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VON DER ARBEITSBIENE ZUM BIENENKÖNIG!: Peter Götz
VON DER ARBEITSBIENE ZUM BIENENKÖNIG!: Peter Götz
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eBook291 Seiten3 Stunden

VON DER ARBEITSBIENE ZUM BIENENKÖNIG!: Peter Götz

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Über dieses E-Book

Erfolg. Ein positiver Begriff. Aber wie wird ein Mensch erfolgreich? Monetär betrachtet scheint Erfolg das Ergebnis eines geglückten Wirtschaftens. Doch wie verdiene ich "richtig viel Geld"?

Peter Götz weiß aus eigener Erfahrung, dass finanzieller Erfolg nicht nur eine Frage des Handwerks und schon gar nicht von mitreißenden Motivationstrainings ist. Vielmehr spielen neben Disziplin und charakterlichen Eigenschaften gewisse Zufälle und Begegnungen eine wichtige Rolle. Ein Entwicklungsprozess, den der Autor anschaulich beschreibt, stets mit einem Augenzwinkern, aber auch mit selbstkritischem Blick
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Juli 2023
ISBN9783347903548
VON DER ARBEITSBIENE ZUM BIENENKÖNIG!: Peter Götz

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    Buchvorschau

    VON DER ARBEITSBIENE ZUM BIENENKÖNIG! - Annette Piechutta

    Erfahrungen mit meinem ersten Buch. Ein kurzer Rückblick

    Es gibt einen roten Faden, der sich durch alle Phasen meines Lebens zieht und letztendlich dazu beigetragen hat, erfolgreich zu sein: Zufälle und einschneidende Begegnungen! Insbesondere im ersten Buch, meiner Autobiografie, spielen „Begegnungen" eine wichtige Rolle. Eine ziemlich heiße Sache für mich als damals noch völlig unerfahrenen Autor. Wie beschreibe ich die vorkommenden Personen in womöglich heiklen Situationen, ohne sie bloßzustellen oder zu verletzen? Obwohl, die Frage stellte sich eigentlich nicht. Denn ich konnte gar nicht anders, als sie so darzustellen, wie ich sie gesehen und empfunden habe – aus meinem Blickwinkel und mit meinen Emotionen.

    Gleich am Anfang des Buches versuchte ich, darauf hinzuweisen. Sinngemäß: Leute, es ist meine Lebensgeschichte, um die es hier geht, meine ganz persönliche Sicht der Dinge. Und ja, der eine oder andere wird womöglich bestimmte Szenen anders erlebt haben als ich. Mein Risiko als Erzähler.

    Dieser Hinweis schien von vielen überlesen worden zu sein. Insbesondere Freunde und gute Bekannte fragten mich nicht selten: „Also Peter, sag mal, warum komme ich in deinem Buch so und nicht anders vor?"

    Meine obligatorische Antwort: „Tja, weil ich dich genau so gesehen habe und weil das zu der Zeit mein Empfinden war!"

    Besser wäre gewesen, wenn derjenige den Text reflektiert und daraufhin festgestellt hätte: Ach, interessant, was der Peter da schreibt. Ich wusste ja gar nicht, dass er die und die Sachlage so und so wahrgenommen hat.

    Stattdessen wurden dem Geschriebenen die eigenen Gefühle und Gedanken aufgedrückt. Übrigens ein wichtiger Punkt für das jetzige Buch zum Thema Erfolg: Beschäftige dich nicht zu sehr mit deinen eigenen Bedürfnissen und höre auf, deine Wünsche dem Gegenüber aufzwingen zu wollen. Finde vielmehr heraus, wie dein Gesprächspartner tickt. Nimm seine Sicht der Dinge ein! Dann befindest du ich bereits auf der Gewinnerspur.

    Meine Mutter reagierte extrem ungehalten. Anstatt zu sagen: Der Peter öffnet sich endlich und schreibt als erwachsener Mann, wie er seine Kindheit erlebt hat, fragt sie sich noch immer fassungslos, wie ich „all das" nur erzählen konnte.

    Nun, ich konnte das erzählen, weil es meine Gefühle und Gedanken waren.

    Interessant auch die Reaktion von einigen Verwandten, die mich nach Jahren der Funkstille auf mein Buch hin ansprachen. Obwohl … eigentlich auf den Buchtitel Aus der Gosse in den Porsche, der ihnen schwer missfiel. Sie meinten, dass ich doch nicht behaupten könne, aus der Gosse zu kommen.

    Nein, natürlich nicht! Wie es sich mit dem Buchtitel verhält, ist auf den Seiten 212 und 213 beschrieben. Eine Tatsache, die unweigerlich zu dem Schluss führt, dass Teile meiner Verwandtschaft keinen blassen Schimmer von dem Inhalt haben. Also bitte: Lest die Autobiografie und wenn ihr euch dann immer noch über den Titel beschwert, können wir zumindest auf Augenhöhe darüber diskutieren.

    Und auch hier wieder ein wichtiger Punkt für das aktuelle Buch, sich über etwas auszulassen, ohne sich mit den Hintergründen befasst zu haben. Ein so oberflächliches Verhalten ist kontraproduktiv und fördert keinesfalls den beruflichen Erfolg. Genauso wenig, wie die Autobiografie eines Geschäftspartners nicht zu lesen, auch wenn das Thema null interessiert. Wenn ich mit demjenigen weiterhin gut zusammenarbeiten oder gar eine Geschäftsbeziehung eingehen will, dann lese ich die Geschichten und opfere meine Zeit. Viele Menschen wollen zwar erfolgreich sein, wollen lukrative Geschäfte machen, sind aber nicht bereit, sich mental auf den Geschäftspartner einzulassen. Ganz ehrlich, ich finde ein solches Interesse sogar verpflichtend! Für mich persönlich ist es selbstverständlich, mich vor einem Geschäftstermin über meinen Gesprächspartner und dessen Firma zu informieren. Ich googele, versuche Einblicke in die letzten Bilanzen zu bekommen und lese entsprechende Zeitungsartikel. Ich will doch wissen, mit wem ich es zu tun habe!

    Davon abgesehen fand das Buch bei der Leserschaft sehr guten Zuspruch. Zahlreiche mir fremde Menschen wurden durch Zeitungs- und Onlineberichte sowie Filmbeiträge auf meine Lebensgeschichte aufmerksam. Alles begann mit einem Artikel über eine Spende an meine Schule. Genauer gesagt an meine letzte Schule, die ich im Reigen häufiger Schulwechsel besucht hatte. Ich fand, dass so mancher Lehrer und so manche Lehrerin mir hinsichtlich sozialer Kompetenz, Durchsetzungsvermögen und Biss geholfen hatte, endlich meinen Weg zu finden, und dafür wollte ich Danke sagen.

    Es folgte ein Bericht über den regionalen Tierschutzverband, den ich seit vielen Jahren unterstütze, und der ebenfalls eine finanzielle Zuwendung erhielt. Diesmal war ich nicht auf den Hund, jedoch auf die Katze gekommen. Konkret auf drei wilde und eine kaum vermittelbare alte Katze. Doch keine Sorge, liebe Tierfreundin, lieber Tierfreund: Würmchen, Kitty, Olaf und Hella haben sich in unserem Großraumbüro bestens eingelebt und werden auch am Wochenende liebevoll betreut. Und wenn wir bald umgezogen sein werden, dürfen sich die Tiere über ein Freigehege freuen.

    Was mich allerdings irritierte, nein schockierte (!), war die Reaktion einiger Leute, die mich erstaunt fragten, warum ich denn FÜR TIERE spenden würde. „Warum spendest du für Tiere und nicht für Kinder?, so eine der Formulierungen, die ich wie einen persönlichen Angriff empfand. In einem Fall konterte ich, sagte: „Ja, ich spende halt für Tiere. Du kannst ja gerne ein Kinderhilfswerk unterstützen. Die Möglichkeiten, um zu helfen, sind vielfältig und niemand sollte sich für sein Engagement rechtfertigen müssen, oder?

    Doch was blieb beim Leser und der Leserin eigentlich von meinen Erzählungen hängen? Eine Frage, die ich mir bereits vor Veröffentlichung gestellt habe (Was wird bei der Leserschaft wohl hängen bleiben?) – und hatte da bereits so eine Ahnung.

    Oft hieß es: „Mensch Herr Götz, super, dass Sie so ehrlich und offen sind. Ich hätte ja nie gedacht, dass jemand in Ihrer Position sich so preisgibt. Also … mir hat das Buch gut gefallen. Und wenn ich dann nachgefragt habe: „Nun, was hat Ihnen denn so gut gefallen?, dann nannte derjenige meist zwei oder drei Themen. Erinnerte sich, dass ich in einfachen Verhältnissen aufgewachsen war, an den Men-Strip und vielleicht noch an die eine oder andere Frauengeschichte. Dass ich jedoch beinah im Gefängnis gelandet wäre, mir die Identität geklaut wurde, ich schwer an Lungenembolie erkrankte und fast mein Geschäft hergeschenkt hätte, nur um der damaligen Geschäftsbeziehung zu entkommen … Kein Wort darüber. Auch hier wurde das Geschriebene wieder nur oberflächlich wahrgenommen.

    Manchmal wurden Ähnlichkeiten festgestellt, wie: „Oh ja, ich bin auch ohne Vater aufgewachsen. Oder: „Ich habe ebenfalls oft die Schule gewechselt. Wo ich mir dachte: Hm, was hast du rausgelesen? Du hast das rausgelesen, was auf dich zutrifft, und dem Rest wenig Bedeutung geschenkt.

    Diese Oberflächlichkeit (fast jeder denkt von sich, er sei nicht oberflächlich) zeigte sich insbesondere dann, wenn mich Leser über Social-Media-Kanäle fragten, wie man so „erfolgreich" werden kann. Eine Frage, die mich innerlich den Kopf schütteln ließ, und ich dachte: Ja, wenn du mein Buch gelesen hast, dann müsstest du doch verstanden haben, dass ERFOLGREICHSEIN weder zu erlernen noch in zwei Minuten zu erklären ist.

    Und nein, Lob zum Buch erfreute mich dann kaum mehr. Vielmehr frustrierte er mich. Erfolgreich zu sein ist ein Entwicklungsprozess! Und der hat in meiner Autobiografie immerhin 284 Seiten gefüllt.

    Gleich mal was klären …

    Erfolg ist eine Frage der Definition und bedeutet für jeden etwas anderes. Wikipedia meint, Erfolg sei, wenn Personen oder Personenvereinigungen ihre „gesetzten Ziele erreichen". Im Gegensatz dazu stünde der Misserfolg.

    Meine Tante Alma sieht ihre kernige Gesundheit als ihren größten Erfolg an. Und mein Freund Bernd ersetzt das Wort Erfolg durch „Glück" und ist der Meinung, es mit seiner Familie ziemlich gut getroffen zu haben. Dazu gerade eine deftige Gehaltserhöhung. Also Erfolg auf ganzer Linie!

    Wenn ich auf den folgenden Seiten von „Erfolg" spreche, dann meine ich den finanziellen Erfolg. Für viele Arbeitnehmer beginnt dieser ab einer sechsstelligen Summe, sagen wir ab einem jährlichen Einkommen von einhunderttausend Euro brutto. Ich selbst dachte, als ich Ende der 1990er-Jahre einen Verdienst in dieser Größenordnung erreicht hatte, dass ich jetzt ERFOLGREICH sei. Wahrscheinlich war ich das sogar. Vor allem fühlte ich mich mental ziemlich gut, da weniger Verantwortung als heute, mehr Freizeit und in jedem Fall genügend Geld, um mir bestimmte materielle Wünsche erfüllen zu können.

    Im Rückblick möchte ich fast behaupten, dass ich damals das Karriere-Karussell hätte anhalten müssen. Einfach stoppen, damit es sich nicht weiterdreht. Danach habe ich den Absprung nicht mehr rechtzeitig geschafft. Das soziale Gefüge, die Verantwortung für Mitarbeiter, die sich für mich engagierten, und Geschäftspartner, die mir vertrauten, ließen einen Cut nicht mehr zu. Ich hätte mit der Entscheidung: „Mir reicht‘s", das Team nur verschreckt. Nein, ich möchte es anders formulieren: Ich hätte es nicht mehr übers Herz gebracht, meine Leute so vor den Kopf zu stoßen.

    Und wenn Sie gerade überlegen, wo Sie sich finanziell sehen oder irgendwann hinkommen möchten, dann wägen Sie gut ab. Über die sogenannte Work-Life-Balance wird viel philosophiert. Die Frage ist, wo setze ich meinen Maßstab an? Und ist es nicht mittlerweile cool, mit „weniger" zufrieden zu sein?

    Falls Sie jetzt erstaunt den Kopf schütteln und denken: Na, der hat ja gut reden, dann vermag ich dem kaum zu widersprechen. Auch wenn Alleinverdiener laut Statistischem Bundesamt mit einem Einkommen von 3.200,00 Euro netto monatlich bereits zu den oberen zehn Prozent gehören (das Institut der Deutschen Wirtschaft geht von 3.529 Euro aus), liegt meine persönliche Latte weitaus höher. Finanzieller Erfolg beginnt für mich ab einem siebenstelligen Betrag pro Jahr, also ab einer Million Euro zu versteuerndem Einkommen, nicht Umsatz. Viele Freiberufler und Arbeitnehmer, insbesondere aus dem Vertrieb, wollen genau dorthin. Klar aber scheint, dass niemand als One-Man- oder One-Woman-Show auf eine siebenstellige Summe kommt. Für kurze Zeit vielleicht, jedoch kaum kontinuierlich. Wenn, dann muss sich derjenige multiplizieren!

    In meinen Vorträgen vergleiche ich die Situation oft mit einem Bienenstock. Darin lebt ein Bienenvolk, bestehend aus einer Königin, einigen Hundert männlichen Drohnen und mehreren Tausend weiblichen Arbeitsbienen. Die Königin stellt das Zentrum des Bienenvolks dar und ist somit verantwortlich für dessen Fortbestand. Sie lässt sich füttern, genießt als Einzige vom Larvenstadium bis ins Erwachsenenalter den köstlichen „Gelée royale", überlässt den Arbeitsbienen die anfallenden Arbeiten und profitiert davon.

    Wer nun eine solche Königin werden, einmal ganz oben stehen und im siebenstelligen Bereich verdienen möchte, muss jedoch bereit sein, sich zunächst als Arbeitsbiene zu verdingen. Er oder sie muss ganz genau zuhören, lernen, ausprobieren, reflektieren … Und erst wenn der richtige Zeitpunkt gekommen scheint, um sich aus der Masse abzuheben, ist der Flug an die Spitze zu wagen.

    Das hierzu nötige Handwerk möchte ich dem Leser oder der Leserin gerne mitgeben. Doch finanzieller Erfolg ist nicht nur eine Frage des Könnens und schon gar nicht von mitreißenden Motivationstrainings, wie sie so oft angeboten werden. Vielmehr spielen neben Disziplin und charakterlichen Eigenschaften gewisse Zufälle und Begegnungen eine wichtige Rolle. Ein Entwicklungsprozess, den ich in den nachfolgenden Kapiteln versuche zu beschreiben, mit einem Augenzwinkern, aber auch mit selbstkritischem Blick.

    Was mit Elektronik machen

    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich jemand aus meiner Familie einmal gefragt hätte, was ich später werden wolle. Hätte er es getan, hätte ich wahrscheinlich argwöhnisch reagiert, denn als Fünfzehnjähriger hätte ich darauf keine Antwort gehabt. Später, als mir die Frage in der Schule gestellt wurde, zuckte ich hilflos mit den Schultern. Der Lehrer versuchte, mir auf die Sprünge zu helfen: „Vielleicht was mit Technik? Was mit Menschen? Mit Medien …?" Am liebsten hätte ich eine weiterführende Schule besucht. Doch ein Wirtschaftsgymnasium wäre, trotz meiner mittlerweile super Noten (wegen zahlreicher Schulwechsel waren meine Leistungen in den ersten Jahren grottenschlecht), aus finanziellen Gründen gar nicht möglich gewesen.

    Das Gespräch mit dem Lehrer brachte mich jedenfalls nicht weiter, und als ich meiner Oma davon erzählte, bei der ich seit meiner Kindheit lebte, reagierte sie ungewohnt geschäftig: „Du, fahr’n wir zum Arbeitsamt, dort gibts eine Beratungsstelle."

    Wer meine Autobiografie gelesen hat, wird sich vielleicht an die nachfolgende Szene erinnern: Da saßen wir vor dem Berufsberater von mindestens sechzig Jahren, und dieser

    uralte Kerl sollte mir nun sagen, was ich beruflich machen sollte?

    Der Mann sah sich mein Zwischenzeugnis an und schien zufrieden. „Ja Bursch, das sind alles sehr gute Noten! Er überlegte einen Moment. „Du musst was mit Elektronik machen. Der Elektronik gehört die Zukunft … Interessieren dich Computer?

    „Ja!"

    Diese klare Antwort führte über einen für meine Begriffe schwierigen Eignungstest zu einer Ausbildung als Energieanlagenelektroniker bei der Deutschen Bundesbahn, die vor allem meine Oma entzückte. Sie sah mich bereits als Chef in einer Vorstandsetage. In ihren Augen schien ich zu Höherem berufen. Schließlich würde ich nicht nur die Hauptschule erfolgreich abschließen, sondern eine richtige Ausbildung machen. Das hatte bisher noch keiner aus der Familie geschafft.

    Schon möglich, dass ich mir vorgestellt hatte, sogleich in einem Betrieb oder irgendwo am Bau eingesetzt zu werden, doch die Bundesbahn bildete in einem Klassenzimmer aus, mit Gitterboxen für die handwerklichen Arbeiten: dreißig Azubis, täglich acht Stunden. Was hieß, viel lernen und viel Theorie. Ich war mir durchaus bewusst, einen hoch qualifizierten Ausbildungsplatz bekommen zu haben, und doch dachte ich morgens schon: Wie krieg ich bloß den Tag rum?

    Obwohl ich keinen Bock auf die Lehre hatte, ich sie teilweise als Qual empfand, hielt ich durch. Diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen und ich tat alles, um die Prüfung später zu schaffen. Ein guter Abschluss war meine Motivation.

    Ich schaffte die Abschlussprüfung so, wie ich es mir vorgenommen hatte, und arbeitete als ausgebildeter Energieanlagenelektroniker zwei Tage lang in einem Werk, das für die technische Überprüfung von ICE-Zügen zuständig war. Mit anderen Worten, ich war für die Inspektionen verantwortlich. Am dritten Tag packte ich frühmorgens meine Sachen zusammen, sagte dem erstaunten Meister Bescheid und meldete mich in der Personalabteilung, um zu kündigen. Nein, das war keine Kurzschlusshandlung, wie die Personalleiterin zunächst vermutete. Ich wusste, dass ich einen solch öden Tagesablauf, mit relativ wenigen Herausforderungen, auf Dauer nicht ertragen würde. Fairerweise, und um die Kollegen in Schutz zu nehmen, gab ich andere Gründe vor, sprach von Perspektivlosigkeit und dass ich wohl den falschen Beruf gewählt hätte, was eigentlich ja auch stimmte.

    Danach arbeitete ich als Aushilfsmaler, hielt mich mit verschiedenen Jobs über Wasser und probierte mich in mehr oder weniger extravaganten und bizarren Tätigkeiten aus.

    Dann lernte ich Anabell kennen.

    Anabell war eine Dame im wahrsten Sinne des Wortes. Distinguiert würde ich heute sagen. Damals sagte ich das auch, nur kam mir das Wort noch nicht so geläufig über die Lippen.

    Anabell gefiel mir gut, und dass sie acht Jahre älter war als ich, sah ich als positiv an. Ich mochte ihre Gesellschaft und dass sie sich so anders gab als die Frauen … na ja, Mädchen …, die vorher in meinem Leben eine Rolle gespielt hatten. Anabell wusste, was sie wollte, hatte eine eigene Meinung und verstand sich durchzusetzen. Außerdem war sie eine elegante Erscheinung mit gutem Benehmen. Offen gesagt, guckte ich mir so manches von ihr ab. Verhaltensweisen, die ich von meiner Erziehung her nicht kannte.

    Nachdem wir als Paar galten, lernte ich Anabells Schwager Raimund kennen, der mir wie ein Mensch von einem anderen Planeten schien. Niemand in meinem Bekannten- und Freundeskreis fuhr ein Jaguar-Cabriolet, wohnte in einem fetten Haus und trug maßgeschneiderte Anzüge und Uhren, die ein kleines Vermögen gekostet hatten.

    Ich dachte: Wow, der ist bestimmt Multimillionär! Dazu schien er ein smarter Typ, schätzungsweise eins zweiundachtzig groß, schlank und sportlich. Er plante, irgendwann mit dem Golfspiel zu beginnen, schwärmte von Golfreisen in exotische Länder, und wenn das nicht gerade sein Thema war, dachte er über Autos der Luxusklasse nach.

    Schon möglich, dass ich mich blenden ließ, ich war jung und kannte noch nicht alle Facetten des Lebens. In jedem Fall fand ich ihn cool. Und ich hatte Respekt vor ihm. Mir gefiel seine charmante Art und dass er großzügig rüberkam. Eigenschaften, die besonders Frauen an ihm schätzten, aber das soll für dieses Buch kein Thema sein.

    Ich wusste nicht allzu viel von Raimund, lediglich, dass er vor dem Fall der Mauer aus den neuen Bundesländern in den Westen geflüchtet war, Unterschlupf bei Michaela, Anabells Schwester, gefunden hatte und „was mit Versicherungen" machte.

    In dieser Branche also verdient man so viel Geld, dachte ich und konnte es kaum glauben. Henry, ein Bekannter von mir, arbeitete ebenfalls bei einer Versicherung, aber wurde er überhaupt bezahlt? Nach seinen Aussagen flossen die Provisionen eher spärlich. Zudem schien er unglücklich in seinem Job. Als wir einmal gemeinsam beim Kaffee zusammensaßen – Anabell, ihre Schwester Michaela, Raimund und ich – traute ich mich, Raimund zu fragen, ob er nicht einen neuen Vertriebspartner bräuchte, und dachte dabei an Henry. Ich muss erwähnen, dass ich mich anfangs Raimund gegenüber sehr zurückhaltend verhielt. Offen gesagt wagte ich kaum, ihn direkt anzusprechen.

    „Dein Bekannter will eventuell für uns tätig sein? Ja, warum nicht!" Raimund blickte wohlwollend zu mir hin und meinte, dass Henry ihn anrufen solle, um einen Termin für ein Gespräch auszumachen.

    Die beiden fanden tatsächlich zueinander und nicht nur er, sondern Henrys gesamte Mannschaft wechselte in die neue Firma. Danach meinte Raimund, dass ich mir ein paar Mark dazuverdienen könne, denn bei Vermittlung von Vertriebspartnern gäbe es ein Punktesystem, in das er mich einbauen würde. Pro Punkt soundso viel Mark.

    „Ja super, sagte ich, „aber ich habe von dem Ganzen ja gar keine Ahnung.

    Raimund winkte ab. „Musst du auch nicht. Das passt schon."

    Sechs Wochen später hatte ich dann eine für mich enorm hohe Summe auf dem Konto, eine Provision, über die ich schlicht staunte. Viel Geld, ohne wirklich etwas dafür getan zu haben. Ich hatte ja nur den Erstkontakt hergestellt.

    Kurze Zeit später interessierte sich ein weiterer Bekannter für einen Wechsel und ich sagte zu Raimund: „Du, ich hab noch jemand für den Vertrieb."

    Es lief dann nach dem gleichen Prinzip und kurze Zeit darauf erhielt ich erneut einen größeren Betrag überwiesen. Spätestens hier klickte es bei mir und ich dachte: Jetzt beschäftigst du dich mal mit dem Thema. Ich arbeitete zwar in einigen Jobs, hing beruflich jedoch in der Luft, und ein Studium der Elektrotechnik, das ich durchaus ins Auge gefasst hatte und mir von meinem Ersparten hätte leisten können, schien dann doch nicht so mein Ding. Warum nicht in der Versicherungsbranche tätig sein? Ein Gedanke, der mein Leben verändern sollte.

    Ein Schweinegeld

    Raimund arbeitete in Top-Position in einem sogenannten Strukturvertrieb, einer Art Direktvertrieb, in dem neben der klassischen Kundengewinnung und somit dem Verkauf eines bestimmten Produktes auch das Anwerben von neuen Vertriebspartnern im Mittelpunkt stand. Jeder im Team musste also zusehen, neue Kunden oder Kollegen zu gewinnen. So war eine hierarchische Vertriebsstruktur entstanden, in der jeder Ranghöhere am Erfolg der Leute „unter ihm" mitverdiente.

    Raimund hatte mich über Henry und seiner Mannschaft sowie dem weiteren Bekannten eingestuft, die ich als neue Vertriebspartner vermittelt hatte, und so war es zu der üppigen Provisionszahlung gekommen. Er stellte allerdings klar, dass Verträge manchmal wieder gekündigt würden und ich dann von der anteiligen Provision zurückzahlen müsste.

    Ich nahm das gelassen zur Kenntnis. Ich lebte sparsam, rannte nicht gleich los, um mir ein schickes Auto oder sonst irgendwas zu kaufen. Außerdem hatte ich ja noch meine Nebenjobs, arbeitete unter anderem für einen Gerichtsvollzieher und begleitete ihn bei heiklen Aufträgen. Eine Tatsache, die mir später – als ich mich entschieden hatte, in den Strukturvertrieb mit einzusteigen – noch hilfreich sein würde. Denn wie ich schnell erfuhr, musste man sich den Beruf des Vertriebspartners finanziell „leisten" können. Es wurde einem zwar suggeriert, grundsätzlich gut zu verdienen, doch erforderte das einen langen Atem. Und wenn es geschäftlich endlich lief, machten einem die rückzuzahlenden Provisionen einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Mit anderen Worten, man musste sechsunddreißig Monate lang die Luft anhalten und hoffen, dass keiner der Kunden von den Verträgen zurücktrat.

    Doch noch war es nicht so weit und lediglich meine Neugierde geweckt. Ich wollte wissen, wie das System im Detail funktioniert, ob es tatsächlich möglich war, so viel Geld zu verdienen, wie

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