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GegenMord: Was Sie über Krimis wissen möchten / Spannender Essay, der aufzeigt, warum Krimis gefährlicher sind, als man denkt.
GegenMord: Was Sie über Krimis wissen möchten / Spannender Essay, der aufzeigt, warum Krimis gefährlicher sind, als man denkt.
GegenMord: Was Sie über Krimis wissen möchten / Spannender Essay, der aufzeigt, warum Krimis gefährlicher sind, als man denkt.
eBook140 Seiten1 Stunde

GegenMord: Was Sie über Krimis wissen möchten / Spannender Essay, der aufzeigt, warum Krimis gefährlicher sind, als man denkt.

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Über dieses E-Book

Wie ist es zu erklären, dass Mord und Totschlag in den Buchhandlungen förmlich aus den Regalen quellen, im Fernsehen die besten Sendeplätze belegen und bei Streamingdiensten ganz weit oben rangieren? Wenn man den Krimi genauer unter die Lupe nimmt, wird ziemlich schnell klar, dass er nicht das ist, was er vorgibt zu sein. Der Krimi, das zeigt dieser spannende und unterhaltsame Essay, ist viel gefährlicher, als man denkt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum29. März 2022
ISBN9783347566637
GegenMord: Was Sie über Krimis wissen möchten / Spannender Essay, der aufzeigt, warum Krimis gefährlicher sind, als man denkt.

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    Buchvorschau

    GegenMord - Frank Barsch

    Vorwort

    Die Krimi-Verschwörung

    Oder: Was Sie nicht zu fragen wagen

    Der Krimi in all seinen Spielarten und Formen vom Kinderkrimi bis zur Streaming-Serie erlebt seit einiger Zeit einen erstaunlichen Boom. Würde ein Außerirdischer durch unsere Verlags- und Onlineprogramme zappen, käme er schnell zu dem Schluss, dass es in unserer Kultur nichts Wichtigeres gibt als Mord, Totschlag, Ermittlung, Polizei und Justiz.

    Mit diesem goldenen Zeitalter der Kommissare und Detektive geht eine These einher, die immer öfter zu hören ist: Der Krimi sei der Gesellschaftsroman der Gegenwart. Seriöse Argumente, belastbare Fakten, Beweise, oder zumindest Indizien, die diese Behauptung stützen, werden allerdings so gut wie nie mitgeliefert. Außerdem scheint niemand eine naheliegende, sich bei so weitreichenden Aussagen aufdrängende Frage zu stellen: Warum ist der Krimi seit Jahren so erfolgreich? Wie kam es dazu, dass er andere literarische Bereiche wie zum Beispiel die Kinder- und Jugendliteratur mit seinen Erzählweisen dominiert?

    Die letzte von Verkaufsförderung und Lobbyeinfluss unabhängige Ermittlung zur Causa „Krimi" liegt fast vierzig Jahre zurück. Das müsste uns misstrauisch machen. Wer verbirgt sich hinter diesem Schweigekartell? Wer hat so starke Motive und Interessen, den Krimi zu einem Cold-Case zu erklären? Handelt dieser sogenannte Gesellschaftsroman eigentlich noch von einer auf Recht und Gesetz basierenden Gesellschaft? Oder propagiert er schon einen halbwegs sympathischen Überwachungs- und Polizeistaat? Bei so viel Anfangsverdacht ist es an der Zeit, ein Verfahren zu eröffnen und eine neue Ermittlung einzuleiten. Unerschrocken, schonungslos.

    Die hier versammelten Nachforschungen folgen klar formulierten Fragen: Was sagt der Erfolg des Krimis über unsere Gegenwart aus? Warum ist ausgerechnet dieses Genre so erfolgreich? Welche Absichten verfolgen die Autorinnen und Autoren? Welche Spuren hinterlässt die ständige Wiederholung dieses Erzählmusters bei Lesern und Zuschauern? Wie wird Gewalt in Krimis dargestellt und wie wirkt sich diese Darstellung aus? Welchen Einfluss auf unsere Erwartungen an Erzählungen und Geschichten hat die Omnipräsenz des Krimis? Wie beeinflussen dieses Genre und seine medialen Formate unsere Wahrnehmungsfilter, unser Weltbild und unser Verhalten? Aus welchen Perspektiven kann man den Krimi betrachten und in welche Kontexte kann man ihn stellen.

    Ein Anfangsverdacht

    Marple, Mankell und Maigret: Wie es zu diesen Ermittlungen kam

    Es gibt kein Entkommen, der Krimi ist überall. Egal, ob für Leser, Kinogänger, Streamer, Fernsehzuschauer oder Radiohörer. Der Krimi ist derart attraktiv, dass sich Oberbürgermeister über parteipolitische Gräben hinweg verständigen und mit ihren Städten gemeinsam eine Bewerbung für den „Tatort" abgeben. Mord und Totschlag, so das Kalkül, wird Touristen anziehen. Die können dann von speziellen Krimi-Führern tiefer in die dunklen Seiten ihres Urlaubsziels eingeweiht werden. Selbst Anbieter altehrwürdiger Studienreisen ersetzen ihre kulturellen Ziele durch Wanderungen in der Bretagne auf den Spuren von Kommissar Dupin.

    In Grundschulen gelten Kriminalliteratur und „detektivisches Lesen schon länger als geeignetes Mittel zur Förderung der Lesemotivation. Den gleichen Kindern werden mit „Lernkrimis im Fremdsprachenunterricht Vokabeln untergejubelt. Was daran auszusetzen ist? Vielleicht wird damit ganz nebenbei eine bestimmte Denkfigur in die noch sehr plastischen Kindergehirne eingepflanzt. Erwachsenen bieten Literaturvermittler abendfüllende Lesungen mit Spannungs-, Spiel- und Gourmet-Elementen an, ganze Festivals werden flankiert von den immer gleichen Interviews mit hartgesottenen Weintrinkern, Schlapphüten und Crime-Queens. Liegt es also nicht nahe, zu fragen, warum sich dieses Medienschema mit seinen privaten und all umfassenden Verschwörungen immer tiefer in unserem Alltag manifestiert?

    Die Antworten der Autorinnen und Autoren auf Fragen nach der Funktion und dem Erfolg von Kriminalromanen, beziehungsweise Thrillern bleiben trotz dieser medialen Dauerpräsenz eher vage. Gern geredet wird über Handwerk, Themen, Plotstrukturen, Figuren, Schauplätze, Realismus, Gewalt, Gesellschaftskritik und Gesellschaftsroman. Selten hingegen über eine dazugehörende Poetik oder Ästhetik. Diese Reflexionsschwäche könnte einen aufmerksamen Zuhörer zu dem Verdacht verleiten, dass Autoren von Kriminalliteratur nicht wirklich wissen, was sie tun und mit ihrem Tun anrichten; dass sie schreiben, was sie schreiben, weil zur Zeit irgendwie alle Krimis und Thriller schreiben, kaufen und lesen.

    Wer vor dem Hintergrund dieser gut geschmierten Maschinerie ernsthaft die Qualität, Wirkung oder gesellschaftliche Funktion von Kriminalliteratur anspricht, wird schnell in eine heimtückische Zwickmühle geraten. Einerseits wehren sich sowohl Autorinnen und Autoren von als auch Expertinnen und Experten für Kriminalliteratur vehement dagegen, dass Kriminalliteratur trivial sei. Sie sei genauso künstlerische, intelligente und engagierte Literatur wie „die Literatur". Ja, es könne sowieso nur eine Literatur geben und die Kriminalliteratur sei logischerweise ein Teil davon. Wendet man nun aber die für diese eine Literatur gängigen Kriterien auf die Kriminalliteratur an, beklagen sich die gleichen Autoren und Experten darüber, dass die Bewertung auf falschen Voraussetzungen beruhe, denn Kriminalliteratur müsse erst einmal als das betrachtet werden, was sie sei, nämlich Kriminalliteratur. Innerhalb des Genres könne dann zwischen authentischer, literarischer, schlechter und guter Kriminalliteratur unterschieden werden.

    Krimi und Thriller dominieren mit ihren zahlreichen Spielarten nicht nur die Buchläden, auch die Fernsehredakteure scheinen sie zur Leiterzählung der Gegenwart auserkoren zu haben. Das Radio zieht gerade mit einer Runderneuerung seiner Sendungen nach. Immer häufiger hört man von Autorinnen und Autoren, dass Sie von Verlegerinnen und Verlegern, Redakteurinnen und Redakteuren dazu aufgefordert werden, die von ihnen angebotenen Themen doch zu einem Krimi zu verarbeiten. Wäre allein das nicht Grund genug, die Kriminalliteratur und die davon im Medienverbund abgeleiteten Schemata und Formate von ganz verschiedenen Seiten unter die Lupe zu nehmen und das Sprechen darüber nicht den eingeschworenen Expertinnen und Experten zu überlassen?

    „Krimi bedeutet hier, sehr weit gefasst, eine Rätsel- und Actionerzählung in verschiedenen Medien und Formaten, die um Verbrechen, deren Darstellung, Aufklärung oder Verhinderung kreist. Also das, was Buchläden in den Regalen mit dem Schriftzug „Krimi und „Thriller" anbieten und im Fernsehen von morgens bis spät in die Nacht unter diesen beiden Bezeichnungen läuft.

    Es war einmal …

    Die Geschichte und damit die wachsende Problematik des Krimis lässt sich kurz und gut anhand der Helden skizzieren, die dem Leser zur Identifikation angeboten werden. Ende des 19. Jahrhunderts hat der geniale bürgerliche Scharfsinnsheld Sherlock Holmes seinen Auftritt. Ihm folgt mit Jane Marple eine nette Dame von nebenan, die eine Art Schlüssellochermittlung propagiert. In den USA setzt zur gleichen Zeit der unerschrockene Kleinunternehmer Philip Marlow seine Sprache als Waffe gegen korrupte Biedermänner ein und in Frankreich sorgt ein autoritärer aber verständnisvoller und in jeder Situation kleinbürgerlicher Jules Maigret dafür, dass die sieben Todsünden in Paris nicht überhand nehmen. Alle Ermittler, das ist bis heute so, vertreten vier Kardinaltugenden: Tapferkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Klugheit. Die christlichen Zusätze Glaube, Liebe, Hoffnung sind bei Maigret am deutlichsten ausgeprägt. Aber auch unter der rauen Schale von amerikanischen Privatdetektiven durchaus vorhanden.

    Spätestens mit den Schweden Maj Sjöwall und Per Wahlöö bekommt der Krimi eine neue Dimension. Mitte der sechziger Jahre versucht das Schwedenduo die weit verbreitete Leserbindung des Genres zu nutzen und mit verunsichernder Gesellschaftskritik zu kombinieren. Der Krimi wird politisch engagierte Literatur und führt zu dem bis heute geltenden Kurzschluss, dass jeder Krimi engagierte Literatur sein kann. Der unkaputtbare „Tatort" ist das schönste Beispiel für diesen Irrtum. Wo sonst treten kaum verblümte Affirmation, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Autoritätsgläubigkeit so selbstverständlich in der Aura des kritischen Engagements auf wie hier?

    Begünstigt wird diese Haltung durch eine Entwicklung in den neunziger Jahren, in denen die Grenzen zwischen „Ernster Literatur und „Unterhaltungsliteratur von zwei Seiten eingerissen wurden. Einerseits forderte ein Teil der deutschen Literaturkritik Romane, die lesbarer und damit auch verkäuflicher seien, andererseits verändert die Postmoderne das Verhältnis zwischen sogenannter U- und E-Literatur. Da Geschmack immer soziokulturell geprägt sei, so die Argumentation, sei es auch nicht einzusehen, warum aufgrund dieser Prägung eine derartige Hierarchie aufrechterhalten werde.¹

    Soweit so gut. Denn Krimis können durchaus kunstvoll erzählt werden, literarische Muster weiterentwickeln und kritische Inhalte transportieren. Und das, was von Literaturexperten als Ernste Literatur geadelt wird, kann langweilig, uninspiriert und affirmativ sein. Was aber, wenn das Meta-Thema, dass Geschmack soziokulturell geprägt wird, während dieser Frischzellenkur abhanden gekommen ist, und die Rolle der Literaturkritik aus Mangel an Relevanz so aufgehübscht und trivialisiert wurde, dass sie mittlerweile der Verkaufsförderung ziemlich nahe kommt?

    Aber zurück zu den Helden des erfolgreichen und gewinnbringenden Medienschemas Krimi. Mit dem schwedischen Paradigmenwechsel geht eine Veränderung des Helden einher. Waren Marple, Marlow und Maigret noch Charaktere ungebrochenen Selbstbewusstseins und klarer Autorität, bekommen die Helden in Krimis, die sich als realistisch verstehen, Risse: Scheidung, Generationenkonflikte mit den Eltern und den Kindern, Alkohol wird zum Problem, das Übergewicht, die Stellung im Team, Depressionen stellen sich ein und Zweifel an der eigenen Rolle. Kurt Wallander repräsentiert mit diesen Attributen den Typus, der uneingeschränkt die Jahrtausendwende beherrscht. Er ist wie seine Vorgänger klug, tapfer und gerecht. Aber die neuen Themen sind seine verlorene Hoffnung und sein schwindender Glaube an das schwedische Gesellschaftsmodell. Trotzdem bleibt er ein leuchtendes Vorbild und ein bewundernswerter Funktionär des Status Quo. Denn die Romane Mankells

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