechnet in ihrer neuen elsässischen Wahlheimat liegt der entscheidende Hinweis verborgen.

    Ein badisch-elsässischer Krimi mit viel Spannung, Witz und einem überraschenden Höhepunkt.

    Eva Klingler, geboren 1955, ist Journalistin und Autorin. Sie arbeitete als Redakteurin beim SWR und für verschiedene Tageszeitungen und veröffentlichte bisher zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. In der Maren-Mainhardt-Reihe sind die Bände »Erbsünde«, »Blutrache«, »Kreuzwege«, »Weißgold« und »Blaublut« erschienen.

    Impressum

    Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

    © 2016 Der Kleine Buch Verlag | Lauinger Verlag, Karlsruhe

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.

    ISBN: 978-3-7650-2144-2

    Dieser Titel ist auch als Printausgabe erschienen: ISBN 978-3-7650-8577-2

    www.derkleinebuchverlag.de

    www.facebook.com/DerKleineBuchVerlag

    Eva Klingler

    HASSLIEBE

    Ein badischer Krimi

    Prolog

    Karlsruhe, Januar 2010

    Es war ein Wunder.

    Elfie Kohlschröter und ihr Gatte Melchior Oberst, im Unterschied zu mir beide staatlich autorisierte Hüter von Recht und Ordnung, baten mich, ihnen bei den Ermittlungen zu einem Mordfall zu helfen.

    Weniger schmeichelhaft war allerdings die mitgelieferte Begründung zum Wunder.

    »Weißt du, Maren, du bringst die Leute irgendwie dazu, alles Mögliche und Unmögliche preiszugeben. Und woher kommt das wohl?«

    Beim »wohl« ging Elfies Stimme nach oben, und sie sah mich mit jenem Blick an, der mich immer an meine allererste Grundschullehrerin erinnerte.

    Im Gegensatz zu jener gab sie die Antwort allerdings gleich selbst: »Sie nehmen dich als Gefahr nicht ernst. Plappern drauflos, was sie bei uns natürlich nicht tun. Da überlegen sie sich jedes Wort und lassen lieber was weg. Nur niemanden belasten. Nur nicht vor Gericht erscheinen müssen. Das ist typisch deutsch.«

    Da gelang es mir kaum, das Lachen zu unterdrücken. Niemand – außer vielleicht Heidi Klum – benimmt sich so deutsch wie Elfie.

    »Und hinter all dem, was sie dir so erzählen, könnte sich eine winzige Spur verbergen.«

    Nun ja. Sollte ich jetzt noch dankbar sein?

    Von Elfies widerwillig angedeutetem Lob konnte ich keine Miete und keine Tankfüllung zahlen.

    Bei der Karlsruher Kripo habe ich bekanntlich den undankbarsten Nebenjob der Welt. Gefährlich. Unbezahlt. Zeitraubend.

    Ganz abgesehen davon war ihre Behauptung falsch. Bisher hatten meine Plaudereien nämlich wesentlich mehr als eine winzige Spur ergeben. Sie hatten zu handfesten Verhaftungen geführt.

    Doch Elfie erging es mit ihren Fällen offenbar so, wie man es jungen Müttern nachsagt: Kaum ist die Geburt erledigt, sind alle Schmerzen vergessen, als seien sie nie gewesen. Nur noch das Ergebnis zählt.

    So neigten auch Elfie und ihr Mann dazu, meine Mitwirkung an ihren Erfolgen hinterher unverzüglich zu verdrängen.

    Dennoch lächelte ich aus purer Neugierde bescheiden und entgegenkommend.

    Wer war diesmal das Opfer? Aus welchem Milieu kam es? Und wie war es gestorben?

    Als sie mir dann nach vielen Ermahnungen, großer Geheimniskrämerei und der mehrfachen Abnahme von Diskretionsschwüren die Identität der Leiche enthüllten, weckte das keine Gefühle für die Tote in mir.

    Aber eines konnte ich damals noch nicht wissen: Ihr Todesurteil war einige Zeit vor der Hinrichtung gefallen. Und ich kannte ihren Richter!

    1. Kapitel

    Sélestat, November 2009

    Ich stand am Fenster und sah hinaus. Eine Gasse im November.

    Drinnen knackte ein Elektroöfchen und verbreitete eine oberflächliche kurzlebige Wärme. Französische Wärme eben. Vom Mittelmeer bis zur belgischen Grenze heizen die Gallier auf diese Weise. Allein bei dem Gedanken daran erleidet jeder Deutsche einen Preisschock.

    Schaltete man das flache Ding an der Wand aus, wurde es sofort kalt.

    Die Wände selbst stammten übrigens aus dem sechzehnten Jahrhundert und hatten so eine Menge Zeit gehabt, unfreundliche Kälte zu speichern.

    Gegenüber von meinem Fenster befand sich in der Entfernung eines verlängerten Armes das Nachbarhaus. Dort wohnte ein recht nettes Ehepaar. Sie hatten drei Papageien, und sie waren Franzosen.

    Eine Selbstverständlichkeit sollte man meinen, da sich das Haus in Frankreich befand.

    So war es aber nicht, denn der Rest der Straße befand sich fest in orientalischer Hand.

    Das große Nachbarhaus zur Rechten war erfüllt vom Leben und Lieben einer marokkanischen, einer türkischen sowie einer tunesischen Familie.

    Es war also beinahe wie in der Südstadt – und doch anders.

    Kinder, die man den einzelnen Nationalitäten nicht zuordnen kann, spielen hier bis nachts auf der Straße.

    Sie wachsen auf wie in ihrer Heimat, pflegen deren Bräuche, aber sie sind in erster Linie stolze Franzosen, und sie sprechen französisch miteinander.

    Wenn sie mich sehen, betrachten sie mich neugierig, denn ich bin hier die Ausländerin, nicht sie. Sie sagen höflich aber scheu: »Bonjour, Madame.«

    Ihre Mütter, mollige dunkelhaarige Frauen mit runden Gesichtern, betrachten mich etwas mitleidig von ihrem geschnitzten Holzbalkon herab.

    »Ça va, Madame?«, fragen auch sie. Die Frauen sind sehr oft auf dem Balkon, denn sie trocknen ihre Wäsche dort. Täglich. Auch sonntags und auch jetzt im Winter. Im Schwäbischen würde man sich schütteln, im Badischen zumindest wundern.

    Heute war aber Donnerstag, es war kalt, regnete fiese graue Bindfäden, und im Rücken unseres Hauses hatte die mächtige Hochkönigsburg – laut Reiseführer der zweitgrößte Touristenmagnet Frankreichs nach dem Eiffelturm – ihr Haupt in Regenwolken gehüllt.

    Ein regnerischer Wintertag ist überall gleich trostlos.

    In einer Kleinstadt im Norden Frankreichs ist er noch trostloser als in Karlsruhe. Denn Kleinstädte sind weltweit gleich, nämlich klein.

    Die Läden hier in der Stadtmitte schließen überraschend früh, die Straßen sind abends im Winter leer bis auf die Hundehäufchen, die sich meterweit vertreten. Die Restaurants weigern sich, vor 18.30 Uhr aufzumachen, und ein Café gleich am Ortseingang schließt um 18.00 Uhr; und wenn man um 20 Uhr daran vorbeiläuft, ist es wieder offen.

    Man hat überhaupt seltsame Öffnungszeiten hier. So macht erst um zehn Uhr auf der Hauptstraße ein Laden auf, hinter dessen Tresen ein müder Mann mit Tränensäcken bis zu den Knien steht. Reihenweise warten meist jugendliche Einwohner der Stadt und der umliegenden Orte auf Einlass. Er verkauft Lottoscheine und Zigaretten, denn es gibt keine Zigarettenautomaten in diesem ansonsten genussfreudigen Land. Warum er erst so spät öffnet, weiß ich bis heute nicht. Auch sonst ist manches anders in diesem Landstrich, den wir Badener lediglich als exotische Kräuterbutterkolonie betrachten: Samstags hat alles geöffnet, dafür montags alles zu.

    Ich stand also immer noch an dem kleinen Fenster, sah hinaus auf die stille enge Straße, auf das verschachtelte Mosaik der Dächer und sehnte mich nach meinem Freund und nach mehr. Nach vertrauten Stimmen, nach dem Lachen meiner Freundinnen, nach meinem bevorzugten Lebensmittellädle in der Südstadt. Ich sehnte mich nach Oliver und meinetwegen auch nach Kelly, seiner Tochter, und fühlte mich wie ein Puzzlesteinchen im falschen Puzzle.

    Fragte mich, ob ich nicht eigentlich nach Karlsruhe gehörte. Was machte ich in einem Land, dessen Sprache ich zwar holprig sprach, deren Nuancen ich aber vielleicht nie verstehen würde?

    Leben wie eine Göttin in Frankreich hatte ich mir jedenfalls etwas anders vorgestellt.

    Vor allem wärmer.

    »Hauptsache, wir sind zusammen!«, hatte Oliver kühn behauptet, bevor er das Angebot für die Produktion einer CD und für mehrere Konzerte in Irland und England angenommen hatte und durch den Tunnel unterhalb des Ärmelkanals verschwunden war. Eine eigenartige Definition von ›zusammen‹.

    Und so lebte ich jetzt in Sélestat, einer mittelalterlichen Kleinstadt im südlichen Elsass, anstatt in meinem heimischen Karlsruhe.

    Bewohnte ein uraltes winziges Haus mit Balken von 1560 anstelle einer schicken Zweizimmerwohnung mit dem Komfort des 21. Jahrhunderts.

    Alles hatte natürlich mal wieder mit einem Mordfall begonnen. Im Spargelmilieu. Keine schöne Sache. Ein Mann, der im Schwetzinger Schlossgarten gestorben und dessen Leiche verschwunden war. Und ein Rätsel, das ich beinahe zu spät gelöst hatte.

    Sozusagen als Abfallprodukt hatte ich mich im Zuge der Ermittlungen in Oliver Oberst, Melchiors Bruder, verliebt. Gut, mochten meine Kritiker sagen – sie verliebt sich ja immer mal wieder, aber das heißt ja nicht, dass sie gleich aus der Karlsruher Südstadt wegzieht. Bestimmt nur eine kurze Sache

    Diesmal war es aber mehr als das übliche Strohfeuer.

    Oliver war Melchiors irisch-deutscher Halbbruder. Kripokommissar Melchior Obersts Halbbruder. Ja, genau. Jener Melchior, der ausgerechnet auf dem Jakobsweg mit seiner Kripo-Kollegin und meiner Freundin Elfie Kohlschröter angebandelt hatte. Auf dem Jakobsweg sollte man eigentlich zu sich und nicht zum Mann seiner Freundin finden. Aber so war es gewesen, und das Ganze hatte am Ende zu der Ausstellung eines behördlichen Trauscheins geführt.

    Oliver Oberst, keltisch angehauchter Musiker und Vater einer Teenagertochter, hatte mich temperamentvoll und entschlossen aus meinem emotionalen Tief geholt. Gemeinsam hatten wir den Mordfall in Schwetzingen – gelöst wäre der falsche Ausdruck – gemeinsam hatten wir versucht, ihn zu lösen.

    Dieses Abenteuer hätte mich fast das Leben gekostet, und wir hatten uns unter den dramatischen Umständen ineinander verliebt.

    Oliver würde ab Sommer dieses Jahres eine Stelle an der Musikhochschule in Straßburg haben. Bis es soweit war, wickelte er noch verschiedene Projekte in England und Irland ab.

    Straßburg ist – europäisch gesehen – ein teures Pflaster und deshalb hatten wir uns rechtzeitig dieses Haus im vierzig Kilometer entfernten Städtchen Sélestat gesucht.

    Zwanzigtausend Einwohner, und für jeden zweiten davon gibt es anscheinend einen eigenen Supermarkt, denn Hypermarchés und Intermarchés umschließen die Stadt ringförmig wie moderne Festungsanlagen. Die Franzosen haben eine unheilbare Leidenschaft für gigantische Supermärkte.

    Ich, die Deutsche, gewöhnt an dreischiffige Aldiläden, pflege mich schon alleine zwischen den hiesigen Käseregalen zu verirren. Sie sind mehr als mannshoch, und die Franzosen schieben riesenhafte Wägen zwischen einer unüberschaubaren Auswahl von Münsterkäsen und Camemberts hin und her.

    Geriebener Käse wird hier gleich in praktischen Kilopaketen angeboten, Essig ist gut und preiswert, Olivenöl wird für fast alles benutzt, und Meeresfrüchte haben hier ungefähr den Stellenwert von Kochkäs’ mit Kümmel auf einem oberhessischen Kleinstadtmarkt. Es gibt sie preiswert und in allen Variationen für jedermann. Und nachdem ich aus Versehen einmal salzige Butter gekauft und für den Marmorkuchen benutzt hatte, achtete ich nun besser auf die Aufschrift auf der Butterpackung aus kariertem Papier. Die leuchtend blau verpackte Salzbutter kommt aus der Bretagne und transportiert Urlaubsgefühle in den fernen Osten Frankreichs.

    Ansonsten herrscht in Sélestat eine Idylle fast wie im Bilderbuch.

    Die Ill plätschert unternehmungslustig durch den Ort. Kanulehrer und Kanuschüler tanzen darauf. Die alten Männer sitzen witterungsresistent vor den Cafés und Bars und trinken aus kleinen Gläschen mit hohen Stilen ihren Weißwein.

    Und die Hochkönigsburg schaut hochmütig auf das vom Krieg nie zerstörte Ensemble an Türmen, Türmchen, Dächern, Antennen und Storchennestern herab.

    Die Haussuche hatte sich rückwirkend gesehen erstaunlich problemlos gestaltet.

    In Sélestat gibt es mehr Immobilienmakler als Bäcker. Und das will im Land der bekennenden Weißbrotjunkies etwas heißen. Ich hatte in einer Straße mindestens zwanzig solcher Anbieter gezählt. Der Himmel weiß, wovon sie leben.

    Diese Immobilienmakler haben kleine, von außen einsehbare Büros, die sie – wie in Frankreich üblich – mit glatten, bunten und für unsere Augen ein wenig billig aussehenden Möbeln einrichten.

    Da sitzen sie, rauchen ungeniert und ohne jegliches schlechte Gewissen, und haben leere Schreibtische sowie modernste Computer vor sich.

    Einer dieser Makler hatte ein Haus aus dem 16. Jahrhundert zu vermitteln. Sowohl der Mann als auch das Haus waren uns sympathisch gewesen – sympa, wie man in Frankreich sagt. (Sagen Sie einfach mal sympa, betonen Sie es auf der letzten Silbe und Sie werden sich gleich beinahe wie Romy Schneider fühlen – und so dem deutschen Spießertum in Richtung Freiheit und Erotik entkommen.)

    Geübt, wie ich inzwischen war, gelang es mir, vor den staunenden und bewundernden Augen meines neuen Lebensgefährten den Preis um ganze zehntausend Euro herunterzuhandeln.

    Im Unterschied zu seinen deutschen Kollegen, die dabei immer so taten, als habe man damit automatisch Hartz IV für sie beantragt, nahm es der Makler namens Herve Vogel gelassen und sportlich.

    Ich denke, er hätte uns eher für verrückt gehalten, wenn wir den normalen Preis bezahlt hätten.

    Der Ort Sélestat liegt nur ungefähr 120 Kilometer von Karlsruhe entfernt, und doch landeten wir mit einer Tankfüllung in einer anderen Welt.

    Der Notartermin fand in Oberstufenfranzösisch statt und man händigte uns eine Urkunde aus, die aussah, als habe Nicolas Sarkozy persönlich Hand angelegt. Aus jedem einzelnen Dokument sprach die Würde der Grande Nation.

    Wir mussten alles Mögliche unterschreiben – in Deutschland hätten wir uns über den bürokratischen Aufwand aufgeregt. So wurde uns bescheinigt, dass das Haus nicht hochwassergefährdet sei (hierzu wurde uns ein Hochwasserplan von einem Experten vorgelegt, auf dem das bedrohte Gebiet seltsamerweise haargenau vor unserem Haus endete), dass uns nichts von einem Kernkraftwerk in der Nähe bekannt sei – Fessenheim mit seinen Kühltürmen ist fast in Sichtweite – und dass man uns gesagt hätte, dass wir keine Termiten im Haus hätten. Auf den Gedanken war ich bisher noch nicht gekommen. Erleichtert nahm ich das Fehlen dieser Insekten zu Kenntnis. Es handelte sich eben um einen gesamtfranzösischen Vertrag, der auch auf Korsika und auf der Ile de la Réunion seine Gültigkeit hatte.

    Herve vermittelte uns für die wenigen notwendigen Reparaturen einen Handwerker, der fast einen Monat anstatt der vereinbarten Woche brauchte und deshalb die letzten vierzehn Tage praktisch mit uns zusammenlebte.

    Er hieß Sebastien, war geschieden und seither andauernd von der Liebe enttäuscht, rauchte ebenfalls wie ein Schlot, sprach abends beim Wein mit uns in einem unverständlichen Kauderwelsch aus Elsässisch, Französisch und Deutsch und wiederholte gebetsmühlenhaft den Lieblingsspruch der Franzosen »pas de soucis«, was soviel heißt wie »Macht euch keine Sorgen!« Leider lernen unsere Schüler diesen Satz im Französischunterricht nicht, dabei wäre er der wichtigste von allen.

    Irgendwann verließ uns Sebastien, Bargeld in der Tasche und uns seiner ewigen Freundschaft versichernd.

    Meine winzige Mischlingshündin Nessie hatte ihn gerne gemocht und sah ihm von der Eingangstür aus traurig nach, bis sich seine dünne Gestalt in den krummen Gassen verlor.

    Oliver und ich verbrachten ein paar schöne, erotische und kulinarisch angenehme Tage und Nächte in unserem Haus, bevor er zurück auf seine grüne Insel musste.

    Meine Sorgen lachte er weg und nahm die Pannen sportlich.

    Oliver brauchte es als halber Ire nicht zu lernen, aber ich als ganze Deutsche hatte eine Menge Nachholbedarf in Sachen Lebensart: Es geht auch nicht-pünktlich, nicht-perfekt, nicht-wie-ausgemacht.

    Oliver verhieß mir, es werde mit unserem gemeinsamen Leben wahrscheinlich genauso chaotisch weitergehen.

    »Du hättest es einfacher treffen können. Doch du hast gewusst, worauf du dich einlässt: Ein Musiker, ein Vater, ein Ausländer, ein Irrlicht.«

    »Aber eins, das nicht so schnell verlöscht, hoffe ich?«

    Sein Engagement in Irland und das Schuljahr von Kelly gingen vor. Erst im nächsten Sommer würden wir als neue Familie endgültig vereint sein: Ein Ereignis, dem wir alle drei mit einer Mischung aus Spannung und Furcht entgegen sahen.

    Ich brachte Oliver zum Flughafen in Straßburg, der ein wenig provinziell aussieht, winkte dem kleinen schlanken Stahlkörper nach, bis er als Punkt Richtung Westen verschwand, trank einen Café noir in einer Bar in der Halle und fuhr dann langsam über die gewundenen Landstraßen durch kleine Weindörfchen im Dornröschenschlaf nach Hause.

    Dann war ich erst mal alleine. Und ich stellte einen großen Unterschied fest: Das Elsass ist gut und schön, wenn du abends hinfährst, Flammkuchen isst und danach nach Hause zurückkehrst. Immer dort zu leben, fühlt sich anders an. Heimat lernt man erst zu schätzen, wenn man sie von außen betrachtet.

    Derartige küchenphilosophische Erkenntnisse gediehen in meiner Einsamkeit.

    Vor allem im Winter, wenn es um vier Uhr dunkel wurde und sich an den gegenüberliegenden Fenstern die Schatten Fremder bewegten, vermisste ich Nachbarn, mit denen ich jene badischen Nichtigkeiten austauschen konnte, die irgendwie zum Alltag gehörten. »Geht’s?« »Muss!« »Kenn ich. Mir sehn uns mal. Ja?« »Ja, so wie ich mal zum Schnaufe komm. Trinke wir mal en Kaffee so wie früher!« »Du meld’sch dich.« »Mach ich. Bis dahin, lass der’s mal gut gehe.« »Du auch, bis dann. Und grüß daheim!«

    Stattdessen versuchte ich mich in dem Irrgarten der französischen Grammatik zurechtzufinden. Diese Sprache blieb eine Herausforderung!

    Eine Weile lang ist man ja vollkommen begeistert, wenn man herausbringt: »Une baguette, s’il vous plaît?«, aber irgendwann würde man auch gerne mal sagen: »Ein nicht so scharf gebackenes Roggenmisch, bitte, geschnitten, ach, ich sehe, da ist noch ein halbes, könnte ich das auch noch haben? Und täten Sie mir doch bitte eins auf den Montag zurück, ja?«

    Es sind diese kleinen vertrauten Nebensätze, die das Leben prägen und die Heimat ausmachen.

    Sélestat, Kleinstädtchen zwischen den funkelnden Sternen Straßburg und Colmar, hielt jedoch etwas in petto, um Touristen an der Autobahn abzufangen.

    Der Ort nannte sich nämlich stolz die Heimat des geschmückten Weihnachtsbaumes, ohne den in unseren Breiten bekanntlich kein echtes Weihnachtsgefühl gedeihen kann.

    Sogar hartgesottene Jung-Yuppies, die längst irgendwo in Berlin abchillen und von Meeting zu Meeting hetzen, kehren Weihnachten nach Hause zu den Eltern zurück und wären tödlich beleidigt, keinen Baum, der aussieht wie er immer aussah, und keine kalorientechnisch gesehen unkorrekten Fondantringe daran vorzufinden. So meine Erfahrung.

    Und hier im reizenden Sélestat sah ich mich auf Schritt und Tritt von Tannenbäumen umgeben. Der gezierte Baum fand sich schon jetzt im November praktisch auf jedem freien Fleck des Städtchens wider. Am Ortseingang thronte er sogar ganzjährig.

    Sympa.

    Ich kannte mich inzwischen in den engen und bunten Fachwerkgassen, den etwas verwirrend angeordneten Plätzen und kleinen Parks einigermaßen aus. Wusste, wo ich gefahrlos mit Nessie spazieren gehen konnte (die Grünanlage vor der Synagoge mitten im Ort) und wo nicht (die Festungsanlagen von Altbaumeister Vauban – denn die gehörte jenen Hunden, die eigentlich Maulkorbpflicht haben. Eigentlich heißt hier in Frankreich: Sie tragen keinen!).

    In Frankreich hat man sowieso ein anderes Verhältnis zum Hund. Es gibt mindestens einen halben pro Einwohner, denn die Hundesteuer ist hierzulande unbekannt.

    Vielfach wird morgens die Tür geöffnet, der Hund verlässt selbstständig das Haus und streunt den ganzen Tag in der Stadt herum. Es gibt darunter viele kleine Kläffer, aber auch ein paar Kameraden, die aussehen, als diene ihnen Nessie bestenfalls als Amuse gueule, als Gratis-Gaumenkitzler, der hierzulande in den Restaurants vor den Hors d’oeuvre gereicht wird.

    Ich wusste nach einer Weile, wo man gut aß, wo man preiswert, aber gut und wo man teuer einkaufen konnte. Eine alte Frau, Nachfahrin des früheren Nachtwächters ein paar Häuser weiter, passte auf Nessie auf, wenn ich beruflich nach Karlsruhe musste oder genervt war von meinem nonnenhaften Dasein auf 70 Quadratmetern und vier Stockwerken.

    »Gehen Sie nur heim nach Dütschland!« Und sie strich Nessie übers struppige schwarze Haar. Nessie verehrte sie, denn sie kochte dem deutschen Pensionsgast immer Beinscheibe.

    »Ich habe doch Zeit. Keine Enkelkinder. Meine Tochter hat noch keine Kinder. Traurig ist das. Mein Schwiegersohn wäre so ein guter Vater. Und er ist so ein hübscher Mann …«

    Kinder, fuhr sie stolz fort, seien ja in Frankreich kein Problem. Die Kleinen wandern mehrheitlich schon als Babys in ihre bunten Kinderkrippen, die Crèches genannt werden, und die Mamans gehen elegant gekleidet zur Arbeit. Den Männern gleichgestellt.

    So hört man es, und so scheint es zu sein.

    Ich wusste noch nicht viel über das französische Schulsystem. Das einzige, was ich sah, waren erstaunlich diszipliniert wirkende Kinder, die um fünf Uhr nachmittags heimkamen und aussahen, als hätten sie nicht mehr allzu viel Energie für Randale übrig. Tagsüber sah man wenige Kinder auf den Straßen.

    Mein Problem war genau das Gegenteil: Ich hatte zuviel Energie für das kleine Städtchen und das kleine Häuschen.

    Zweimal am Tag rief Oliver an. Morgens flüsterte er, wie sehr er mich in der vergangenen Nacht vermisst habe und sagte ein paar unanständige Sachen auf Englisch, und abends wünschte er mir eine gute Nacht und sprach von seiner Sehnsucht.

    In drei Wochen würden sie mich besuchen. Kelly und er.

    »Sie freut sich schon auf dich!«, log er. Ich glaubte ihm nicht. Wäre ich Irin, dreizehn Jahre alt und müsste erleben, wie mein Vater eine Deutsche einschleppte, mit der ich in Zukunft unter einem mühsam gedeckten Dach zwischen mittelalterlichen Wänden in einem fremden Land auskommen sollte, hätte ich mich bestimmt nicht gefreut.

    Nun ja. Was

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