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Alles was wir sehen: Young Adult Romance zwischen Liebe und dem eigenen Platz im Leben
Alles was wir sehen: Young Adult Romance zwischen Liebe und dem eigenen Platz im Leben
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eBook362 Seiten4 Stunden

Alles was wir sehen: Young Adult Romance zwischen Liebe und dem eigenen Platz im Leben

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Über dieses E-Book

Ein Mädchen, ohne Zukunftspläne.
Ein Junge, auf der Suche nach Inspiration.
Ein Roadtrip, der ihr Leben verändert.

Als sich ihre Eltern scheiden lassen wollen, flüchtet Savannah zu ihrer besten Freundin nach Inverness. Mit großen Träumen und ohne Plan, beschließt sie einen Roadtrip quer durch Schottland zu machen. Doch sie hat nicht mit ihrem Reisegefährten gerechnet. Ein Reisegefährte, der Gefühle in ihr weckt, die Savannah noch nie empfunden hat…
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Sept. 2023
ISBN9783910615809
Alles was wir sehen: Young Adult Romance zwischen Liebe und dem eigenen Platz im Leben

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    Buchvorschau

    Alles was wir sehen - Michelle Woitag

    Alles_was_wir_sehen.jpg

    Copyright 2022 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    ISBN: 978-3-910615-80-9

    Alle Rechte vorbehalten

    Für Annalena und Natalie. Ohne euch gäbe es diese

    Geschichte und den Seth-Fanclub nicht!

    Inhalt

    Playlist

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Epilog

    Danksagung

    Triggerthemen:

    Playlist

    Simple Things – Ziggy Alberts

    You‘re Somebody Else – flora cash

    Monsters (Acoustic Version) – Ruelle

    Milestone – Matt Walden, Joey Kidney

    Avalanche – James Arthur

    Better Days – Dermot Kennedy

    Ok, All Right – David Archuleta

    Betterman – Virginia To Vegas

    Lay By Me – Ruben

    Bitter – FLETCHER, Kito

    I Shot Cupid – Stela Cole

    Fuck Up The Friendship – Leah Kate

    Good day – MacKenzie Bourg

    Always Been You – Jessie Murph

    September – James Arthur

    High Hopes – Kodaline

    Numb Little Bug – Em Beihold

    I GUESS I`M IN LOVE – Clinton Kane

    Prolog

    Hast du schon einmal in den Spiegel geblickt und jemanden völlig Fremden vor dir gesehen? Eine Person, die du eigentlich kennen solltest?

    Irgendjemand hat mal gesagt, dass das größte Glück im Leben darin besteht, seine Träume zu verwirklichen. Doch was ist, wenn du nicht genug bist? Wenn du alles versuchst, wirklich alles, um ans Ziel zu kommen, aber du erreichst es nie?

    Das Leben besteht aus Herausforderungen. Aus Hürden und Schicksalsschlägen. Aus Höhen und Tiefen. Jeden Morgen stehst du auf, um dein Bestes zu geben. Und jeden Morgen aufs Neue wirst du enttäuscht. Weil du ungenügend bist. Weil niemand an dich glaubt. Nach und nach schleichen sich Selbstzweifel ein. Ehe du dich versiehst, glaubst du selbst nicht mehr an dich. Wenn das passiert, nun, dann sitzt du irgendwann in einem schäbigen Taxi und bist auf dem Weg zu deiner besten Freundin. Um vor deinem Leben zu flüchten. Du sitzt da, beobachtest den Verkehr, hörst dem Taxifahrer beim Reden zu und fragst dich, wie es so weit kommen konnte. Mein Name ist Savannah Lynn Reynolds und in meinem Fall war es ein schleichender Prozess.

    Mit sechs Jahren fing ich an zu zeichnen. Hauptsächlich Kleidung, weil meine Mutter immer welche zeichnete. Als ich ihr meinen ersten Entwurf von einem Rock zeigte, schnaubte sie spöttisch und sagte, dass ich das lieber lassen sollte. Ich könnte es nicht und sollte meine Zeit nicht verschwenden. Mit zehn Jahren nahm ich an einer Misswahl teil. Nicht, weil ich das wollte, sondern weil meine Mutter fand, ich hätte ein ganz hübsches Gesicht. Ich machte den zweiten Platz und sie redete eine Woche lang nicht mehr mit mir. Mit dreizehn beichtete ich meinen Eltern, dass ich, genau wie sie, Mode designen wollte, schneidern und nähen, eine eigene Kollektion entwerfen.

    Meine Mutter lachte nur und sagte, ich solle erwachsen werden. Mein Dad meinte, ich könnte es als Hobby machen. Doch in der Branche würde ich nie groß werden. Weil ich nicht genug war. Mit fünfzehn entwarf ich meine erste Kollektion und schneiderte meine eigene Kleidung. Keiner von beiden bemerkte es. Keiner von beiden sagte etwas dazu. Mit sechzehn eröffnete ich einen Modeblog. Ich fotografierte meine Kreationen, stellte sie online und bekam viel Resonanz. Firmen sind auf mich aufmerksam geworden, wollten Kooperationen mit mir eingehen. Aber auch das war ihnen nicht genug.

    Ein Jahr später beschlossen meine Eltern, sich scheiden zu lassen. Weil sie sich hassten. Weil sie mir keine Liebe schenken konnten. Weil ich ungenügend war.

    Kommt dir das bekannt vor? Ist es das, was du siehst, wenn du in den Spiegel blickst? Mein Name ist Savannah Lynn Reynolds, ich bin siebzehn Jahre alt und auf dem Weg zu meiner besten Freundin. Weil ich dieses Leben nicht mehr führen kann. Weil ich mich nicht mehr im Spiegel betrachten kann.

    Kapitel 1

    Fetakäse würde mein Untergang sein. Ganz ernsthaft. Ich aß dieses weiche, würzige Teufelszeug mittlerweile zu jedem Gericht. Aber ich konnte nichts dafür. Tante B. kochte die leckersten Feta-Nudeln auf diesem gottverdammten Planeten.

    Ich schob mir eine Gabel voll in den Mund und verdrehte genüsslich die Augen. Die Mischung aus süßlicher Tomate und würzigem Käse löste Glücksgefühle in mir aus. Anders konnte man es nicht beschreiben. Konnte man süchtig nach Fetakäse werden? War ich vielleicht so etwas wie ein Fetaholiker? Falls ja, wäre das für mich absolut in Ordnung. Ganz ernsthaft.

    Ich warf einen Blick auf Tante B., die gerade stirnrunzelnd auf ihre Unterlagen sah. Die Haare steckten in einem lockeren Dutt und sie kaute auf einem Kugelschreiber herum.

    Tante B. war nicht wirklich meine Tante. Eigentlich war sie die Tante meiner besten Freundin Lydia und ihr vollständiger Name war Bethany Graham. Ich liebte diese Frau abgöttisch.

    Als sie vor einigen Monaten hatte durchklingen lassen, dass ich doch mal zu Besuch kommen sollte, hatte sie wohl nicht damit gerechnet, dass ich all meine Sachen packen und bei ihr einziehen würde. Dennoch nahm sie mich ohne Zögern bei sich auf. Lydia hatte großes Glück mit ihr. Die beiden verstanden sich blendend und es war mehr eine Freundschaft als eine Tante-Nichte-Beziehung.

    Doch das war nicht immer so gewesen. Vor über einem Jahr hatte meine beste Freundin zusammen mit ihrer Familie einen Autounfall. Wie durch ein Wunder hatte Lydia als Einzige überlebt. Bethany holte sie zu sich nach Inverness.

    Es war eine harte Zeit, doch langsam, aber sicher kehrte Lydia ins Leben zurück. Sie wurde mit jedem Tag stärker, lebendiger, fröhlicher. Das hatte sie nicht nur ihrer fabelhaften besten Freundin (also mir), und ihrer tollen Tante B. zu verdanken. Es gab auch einen ziemlich süßen Typen. Und obwohl ich liebend gern mehr Zeit mit ihr verbringen würde, freute ich mich für sie. Vincent machte sie glücklich, und das wiederum machte mich glücklich.

    Ich schaufelte mir noch eine Portion Nudeln in den Mund, als ich auf die Uhr blickte und die Stirn krauszog.

    »Wo if Fydia?«, wollte ich zu fragen und sah wie einige Feta Krümel auf dem Tisch landeten. Ups. Unauffällig wischte ich sie weg und schluckte meinen Bissen hinunter.

    Bethany murmelte etwas und blickte mir dann blinzelnd entgegen.

    »Hm?« fragte sie, als hätte sie keine Ahnung, was ich gerade gesagt hatte.

    Ich zeigte auf den leeren Stuhl vor mir. »Wo ist Lydia?«

    Bethany lächelte geheimnisvoll und tippte mit ihrem Stift gegen ihren Mund. »Sie und Vincent sind heute ganz früh aufgebrochen. Sie wollten wohl zu einer Infoveranstaltung auf dem Campus und nachher noch an den See fahren.«

    Ich schnaubte. Typisch. In den letzten Tagen brachen die beiden immer ziemlich früh auf, damit sie möglichst viel vom Tag hatten. Diese Verliebtheit war schon fast ekelhaft süß.

    Ich nickte Bethany zu und räumte meinen Teller in die Spülmaschine.

    »Danke Sav«, sagte Tante B.

    Ich lächelte sie an. »Mach ich doch gern.«

    Wir beide horchten auf, als jemand die Treppe runterkam. Jonathan betrat die Küche. Er nickte mir zu und gab Tante B. einen Kuss auf die Wange. Dann schenkte er sich eine Tasse Kaffee ein.

    »Hallo Jon«, begrüßte ich ihn.

    Bethanys Freund könnte direkt aus meiner Lieblingsserie Outlander entsprungen sein. Er war durch und durch Schotte. Ein Schrank von einem Mann, leicht rötliches Haar, Vollbart. Diese Sorte Mann war zum Anbeißen. Obwohl ich gestehen musste, dass ich mehr auf jemanden wie James Fraser stand. So jungenhaft und süß. Wo ich so darüber nachdachte, bekam ich Lust, die Serie zu schauen. Zum achten Mal.

    Seit ich hier angekommen war, probierte ich Jon zu überreden, das Gesicht meiner Herrenkollektion zu werden. Er würde super auf meinem Blog ankommen. Allerdings war ich bisher erfolglos geblieben.

    Ich lehnte mich gegen die Küchentheke und sah ihn durchdringend an. »Also Jon. Hast du es dir nochmal überlegt? Ich hätte da wirklich ein paar tolle Kleidungsstücke, die fabelhaft an dir aussehen würden!«

    Hilfesuchend sah er zu Beth, doch die nickte nur grinsend.

    Wieder sah er mich an. »Ich habe keinen Zweifel an deinen Fähigkeiten, aber ich bin nicht so der Typ fürs … Modeln. Aber danke für das Angebot.«

    Ich nickte seufzend. Dann lächelte ich ihn an. »Kein Problem. Ich frage dich morgen nochmal.«

    Bethany kicherte und Jon versuchte das Schmunzeln zu verbergen, das sich auf seine Lippen stehlen wollte. »Ja, da bin ich mir sicher.«

    Bethany zwinkerte mir grinsend zu. »Gib bloß nicht auf, Sav. Ich kann es kaum erwarten, ihn in deiner Kollektion zu sehen.«

    Ich lächelte Beth an. »Das Wort aufgeben gibt es in meinem Wortschatz nicht.«

    Ich setzte mich wieder und goss mir frischen Eistee ein. Es war ein Familienrezept und jedes Mal, wenn ich bei Lydia zu Besuch gewesen war, hatte ihre Mum uns diesen Eistee gemacht. Der von Tante B. schmeckte genauso gut. Ich war im Himmel. Absolut. Im. Himmel.

    »Und, was hast du heute noch vor?« fragte Tante B. und holte mich damit in die Wirklichkeit zurück.

    Ich nahm einen Schluck von meinem süßen Getränk und zuckte mit den Schultern. Diese Frage machte mich jedes Mal aufs Neue nervös. Ich wusste, dass ich hier willkommen war. Dass ich tun und lassen konnte, was ich wollte. Doch das Problem war, dass sich jeder fragte, warum ich eigentlich hier war. Das war allerdings etwas, das ich selbst kaum beantworten konnte.

    Ich war hier, weil ich hier sein wollte. Ich wollte in den Tag hineinleben, essen, Serien schauen und den Sommer genießen. Einfach nichts tun. Doch jeden Tag aufs Neue wurde ich gefragt, was ich heute tun wollte. Und mit jeder Frage kamen die Selbstzweifel und die Ängste. Deshalb schenkte ich Tante B. mein schönstes Lächeln und gab ihr meine Standardantwort: »Mal sehen, was der Tag so für Abenteuer bereithält.«

    Bethany lächelte.

    Am Abend saß ich auf dem Bett und bastelte an einem neuen Header für meinen Blog. Ich wollte die Seite eigentlich komplett neugestalten, aber mir fehlten die Ideen.

    Ich könnte jemanden beauftragen, doch das war verdammt teuer. Durch kleinere Kooperationen mit Firmen hatte ich zwar Geld zusammensparen können, aber dafür wollte ich es ungern ausgeben und meine Eltern würde ich sicher nicht um Hilfe bitten. Sie fanden, dass mein Blog Zeitverschwendung war, und genau deshalb wollte ich es allein schaffen.

    Als es an der Tür klopfte, murmelte ich ein »Herein« und starrte weiter konzentriert auf den Laptop. Welche Farbe sollte ich nehmen ?Die Tür wurde geöffnet und eine strahlende Lydia tänzelte in den Raum. Mit einem Seufzen ließ sie sich rücklings auf das Bett fallen, breitete die Arme aus und lächelte selig.

    »Ich hoffe, er hat dich ordentlich durchgenudelt«, murmelte ich und klickte gleichzeitig auf Speichern. Doch nichts passierte. Dieser verdammte Laptop hatte sich schon wieder aufgehängt!

    »O Gott, Sav! Ich habe dir gesagt, dass wir … noch nicht so weit sind.« Lydia hatte sich inzwischen aufgesetzt und sah mich mit verkniffener Miene an. Außerdem war ihr Gesicht knallrot geworden. Ziel erreicht.

    Ich schenkte ihr ein Grinsen und konzentrierte mich wieder auf den Bildschirm. Als das Bild schwarz wurde, stöhnte ich frustriert auf.

    »Was ist los?«, fragte sie und warf einen Blick auf meinen Laptop.

    »Das blöde Ding hängt sich ständig auf!« Genervt klappte ich ihn zu.

    »Willst du meinen benutzen?«, bot meine Freundin an und wollte schon aufstehen.

    Ich winkte ab. »Nein, ist schon gut, trotzdem danke.« Ich seufzte. »Ich werde mir wohl einen Neuen besorgen müssen.«

    »Was hast du denn gerade gemacht?«, fragte sie.

    »Ich habe an einem neuen Header für den Blog gebastelt. Allerdings waren alle Entwürfe Mist« zerknirscht lehnte ich mich an meine Kissenwand und streckte die Beine aus. Ich hatte das schlichte Zimmer seit meinem Einzug mit Lichterketten und Fotos in einen Wohlfühlort verwandelt. Einfach, aber gemütlich.

    Lydia setzte sich neben mich und streckte ebenfalls die Beine aus. Ich sah sie an und fragte: »Was habt ihr heute Schönes gemacht?«

    Sie lächelte strahlend und begann von ihrem Ausflug mit Vincent zu erzählen.

    Ich hätte ihr stundenlang zuhören können. Sie klang so glücklich und verliebt. Das machte mich stolz. Denn wenn ich daran dachte, was für ein schlimmes Jahr meine beste Freundin hinter sich hatte, war es ein Wunder, das sie hier neben mir saß und lachte.

    »Und dann haben wir zusammen Eis gegessen.«

    »Und er hat dir seine Zunge in den Hals gesteckt.«

    Lydia schnappte hörbar nach Luft und schlug nach mir. »Savannah!«

    Ich wich kichernd aus. »Was denn? Du kannst mir nicht erzählen, dass ihr nicht den ganzen Tag am Knutschen seid.« Ich wackelte mit den Augenbrauen und Lydia kicherte.

    Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, tun wir nicht. Wir reden. Und haben Spaß.«

    »Wie langweilig. Ich würde knutschen«, erwiderte ich.

    Meine Freundin rollte grinsend mit den Augen und stupste mich an. »Genug von mir und meinem Liebesleben. Was hast du heute so gemacht?«

    Ich zuckte mit den Schultern. »Nichts. Ich habe ein paar Entwürfe fertig gemacht, Bilder bearbeitet und dann saß ich an meinem Header.«

    Lydia nickte. Dann sah sie mich an, als hätte sie eine Eingebung. »Hey! Du könntest doch Seth fragen. Soweit ich weiß, kennt er sich mit so was aus. Vielleicht kann er dir bei deinem Header helfen.»

    Da war er wieder. Dieser Name. Seth. Mein Erzfeind. Gut, vielleicht war Erzfeind etwas übertrieben. Aber dieser Typ wollte mir meine beste Freundin ausspannen! Gut, vielleicht war auch das übertrieben. Immerhin war er hier für sie da und hat sich um sie gekümmert, aber es ging ums Prinzip!

    »Ich wusste gar nicht, dass Stanley so was kann.«

    Lydia warf mir einen Blick zu. »Er heißt Seth.«

    »Habe ich doch gesagt«, erwiderte ich.

    Sie kniff die Augen zusammen, doch ich lächelte unschuldig.

    »Vielleicht frage ich ihn, wenn ich ihn sehe«, sagte ich und betrachtete meine Nägel.

    »Mach das. Er hat wirklich ein Händchen dafür. Was hast du denn die kommenden Tage noch so vor?«, fragte Lydia und betrachtete mich aufmerksam.

    Ich kannte diesen Blick. Es war dieser Ich-bin-besorgt-aber-tue-so-als-wäre-nichts Blick. Den hatte sie in letzter Zeit öfter. Genauer gesagt, seit ich hier angekommen war, um für die nächsten Wochen hierzubleiben. Lydia kannte mich seit Kindestagen und wusste, dass etwas nicht stimmte. Doch sie fragte nicht nach. Weil sie darauf wartete, dass ich es ihr erzählen würde. So wie immer. Das Problem war nur, ich konnte nicht.

    Also zuckte ich nur mit den Schultern und erwiderte: »Keine Ahnung. Ehrlich gesagt hatte ich mir vorgenommen, die nächsten sechs Wochen nichts zu tun. Einfach nur entspannen, Serien schauen, essen und Zeit mit meiner besten Freundin verbringen.«

    Lydia kuschelte sich an mich. »Das klingt schön. Ich freue mich wirklich, dass du hier bist, Sav.«

    »Aber?«, fragte ich, denn es klang verdächtig nach einem aber.

    Sie seufzte leise. »Aber ich frage mich, ob alles okay bei dir ist. Du bist in letzter Zeit so … verschlossen. Ich mache mir Gedanken.«

    Mein Körper verkrampfte sich leicht. Sie machte sich Sorgen um mich. Das war ein schönes Gefühl. Doch gleichzeitig hasste ich es, denn ich wollte ihr nicht zur Last fallen. Sie hatte genug Probleme.

    Ich schenkte ihr ein Lächeln und schüttelte den Kopf. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es geht mir gut, wirklich. Es ist nur, naja, zuhause war ich so einsam. Mum und Dad stecken immer noch in der Scheidung und fliegen die meiste Zeit durch die Gegend. Da dachte ich mir, ich kann die Sommerferien auch hier verbringen.«

    Lydia nickte verständnisvoll. Dann fragte sie betont beiläufig: »Und danach? Was willst du nach den Sommerferien machen?«

    Das war eine Frage, die ich mir selbst tagein, tagaus stellte. Die Wahrheit war - ich hatte keine verdammte Ahnung.

    »Ich weiß es nicht, aber ich habe ja genug Zeit, um das herauszufinden.« Ich versuchte, gut gelaunt zu klingen. In Wahrheit kroch mir die Angst den Rücken hinauf, bohrte sich in meine Haut, verschlug mir den Atem. Diese allumfassende Angst. Diese Zweifel. Diese Erinnerungen, ich verdrängte sie und sah meine beste Freundin an. Lydia hatte einen zweifelnden Ausdruck im Gesicht. Dann schien sie zu überlegen. »Wie wäre es denn, wenn du so etwas wie einen Roadtrip machst? Das stand doch auf deiner Löffelliste, oder? Bethany hat damals einen gemacht und so zu ihrem Job gefunden. Vielleicht wäre das auch etwas für dich.«

    Blinzelnd sah ich sie an und dachte über diese Idee nach. Urplötzlich formten sich Ideen in meinem Kopf. Sie hatte recht, ich wollte schon immer mal einen Roadtrip machen. Die Zeit wäre perfekt.

    »Weißt du was? Das ist eine grandiose Idee. Ich werde darüber nachdenken«, versprach ich ihr und drückte sie an mich.

    Lydia lächelte erfreut und in meinem Kopf formte sich ein Plan.

    Kapitel 2

    Harmonisch. Wenn mich jemand fragen würde, wie ich die Bibliothek Little Moments beschreiben würde, wäre harmonisch der passende Begriff. Wenn man den Laden betrat, klingelte ein Glöckchen. Der Geruch von Büchern, Zimt und etwas Blumigem lag in der Luft. Alles war heimelig und gemütlich aufgebaut. Ich könnte hier stundenlang stehen und mir alles anschauen. Dabei mochte ich Bücher nicht mal besonders. Ich bevorzugte Serien und Filme. Doch diese Bibliothek hatte so viel mehr zu bieten als Bücher.

    Gerade stand ich vor einem Regal mit Landkarten und Reiseführern, und es gab davon verdammt viele. Leider stand der Reiseführer, den ich brauchte, ganz oben. Ich war zwar recht groß, doch ich kam trotzdem nicht ran. Ich suchte meine Umgebung ab und versicherte mich, dass mich niemand beobachtete. Dann kletterte ich kurzerhand an dem Regal hoch und streckte mich. Nur noch ein bisschen, ein kleines Stück …

    »Hey, Savannah«, sagte jemand dicht neben mir.

    Ich keuchte erschrocken und krallte mich am Regal fest. Nachdem ich meine Balance einigermaßen zurückhatte, suchte ich nach dem Störenfried.

    Mein Blick fiel auf braune Boots und wanderte höher. Schwarze Jeans, kombiniert mit einem weißen T-Shirt. Abgerundet wurde der Look von einem offenen, karierten Hemd. Lässig, aber schick. Der Typ kannte sich aus mit Mode. Ich musste es wissen, schließlich lebte ich dafür. Ich sah dem Störenfried ins Gesicht. Markante Züge, braune, fast schwarze Augen, die von einer Brille umrahmt wurden, blickten direkt in meine. Eine dunkelbraune Locke hatte sich in sein Gesicht verirrt und er versuchte sie zur Seite zu streichen. Als mein Blick auf seinen Mund fiel, verzogen sich seine Lippen zu einem kleinen Lächeln. Vor mir stand Seth Brady. Erzfeind Nummer Eins. Also, quasi. Ihr wisst schon.

    Als sich sein Lächeln vertiefte und sein Blick einen fragenden Ausdruck annahm, stellte ich fest, dass ich immer noch auf dem Regalbrett stand und mich festhielt. Und ich hatte ihn begafft, von unten bis oben. Sehr subtil, Sav. Wirklich.

    So würdevoll wie möglich, kletterte ich nach unten, strich meinen langen grünen Seidenrock glatt und sah ihn an. »Kann ich dir helfen?«

    »Das wollte ich dich eigentlich fragen«, entgegnete er und ich konnte heraushören, wie sehr ihn die ganze Situation amüsierte.

    Ich schnaubte. In Gedanken gab ich mir ein High-Five, denn meiner Mum hätte dieses Schnauben gar nicht gefallen.

    »Warum sollte ich Hilfe brauchen?«, fragte ich und versuchte so desinteressiert wie möglich zu klingen. Lydia hätte jetzt sicherlich die Augen verdreht, aber ich konnte nicht anders. Der Typ nervte mich einfach. Und er sollte verschwinden.

    »Naja, du hingst an diesem Regal fest.«

    »Vielleicht hänge ich ja gern an Regalen fest«, konterte ich.

    Seths Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Ach ja?«

    Ich verdrehte abermals die Augen. »Ich habe nur was gesucht.«

    Er zog die Augenbrauen hoch. »Aha. Und kann ich dir bei deiner Suche helfen?«

    »Nein danke, Steve. Das schaffe ich schon.«

    »Seth«, verbesserte er mich und runzelte die Stirn.

    Ich winkte nur ab. »Habe ich doch gesagt.«

    Dann sah ich hoch zu meinem Reiseführer. Wenn Erzfeind Nummer Eins weg war, würde ich es noch einmal versuchen. Plötzlich tauchte eine Leiter in meinem Blickfeld auf.

    Seth stellte sie an das Regal, kletterte hinauf und sah sich die Reihe an. »Welchen wolltest du?«

    Widerwillig murmelte ich: »Schottland«

    Er suchte ihn raus, stieg die Leiter hinunter und hielt ihn mir hin.

    Ich nahm ihn und drückte ihn an meine Brust. »Danke«

    »Gern geschehen« Seth lächelte und seine Augen strahlten. Dieses verdammte Strahlen. Das nervte mich. Räuspernd sah ich mich um.

    »Arbeitest du hier oder so?«, fragte ich.

    Seth grinste. »Oder so. Meine Mum arbeitet hier. Also, ihr gehört die Bibliothek. Ich helfe ihr manchmal aus.«

    Mein Kopf ruckte zu ihm herum. »Die süße Mary ist deine Mum?!«

    Verdammt nochmal! Als ich die Bibliothek betreten hatte und dieses elfenhafte Wesen auf mich zu geflattert war, mir Kekse und Tee angeboten hatte, wollte ich sie glatt fragen, ob sie mich adoptieren würde. Aber wenn sie seine Mum war … verdammter Mist! Das Leben war unfair.

    Seth sah mich seltsam an, dann nickte er. »Ja, sie ist meine Mum.«

    »Schön für dich«, erwiderte ich eine Spur zu bissig und zuckte selbst bei meinem Tonfall zusammen. Lydia hatte recht. Manchmal klang ich wie meine Mutter. Gruselig. Ich räusperte mich abermals und wandte mich zum Gehen. »Also, danke nochmal. Ich muss dann …«

    »Willst du verreisen?« fragte er unvermittelt und deutete auf den Reiseführer.

    »Mmh«, murmelte ich und strich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. »Ich plane eine Rundreise durch Schottland.«

    Seth sah mich begeistert an. »Cool! Das wollte ich schon immer mal machen. Wann soll es losgehen?«

    »Ehm, wenn ich weiß, wohin und wie«

    Meine Worte ließen ihn verwirrt blinzeln. »Du weißt nicht, wie du reisen sollst? Hast du kein Auto?«

    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Bus oder Zug kommt für mich auch nicht infrage. Vielleicht könnte ich trampen …«

    Als ich ihn wieder ansah, hatte sich sein Gesichtsausdruck verdüstert.

    »Du kannst nicht trampen.«

    »Wieso?« fragte ich verwirrt.

    »Das ist nicht sicher.«

    Das ließ mich mit den Augen rollen. Ich zog meine Tasche zurecht, die mir langsam von der Schulter rutschte und schenkte ihm ein kühles Lächeln. »Danke für deine Sorge. Aber ich weiß schon, was ich tue. Also, mach’s gut.« Damit drehte ich mich um und lief Richtung Theke, um den Reiseführer auszuleihen.

    »Ich habe einen Van.«

    Das ließ mich abrupt stehenbleiben. Langsam drehte ich mich zu Seth um. »Du hast einen Van?« Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage.

    Er nickte. »Mein Grandpa hat ihn mir überlassen.«

    »Oh, tut mir leid …«, fing ich an, doch Seth zog die Augenbrauen zusammen.

    Dann lachte er kurz auf. »Oh, sorry. Jetzt merke ich erst, wie das klang. Mein Grandpa ist nicht tot. Er darf nur kein Auto mehr fahren. Nach seinem letzten Auffahrunfall hat er das Fahren aufgegeben.«

    Das ließ mich schmunzeln. Als Seth das kleine Lächeln bemerkte, erschien ein siegessicheres Funkeln in seinen Augen. Ich wollte es ignorieren, konnte aber meine Aufregung schlecht verbergen. »Und was hat dein Van mit meiner Reise zu tun?«

    Er steckte seine Hände in die Hosentasche und grinste mich an. »Der Van steht seit Monaten auf einem Parkplatz. Er ist komplett ausgestattet, vollgetankt und mehr als bereit für eine Reise, und … ich würde ihn dir überlassen.«

    Ein kleines Keuchen drang aus meinem Mund und ich starrte ihn an. Wenn er das ernst meinte, würde ich ihn weniger doof finden. Vielleicht. Irgendwie.

    »Ich habe nur eine Bedingung.«

    Ich schluckte ein Seufzen hinunter. Natürlich hatte er die. Aber was es auch war, ich würde es erfüllen. Ich bekam einen verdammten Van! Das war immer mein Traum. Mit einem Van durch die Gegend zu reisen, zu schlafen, wo ich wollte, mich ganz meiner Mode zu widmen, egal wo ich gerade war.

    Ich straffte die Schultern und sah ihn herausfordernd an. »Wie lautet die Bedingung?«

    ***

    »DU TUST WAS?«

    Ich ignorierte Lydias schockierte Frage und faltete einen Rock zusammen, der anschließend im Koffer verschwand. Ich hatte mir eine Liste mit allen Kleidungsstücken erstellt, die ich für die Reise benötigte. Zwischendurch müsste ich meine Sachen irgendwo waschen, doch das hatte ich sowieso mit einberechnet. Ich nahm das nächste Teil aus meinem Schrank und warf meiner besten Freundin einen Blick zu. Bei ihrer Miene musste ich grinsen.

    »Du siehst mich an, als würde ich mit einem berühmten Schauspieler durchbrennen.«

    Lydia schnaubte. »So schaue ich dich garantiert nicht an, und selbst wenn, mein Blick ist völlig berechtigt. Ich dachte, du bleibst die ganzen Sommerferien hier und wir könnten Zeit miteinander verbringen.«

    Ich hörte auf, in meinem Schrank zu wühlen und drehte mich zu ihr um. Sie sah traurig aus und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Also deutete ich aufs Bett. Lydia setzte sich mit mir. Ich nahm ihre Hände in meine und drückte sie. Fest.

    »Ich bin unglaublich froh, dass ich hier bin. Bei dir. Das letzte Jahr hat mir gezeigt, wie schlimm es ist, ohne dich zu sein. Das Wissen, dass du hier bist, allein, und es dir so schlecht geht, es hat mein Herz gebrochen. Ganz ernsthaft.«

    Lydia erwiderte den Druck meiner Hände und sah mich traurig an.

    Ich schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Dass ich hierhergekommen bin, hatte mehrere Gründe. Deine Situation hier, die Scheidung meiner Eltern und, naja …«

    »Was? Was war es noch, Sav?« Sie klang so liebevoll. Sie wusste

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