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Mord & Totschlag. Et cetera.: Spannende Krimis und Thriller schreiben
Mord & Totschlag. Et cetera.: Spannende Krimis und Thriller schreiben
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eBook386 Seiten4 Stunden

Mord & Totschlag. Et cetera.: Spannende Krimis und Thriller schreiben

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Über dieses E-Book

Krimis und Thriller sind das beliebteste Genre des Lesepublikums. Doch sie zu schreiben hat seine Tücken. Die „Logik des Verbrechens“ ist ebenso essenziell wie die Vermeidung von Klischees. Die Psychologie von Tätern und Opfern ist ebenso wichtig wie die Glaubwürdigkeit der Figuren. In diesem Schreibratgeber verrät die erfolgreiche Krimiautorin Mara Laue, wie gute Krimi- und Thrillerhandlungen aufgebaut werden, wie Spannung erzeugt und gesteigert wird, welchen Einfluss die Perspektive auf die Handlung hat und vieles mehr. Kapitel über die Entstehungsgeschichte des Kriminalromans und eine Übersicht über die gängigsten Subgenres runden das Buch ab. Ein Sonderkapitel erläutert ausführlich die reale Polizeiarbeit und beantwortet viele Fragen, die sich nicht nur Krimischreibenden stellen.
Ein „Must-have“ für alle, die Krimis/Thriller schreiben wollen, welche sich positiv von der Masse abheben.
SpracheDeutsch
HerausgeberAutoren.tips
Erscheinungsdatum21. Okt. 2023
ISBN9783961273430
Mord & Totschlag. Et cetera.: Spannende Krimis und Thriller schreiben

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    Buchvorschau

    Mord & Totschlag. Et cetera. - Mara Laue

    Titel

    Mord & Totschlag. Et cetera.

    Spannende Krimis und Thriller schreiben

    Mara Laue

    Impressum

    Copyright: vss-verlag

    Jahr: 2023

    Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt

    Covergestaltung: Kornelia Ingwardsen

    Verlagsportal: www.vss-verlag.de

    Gedruckt in Deutschland

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publi-kation in der Deutschen Nationalbibliografie

    Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Verfasserin unzulässig.

    Aller Anfang ist schwer

    Meinen ersten Kriminalroman schrieb ich mit achtzehn Jahren. Zuvor hatte ich mich schon seit dem Alter von zwölf mit Pferdegeschichten, Western, Science Fiction, Horror, Lyrik – die einzige Leidenschaft, die die Schule jemals in mir erweckte –, Fantasy und Urban Fantasy ausgetobt; zwei Jahre später kamen noch Liebesromane dazu. In „Die dritte Seite ging es „natürlich um Mord. Die Geschichte als solche war nicht schlecht, obwohl oder gerade weil sie ein Hybrid war und auf einer zweiten Ebene eine Liebesgeschichte thematisierte. (Die Handlung lief auch zum Teil auf zwei Zeitebenen ab.) In deren Tragik lag die Ursache für den Mord, aber durch den und seine Aufklärung bekam sie ein Happy End.

    Nun folgt das „große ABER: Ich hatte in diesem Roman alle nur möglichen Neulingsfehler gemacht. Meine „Mordkommission bestand getreu dem Vorbild aus den Vorabendfernsehkrimis und allzu vielen Büchern, in denen das ebenso dargestellt wurde, aus nur drei bis vier Leuten. Deren Ermittlungsarbeit basierte ebenfalls auf diesen Serien und war von keinerlei Sachkenntnis „getrübt (siehe Kapitel 10). Ich hatte an einigen Stellen die Handlung so zurechtgebogen, dass sie (mir) passte und die Realität ignoriert. Von „Show, don’t tell!, der Kunst des guten Beschreibens (Kapitel 5), hatte ich noch nie gehört. Spannungsbogen, Konfliktvarianten, Grundspannung – unbekannte Größen! Ich bediente nahezu alle Klischees, die thematisch reinpassten, meine Dialoge klangen wie ... – irgendwas, nur nicht wie echte Dialoge. Meine Figuren verhielten sich teilweise unglaubwürdig, und der Täter verriet sich schon lange vor der Aufklärung durch sein klischeehaft unsympathisches Verhalten. Und der Rest war keineswegs besser.

    Kurzum: Der Roman war eine Katastrophe. Weil er aber mein erster vollständiger Roman war (die anderen Werke in anderen Genres besaßen maximal Heftromanlänge), fand ich ihn toll. Und hätte mir damals jemand wohlmeinend die schiere Fehlerfülle aufgezeigt, ich hätte ihn oder sie im Geist mit allen erdenklichen Mordmethoden vom Leben zum Tode befördert. (Den Überbringer schlechter Nachrichten hinzurichten, hat schließlich eine lange Tradition!) Da hatte ich mir so viel Mühe gegeben, einen guten Roman zu schreiben, hatte mein Allerbestes reingebuttert und ziemlich viel „Herzblut dazu – und er war trotzdem „Schrott, wie ich später rückblickend zugeben musste. Ich wusste eben noch nichts über das Schreibhandwerk, geschweige denn die Feinheiten, die beim Schreiben von Krimis und Thrillern zu beachten sind. Solche ernüchternden, niederschmetternden Erkenntnisse tun immer weh, und zwar unabhängig davon, ob jemand anderes uns darauf aufmerksam macht oder wir selbst eines Tages dahinterkommen.

    Trotzdem war dieser Roman mein erster, der dreißig Jahre später nach einer sehr (!) gründlichen Überarbeitung veröffentlicht wurde. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits Berufsschriftstellerin und hatte durch zig veröffentlichte Science-Fiction- und Fantasy-Heftromane handwerklich enorm dazugelernt. Inhaltlich war er immer noch nicht das Gelbe vom Ei. Deshalb und trotz des Twists mit der zusätzlichen Liebesgeschichte oder vielleicht gerade deswegen, weil viele Lesende damals (2008) Mixgenres eher ablehnten (heute ist das anders), war ihm kein Erfolg beschieden, denn das „Gelbe vom Ei" fehlte.

    Seitdem sind 15 Jahre vergangen, in denen ich 21 Krimis und Thriller plus 14 Okkult-Krimis (Mixgenre aus Krimi und Urban Fantasy) geschrieben habe (Stand 2023). Mit jedem Roman habe ich dazugelernt, durch die Rückmeldungen aus dem Lektorat und denen der Lesenden (Rezensionen). Und mit jedem Berufsjahr lernte ich mehr über den Buchmarkt und was dort „geht" und was nicht. Auf diesen gesammelten Erfahrungen basiert dieses Buch, mit dem ich hoffe, Ihnen die Werkzeuge und das Wissen in die Hand zu geben, Neulingsfehler zu vermeiden, den Fortgeschrittenen unter Ihnen ein paar zusätzliche Tipps und Kniffe zu offenbaren und Ihnen allen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Sie Ihre Werke positiv aus der Masse der schon existierenden Krimis und Thriller herausheben können.

    Aller Anfang ist schwer. Alle Profis und heutigen Bestsellerschreibenden haben „klein" angefangen mit suboptimalen Werken, die vor handwerklichen Fehlern mehr oder weniger wimmelten. Im Durchschnitt haben wir alle zehn Romane geschrieben, bevor der erste veröffentlichungsreif war (bei mir waren es ungefähr zwanzig in unterschiedlichen Genres), denn nur die Übung bringt die Meisterschaft.

    Ich hoffe, Ihnen mit diesem Buch auf dem Weg zu Ihrer Meisterschaft im Schreiben von Krimis und/oder Thrillern helfen zu können und den Weg zum (ersten) Erfolg ein wenig zu ebnen. Denn den wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen!

    Mara Laue

    Niederrhein, 2023

    WICHTIGER HINWEIS

    Bevor Sie mit dem Aufbau eines Plots ins Handwerkliche einsteigen, sollten Sie sich damit vertraut machen, wie der heutige Krimi/Thriller überhaupt entstanden ist (Kapitel 1), was den Krimi vom Thriller unterscheidet (Kapitel 2) und wie viele verschiedene Subgenres existieren (Kapitel 3). Diese Dinge sind essenziell für den Aufbau eines Plots. Wem sie schon vertraut sind, kann gleich ins Handwerk eintauchen und sich gerne auch einzelne Gebiete herauspicken. Alle Kapitel sind in sich geschlossen und einzeln lesbar.

    1. Kain und Abel: die Ursprünge des Kriminalromans

    Verbrechen gibt es, seit in grauer Vorzeit die Vorfahren der heutigen Menschen die Moral entwickelten und die ersten Definitionen von Recht und Unrecht festlegten. Auch deren künstlerische Verarbeitung hat eine lange Tradition. Zunächst finden wir sie in überlieferten Mythen, Märchen und Sagen, bei denen es teilweise recht blutig zugeht. Besonders in den Märchen, die im Gegensatz zu Sagen und Legenden, welche einen wahren Kern enthalten, frei erfunden sind, werden reihenweise Verbrechen begangen. Sie reichen von Diebstählen, Intrigen, Betrug, üblen Zaubereien und sonstigen Hinterlisten bis hin zu Verstümmelungen, Morden und Mordversuchen.

    Auch viele Stücke des antiken Theaters, das seine Blütezeit im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung erlebte, thematisieren Verbrechen, deren Verfolgung und Sühne. In der dreiteiligen „Ore-stie" von Aischylos (525-456 vor unserer Zeitrechnung) geht es um den von Orestes’ Mutter Klytaimnestra an ihrem Mann Agamemnon begangenen Mord, den Orestes rächt, indem er seine Mutter und deren Liebhaber Aigisthos erschlägt und sich am Ende vor den drei Rachegöttinnen, den Erinyen, dafür verantworten muss.

    „König Ödipus" von Sophokles (497-406 vor unserer Zeitrechnung) besteht gleich aus einer ganzen Reihe von Verbrechen. Weil ein Orakel dem König von Theben weissagte, dass sein Sohn ihn eines Tages erschlagen und die eigene Mutter heiraten werde, beauftragt er einen Diener, das Baby zu töten (Mord). Der lässt es zwar am Leben, setzt es aber aus. Ödipus wird gefunden und von einer anderen Familie aufgezogen. Eines Tages gerät er als Erwachsener mit einem Fremden in Streit und erschlägt ihn (Totschlag) – ohne zu wissen, dass dieser Mann sein leiblicher Vater ist. Weil Ödipus dessen Heimatstadt von der todbringenden Sphinx befreien kann, bekommt er die Königin zur Frau – nicht ahnend, dass sie seine leibliche Mutter ist – und zeugt Kinder mit ihr (Inzest). Doch am Ende kommt das Ganze ans Licht, und die Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf.

    In „Medea von Euripides (480-406 vor unserer Zeitrechnung) geht es um von ihr begangenen Betrug mit Todesfolge, blutige „Scheidung mit mehrfachem Mord einschließlich Tötung der eigenen Kinder. Medea flieht, und ihre Taten bleiben ungesühnt.

    Die Tradition, Verbrechen nicht nur in Theaterstücken, sondern auch in Gemälden und Skulpturen zu verarbeiten, ist wirklich alt.

    Darüber, wer sich rühmen darf, den ersten Kriminalroman geschrieben zu haben, streiten sich die Geister. Unter anderem deshalb, weil sich derartige Überlegungen in der Regel ausschließlich auf die westliche Welt beziehen und die vielen Erzählungen und Romane der orientalischen und asiatischen Literatur außer Acht lassen.

    Belegt ist, dass der Römer Cicero (106-43 vor unserer Zeitrechnung), der nicht nur Staatsmann, sondern auch Anwalt war, seine Plädoyers veröffentlichte und diese von der Bevölkerung als Unterhaltungsliteratur gelesen wurden, obwohl es sich um Sachtexte handelte. Im Mittelalter beschränkten sich spannende Erzählungen zunächst auf mündliche Berichte über wahre Verbrechen, die von fahrenden Sängern (Bänkelsängern) vorgetragen wurden, weil der Großteil der Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte. Schon bald wurden diese Geschichten aber ausgeschmückt, um ihre Spannung und das Gruseln beim Publikum zu steigern und dementsprechend auch die Einnahmen der Vortragenden zu erhöhen.

    Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert kamen auch „echte Kriminalgeschichten auf den Markt. Als eine der ersten kann die Fabel „Reineke Fuchs gelten, die 1498 zum ersten Mal gedruckt veröffentlicht wurde. Darin ist Reineke, der Fuchs, ein Berufsverbrecher, der vor König Nobel (einem Löwen) erscheinen und abgeurteilt werden soll. Nachdem er die Boten des Königs beinahe getötet hat (fahrlässige Tötung beziehungsweise Mordversuch sowie späterer Mord am Hasen Meister Lampe), wird er zwangsvorgeladen und zum Tode verurteilt. Reineke gelingt zunächst, sich mit hanebüchenen Lügengeschichten aus der Bredouille zu winden. Als danach sein Mord am Hasen entdeckt wird, kommt es zu einer zweiten Gerichtsverhandlung und einem neuen Todesurteil, das der Wolf in einem Zweikampf mit Reineke vollstrecken soll. Reineke gewinnt entgegen allen Erwartungen, wodurch er nicht nur freikommt, sondern vom König auch zu seinem Berater ernannt wird. Krimi pur! Weil „Reineke Fuchs" aber als Fabel gilt, wird die Geschichte nicht als Kriminalroman beziehungsweise Kriminalgeschichte gewertet.

    Obwohl sie keine Romane oder Kurzgeschichten, sondern Gerichtsprotokolle waren, erfreuten sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts „True Crime"-Berichte aus den Gerichtssälen reißenden Absatzes. Sie wurden in Buchform veröffentlicht und regelmäßig zu Bestsellern, obwohl ihre literarische und sprachliche Qualität kein besonders hohes Niveau besaß. Sie waren eben Sachtexte, auch wenn in ihnen teilweise die Aussagen einzelner Personen in direkter (wörtlicher) Rede wiedergegeben wurden.

    Eines der ersten fiktiven deutschsprachigen Werke war Friedrich Schillers (1759-1805) Bericht „Der Verbrecher aus verlorener Ehre", der 1786 veröffentlicht wurde.

    In Theaterstücken wurden Verbrechen ebenfalls immer beliebter. Bereits William Shakespeares (1564-1616) Dramen triefen förmlich von Mord und Totschlag („Hamlet, „Macbeth, „Romeo und Julia und etliche andere). Aber auch im deutschsprachigen Raum gab es zunehmend Bühnendramen, deren Handlung sich um Verbrechen drehte, sowie Novellen (die man durchaus zu den Romanen zählen kann) mit entsprechendem Inhalt. Friedrich Schillers späteres Theaterstück „Die Räuber wurde 1781 zunächst als „Lesestück" = Prosatext veröffentlicht und 1782 als Theaterstück uraufgeführt. Der Inhalt ist eine Kain-und-Abel-Geschichte um die Rivalität und Missgunst zwischen zwei Brüdern.

    1810 schrieb Heinrich von Kleist seine Erzählung „Michael Kohlhaas, in der es um Selbstjustiz geht. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit, die Kleist literarisch ausschmückte. 1819 wurde „Das Fräulein von Scuderi von Ernst Theodor Wilhelm (E.T.A.) Hoffmann (1776-1822) erstmalig veröffentlicht. Darin geht es um eine Mordserie im Paris des Jahres 1680. Die Heldin, Mademoiselle Madeleine Scuderi, 73 Jahre alt, hat durchaus Ähnlichkeiten mit Agatha Christies „Miss Marple. 1842 schrieb Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) „Die Judenbuche, die den Mord an einem unter einer Buche getöteten Juden thematisiert. Weitere Novellen, Erzählungen und Kurzgeschichten mit „mörderischem" Inhalt folgten.

    Etwa zur gleichen Zeit (Mitte des 18. Jahrhunderts) wurde der „Schauerroman populär. Als ihr Begründer, genauer gesagt der Gothic Novel, gilt Horace Walpole, der 4. Earl of Orford (1717-1797), dessen Roman „Das Schloss von Ontaro als erster Vertreter dieses Genres gewertet wird. (Interessant: Walpole gilt auch als Begründer des typischen englischen Landschaftsgartens, worüber er ebenfalls Texte verfasste.)

    Gruselgeschichten boomten besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (auch etliche von Edgar Allan Poes Storys und Gedichten zählen dazu). Einer der berühmtesten frühen Schauerromane ist Ann Radcliffes (1764-1823) „Udolphos Geheimnisse, der 1794 erstmals veröffentlicht wurde. (Ann Radcliffe gilt auch als Mitbegründerin des „Gothic Feminismus.) Auch Mary Shelleys (1797-1851) „Frankenstein gehört in diese Kategorie. (Gleichzeitig ist dieser Roman ein Paradebeispiel dafür, dass Sympathie mit dem Verbrecher – in diesem Roman mit Frankensteins Monster – seitens der Lesenden problemlos möglich ist, denn das „Monster ist ein Opfer seines Schöpfers und leidet, wodurch die Lesenden mitleiden.)

    Deutsche Vertreter und Vertreterinnen dieser Gattung sind unter anderem E.T.A. Hoffmann mit seinem Roman „Die Elixiere des Teufels (1815), Joseph von Eichendorff (1788-1857) mit „Das Marmorbild (1818) und Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem (1854-1941) mit „Die weißen Rosen von Ravensberg" (1896). In diesem Roman sind bereits mehr Thriller- als Schauerelemente enthalten: Eine junge Adlige findet heraus, dass ihre Mutter einst ihren Mann, den Vater der Heldin, ermordet hat, was gravierende Folgen nach sich zieht und unter anderem in den Intrigen ihrer Schwester gipfelt, sie in den Selbstmord zu treiben.

    Bei diesen vorreitenden Romanen und Geschichten lag schließlich nahe, Gruselstorys mit einem Kriminalfall zu verbinden. Solche „Hybridromane/Hybridstorys", die Horror und Kri-mi/Thriller mischen, wurden von da an immer beliebter.

    Im englischsprachigen Raum (Großbritannien und USA) gilt Edgar Allen Poe (1809-1849) als der Erfinder moderner Kriminalgeschichten. Eine seiner berühmtesten, „Der Doppelmord in der Rue Morgue, erschien 1841 und prägt bis heute einen Teil des Krimigenres, weil sie die Basis für den Aufbau von Detektivgeschichten bildete. Und wer Poes Geschichten und Gedichte (berühmt: „The Raven) kennt, weiß, dass bei ihm Horror und Verbrechen fast immer Hand in Hand gehen.

    Der Engländer Wilkie Collins (1824-1889) begründete ab 1860 mit „Die Frau in Weiß und „Der Monddiamant (1868) das Genre des mystischen Krimis. Collins kommt auch eine besondere Rolle hinsichtlich seiner Figuren zu, denn 1875 veröffentlichte er mit „Gesetz und Frau" den ersten Kriminalroman, in dem eine Frau als Detektivin ermittelt.

    Edgar Wallace (1875-1932) gilt als Erfinder des modernen Thrillers. Das Verlagshaus Hodder & Stoughton, in dem seine Werke ab 1921 veröffentlicht wurden, baute ihn sogar zum „King of Thrillers" auf. Insgesamt schrieb er 175 Romane.

    Und noch vor Agatha Christie (1890-1976, deren erster Kriminalroman „Das fehlende Glied in der Kette 1920 erschien) schrieb Anna Katherine Green (1846-1935) erfolgreiche Detektivromane (40 Stück) und gilt neben den „Vätern des Genres, Arthur Conan Doyle (1859-1930) und Edgar Allen Poe, als die „Mutter der Detektivgeschichten. 1910 schrieb die US-Amerikanerin Mary Rinehart (1876-1958) mit „Der Mann in Nummer 10 den ersten Krimi-Bestseller der Welt.

    Auf dem Hintergrund dieser und anderer erfolgreicher Krimiautorinnen ist kaum nachzuvollziehen, warum später Krimis als „Männergenre" galten und von Frauen geschriebene Krimis seltener Beachtung fanden und finden. Manche Verlage verlangen heute noch von Krimiautorinnen, ein männliches oder geschlechtsneutrales Pseudonym zu wählen, weil sich von Männern geschriebene Krimis angeblich besser verkaufen.

    Überwiegend in Großbritannien und den USA erlebten Kriminalromane und Thriller einen Boom in der Zeit von circa 1910 bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939). Nach dem Krieg feierten zunehmend Agenten- und Spionagekrimis/-thriller Erfolge. In dieser Zeit entstanden Ian Flemings (1908-1964) James-Bond-Geschichten (ursprünglich eine Sammlung von Kurzgeschichten) sowie John le Carrés (1931-2020) Romane mit dem gewieften George Smiley als spionierendem Protagonisten. Zu dieser Zeit wurden Krimis und Thriller auch im deutschsprachigen Raum zunehmend populär. Zwar galten sie noch bis weit in die 1970er Jahre als literarischer „Schund, weil sie sprachlich und intellektuell (angeblich) der „ernsten Literatur nicht das Wasser reichen konnten; aber bei der breiten Masse der Bevölkerung wurden sie immer beliebter. Unter anderem weil eine immer größer werdende Zahl von Lesenden den „Ernst des Lebens" nicht auch noch in ihrer Freizeit beim Lesen haben, sondern sich bei spannenden fiktiven Geschichten entspannen und im Fall des Krimis/Thriller auch ein bisschen gruseln und schaudern wollten.

    Da Deutschland das wohl einzige Land ist, das immer noch einen Unterschied zwischen E- und U-Literatur – ernster und unterhaltender Literatur – macht (ein Krimi ist, von humorvollen Krimis abgesehen, inhaltlich so ernst, wie ein Genre nur sein kann und trotzdem unterhaltend), gab es zu Anfang des 20. Jahrhunderts nur wenige deutsche Autorinnen/Autoren, die bewusst Krimis schrieben. Die meisten davon tummelten sich zunächst auf dem vor dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg boomenden Heftromansektor (berühmte Romanserien: „Jerry Cotton, die noch heute erscheint, und „Rolf Torring).

    Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewannen Krimis in Buchform immer mehr an Beliebtheit, unter anderem auch durch die zunehmende Zahl von Fernsehkrimis: „Der Kommissar (1969-1976), „Columbo (deutsche Erstausstrahlung ab 1969), „Tatort (ab 1970), „Soko 5113 (1978-2020, basierend auf dem sehr authentischen Buch „Der Durchläufer" des Kriminaldirektors Dieter Schenk vom LKA Hessen) und viele andere. Heute kann man sagen, dass Krimis und Thriller in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.

    Literatur:

    Stefan Neuhaus: „Der Krimi in Literatur, Film und Serie", Tübingen, 2021

    Peter Nusser: „Der Kriminalroman", 4. Auflage, Stuttgart, 2009

    1.1 Die Faszination des Verbrechens

    Krimis und Thriller gelten als die beliebtesten Literaturgenres (Krimis mit einem kleinen Vorsprung vor Thrillern). Laut Statistiken des Börsenvereins des deutschen Buchhandels machen Krimis/Thriller jedes Jahr ungefähr ein Viertel des Gesamtumsatzes aller verkauften Bücher und E-Books aus.

    Was aber fasziniert die Lesenden so sehr an nicht nur fiktiven Verbrechen? Für dieses Phänomen spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

    Der eine war ursprünglich zweifellos Sensationslust, unter anderem erkennbar daran, dass die ersten „Krimi-Bestseller Sachberichte von realen Gerichtsprozessen über reale Verbrechen waren (siehe oben). Und leider auch erkennbar daran, dass heute blutige Unfälle auf den Straßen Scharen von sensationsgeilen Gaffenden anziehen, die sich nicht scheuen, völlig rechtswidrig (Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Opfer) und distanzlos (man könnte auch sagen: ohne die geringste Spur von Anstand) die Verletzten und Toten zu fotografieren, um dadurch Nervenkitzel zu erfahren und Aufmerksamkeit mit diesem Leid und Tod anderer Menschen in den „sozialen Medien zu erheischen, in denen sie diese Bilder (ebenfalls rechtswidrig) verbreiten.

    Ein anderer Faktor ist die Lust am Gruseln. Siehe oben: Neben zunächst Sachberichten über reale Kriminalfälle feierte ab Mitte des 18. Jahrhunderts der sogenannte „Schauerroman (Grusel-/ Horrorroman) große Erfolge. Genau genommen enthalten auch moderne Krimis und besonders Thriller immer einen Schuss Gruseliges. Auch wenn ein Verbrechen nicht unbedingt übermäßig grausam ist, so stellt es doch einen Bruch der herrschenden Moral dar, was von den meisten Menschen als bedrohlich empfunden wird; besonders wenn die Täterinnen/Täter „im Alltag völlig normale Menschen sind, wie sie auch in unserer eigenen Nachbarschaft leben. Und ein Gefühl von (realen oder eingebildeten) Bedrohungen beinhaltet je nach deren Ursache einen Hauch von Grusel oder sogar Horror.

    Ein weiterer Punkt ist das Gerechtigkeitsempfinden der Lesenden. Im fiktiven Krimi/Thriller werden die „Bösen" (fast) immer entlarvt, dingfest gemacht und ordentlich bestraft. Geschieht das nicht durch die Justiz, vielleicht weil ihr rechtlich die Hände gebunden sind, tritt eben der einsame Rächer oder die Rächerin Selbstjustiz übend auf den Plan und verpasst den Bösen genau das, was sie nach unserem Gerechtigkeitsempfinden verdienen (auch wenn sich das nicht immer oder im Rachefall eher selten mit Recht und Gesetz deckt).

    Dem stehen in der Realität unzählige Fälle gegenüber, in denen das Ganze anders ausgeht. Nehmen wir Diebstähle. Viele Fälle werden gar nicht aufgeklärt. Bei Taschendiebstählen bewegt sich die Quote regelmäßig im einstelligen Prozentbereich. Bei Wohnungseinbrüchen werden jährlich nur zwischen fünfzehn und zwanzig Prozent aufgeklärt, Autodiebstähle um die dreißig Prozent. Bei Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Vergewaltigungen) werden zwar zwischen achtzig und fünfundachtzig Prozent der Fälle aufgeklärt, aber die Bestrafung der Täter, sofern sie überhaupt verurteilt werden, ist allzu oft ein Witz, bei dem sie mit Bewährungsstrafen oder lächerlichen Geldstrafen davonkommen. Oft genug verhöhnen sie anschließend das Opfer zusätzlich. Ähnlich sieht es bei Körperverletzungen aus. Die Täter werden häufig nicht mal inhaftiert, sodass sie ihre Opfer weiter drangsalieren, bedrohen, erneut verletzen können und diese in ständiger Angst davor leben. Und so weiter.

    Anders im Krimi. Hier ist die Welt der Gerechtigkeit noch in Ordnung. Egal wie schlimm das verübte Verbrechen ist, egal wie lange den Täterinnen/Tätern gelingt, der Polizei oder anderen sie „jagenden Personen zu entkommen, am Ende werden sie er-wischt und, sofern das thematisiert wird, der Schwere ihrer Taten angemessen und ohne (allzu große) Gnade bestraft. In diesem Punkt beinhalten auch Krimis und Thriller ein Element von „heiler Welt.

    Weitere Gründe sind die Lust am Miträtseln, wer bei Ermittlungskrimis (siehe Kapitel 2 und 3.1.E) die Tat begangen hat. Aber auch die psychologischen Zusammenhänge der Tat und/oder das Verhältnis der Täterinnen/Täter zu den Opfern ist für viele Lesende ein wichtiger Faktor. Sie wollen verstehen, wie die der Tat zugrundeliegende Situation überhaupt zu dem Verbrechen führen konnte: Wie wurde ein Mensch zu Täterin/Täter? Auch hierbei wird großer Wert auf realistische Schilderungen, Zusammenhänge und die Nachvollziehbarkeit der Motive und Handlungen gelegt. Aber auch: Was empfinden die Ermittelnden, wie gehen sie den Fall an, um ihn zu lösen? Daraus schöpfen viele der Lesenden ein großes Maß an Spannung.

    Beliebt sind auch Krimis, die aktuelle Themen und gesellschaftliche Konflikte „nebenbei" einflechten oder die dem Verbrechen zugrunde liegen und entsprechend beleuchtet werden. Anders ausgedrückt: Das reale Leben sollte möglichst wirklichkeitsgetreu abgebildet werden.

    Eine andere Ursache für die Faszination an Krimis/Thrillern ist – erstaunlicherweise – das Sicherheitsbedürfnis der Lesenden. Egal wie übel das Verbrechen ist, wie spannend und nervenzerreißend die Handlung geschildert wird, was auch immer die Opfer erleiden, wie frustriert die Ermittelnden sich die Seele aus dem Leib kombinieren und wie oft auch die Täterinnen/Täter entkommen, um noch mehr Unheil anzurichten – alles ist Fiktion. Man erlebt zwar das Gruseln, die Spannung hautnah (oft mit einer sehr angenehmen Gänsehaut), kann sich aber in jeder Sekunde des Lesens beruhigt in dem Bewusstsein zurücklehnen, dass einem selbst nichts passieren kann, weil die Bedrohung und alles andere, was die Figuren erleben, eben nicht real ist. Nicht einmal dann, wenn alles so realitätsnah geschildert wird, dass sich die Handlung tatsächlich „nebenan" hätte ereignen können. Und man kann außerdem einen gefahrlosen Blick in die abscheulichsten Abgründe der menschlichen Seele tun, deren Nervenkitzel erleben und weiß doch, dass man selbst in Sicherheit ist.

    Nebenbei: Die möglichst realistische Schilderung der Ereignisse ist ein wichtiges Kriterium, an dem viele Lesende die Qualität von Krimis und Thrillern (und natürlich auch von allen anderen Genres mit Ausnahme der Phantastik) messen. Eine Leserin sagte dazu: „Größtmögliche Realitätsnähe und das damit einhergehende Bewusstsein, dass sich die Geschichte tatsächlich so in meiner unmittelbaren Nachbarschaft hätte zutragen können, verschafft mir ein zusätzliches Prickeln, das jeden Text umso spannender macht." (Siehe auch Kapitel 4.3.) Als Autorinnen/Autoren sollten wir diesen Effekt unbedingt für uns nutzen!

    Selbstverständlich ist die Spannung im Krimi/Thriller ein entscheidender Faktor. Krimis und Thriller sind das Spannungsgenre per se. Zwar sollte jeder Roman, jede Geschichte in jedem Genre ein Mindestmaß an Spannung enthalten, aber wenn sie beim Krimi/Thriller fehlt, ist das wie eine Suppe ohne Salz, wie Kuchen ohne Zucker, Salat ohne Dressing oder ein Braten ohne Gewürze. Da fehlt etwas! Und dieses fehlende Etwas macht den Text langweilig. Nichts verzeihen die Lesenden so wenig wie Langeweile beziehungsweise Langatmigkeit im Krimi/Thriller. Hier muss die Spannung mindestens zart kribbeln und gerne auch zwischendurch mörderisch zuschlagen, sonst hat man zwar eine nette Geschichte, aber keinen ernstzunehmenden Krimi/Thriller. Wie Sie das am besten hinbekommen, erfahren Sie in den Kapiteln 4 und 6.

    *

    Und worin besteht für Autorinnen/Autoren die Faszination am Schreiben von Krimis? Schließlich hat (in der Regel) niemand von ihnen selbst ein Verbrechen begangen oder würde das jemals tun. Auch dafür gibt es mehrere Gründe.

    Die meisten Autorinnen/Autoren fasziniert die erforderliche Kombinationsgabe, die sie selbst an den Tag legen müssen, damit der Krimi/Thriller „funktioniert. Man muss sich sowohl in die Täterinnen/Täter hineinversetzen wie auch in die Ermittelnden. Von Romanen/Storys abgesehen, in denen ein Verbrechen ungeplant aus den äußeren Umständen heraus geschieht (zum Beispiel bei Totschlag oder der „Gelegenheit, die sprichwörtlich „Diebe macht"), planen die Täterinnen/Täter ihre Tat akribisch. Schließlich ist ihr Ziel, dass sie mit ihrem Verbrechen ungestraft davonkommen und nicht erwischt werden.

    Das heißt, wir müssen uns in sie hineinversetzen und das Verbrechen in der Theorie selbst begehen. Damit nicht genug, müssen wir uns um Alibis „kümmern, die nach Möglichkeit so wasserdicht sein sollten, dass sie nicht auffliegen. (Ein schönes „Lehrstück dafür ist die Fernsehserie „Columbo", bei der fast jeder Film mit der Vorbereitung der Tat und der Konstruktion des Alibis beginnt, das die meistens männlichen Täter für narrensicher halten.)

    Gleichzeitig müssen wir aber den einen Fehler einbauen, der unsere Schurken am Ende zu Fall bringt, denn Zufälle sind gerade bei Krimis und Thrillern absolut tabu (siehe Kapitel 4). Vor allem darf der Fehler nicht so offensichtlich sein, dass die Lesenden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und stöhnen: „Mensch, der springt einem doch förmlich ins Gesicht! Wie kann die Täterin/der Täter das nur übersehen? Diesen Fehler müssen wir also so gut verstecken, dass unsere Ermittlungsfiguren – egal ob Teams oder Einzelperson – ihn nur mit erheblicher kriminalistischer „Schwerstarbeit finden können.

    Wie gehen sie vor? Welche Schlüsse können sie aus den „Brotkrumen ziehen, die wir ihnen hinwerfen? Wie müssen wir überhaupt diese Brotkrumen verteilen, dass sie „ganz natürlich gefunden werden und nicht wirken, als hätten wir sie absichtlich so dilettantisch platziert, dass selbst der größte Depp förmlich über sie stolpern muss? Wie können wir glaubhafte (!) falsche Fährten und falsche Verdächtige aufbauen, die zunächst hundertprozentig schuldig wirken und nicht schon auf den ersten Blick von den

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