Gronthagu-Revolution: MISSION PHOENIX - Band 4
Von Mara Laue
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Über dieses E-Book
Der nagdanische Präsident Drinos apat Sersuk befindet sich in einer misslichen Lage. Aber auch die PHOENIX steckt in Schwierigkeiten, denn die Machtübernahme von Ashshan- nak, der neuen Gronthagu-Herrscherin, verläuft nicht so reibungslos, wie diese sich das vorgestellt hat. Vor allem akzeptieren nicht allzu viele Grontheh den Gedanken, dass ihre Göttin sich tatsächlich einem Haufen verhasster Feinde aus der ISA gezeigt hat. Und dass eine Matriarchin diese obendrein unterstützt, ist für viele ein Ding der Unmöglichkeit. Schnell kommen Gerüchte auf, die alte Matriarchin sei durch ISA-Agenten ermordet worden. Und Ashshannak muss sich entscheiden, ob sie die PHOENIX weiterhin schützt oder sie opfern muss, um ihre eigene Macht zu etablieren.
IKONARA
Noch immer ist der nagdanische Präsident Drinos verschollen, ebenso sämtliche für den Geheimdienst der ISA arbeitenden Agenten in der Gronthagu Liga. Matriarchin Ashshannak gibt sich kooperativ bei der Aufklärung beider Probleme. Doch innerhalb der Liga brodelt es, ein Bürgerkrieg kann jederzeit ausbrechen. Nicht nur das erschwert die Suche nach Drinos. Die Sulkatreh, die etwas über seinen Verbleib wissen, wollen diese Information unter allen Umständen geheimhalten – auch wenn sie dafür mehr als ein Wesen töten müssten...
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Buchvorschau
Gronthagu-Revolution - Mara Laue
Titel
MISSION PHOENIX
Mara Laue
Band 4:
Gronthagu-Revolution
Impressum
Copyright: vss-verlag
Jahr: 2021
Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt
Covergestaltung: Sabrina Gleichmann
Verlagsportal: www.vss-verlag.de
Gedruckt in Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig.
Teil 1 - Entscheidungen bei Ishkorai
Entscheidungen bei Ishkorai
1.
Ulshonnash, Palast der Matriarchin
76. Tag der 5. Saison im 1. Jahr von Ashshannak
„Töte alle, die auf der Liste stehen. Schnellstmöglich." – So lauteten die letzten Worte von Matriarchin Kuorass vor ihrem Tod, gerichtet an eine Namenlose, eine der Vollstreckerinnen, die nur der Matriarchin unterstanden.
Fashnarak blickte auf den Bildschirm, auf dem er sich zum wiederholten Mal die Aufzeichnung von Kuorass’ letzter Lebensstunde ansah. Er spielte sie erneut ab. Obwohl weder die Matriarchin noch irgendjemand anderes davon wusste, dass er in ihrem Hauptraum eine Überwachung installiert hatte, hielt er es für besser, die Aufzeichnungen nach jedem Sichten zu vernichten. In diesem Fall nicht nur, weil sie zeigten, dass er Kuorass getötet hatte. Die Matriarchin zu bespitzeln galt als Hochverrat.
Trotzdem hatte er diesen Schritt schon vor Jahren für erforderlich gehalten. Kuorass war schon lange nicht mehr vollständig bei Verstand gewesen und hatte Dinge getan, die besser niemals geschehen wären. Leider hatte Fashnarak nicht alle verhindern können; unter anderem, weil er nur dieses eine Zimmer hatte präparieren können. Was die Matriarchin in den anderen Räumen tat, erfuhr er nicht immer. Warum sie aber eine Namenlose hatte kommen lassen, um mehrere Gronthagu schnellstmöglich zu töten, war eine Information, die er unbedingt erfahren sollte.
Er fror die Darstellung ein, als Kuorass nach dem Tötungsbefehl der Namenlosen einen Datenträger überreichte, und zoomte die Darstellung heran. Der Datenträger trug keine Kennzeichnung. Demnach stammte er aus der geheimen Datenbank der Matriarchin und war mit der Spezialverschlüsselung gesichert, von der Kuorass geglaubt hatte, dass nur sie sie kannte. Fashnarak löschte die Aufzeichnung und ging in die privaten Räume der Matriarchin. Als designierter Vertrauter und persönlicher Beauftragter der Verstorbenen war es seine Aufgabe, die Räume für die neue Matriarchin vorzubereiten. Niemand würde sich darüber wundern, dass er sich dort aufhielt.
Er verschloss sorgfältig die Tür und aktivierte die geheime Datenbank am Terminal. Kuorass hielt, wie viele Gronthagu-Frauen, die Männer ihres Volkes für nur begrenzt intelligent. Fashnarak hatte das zu seinem Vorteil genutzt und seine scheinbare Dummheit ihr gegenüber kultiviert. Deshalb war sie nie auf den Gedanken gekommen, dass er die Zugangscodes für alle ihre Datenbanken, besonders auch diese geheime, schon lange ausspioniert hatte. Das erwies sich nicht erst heute als Vorteil.
Er rief die zuletzt verwendeten Daten auf. Tatsächlich handelte es sich dabei um eine Liste von Namen. Leider gab es keine Eintragungen, welcher Art von Personen diese Namen gehörten. Doch das war kein Problem. Fashnarak ließ die Namen durch einen herkömmlichen Datenfilter laufen und erhielt Augenblicke später das Ergebnis. Die siebenundzwanzig Gronthagu waren ausnahmslos Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ihm fiel auf, dass sie, obwohl sie alle im leistungsfähigen Alter waren, als inaktiv gelistet wurden. Schon seit Jahren. Offiziell war kein Aufenthaltsort registriert. Und das gab es einfach nicht innerhalb der Liga, wo die Behörden über den Aufenthaltsort jeder Wissenschaftlerin und jedes Wissenschaftlers, seien sie Gronthagu oder Fremdvolk, jederzeit informiert waren.
Demnach arbeiteten die Leute auf der Liste in einer der geheimen Forschungsstationen der Liga. Fashnarak hatte sich auch zu den Besatzungslisten der geheimen Stationen schon vor langer Zeit Zugang verschafft. Deshalb fiel es ihm nicht schwer herauszufinden, dass alle gelisteten Gronthagu auf Firshash, dem zweiten Mond von Ulshonnash, stationiert waren. Und dort wurde unter anderem der ISA-Virus erforscht. Diese Tatsache in Verbindung mit dem Befehl, den Kuorass der Namenlosen erteilt hatte, verriet ihm den Plan der alten Matriarchin.
Fashnarak löschte seinen unerlaubten Besuch in der Datenbank aus dem Benutzerprotokoll. Zwar hatte er sich mit dem Code der Matriarchin eingeloggt, aber Ashshannak würde, wenn sie diese Datenbank zum ersten Mal in Betrieb nahm, sofort merken, dass ihre tote Vorgängerin diese Anfrage nicht getätigt haben konnte. Wer das stattdessen getan hatte, konnte sie sich denken. Und ob sie das ignorierte oder Fashnarak gemäß den Protokollen für solche Fälle hinrichten ließ, wusste er nicht; dazu kannte er Ashshannak nicht gut genug. Er war ihr gegenüber bedingungslos loyal, denn sie war nicht nur für ihn die Chance auf ein verbessertes Ansehen in der Gronthagu-Gesellschaft. Aber er ging kein Risiko ein.
Er verließ die Räume der Matriarchin, heftete sich die Plakette an den Brustteil seines Mantels, die ihn als Matriarchalen Beauftragten auswies, und ließ sich mit dem Transmitter des Palastes nach Firshash bringen.
*
Firshash, 2. Mond von Ulshonnash, Trishkara-System
Varral betrachtete ein Molekül des ISA-Virus in der extremen Vergrößerung einer holografischen Darstellung und bewunderte seine Perfektion. Auch die Perfektion seiner tödlichen Wirkung. Sie hätte ihr Leben dafür gegeben herauszufinden, woher der Virus gekommen war und aus welchen Elementen er bestand. Denn seine komplexen Molekülketten, die sich in der Hochauflösung als ein aus spiralförmigen Strängen gebildeter Pfeil zeigten, wiesen teilweise Atome von unbekannten Stoffen auf, die noch in keiner Datenbank der Gronthagu Liga erfasst waren. Völlig unbekannte neue Elemente. Woher aber stammten die?
Als eine der führenden Wissenschaftlerinnen der Gronthagu war sie von Matriarchin Kuorass damit beauftragt worden, den Virus zu erforschen, seit er das erste Mal aufgetreten war. Varral war mit dieser Aufgabe alt geworden, obwohl sie immer noch sehr viele Jahre zu erwarten hatte. Sie kannte ihn so gut wie ihre eigenen Krallen. Dass der Virus nicht aus der ISA stammte, war ihr schon lange klar. Zwar existierten die bekannten Elemente, die er enthielt, allesamt in der ISA und anderswo, aber kein einziges von den unbekannten.
Varral hatte Forschungsschiffe losgeschickt, um nach diesen Elementen zu suchen. Sie hatten in 128 Jahren gerade einmal fünf davon entdeckt. Und der Radius des Suchgebietes, das sie abgedeckt hatten, ging sehr weit über das Territorium sowohl der Gronthagu Liga wie auch der ISA hinaus. Und noch immer blieben siebenundzwanzig Elemente unbekannt. Varrals Stab hatte versucht – und tat das immer noch –, den Virus zu reproduzieren.
Das hätte eigentlich ganz einfach sein müssen; schließlich verfügten die Gronthagu über eine der fortschrittlichsten Reproduktionstechniken in und außerhalb der Liga. Doch die Replikatoren waren nicht in der Lage, die unbekannten Elemente des Virus zu kopieren. Auch nicht, nachdem man sie feinstkalibriert hatte, sodass sie nicht die Atome als Ganzes, sondern jeden einzelnen Bestandteil des Kerns kopieren und die Atome einzeln darum herum bauen sollten. Die Versuche hatten schon bald wieder eingestellt werden müssen. Die Replikatoren waren nicht in der Lage, die Kerne korrekt zu erfassen. Was sie kopierten und zu Molekülen zusammenfügten, war im günstigsten Fall Schrott. Im bisher schlimmsten Fall war ein Laborkomplex in die Luft geflogen und der Virus, der die Explosion überstanden hatte, hatte sämtliche überlebenden Gronthagu innerhalb des Explosionsradius infiziert. Danach waren die Reproduktionsversuche eingestellt worden. Nicht aber die Suche nach einem Heilmittel.
Doch was die Matriarchin in einem Geheimbefehl höchster Klassifizierung zu Beginn der fünften Saison angeordnet hatte, gab Varral immer noch zu denken. Keine Frage: Nahezu jedes Mittel war recht, um die verhasste ISA unter gronthische Krallen zu zwingen. Und den aus den Leichen einiger an ihm gestorbenen Gronthagu extrahierten ISA-Virus einzusetzen, um einige Gronthagu zu infizieren und diese Infektion der ISA die Tat auf die Häute zu kleben, war brillant. Einerseits.
Das große Problem lag jedoch darin, dass sich der Virus nicht kontrollieren ließ. Sobald er ausgebrochen war, verbreitete er sich schnell, da sich die ersten Symptome erst nach ungefähr dreizehn Stunden zeigten, falls die Infizierten nicht durch eine Bioschleuse gingen, die sie detektierte. In dreizehn Stunden hatte aber die durchschnittliche Gronthagu Kontakt mit mindestens vierzig anderen gehabt. Der Virus konnte sich schneller verbreiten, als man die jeweiligen Kontaktpersonen und deren Kontaktpersonen identifiziert und isoliert hatte. Den Virus freizusetzen bedeutete den Untergang der Gronthagu.
Auf Befehl der Matriarchin hatte Varral unter dem Vorwand von medizinischen Extratests Mitglieder einer Raumschiffbesatzung kurz vor deren Start infiziert. Bevor die ihr Ziel erreicht hatte, war der Virus ausgebrochen. Das Protokoll für einen solchen Fall sah vor, dass die Schiffskommandantin das sofort meldete und danach ihr Schiff durch Selbstzerstörung vernichtete. Varral hatte aber erfahren, dass auf Befehl der Matriarchin die Selbstzerstörung dieses Schiffes sabotiert worden war, ebenso die Steuerung, sodass der einmal eingeschlagene Kurs nicht geändert werden konnte. Außerdem hatte das Schiff Orshokk anfliegen sollen, eine der mit Gronthagu dichtbesiedeltsten Welten der Liga. Das Schiff hätte den Planeten vor Ablauf der Zeit erreicht, bevor sich die ersten Symptome der Krankheit gezeigt hätten und die gesamte gronthische Bevölkerung dort verseucht. Von denen wiederum hätten noch gesund wirkende Infizierte Orshokk verlassen und ihrerseits weitere Welten infiziert, bevor die Krankheit bei ihnen bemerkt worden wäre.
Bei allem Respekt, aller Loyalität und Gehorsamspflicht gegenüber der Matriarchin konnte Varral trotzdem nicht zulassen, dass diese in einem offensichtlichen Anfall strategischer Kurzsichtigkeit riskierte, ihr eigenes Volk derart zahlreich zu infizieren, dass eine erhebliche Schwächung der Macht der Gronthagu durch den Tod von Milliarden geschah. Ein Aufstand aller Völker, die sich den Gronthagu nur gebeugt hatten, weil deren militärische Überlegenheit gewaltig war, wäre die unabwendbare Folge. Im schlimmsten Fall hätte der Plan der Matriarchin zur Ausrottung aller Gronthagu geführt. Das konnte kaum in deren Sinn sein.
Varral hatte das Risiko insofern minimieren können, indem sie einem ihrer Techniker befohlen hatte, das Kom-Gerät des Schiffes irreparabel zu sabotieren und der Kommandantin einen angeblich von der Matriarchin stammenden Geheimbefehl gegeben, der anordnete, Krushann anzufliegen und Funkstille zu halten. Krushann lag weit genug entfernt, dass der Virus lange vor Erreichen der Welt ausbrach. Sie vertraute darauf, dass die Kommandantin eine Möglichkeit fand zu verhindern, dass ihr Schiff sein Ziel erreichte. Die Besatzung musste inzwischen tot sein und hatte durch Varrals Manipulation der Kom-Geräte den Ausbruch des Virus nicht melden können.
Die alte Matriarchin hatte trotzdem das Gerücht streuen lassen, dass die ISA die Liga mit dem Virus angegriffen habe. Erste Unruhen waren die Folge. Falls jemals herauskäme, dass Kuorass ihr eigenes Volk infiziert hatte, gäbe es eine Krise, die der gesamten Liga den Todesstoß versetzen könnte. Doch das war nicht Varrals Angelegenheit. Sie hatte zu forschen. Außerdem gab es seit gestern eine neue Matriarchin, die jung und stark war. Damit waren die Tage der ISA gezählt, auch ohne dass man ihr einen Angriff mit dem Virus anhängen musste.
Varral schaltete das Hologramm des Virus aus und ging zu ihrem Quartier. Als sie an den Labors vorbeikam, fiel ihr die Stille darin auf. In der geheimen Forschungsstation tief unter der Oberfläche von Firshash wurde in Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Dass in einem einzigen Labor zwischenzeitlich Stille herrschte, kam vor. Aber in mehreren? Varral blieb stehen und lauschte. Sie hörte die Maschinen, die leisen Laute der Terminals, an denen ihre Untergebenen arbeiteten – aber kein einziges Geräusch einer Gronthagu. Dafür roch sie etwas, das ihre Schuppen zittern ließ.
Sie öffnete die Tür des Labors zu ihrer Linken. Ein Schwall des typischen Geruchs frischer Leichen traf ihre Nase und ihre Zungen, deren Ursache sie Momente später erblickte. Der ganze diesem Labor zugeteilte Stab – acht Gronthagu – lag tot am Boden. Sauber abgegrenzte Löcher in den Schädeln zeigten, dass sie mit einer Strahlenwaffe erschossen worden waren. Fassungslos starrte Varral auf die Leichen, während ihr Gehirn versuchte zu begreifen. Sie rannte in das gegenüberliegende Labor. Auch hier lagen Leichen am Boden. Niemand lebte mehr.
Offenbar befand sich jemand in der Station, der alle hier arbeitenden Gronthagu tötete. Varral hatte keine Ahnung, wer oder warum und das war ihr im Moment auch völlig egal. Sei musste weg hier. Den Mond verlassen und sich in Sicherheit bringen. Sie rannte in Richtung Lift, der sie zur Transmitterstation bringen würde. Jeder Bereich, den sie passierte, war totenstill und geschwängert mit dem Geruch nach Leichen. Varral begriff, dass sie vermutlich als Einzige noch lebte. Wenn sie Pech hatte, nicht mehr lange.
Sie bog um die Ecke, hinter der sich die Liftstation befand und blieb stehen, als sie sich einer Gronthagu gegenüber sah, die die Uniform der Wissenschaftler trug. Varrals Erleichterung darüber, doch nicht die einzige Überlebende zu sein, wurde gedämpft, als ihr bewusst wurde, dass sie diese Wissenschaftlerin noch nie zuvor gesehen hatte. Als die Fremde die Hand hob und eine Waffe auf Varral richtete, dachte sie gar nichts mehr. Sie machte einen Satz rückwärts, der sie in die trügerische Deckung hinter der Gangecke brachte, die sie Sekunden zuvor passiert hatte. Ein scharfer Schmerz bohrte sich in ihren Arm, als ein Strahlenschuss ihn traf.
Sie ignorierte den Schmerz und rannte weiter. Bog in den nächsten Gang ein und sah sich einem weiteren Fremden gegenüber, der die leuchtende Plakette eines Beauftragten der Matriarchin auf dem Mantel trug. Schlagartig begriff sie. Ihre Kollegen waren im Auftrag der Matriarchin eliminiert worden. Den Grund konnte Varral sich denken.
Hinter sich hörte sie die Vollstreckerin kommen. Der Mann vor ihr hatte keine Waffe. Sie rannte auf ihn zu, um ihn zur Seite zu stoßen. Er wich ihr aus und versuchte nicht sie aufzuhalten.
„Im Namen der Matriarchin! Halt!"
Varral stoppte und gehorchte aus alter Gewohnheit dem Matriarchalen Imperativ; selbst wenn der sie das Leben kostete. Als sie sich umdrehte, begriff sie, dass sie noch eine Chance zum Weiterleben bekommen hatte.
*
Fashnarak materialisierte in der Transmitterstation und erkannte auf den ersten Blick, dass er wahrscheinlich zu spät gekommen war. Die Transmittertechniker, die jeden ankommenden und ausgehenden Transport überwachten und koordinierten, lagen tot am Boden. Erschossen mit einer Strahlenwaffe. Die präzise Platzierung der tödlichen Wunden zeigte ihm, dass sie von einer Namenlosen hingerichtet worden waren. Ihr Leichengeruch verriet ihm, dass sie schon lange genug tot waren, um der Namenlosen zu ermöglichen, die gesamte Stationsbesatzung bereits getötet zu haben.
Fashnarak orientierte sich kurz am Schaubild der Station, das an der Wand hing und ihm sagte, dass die Labore, die er suchte, drei Ebenen tiefer lagen. Er bestieg den Lift und ließ sich zum Laborlevel tragen. Als er dort ankam, fand er zwei Leichen im Gang liegen. Und Leichengeruch wehte ihm auch aus anderen Richtungen entgegen. Offenbar war er tatsächlich zu spät gekommen. Das ließ sich nicht ändern. Dennoch war sein Kommen kein vollständiger Fehlschlag. Die alte Matriarchin hatte der Namenlosen nur befohlen, die Gronthagu auf der Liste zu töten, nicht aber, ihre Forschungsdaten zu löschen. Zwar waren die bestens gesichert, aber er besaß einige Codes, mit denen die Matriarchin sich Zugang zu allen Computern und Gebäuden der Liga verschaffen konnte. Vermutlich würde es eine Weile dauern, bis er die Dateien gefunden hatte, die ihm seine Fragen beantworteten, aber er würde sie finden.
Raschen Schrittes ging er in Richtung des Zentrallabors. Er hörte eine Tür sich öffnen und Sekunden später hastige Schritte, die sich auf den Lift zu bewegten. Offenbar war die Namenlose noch hier. Als er gleich darauf die Schritte einer anderen Person hörte, hoffte er, doch nicht zu spät gekommen zu sein. Er rannte zum Lift zurück.
Eine Gronthagu bog in den Gang ein und blieb bei Fashnaraks Anblick stehen. Dann rannte sie auf ihn zu, sichtbar entschlossen, ihn umzurennen. Hinter ihr tauchte die Namenlose auf und hob die Waffe. Fashnarak wich zur Seite aus, um den Zusammenstoß zu vermeiden, ehe er der Namenlosen den Weg verstellte.
„Im Namen der Matriarchin: Halt!" Er hielt das Siegel hoch, das ihn als Beauftragten der Matriarchin auswies.
Die Namenlose erstarrte, die tödliche Waffe auf die Wissenschaftlerin gerichtet, die gemäß ihrer Namensplakette Varral hieß. Die Wissenschaftlerin sprang zurück. „Sie wollten mich töten!, klagte sie die Namenlose an. „Sie haben alle anderen getötet!
„Im Namen der Matriarchin", zischte die Namenlose.
„Aber ..." Die Stimme der Wissenschaftlerin klang schrill vor Angst.
„Die Matriarchin hat anders entschieden, erklärte Fashnarak der Namenlosen. „Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt.
Die Namenlose zischte wieder. „Ich unterstehe direkt der Matriarchin und nehme nur von ihr Anweisungen entgegen."
„Die sie durch mich übermittelt. Fashnarak streckte das Siegel noch ein Stück weiter vor. „Ich bin das Sprachrohr der Matriarchin. Also gehorchen Sie mir und ziehen Sie sich zurück.
Die Namenlose starrte ihn an, sichtlich nicht bereit, seinem Befehl Folge zu leisten. Offenbar nahm sie einen Mann als Sprachrohr der Matriarchin nicht ernst.
Fashnarak machte eine ungeduldige Geste. „Vielleicht möchten Sie das mit der Matriarchin persönlich ausdiskutieren? Dann arrangiere ich eine Audienz. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass Sie die überleben werden, sobald die Matriarchin erfährt, dass Sie sich ihrem Beauftragten – mir – und damit ihr widersetzt haben."
Die Namenlose steckte endlich die Waffe ein, drehte sich wortlos um, ging zum Lift und verließ in ihm die Laborebene. Fashnarak wandte sich der Wissenschaftlerin zu, die mit zuckendem Schwanz und hektischem Züngeln von einem Bein aufs andere trat und dadurch ihre Furcht verriet.
„Sie wollte mich töten!, stieß sie hervor. „Sie hat alle anderen umgebracht.
„Ich weiß. Und deshalb werden Sie mir im Detail berichten, was genau Sie hier tun."
Die Wissenschaftlerin war so verstört, dass sie nicht daran dachte, die Kooperation zu verweigern. Sie lieferte einen Bericht, dessen erste Sätze Fashnarak bereits von der Brisanz dessen überzeugten, was hier getan worden war. Gleichzeitig begriff er, welche immense Macht dieses Wissen für die neue Matriarchin darstellte. Wenn sie das publik machte, gäbe es zwar ein gewaltiges Zischen der Empörung in der gesamten Liga, aber Ashshannak hätte dadurch genau das Instrument in der Hand, das sie brauchte, um ihre Revolution zum