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Das ungeteilte Vertrauen
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eBook265 Seiten3 Stunden

Das ungeteilte Vertrauen

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Über dieses E-Book

Redakteur Eich Perner und seine Mitarbeiter sehen sich seit dem Einzug der Amerikaner, Briten und Franzosen im August 1945 in Wien mit der Tatsache konfrontiert, dass die drei Westalliierten neben den Russen versuchen, in ihrer Besatzungszone eine starke, mediale Hegemonie zu errichten. In den ersten Jahren der "Kleinen Österreichischen Zeitung" scheint das größte Problem offensichtlich in der allgemeinen Papierknappheit zu liegen, auch wenn es in den ersten Ausgaben bloß um vier Seiten geht, die in den alten Maschinen gesetzt und gedruckt werden. Und wenn schließlich alles funktioniert, kann man nur hoffen, dass es keinen Stromausfall gibt. Größtes Problem aber ist die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln. Das Land befindet sich in einer tiefen Krise und die bleibt nicht nur auf Österreich alleine beschränkt. Die Sowjets etwa versuchen vehement Europa zu schwächen. Die Erzählung dieser Zeitreise über jene kleine Zeitungsredaktion und ihre Redakteure spiegelt jedoch nicht nur die Berichterstattung aktueller Ereignisse im In- und Ausland wider sondern auch die Bemühungen einzelner um die Konstitution einer für alle Mitarbeiter längst fälligen Journalistengewerkschaft. Die Menschen sind politisch interessiert, sei es im Kaffeehaus, in dem sich die Redakteure gerne Denkanstöße von Ober Franz holen oder in der nahen Trafik. Die Ereignisse der letzten Jahrzehnte scheinen sich im Zeitraffer zu überschlagen und reichen von den Bemühungen um den Staatsvertrag über den Ungarnaufstand, die Kubakrise und dem Einmarsch der Russen in die Tschechoslowakei bis hin zum bekannten Waffendeal der siebziger Jahre, der weitreichende Folgen nach sich zieht.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum31. Aug. 2016
ISBN9783738082258
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    Buchvorschau

    Das ungeteilte Vertrauen - Norbert Johannes Prenner

    Kapitel 1

    Die Aussicht

    Man schrieb den 24. April 1947. Obwohl es kaum etwas zu essen gab und der Hunger nach Information eben so groß war wie der nach einer ordentlichen Mahlzeit, begnügte sich Erich an diesem Tage damit, sich an irgendeinem Kiosk anzustellen, um ein Exemplar der „Österreichischen Zeitung" zu ergattern, die paradoxerweise zwar den Namen der wiedergewonnen Heimat trug, aber keine österreichische Zeitung war. In letzter Zeit war die Aufregung unter der Bevölkerung über die bevorstehende Rückkehr aller deutschen Kriegsgefangenen groß, da die Außenminister der Großen Vier nach langem Hin und Her übereingekommen waren, sämtliche in Russland zurückgehaltenen deutschen Gefangenen in ihre Heimat zurückkehren zu lassen, wonach alle hofften, dass ihre seit langem vermissten Familienangehörigen oder Freunde dabei sein könnten.

    Erich erstand also für seine letzten Groschen ein Exemplar jenes Sprachrohres der Roten Armee, in dem Bewusstsein, dass diese Zeitung von einem in Moskau zusammengestellten und ausgebildeten Team von Offizieren redigiert worden war, und in der Hoffnung, dass diese Zeitung am neuesten Stand der Informationen war, obwohl das „Neue Österreich" dieser Zeitung in der Lesergunst längst den Rang abgelaufen hatte. Mit der Zeitung unterm Arm begab er sich schnurstracks ins Café Bräunerhof und ließ zunächst einmal beim Ober einen kleinen Schwarzen anschreiben, denn als Redakteur war er dort ein gern gesehener Gast und aufgrund der Tatsache, dass er stets die neuesten Nachrichten mitbrachte, auch kreditwürdig. Um 15 Uhr würde er seine Frau am Stephansplatz treffen, so blieben noch ganze zwei Stunden bis dahin, und die gehörten ihm, ihm ganz alleine, in seiner Hoffnung, dass die Verantwortlichen dieser Welt den dringenden Appell Papst Pius des XII. zur Wahrung der Moral und der Einigkeit ernst nehmen mochten, um die Gegensätze, die sich auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und vor allem kulturellem Gebiet in den letzten Jahren entwickelt hatten, auf einen Nenner zu bringen.

    Zustände, vor denen selbst die mutigsten Menschen in den letzten Jahren erschaudern mussten. Seit dem Einzug der Amerikaner, Briten und Franzosen im August 1945 hatten die drei Westalliierten vergeblich versucht, in ihrer Besatzungszone eine starke, mediale Hegemonie zu errichten, wobei sie neben ihren Zeitungen auch die Rundfunkstationen Rot-Weiß-Rot und Alpenland betrieben. Zusätzlich zur Österreichischen Zeitung der Russen fungierte der von Amerikanern gegründete Wiener Kurier als Sprachrohr britischer Vormundschaft. Das hatte man nun davon. Amüsiert über den Bericht vom Staatsbankett im Kreml, bei dem angeblich nichts von all´ den Spannungen bemerkt wurde, welches Stalin mit einem Trinkspruch eröffnet hatte, und bei dem Molotow ihn mit zwanzig Trinksprüchen wohl zu übertreffen gedachte, bestellte er ein Glas Wasser und war sich darüber im Klaren, dass die frommen Wünsche der Amerikaner nach einer raschen Lösung solche bleiben würden, und zwar für längere Zeit.

    „Was meinen Sie, Herr Franz, wie lange werden uns die in Moskau noch an der Nase herumführen? fragte er den Ober. „Also, wenn Sie mich so fragen, Herr Doktor, dann kann ich nur eins sagen, ein Kompromiss wird´s werden, mehr dürfen wir nicht erwarten, Sie werden sehen! Aber - wenn ich die dummen Sprüch´ von den Engländern schon hör´, dass es keinen Grund gibt, dass Österreich nicht ein blühendes Land werden könnte, dann vergeht´s mir, wenn Sie wissen was ich meine! „Ja, natürlich, entgegnete Erich nachdenklich, vergeblich in seinen Taschen nach einer Zigarette kramend. „Nehmen´s eine von mir, Herr Doktor, bitte! Sie sind ja Stammkunde g´wesn, immer schon, hoffentlich bleiben´s uns auch in Zukunft treu! Erich bedankte sich höflich und bat um Feuer. „Und noch was sag´ ich Ihnen.

    Wenn die Russen nicht so arrogant und verstockt wären und nicht alles blockieren täten, dann hätt´ ma schon längst unsern Vertrag und a Ruh´ wär, finden´s nicht? „Sicher. Im Zeitschinden sind sie einmalig auf der Welt. Leider wird auch die Kluft zwischen den beiden Großen immer gewaltiger. Überall nur Krisen. Die griechische, die türkische und weiß der Teufel noch welche! „Wem sagen Sie das, Herr Doktor. Und dabei versichert man und uns täglich, dass weder die Russen, noch die Herren Amerikaner einen neuen Krieg wünschen. „Eben. Zwei Jahre dauert das Debakel um den sogenannten dauerhaften Frieden nun schon. Bis jetzt sind sie in ihren Verhandlungen über theoretisches Bla-Bla nicht hinausgekommen. Jetzt brauchen wir den Truman, der uns mitteilt, dass mit der Bergpredigt vor 2000 Jahren bereits alle Voraussetzungen für einen dauerhaften Völkerfrieden geschaffen worden sind! Beide lachten herzlich.

    „Das ist wirklich ein guter Witz, Herr Doktor, nur glaub´ ich, wird das die gottlosen Russen einen Dreck kümmern, wenn Sie verstehen, was ich mein´. „Da haben Sie auch wieder Recht, Herr Franz. Wie ich immer sag´, der Russ hat noch was ganz Anderes vor, sonst täten die nicht so darauf drängen, dass die Amis hier möglichst bald wieder abziehen und gar ihnen das Territorium überlassen. Bei dem Gedanken fühl´ ich mich gar nicht wohl. Sie doch auch nicht, oder? „Na, das können´s glauben. Aber – nicht bös´ sein Herr Doktor, ich muss – dort drüben, Kundschaft!" Erich wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Zumindest brauchte er heute nicht vor 17 Uhr in der Redaktion sein. Er war in Sorge, dass das Papier für die Abendaus-gabe wieder nicht reichen würde. Der Volksstimme ging es da schon besser, die wurden von den Sowjets mit den Lieferungen bevorzugt behandelt. In der Regel ging es ohnehin bloß um vier Seiten, die in den alten Maschinen, mühsam zusammengeflickt, gesetzt und gedruckt wurden. Und wenn schließlich alles funktionierte, konnte man nur hoffen, dass es keinen Stromausfall gab. Wer von den Journalisten nicht das Glück hatte, für eine Besatzungsmacht zu schreiben, musste seine Artikel eben mit leerem Magen verfassen, und das Hungergefühl verstärkte sich nach Redaktionsschluss nur noch mehr, wenn es nicht vom Arbeitsstress verdrängt wurde.

    Danach ging man nach Hause, in der Hoffnung, nicht vom großen Unbekannten überrascht zu werden, über dessen Untaten man zuvor lang und breit berichtet hatte. Dabei gehörte Erich noch zu den Glücklichen, einen Arbeitsplatz zu haben, auch wenn dabei ein Teil seines Lohnes nur in Naturalien abgegolten wurde, die mit Geld gar nicht zu bezahlen gewesen wären. Immerhin, man konnte genug Brot und Gemüse, zwar kaum Fleisch, jedoch Fett, Zucker, Milch- und Eipulver bekommen, und – es gab Zigaretten und Kaffee von den Amerikanern. Erich blickte über den Rand seiner Brille und sah s i e lange an. Sie war dunkelhaarig, schwarzes Kostüm, Mitte vierzig, schien groß und schlank und saß an einem kleinen Tisch am straßenseitigen Fenster. Sie blätterte offensichtlich bloß so zum Schein in einer Broschüre, ohne richtig darin zu lesen und rauchte. Aus dem Volksempfänger konnte man leise Straußwalzer hören. Erich schrieb ein paar Notizen auf den Zeitungsrand, die ihm für die bevorstehende Redaktionssitzung wichtig schienen, die Dame in Schwarz immer wieder beobachtend.

    Mit der Aufnahme seiner journalistischen Arbeit und seiner Verantwortung gegenüber dem wieder erstandenen Österreich war auch bei ihm der Wunsch nach Absicherung der beruflichen Tätigkeit erwacht, denn schließlich träumte jeder von der Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen, ja, träumte davon, irgendwie einen Ausweg aus den herrschenden chaotischen Verhältnissen zu finden. Einige Kollegen aus den Redaktionen der Arbeiter-Zeitung, des Kleinen Volksblattes, der Volksstimme und des Neuen Österreich hatten sich bereits vor zwei Jahren getroffen, um die Möglichkeiten zur Gründung einer alle politischen Gruppierungen umfassenden gewerkschaftlichen Organisation zu erkunden. Man hatte ein Komitee gegründet, das den Auftrag erhalten hatte, alle in Wien anwesenden demokratischen Vorkriegsjournalisten zusammenzutrommeln, um vorerst einmal mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund Fühlung aufzunehmen, mit dem Ziel, sich in eine überparteiliche Bewegung einzugliedern.

    Doch obwohl Erich über seine eigene Situation in dieser Sache angestrengt nachdachte, warf er immer wieder prüfende Blicke in Richtung jener Dame am Fenster. Inzwischen war auch sein Kaffee kalt geworden. Die Dame in Schwarz rauchte eine Zigarette nach der anderen. Vier Herren in amerikanischen Uniformen hatten in der Zwischenzeit neben dem uralten, schwarzen Piano Platz genommen und tranken helles Bier aus schmalen, hohen Gläsern. Sie unterhielten sich dezent, nicht so unzivilisiert, wie die Russen neulich. Es war bereits viertel nach eins. Einigermaßen entspannt lehnte sich Erich an die mit grünem Kunstleder bespannte Lehne der Sitzbank und gähnte. Ober Franz stand unbeweglich an der Theke und warf ihm verständnisvolle Blicke zu. Dabei deutete er mit seinem Kopf in Richtung der Dame am Fenster. Erich nickte. Man hatte sich verstanden, was auch immer es hätte bedeuten sollen, als plötzlich Carl an Erichs Tisch trat, heller Staubmantel, Kragen hochgestellt, einen Packen Zeitungen unterm Arm.

    „Hier versteckst du dich also, gut, dass ich dich gefunden habe! Es gibt Neuigkeiten, mein Lieber! „Was du nicht sagst. So setz dich doch endlich! forderte er Carl auf. „Du trinkst doch ein Bier mit mir, wenn ich dir erlaube, mich einzuladen, oder? Du schaust aus, als ob du bezahlen könntest! Sie lachten beide herzlich. „Herr Franz! Zwei Helle wenn ich bitten darf! rief Carl dem Ober zu. „Sehr wohl die Herren. Hamma was zu feiern oder was? „Also wo brennt´s? fragte Erich. Carl, der inzwischen seinen Mantel abgelegt und sich gesetzt hatte, begann: Also, hör´ zu. Er sprach aber nicht weiter, sondern drehte sich vorsichtig um in Richtung Dame am Fenster und fragte ganz leise: Wer ist die, bitte schön? Wieso sitzt du noch hier? „Also, ich bin ein treuer Ehemann, ja! Nur damit du´s weißt. Wer sie ist, weiß ich leider auch nicht. Ich habe bis jetzt nur festgestellt, dass sie hervorragend rauchen kann." Sie lachten laut. „Vage Auskünfte, Herr Doktor, sehr vage!

    So, im Ernst, die Sache ist die: Es gibt da ein paar Gestrige, die von nichts gewusst haben wollen, wie die beiden Ex-Propagandisten aus dem Zwanzigsten. Du weißt, wen ich meine! Jetzt, wo die Amis da sind, sind sie gar nicht mehr so vorlaut wie damals. Dahin ist der Heldenmut, und vom Tausendjährigen Reich ist nix mehr übrig, so schaut´s aus! Sie wollen zu uns, in die Redaktion! „Nein, das gibt´s nicht! „Doch Dooch! „Das täte ihnen so passen! Haben die noch die alten Ausweise?. „Das musst du die Leute aus dem Proponentenkomitee fragen. Jedenfalls haben beide die Fragen nach ihrer Mitgliedschaft mit „Nein angekreuzt. „Das sieht ihnen ähnlich. Wie lässt sich das mit ihrer viel gerühmten Ehre vereinen, frag´ ich mich, was, Carl? „Ja, jetzt sagen´s nix mehr, die Burschen. Erst stramm stehen, dann die Knie hängen lassen. Das sind mir die Richtigen. Der Ober brachte das Bier. „Bitte sehr, ein Krügerl für Herrn Doktor! Ein Krügerl für den Herrn Redakteur! Sehr zum Wohl´ die Herren! Sie prosteten sich zu und nahmen einen großen Schluck aus ihrem Glas.

    „Immerhin, sagte Carl, und leckte sich den Schaum vom silbergrauen Schnurrbärtchen, „hat der Kanzler höchstpersönlich gemeint, man wäre entschlossen alles dafür zu tun, dass die Presse in einer demokratischen Republik ihre Aufgabe ordentlich wahrhaben und erfüllen kann, und dass es zu den Pflichten eines österreichischen Journalisten gehört, den entschlossenen Kampf gegen die alten Nazis, gegen Großdeutsche und militärische Ideologien samt ihren Doktrinen im politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben zu führen. „Oh, welch später Wandel! ätzte Erich und trank von seinem Bier. „Genau! Man soll die Hoffnung nie aufgeben, sag´ich immer. Ist ja auch unser wichtigster Faktor in diesem Land, so wie wir dastehn.

    „Und das, Erich, kannst du denen morgen in der Sitzung mitteilen, dass erwartet wird, nur Mitglieder zuzulassen von denen erwartet werden kann, dass sie an diesem Kampf rückhaltlos teilnehmen, wenn sie brauchbare Mitglieder dieser Gesellschaft sein wollen! „Darauf trinken wir! lachte Erich und sie hoben die Gläser. Die Amerikaner hoben die Köpfe und schauten mit ernsten Mienen zu ihnen herüber. „Sind wir schon eine Versammlung, oder was? brummte Carl und zwinkerte Erich verschmitzt zu. „Hoffentlich fangen sie in den eigenen Reihen an. meine Erich nachdenklich. Carl nickte. „Geh´, Herr Franz, bringen Sie uns zwei Virginier? Und Zünder täten wir auch brauchen, orderte Carl. „Auf alle Fälle kommt es darauf an, wer im Vorstand ist, oder? fragte Erich. „Warum, es gibt doch Richtlinien, die erst beschlossen worden sind. Einer der wenigen Vereine mit Grundsätzen! stellte Carl klar. „Mit ehrenhaften, hoffentlich. Sie schwiegen eine Zeit lang. Der Ober brachte die Virginier auf einem silbernen Tablett. „Nobel, was?" lachte Carl.

    Nachdem sie die Zigarren angezündet und dichte Wolken in den Raum geblasen hatten, meinte Erich: Nein, kommt nicht in Frage. Es darf niemand aufgenommen werden, wer etwas zu verbergen hat. Das müssen wir durch-setzen. „Und? Was passiert mit den Privilegierten?, fragte Carl? „Gibt es die? „Hast du eine Ahnung! Na schön, es mag Ausnahmefälle geben, wenn schwerwiegende Fälle vorliegen. „Mein ich ja, Erich! „Etwa dann, wenn außerordentliche Verdienste um die Befrei-ung unseres Landes vorliegen oder so? „Wirst schwer finden in diesen Kreisen, glaubst nicht? antwortete Carl amüsiert. „Ist ja egal. Denk´ zum Beispiel an die Eva Müller und an den Erwin Javorsky, die beiden Schmierfinken. Solchen Leuten darf man einfach keine Chance geben. Sie war Schriftführerin, er hat die Beiträge geliefert – fest steht auf alle Fälle, wer je in diesem Bereich tätig war, wer jemals für den Nationalsozialismus eingetreten ist oder seine Verlängerung gefordert hat, soll als Journalist in einem demokratischen Land nichts zu melden haben! „Dein Wort in Gottes Ohr. Prost, Erich", lachte Carl und fügte hinzu, „aber eines kannst du glauben, die werden alle ordentlich unter die Lupe genommen, verlass´ dich drauf.

    Erinnere dich, sie haben auch alle Polizisten entlassen, die im Naziarbeitseinsatz als Lohnempfänger verwendet worden sind. Warum soll´s bei den Journalisten anders sein, frag ich mich? Ich sage dir, du machst dir keine Vorstellungen, welche Phantasien so manche ‚Kollegen‘ entwickelt haben, um ihre publizistische Tätigkeit für das Nazi-Regime zu recht-fertigen, um eine Berufserlaubnis zu erhalten. Ich weiß das, weil es mir Paul erzählt hat. Unglaublich, sag´ ich dir. Erich nickte verständnisvoll. Carl, der aus vollem Halse lachen musste, fuhr fort: Du kennst doch auch den Zeller, nein? Der soll sich vor dem Reichsverband der deutschen Presse nur deshalb auf seine vor 1938 geschriebenen pronazistischen Artikel berufen haben, um zusätzliche Gut-punkte für seine Beförderung zum Redakteur vorweisen zu können. Was sagt man dazu?"

    „Manchen ist wirklich nichts zu blöd, um eine weiße Weste vorzutäuschen, in der Tat. „Warte, das Beste kommt noch, weil ihm der Untersuchungsausschuss nämlich diese Argumente abgenommen hat und – du wirst es nicht glauben, sie haben seinem Antrag um Aufnahme in die Gewerkschaft zugestimmt. Bummsti! Carl hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Erbost drehte sich ein älterer Herr mit Nickelbrille an dem kleinen runden Tisch hinter ihnen um und warf Carl strafende Blicke zu. „Ja, wenn das so auch geht? staunte Erich. „Natürlich, alles geht, wenn du einen guten Schmäh hast bei uns in Österreich, alles, Erich, alles! Carl zündete die erloschene Virginier abermals an. „Was die alles im Ausschuss zu hören kriegen, da stellt´s dir die Haare zu Berge, das kannst´ mir glauben. Ein Regimekonformer, im Reichsverbandsakt eindeutig registriert, mit Punkt und Komma, bestreitet seine NSDAP-Mitgliedschaft und hat echte Dokumente vorgelegt, die ihn als Widerstandskämpfer ausweisen. Den haben sie auch aufgenommen. Na, da sagst nix mehr, was?"

    Erich schüttelte nur ungläubig den Kopf und schaute zum wiederholten Male auf seine Uhr. „Oder, der, der – dieser Wilfinger, genau, fügte Carl hinzu, „ hat nach dem 11. März 38 nur mehr im braunen Hemd geschrieben. Der war weder Chef-redakteur noch sonst irgendwas Bedeutendes, das Würschtl, und trotzdem waren alle von seiner Gunst abhängig. Jud´ möcht´ ich bei dem nicht gewesen sein, ehrlich, auf die war er ganz besonders scharf, weil von denen alle was können haben und er keinem von ihnen das Wasser reichen konnte. So war das, hmm! „Ja, den kenn´ ich auch, erwiderte Erich, „ der hat doch in dem Rekursverfahren damals den journalistischen ‚Goldfasan’ herauskehren wollen, dass er 1938 ‚getarnt’ agiert hätte. Nur hat er leider vergessen, wovor er sich mit seiner Tarnung hatte schützen wollen, und dann haben sie ihn abgelehnt. Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus.

    Im gleichen Augenblick vernahm man das Klirren zerschlagenen Porzellans aus der Küche. „Na alsdann, jetzt hamma´s! schimpfte Herr Franz und stürmte durch die Schwingtür in die Küche, um nach dem Rechten zu sehen. „Was ist denn das für eine Aufregung?, empörte sich der ältere Herr am runden Tischchen, „hier kann man nicht einmal mehr in Ruhe seine Zeitung lesen! Indessen war die Unbekannte am Fenster aufgestanden. Sie schien wirklich hoch gewachsen, nicht nur wegen der Stöckelschuhe die sie trug, und sie war gertenschlank. Carl und Erich verrenkten sich beinahe die Hälse nach ihr. Sie schlüpfte in einen dunklen Pelz, in den ihr Herr Franz aufmerksam geholfen hatte, und trat grußlos aus dem Café auf die Straße. „Nicht schlecht, würd´ ich sagen, was, mein Lieber? Carl paffte an seiner Virginier. Erich dämpfte die seine im Aschenbecher aus. „Ich bin schon neugierig, was die in Moskau wieder ausverhandelt haben, fuhr er fort, „der Marshall hat gesagt, dass die Verhandlungen über den Staatsvertrag restlos gescheitert sind.

    „Ich hab´ gehört, dass die UNO im September die Verhandlungen fortführen soll. „Bitte, jetzt haben wir April. Glaubst du, die bringen bis dahin mehr zusammen? Wenn du mich fragst, ich nicht. Der Karren ist doch total verfahren. „Außerdem wollen sich die alle in Genf treffen. „Als ob´s dort was anderes wär´, lächerlich!, ärgerte sich Carl. „Der Molotow wird eine Kommission einsetzen, hört man. „Was für eine Kommission? fragte Carl. „Na, zur Beratung vom Vertrag eben, antwortete Erich. „Ah ja. Is´ mir langsam auch Wurscht. Ich mein´, wir können ja eh nix ändern, oder? In der Zwischenzeit hatten die Amerikaner die x-te Runde Bier bestellt. „Ich glaub´, ich bin im falschen Land geboren worden, Erich seufzte Carl, und blickte traurig in sein leeres Glas, hob es hoch, drehte es um und ließ die letzten Tropfen auf den am Tisch liegenden Bierdeckel fallen. „Ich komm´ zu spät, Carl, wenn ich jetzt nicht geh´. Ich danke dir schön für die Einladung. Ruf mich am Abend in der Redaktion an, dann sag´ ich dir Bescheid wegen der Sitzung. „Nix zu danken, und – bleib sauber!" rief dieser Erich nach.

    Kapitel 2

    Stephansplatz, 17 Uhr 10 Erich völlig außer Atem: „Maria, es tut mir Leid, ehrlich. Carl hat mich so lange aufgehalten. Sie umarmten sich innig und küssten sich leidenschaftlich. „Mach dir keine Gedanken, ich bin selber erst seit zwei Minuten hier. Die Franzi hat mir gesagt, wir könnten übers Wochenende ins Strandhotel am Wallersee fahren. Sie möchte´ uns gerne einladen, du .... mein Gott, hast du dich heute schon in den Spiegel gesehen, also ... wie du ausschaust – blass, Ringe unter den Augen! Heute wird aber geschlafen, hörst du? Du rührst mir die Schreibmaschine nicht mehr an vor morgen früh, verstan-den? „Ja, mein Schatz, alles mein Schatz. Nur, weiß deine Franzi überhaupt, ob es noch freie Zimmer gibt am Wallersee? Hast du eine Ahnung, was dort los ist in letzter Zeit! Lauter erholungsbedürftige Journalisten! Und denkst du an die verlausten Decken voriges Jahr?" „Geh, sei nicht so zimperlich, Erich. So schlimm waren die auch nicht. Ein bisserl gekratzt haben sie halt. Das was alles. Aber vielleicht ist heuer schon wieder alles anders, besser.

    Lassen wir

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