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Im Haus der Erinnerungen wartet das Leben: Eine bewegende Geschichte über die Kraft der Vergebung und des Glaubens; ein berührender Ostseeroman voller Spannung, Emotionen und Meerfeeling
Im Haus der Erinnerungen wartet das Leben: Eine bewegende Geschichte über die Kraft der Vergebung und des Glaubens; ein berührender Ostseeroman voller Spannung, Emotionen und Meerfeeling
Im Haus der Erinnerungen wartet das Leben: Eine bewegende Geschichte über die Kraft der Vergebung und des Glaubens; ein berührender Ostseeroman voller Spannung, Emotionen und Meerfeeling
eBook269 Seiten3 Stunden

Im Haus der Erinnerungen wartet das Leben: Eine bewegende Geschichte über die Kraft der Vergebung und des Glaubens; ein berührender Ostseeroman voller Spannung, Emotionen und Meerfeeling

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Über dieses E-Book

Marlene kehrt für eine Auszeit in das Ferienhaus ihrer Kindheit zurück.
Die herausfordernden Aufgaben als Ehefrau eines Pastors und die Trauer um ihre Mutter und ihre Freundin hat sie an den Rand eines Burnouts geführt.
In dem alten Haus, das voller Erinnerungen steckt, hofft Marlene Antworten auf ihre Lebensfragen zu bekommen.
Unerwartet treffen auch ihre Schwestern Marie und Michaela ein, die ebenso mit schwerwiegenden Problemen kämpfen.
Zu den beiden hat Marlene ein distanziertes Verhältnis, was unausweichlich zu starken Spannungen führt.
Als plötzlich nicht geahnte Geheimnisse ans Licht kommen, gerät das Leben der Schwestern vollkommen aus den Fugen.
Dann tauchen auch noch Briefe ihrer verstorbenen Mutter auf, die sie kurz vor ihrem Tod an ihre Töchter geschrieben hat...
Und mit einem Mal befinden sich Marlene, Michaela und Marie in einer Zerreißprobe, die sie nur gemeinsam überwinden können.
Ob es ihnen gelingt, die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich auf die verändernde Kraft des Glaubens einzulassen?
--- Meerfeeling, Spannung und Emotionen inklusive ---
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Jan. 2023
ISBN9783347824881
Im Haus der Erinnerungen wartet das Leben: Eine bewegende Geschichte über die Kraft der Vergebung und des Glaubens; ein berührender Ostseeroman voller Spannung, Emotionen und Meerfeeling
Autor

Susann Nitz

Susann Nitz ist seit vielen Jahren als Autorin tätig und hat bisher 15 Bücher veröffentlicht. Schon als Kind hat die Schleswig-Holsteinerin mit dem Schreiben kleiner Geschichten begonnen. Mit ihren Büchern möchte die Autorin nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen und ermutigende Anstöße für das eigene Leben geben. Die Autorin schreibt auch einen Blog unter dem Titel "Alltagsmutmacher". Zudem hat sie ihre Leidenschaft für Poetry Slam und eigens verfasste Gedichte entdeckt, die sie gern bei verschiedenen Veranstaltungen vorträgt. Nebenher engagiert sie sich für eine Fernsehsendung. Die Holsteinerin liebt das Fahrradfahren an Nord- und Ostsee. Ihre Bücher haben meist einen Bezug zu der norddeutschen Heimat.

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    Buchvorschau

    Im Haus der Erinnerungen wartet das Leben - Susann Nitz

    1. Kapitel

    Marlene seufzte, als sie vor dem kleinen Häuschen stand. Das Ferienhaus würde einen neuen Anstrich brauchen, bevor der Makler es zum Verkauf anbieten konnte. Die graue Fassade wirkte schäbig und auch die Fenster zeigten Spuren der Abnutzung, besonders das neben der Haustür.

    Marlene atmete tief ein, während sie die Tür öffnete. Der Geruch von altem Holz und verstaubten Stoffvorhängen kam ihr entgegen. Kein angenehmer Duft! Marlene verband damit allerdings etwas Heimisches, Vertrautes. Sie seufzte, als sie den kleinen Flur betrat. Dieses Haus bedeutete ihr so viel.

    Wie lange war sie nicht mehr hier gewesen? Nach dem Tod ihrer Mutter nur einmal, mit Jan und den Kindern, aber das war ein eher unerfreulicher Aufenthalt gewesen. In der Trauer gefangen und emotional aufgewühlt hatte Marlene gehofft, Erinnerungen, die sie mit diesem Haus verband, mit Jan teilen zu können. Jan allerdings war damit beschäftigt, sich mit den Kindern „Kämpfe zu liefern. Lisa und Leon hatten sich lautstark beklagt, dass sie es in der „stinklangweiligen Hütte, wie sie diesen Ort bezeichneten, nicht lange aushalten würden. Sie hatten wenig Interesse daran, Erinnerungen an vergangene Zeiten mit ihrer Mutter zu teilen.

    Missmutig brachten sie zum Ausdruck, dass es für sie unmöglich sei, ein Wochenende ohne funktionierendes WLAN-Netz verbringen zu müssen. Jan war wütend über das Verhalten seiner Kinder und es kam zu einem heftigen Streit. Die Auseinandersetzung eskalierte, so dass die ganze Familie nach kurzer Zeit wieder abreiste, um weitere Streitsituationen zu vermeiden.

    Marlene hatte sich so viel von diesem gemeinsamen Aufenthalt in dem kleinen Ferienhäuschen versprochen. War es doch für sie ein Stück weit Trauerbewältigung, die sie sich in der vertrauten Umgebung erhoffte. So gern hätte sie dort mit ihrem Mann über alles, was sie tief in ihrem Innern bewegte, gesprochen.

    Es wäre ihr so wichtig gewesen, gemeinsame Erinnerungen an dieses Haus und vor allem an ihre verstorbene Mutter zu teilen.

    Aber Jan hatte nichts Besseres zu tun, als sich „Schlachten" mit den Kindern zu liefern und zwischendurch an einer Predigt zu arbeiten. Marlene war sehr enttäuscht. Die Situation führte zu einem heftigen Streit zwischen ihr und Jan, wie so oft in letzter Zeit. Jan verstand sie nicht.

    Wie sollte er auch? Marlene verstand sich ja selbst nicht mehr. Es war so, als hätte ihr Leben seit einiger Zeit einen emotionalen Sprung bekommen. Ihr Vertrauen in Gott war in eine tiefe Krise geraten. Zu viel war geschehen, was sie an die Allmacht Gottes zweifeln ließ. Es gab einen Gott, dessen war sie sich sicher. Aber er hatte sie anscheinend vergessen, so empfand Marlene es jedenfalls. Sie wusste nicht einmal, wann sie begonnen hatte, an Gottes Nähe zu zweifeln. Irgendwann hatte sie im Gottesdienst gesessen und Jans Predigt zugehört. Es fühlte sich mit einem Mal an, als würde kein Satz sie berühren. Vertrauen in Gott, Liebe zum Nächsten, Gottes Hilfe in Not – diese Worte waren mittlerweile nur noch Floskeln für sie und hatten nichts mehr mit Marlenes Leben zu tun.

    Obwohl sie den Glauben an einen liebenden Gott verloren hatte, arbeitete sie dennoch weiter im Seniorenkreis, der Kinderkirche und sogar im Gebets- und Seelsorgedienst mit. Kaffeetafeln für Seniorennachmittage vorzubereiten und Kindern Bibelgeschichten zu erzählen war einfach, Gebete zu sprechen für Menschen in Not hingegen schwieriger.

    Marlene musste plötzlich an Heidrun denken. Heidrun war eine sehr nette Frau aus ihrer Gemeinde, Anfang 50, die in der Stadt einen kleinen Dekoladen betrieb. Heidrun brauchte dringend Gebet. Sie musste seit ein paar Monaten mit der schrecklichen Diagnose Brustkrebs leben. Marlene hatte ihr eine Zeitlang im Geschäft geholfen, als die Therapien es Heidrun unmöglich machten, im Laden zu stehen. Doch mittlerweile hatte sie ihr Geschäft geschlossen. Es war aufgrund ihrer Krankheit für sie nicht mehr möglich, den kleinen Laden zu betreiben.

    Vor kurzem hatte sie Marlene gebeten, um Heilung für sie zu beten. Verzweifelt, traurig und doch hoffnungsvoll erwartete Heidrun, dass Marlene für sie ein Gebet sprechen würde.

    Marlene hatte gezögert, als Heidrun sie darum bat. Marlene wollte ihr sagen, dass sie zurzeit einfach nicht an Gott und seine Allmacht glauben konnte. Aber dann sah sie Heidruns erwartungsvollen Blick, die Angst in ihren Augen und doch dieses hoffnungsvolle Vertrauen, als sei ihr Gebet für Heidrun der einzige Strohhalm, an den sie sich klammern würde. Dann hatte Marlene es einfach getan. Sie betete für Heidrun um vollständige Heilung und Gottes Eingreifen und glaubte jedoch keinen Moment daran, dass Gott es tun würde.

    Heidrun hatte nach dem Gebet geweint und Marlene für dieses „gesalbte Gebet" wie sie sich ausdrückte, gedankt. Marlene hatte nur verlegen gelächelt und Heidrun einfach in den Arm genommen, während sie sich tief im Innern schämte.

    Marlene schüttelte den Kopf, während sie ihre Jacke an die Garderobe im Flur hängte. Sie wollte im Moment nicht an die Kirche und ihr altes Leben denken.

    Marlene zwängte sich an dem viel zu breiten Kleiderständer vorbei durch den kleinen Flur ins Wohnzimmer. Sie blieb einen Moment stehen und schaute sich um, jeder Winkel dieses Hauses war ihr bekannt.

    Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie mit ihrer Familie fast jedes Wochenende hier verbracht. Ihre Eltern und ihre Schwestern hatten sich in diesem kleinen Häuschen in Niendorf, unweit der Ostseeküste, immer sehr wohlgefühlt.

    Marlene trat näher, legte ihre Tasche auf den Sessel und ließ sich auf die Couch fallen. Wieder einmal stellte sie fest, dass die roten Plüschsessel unmodern und altmodisch wirkten. Aber ihre Mutter war kein Mensch gewesen, der Dinge einfach so wegschmeißen konnte. Jedes noch so alte Möbelstück hatte für sie einen besonderen Wert gehabt.

    Das Erstaunliche war, dass Marlene sich nicht vorstellen konnte, wie das Haus ohne diese quietschrote Couchgarnitur aussehen könnte. Die Möbelstücke gehörten einfach zu diesem Wohnzimmer, so als wären sie hier festgewachsen.

    An der Wand hingen moderne Bilder von Strandaufnahmen. Fotografieren gehörte zu den Leidenschaften ihrer Mutter. Auch das Haus ihrer Mutter in Rendsburg war geschmückt mit Fotos, die ihre Mutter gemacht hatte. Doch nun befanden sich diese Bilder allerdings auf Marlenes Dachboden.

    Das Reihenhaus war längst verkauft und auch das Ferienhäuschen würde wohl bald den Besitzer wechseln, denn Marlenes Schwestern hatten keinerlei Verwendung dafür. Marlene seufzte. Jan und sie waren leider nicht in der Lage, das Häuschen allein zu halten. Aufgrund ihrer bescheidenen finanziellen Verhältnisse war es ihnen nicht möglich, die Schwestern auszuzahlen. Außerdem würden ihr Mann und ihre Kinder diesen Rückzugsort wohl kaum nutzen. Ihre Kinder hatten jedenfalls kein Interesse daran.

    Und Jan hatte am Wochenende keine Zeit für Entspannung am Meer. Der Sonntag gehörte ganz seiner Kirchengemeinde. Für einen Pastor war der Sonntag nun einmal der Hauptarbeitstag.

    Es klopfte und Marlene wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie eilte zur Tür und öffnete.

    „Hallo, Manfred, schön dich zu sehen. Das ist ja eine Überraschung!" Freundlich begrüßte Marlene ihren langjährigen Ferienhaus-Nachbarn und Freund der Familie.

    „Hallo, Marlene, ich habe gesehen, dass du gerade angekommen bist und wollte kurz „Guten Tag sagen.

    Marlene betrachtete ihn. Seit der Beerdigung ihrer Mutter hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Ihr war aber damals schon aufgefallen, dass er sich verändert hatte. Der Zahn der Zeit war nicht stillschweigend an ihm vorbeigegangen.

    Seine wenigen Haare waren ergraut und eine Halbglatze war jetzt deutlich zu erkennen. Aber er strahlte wie eh und je, wenn er eine der Hoffmann-Töchter begrüßte.

    So war es immer gewesen, auch damals als Marlene und Marie noch klein waren und er sich zu romantischen Rendezvous mit Michaela traf. Die kleinen Schwestern rannten Michaela und Manfred kichernd hinterher und versteckten sich im Wald hinter den Büschen, um das verliebte Paar zu beobachten. Wenn Michaela sie entdeckte, war sie manchmal ärgerlich, zumindest auf Marlene. Marie war immer Michaelas kleiner Liebling gewesen. Marie war eigentlich bei jedem beliebt. Mit ihren dunklen Locken, dem niedlichen Gesicht und dem bezaubernden Lächeln konnte sie jeden, der ihr begegnete, in den Bann ziehen. Auch heute noch versprühte sie ihren Charme und alle, die sie kannten, hatten sie gern.

    Manfred drückte Marlene ein Kuchenpaket in die Hand. Seine großen blauen Augen glänzten wie eh und je und die Mundwinkel zeigten viele kleine Fältchen, als er lächelte. „Ich dachte mir, wenn du heute hierherkommst, hast du sicher keine Zeit einzukaufen. Da habe ich mir erlaubt, dir Kuchen mitzubringen."

    Manfred war einfach umwerfend. Marlene hatte bis heute nicht verstanden, warum Michaela ihn nicht geheiratet hatte. Dabei waren Michaela und Manfred doch schon verlobt. Jeder in der Familie rechnete damals mit einer baldigen Heirat. Aber Michaela hatte sich dann, vollkommen überraschend für alle Familienmitglieder, von Manfred getrennt. Eigentlich wäre Manfred der ideale Lebenspartner für Michaela gewesen.

    Marlene wusste bis heute nicht, warum ihre Schwester sich von heute auf morgen von ihrem Verlobten getrennt und Hals über Kopf nach Frankfurt gezogen war.

    Manfred hatte viele Jahre sehr unter der plötzlichen Trennung gelitten, bis er später eine Witwe aus Hamburg, seiner Heimatstadt, heiratete. Mittlerweile war Manfreds Frau aber schon verstorben.

    Michaela hingegen war in ihrer Arbeit als Altenpflegerin aufgegangen und hatte sich soweit hochgearbeitet, dass sie sogar ein Seniorenheim in der Eiffel leitete. Marlene lächelte Manfred zu.

    „Das ist lieb von dir, Manfred. Komm` rein, ich koche uns einen Kaffee." Eigentlich wollte Marlene allein sein und sich in Gedanken vergangener Erinnerungen hingeben. Aber Manfred war ein guter alter Freund und die Idee mit dem Kuchen war so lieb.

    Seit Marlene denken konnte, gehörte das Ferienhaus nebenan Manfreds Eltern. Nachdem diese vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert waren, hatten sie ihrem Sohn das Ferienhaus überlassen. Marlene kannte Manfred schon von Kindesbeinen an. Er war für sie wie ein großer Bruder gewesen.

    Marlene hatte sich als Kind immer einen Bruder gewünscht, mit dem sie in die Wälder streifen und verrückte Abenteuer erleben könnte. Dieser Wunsch war tief in ihrem Innern ganz fest verankert gewesen. So war Manfred für sie eine Art „Ersatzbruder". Zusammen mit ihm und ihren beiden Schwestern hatten sie viele unvergessene Ferientage und Wochenenden hier in Niendorf erlebt. Die besondere Verbundenheit blieb natürlich auch über die vielen Jahre hinweg bestehen. Selbst nachdem Michaela sich so abscheulich benommen, und ihren Verlobten von einem auf den anderen Tag grundlos verlassen hatte, war der Kontakt der Familie zu Manfred nie abgebrochen.

    Manfred folgte Marlene ins Wohnzimmer. Er setzte sich auf einen der Sessel, während Marlene in der offenen Pantryküche den Kaffee zubereitete. Dabei fragte sie ihn: „Wie geht es dir, Manfred?"

    „Wenn ich am Wochenende hier bin, geht es mir gut. Hamburg ist nach wie vor eine wunderschöne Stadt, aber die Hektik dort gefällt mir immer weniger. Deshalb verbringe ich die Wochenenden hier in Niendorf. Ich brauche die Natur, die Abgeschiedenheit."

    Marlene seufzte. „Oh, ja, das verstehe ich." Wie sehr freute sie sich jetzt hier zu sein, weit weg von ihren launischen Kindern und einem Mann, der für seine Kirchengemeinde lebte. Weit weg von Kirchenmitgliedern, die einen in Beschlag nahmen, ob man wollte oder nicht!

    „Und wie geht es dir, Marlene?" Manfred nahm ihr das Tablett ab und stellte die Teller und Tassen auf den Tisch.

    Marlene blieb einen Moment stehen. Sie strich sich eine Strähne hinter das Ohr, seufzte und wuschelte durch ihre Locken. „Nun, es geht. Ach, warum sollte sie nicht ehrlich sein? „Eigentlich geht es mir schlecht, der Arzt hat mir eine Auszeit verpasst. Er sagte, ich stünde kurz vor einem „Burnout.

    Manfred zog die Augenbrauen hoch.

    Auch wenn sein Haar deutlich lichter geworden war, seine buschigen Augenbrauen hatten nichts an Volumen verloren. „Das hört sich nicht gut an. Es tut mir sehr leid, dass es dir so schlecht geht."

    Marlene verschränkte die Arme und nickte. Sie eilte in die Küche, um die Kaffeekanne zu holen. Einen Moment lang war es still, während Marlene ihrem Gast eine Tasse Kaffee eingoss.

    Als sie einen Schluck genommen hatte, wollte sie etwas sagen, aber Manfred kam ihr zuvor. „Ich verstehe dich, manchmal wird einem einfach alles zu viel. Du bist in der Kirche bestimmt ziemlich gefordert. Und dann musstest du vor ein paar Monaten noch Abschied von deiner Mutter nehmen, das war bestimmt auch schwer für dich."

    Marlene wollte etwas erwidern, aber im selben Moment klingelte ihr Handy. Sie entschuldigte sich kurz, nahm es aus der Tasche und drückte auf „Annehmen", ohne auf die Nummer zu achten.

    „Sag` mal, was denkst du dir eigentlich dabei?"

    Marlene zuckte zusammen, als sie Angelikas Stimme hörte. Im selben Moment ärgerte sie sich darüber, dass sie Angelika vor einiger Zeit ihre Handynummer gegeben hatte, um Termine wegen des Seniorenkreises abzusprechen.

    Angelika fuhr weiter fort, sie zu beschimpfen. „Du haust einfach ab und ich stehe jetzt mit den Vorbereitungen zur Seniorenweihnachtsfeier ganz allein da. Wie stellst du dir das eigentlich vor?"

    Ja, es war nicht okay, dass sie Angelika nur mit einer WhatsApp Nachricht erklärt hatte, dass sie für die Vorbereitungen der Seniorenweihnachtsfeier nicht mehr zur Verfügung stand. Aber weil sie genau vor dieser Reaktion Angst gehabt hatte, die Angelika jetzt am Telefon zeigte, war ihr die Idee mit der WhatsApp Nachricht gekommen.

    „Ich brauche im Moment Abstand", war das Einzige, was Marlene sagen konnte.

    „Abstand? Ja, das brauche ich auch! Schließlich darf ich jetzt die Seniorenfeier allein ausrichten. Toll!"

    Marlene fühlte sich so müde und ausgelaugt, dass es ihr egal war, was Angelika sagte. „Dann sag` die Adventsfeier halt ab." Ihre kurze Antwort bewirkte, dass Angelikas Wut sich steigerte.

    „Absagen? Bist du verrückt? Die alten Leute freuen sich das ganze Jahr darauf. Für manche ist es das einzige Highlight des Jahres. Und du? Du brauchst Abstand!!"

    Nun regte sich in Marlene aber auch Ärger über Angelikas unverschämtes Verhalten. „Angelika, ich bin nicht einfach so von zuhause weg. Mir geht es sehr schlecht, verstehst du?" Ihre Stimme war laut und eindringlich. Es war einen Moment still.

    Angelika meldete sich jetzt leise und sichtlich betroffen. „Was ist los, ist etwas in deiner Ehe nicht in Ordnung? Oder bist du krank?"

    Marlene schüttelte innerlich den Kopf. Als wenn sie Angelika irgendwelche privaten Geheimnisse erzählen würde! Sie war ein Kirchenmitglied und zu keinem der Kirchenbesucher hatte Marlene ein freundschaftliches Verhältnis. Nur mit Nora war sie befreundet gewesen, aber Nora war nicht mehr da…

    „Ich möchte nicht darüber sprechen, Angelika. Es tut mir sehr leid, dass du jetzt allein vor der ganzen Arbeit stehst, aber ich kann es zurzeit nicht ändern. Sonst sprich` noch einmal mit Jan, vielleicht hat der einen Rat, oder er weiß, wen du noch für die Weihnachtsfeier einspannen kannst."

    „Jan wusste immer einen Rat, wenigstens wenn es sich um seine Kirche handelte", dachte sie bitter.

    Angelika seufzte an der anderen Leitung und Marlene spürte, dass sie eigentlich noch vorhatte, einige unangenehme Dinge zu sagen, aber diese für sich behielt. „Dann wünsche ich dir alles Gute." Angelikas Stimme klang etwas gequält.

    „Danke!" erwiderte Marlene kurz, ohne sich zu verabschieden und beendete das Gespräch.

    Marlene lächelte verlegen, als sie in Manfreds betroffenes Gesicht schaute. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er das Telefonat mitangehört hatte.

    Manfred war sichtlich betroffen. „Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht, Marlene. Ist es wegen dem Tod deiner Mutter? Marlene sagte leise: „Es ist sehr schmerzhaft, dass sie nicht mehr da ist. Ich vermisse sie sehr.

    Manfred nickte verständnisvoll. „Das verstehe ich. Verena war ein besonderer Mensch. Sie war die Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit in Person und hatte immer ein offenes Ohr."

    Marlene blickte gedankenverloren aus dem Fenster.

    Oh, ja. So war ihre Mutter, jedem Menschen zugewandt, immer hatte sie ein liebevolles Wort auf den Lippen. So gern erinnerte sie sich an ihr strahlendes Lächeln. Selbst in den letzten Monaten ihres Lebens, als sie von der schweren Krankheit gezeichnet war, hatte sie ihr Lächeln nicht verloren. Ihr Leben war geprägt von Dankbarkeit, obwohl auch sie schwere Schicksalsschläge erleben musste.

    Marlenes Vater war, kurz nachdem Michaela nach Frankfurt gezogen war, plötzlich gestorben. Sie war tapfer durch die Trauerzeit gegangen und hatte sich immer liebevoll und aufopfernd um ihre Töchter gekümmert.

    Wie gern hätte Marlene ihre Mutter jetzt hier gehabt. Mit ihr hätte sie über ihre Glaubenszweifel reden können. Sie hätte einen Rat gehabt und Marlene verstanden.

    Aber sie war tot, genauso wie Nora, und Marlene fühlte sich so unsagbar allein. Sie kannte dieses Gefühl des Alleinseins eigentlich schon seit ihrer Kindheit, obwohl sie eine liebevolle Familie und viele Freunde gehabt hatte. Tief in ihrem Herzen war da so ein kleines schwarzes Loch, ein Gefühl der Leere, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Aber sie konnte immer damit leben, denn sie hatte wundervolle Eltern und jetzt eine eigene Familie. Doch seit dem Tod ihrer Mutter war dieses Gefühl wieder ganz präsent. Und auch die Trauer hielt sie gefangen, wie eine Schlinge, die sich um ihr Herz gelegt hatte. Aus dieser konnte sie kaum entfliehen.

    Eigentlich begleitete sie die Trauer schon ein Leben lang. Sie war in den ersten beiden Lebensjahren bei ihrer Oma groß geworden.

    Als sie zwei Jahre alt war, starb ihre geliebte Großmutter. Marlene hatte keine Erinnerungen an sie. Aber wenn sie das Foto ihrer Oma auf dem Wohnzimmerschrank ihrer Mutter betrachtete, verspürte sie ein warmes Gefühl in ihrem Herzen. Sie hatte ihre Großmutter sehr geliebt. Das wusste Marlene, obwohl Marlene ihre Oma nur in den ersten beiden Jahren ihres Lebens erleben durfte…

    Wenn sie ihre Mutter nach ihrer Kindheit bei ihrer Oma gefragt hatte, war ihre Antwort meist knapp. Sie spürte, dass Verena nicht gern über diese Zeit sprach. Und Marlene hatte auch niemals erfahren, warum sie bei ihrer Großmutter leben musste. Ihre Mutter sprach nie darüber. Vor vielen Jahren hatte Marlene ihre große Schwester Michaela danach gefragt.

    Michaela hatte ihr gesagt, dass es Verena in den ersten Jahren nach Marlenes Geburt so schlecht ging, dass sie nicht mehr aufstehen und sich um die Familie kümmern konnte.

    Michaela erklärte ihrer Schwester noch: „An einem Tag, als du erst ein paar Wochen alt warst, kam ich von der Schule nach Hause. Die Polizei stand vor unserer Tür. Papa sprach mit den Beamten, es schien irgendwie um dich zu gehen. Aber mehr weiß ich nicht. Noch am selben Tag hat Papa dich zu Oma gebracht und seit diesem Tag hast du bei ihr gelebt."

    Oft musste Marlene an diese Zeit denken, die ihr wie ein

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