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Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer
Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer
Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer
eBook685 Seiten9 Stunden

Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Romane:
(499)


In der Zukunft gestrandet (Konrad Carisi)

Die kosmischen Läufer (Alfred Bekker)

Time-Travellers: Mit Trans-Net Inc durch die Zeit (Margret Schwekendiek)

Lennox und der Kampf um die Domstadt (Jo Zybell)

Lennox und das Schlangen-Ei (Jo Zybell)





Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen.

In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …

Zwischen den Coelleni und den Dysdoorern entbrennt ein Krieg, der von einem Unbekannten angeheizt wird. Dieser Fremde ist in der Lage, die alten Flugzeuge zu fliegen und Sprengstoffe herzustellen. Das könnte ein Hinweis auf eine unterirdische Kolonie von Überlebenden sein. Eine solche Kolonie soll Fanlur mit seinem Lupa Wulf suchen, vermutet wird eine solche in den alten Bunkeranlagen in der Nähe von Coellen. Fanlur macht sich auf den gefährlichen Weg.
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum5. Mai 2023
ISBN9783753208916
Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Im Kosmos gestrandet - Alfred Bekker

    Jo Zybell, Margret Schwekendiek, Alfred Bekker, Konrad Carisi

    Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer

    UUID: 9b701705-fcea-45a4-9cb1-57d55982a012

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer

    Copyright

    In der Zukunft gestrandet

    ​Galaxienwanderer – Die kosmischen Läufer

    Time-Travellers: Mit Trans-Time-Net Inc durch die Zeit

    Lennox und der Kampf um die Domstadt

    Lennox und das Schlangen-Ei

    Im Kosmos gestrandet: 5 SF Abenteuer

    Alfred Bekker, Jo Zybell, Margret Schwekendiek, Konrad Carisi

    Dieser Band enthält folgende Romane:

    In der Zukunft gestrandet (Konrad Carisi)

    Die kosmischen Läufer (Alfred Bekker)

    Time-Travellers: Mit Trans-Net Inc durch die Zeit (Margret Schwekendiek)

    Lennox und der Kampf um die Domstadt (Jo Zybell)

    Lennox und das Schlangen-Ei (Jo Zybell)

    Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen.

    In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …

    Zwischen den Coelleni und den Dysdoorern entbrennt ein Krieg, der von einem Unbekannten angeheizt wird. Dieser Fremde ist in der Lage, die alten Flugzeuge zu fliegen und Sprengstoffe herzustellen. Das könnte ein Hinweis auf eine unterirdische Kolonie von Überlebenden sein. Eine solche Kolonie soll Fanlur mit seinem Lupa Wulf suchen, vermutet wird eine solche in den alten Bunkeranlagen in der Nähe von Coellen. Fanlur macht sich auf den gefährlichen Weg.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author / COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    In der Zukunft gestrandet

    von Konrad Carisi

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 78 Taschenbuchseiten.

    Mein Name ist Timothy S. Beiss, und ich bin tot. Das ist allerdings nicht schlimm. Ich wurde, ganz nach meinem Wunsch, eingefroren, um eine Zukunft zu erleben, in der man mich wiederbeleben kann. Doch in der Zukunft, in der ich erwache, ist irgendetwas gehörig faul ... oder passen nur meine Ansichten nicht mehr in diese Zeit?

    Cover by Steve Mayer nach Motiven von Pixabay, 2018

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Prolog

    Anfrage:

    Bezüglich unseres letzten Schriftverkehrs, Präsident Watson, möchte ich noch einmal eindringlich warnen.

    Ich sage Ihnen: Die Reservate werden eines Tages unser Untergang sein. Sie sind ewige Keimzellen für das, was den Egoismus bedingt, den Vergleich mit etwas anderem. Ja, auch den Vergleich mit jemand anderem. Die Reservate sind meines Erachtens ein fortlaufender Störfaktor.

    Solange dieses Proto-System neben unserer Gesellschaft existiert, werden jene heimlich Unzufriedenen immer dorthin schielen und nach Ideen suchen. Es gibt einige Kollegen von mir, die dies nicht selten tun. Sie wissen, wie gefährlich der Vergleich mit anderen ist. Einige von uns könnten sogar neue Perspektiven gewinnen! So wird immer der Keim zum Umsturz vorhanden sein. Es wird ihnen immer als Beispiel für eine andere Gesellschaft dienen. Es ist gefährlich zu wissen, dass Menschen Dinge auch anders organisieren können. Auch wenn diese Lebensformen natürlich falsch liegen und bei Weitem nicht so fortschrittlich sind wie wir.

    Lang lebe die Gemeinschaft!

    Ihr

    Universitätsprofessor Ulrinius G. 22

    Antwort von Präsident Watson:

    Es ist denkbar unmöglich, dass dieses Nest eine Gefahr für die glorreiche Gemeinschaft darstellt, Herr Professor. Ihre Sorge um die Gemeinschaft ist, sofern nicht egoistische Eiferei, natürlich lobenswert. Trotzdem sollte gerade Ihre Kaste den Wert und die Bedeutung eines solchen Experimentierumfeldes für soziologische Theorien kennen. Ich bin, was das angeht, sicher. Dazu kommt das wichtigste Argument: Auch die Medizin wäre um einige Jahrhunderte zurückgeworfen, fehlte es uns an solchen gesicherten Plätzen zum Test der Ausbreitung einer Epidemie. Woher Testpersonen nehmen, wenn nicht die Abweichler? Wir wären auf Menschenaffen angewiesen, und trotz vergleichbarer Intelligenz mit den Reservatsmenschen ist es doch effizienter, wie es ist. Nein, diese Reservate bleiben genau das, was sie sollen: Eine Ressource, die gepflegt werden muss, zum Wohle der Gemeinschaft. Die Reservatsmenschen sind genug beschäftigt, von ihnen droht uns keine Gefahr.

    Lang lebe die Gemeinschaft!

    Ihr Präsident Watson

    1

    Ich erwache mit dumpfen Kopfschmerzen links über meinem Auge. Es pocht regelmäßig, im Rhythmus meines schlagenden Herzens. Man kann das ja auch positiv sehen, geht mir halbernst durch den Kopf. Es ist immerhin ein Beweis, dass ich lebe.

    Das Pochen kenne ich gut, es ist ganz normale Migräne.

    Ich fühle mich desorientiert. Dann wird mir klar, dass ich nicht mehr weiß, wie ich heiße.

    Ich habe das vage Gefühl aufzuwachen und dass das gut ist.

    Die Welt ist grau, Geräusche dröhnen dumpf um mich herum.

    „Timothy?", fragt mich jemand. Die Stimme erscheint mir nett. Wie kann eine Stimme nett sein?

    Es dreht sich alles um mich und mir ist übel. Mein Körper kribbelt unangenehm. Erst nach einigen weiteren ruhigen Atemzügen erinnere ich mich an dieses Gefühl: Es ist wie damals, als ich in der Pubertät wuchs und die Knie manchmal kribbelten.

    „Ja, ich bin wach", brumme ich. Meine Augen sind noch immer geschlossen. Ich bin noch immer etwas konfus.

    „Gut, Sie reagieren. Wir hatten befürchtet, dass Sie nicht mehr zu gebrauchen sein würden." Sie spricht Englisch mit einem sehr befremdlichen Akzent. Ich kann ihn nicht zuordnen und irgendwie klang es grammatisch nicht ganz richtig.

    „Hmm, nuschele ich. Charmante Stimme, in der Tat. Was soll das heißen, „zu gebrauchen?

    Dann auf einmal kommt es mir wieder in den Sinn: Ich bin tot. Okay, nicht richtig tot, das muss ich zugeben. Ich bin gestorben, 2043 im Universitätsklinikum Hamburg. Ich habe mich für viel Geld einfrieren lassen, von einer ganz neuen Firma, die in Norwegen aufgemacht hatte. Früher hätte ich mich dafür nach Arizona fliegen lassen müssen. Doch das ging nun auch in Europa.

    Meine Frau hatte nichts davon gehalten, sie wollte alt werden und sterben. Ich aber hänge an meinem Leben.

    Was bringt es mir, eine unsterbliche Seele zu haben, wenn ich nicht mehr hier bin!

    Als klar war, das mein Krebs gestreut hatte, ließ ich mich einfrieren. Und ich kann sagen: Es war grauenhaft!

    Wieder sehe ich vor meinem geistigen Auge den Moment, als jede Farbe aus dem Blick wich.

    Alles wurde grau, dumpf und ich hatte das Gefühl zu fallen. Ich hatte Angst. Ich hatte mich gerade mit meinem Enkel Otto angefreundet, benannt nach meinem Opa. Seine Mutter konnte mich nicht ausstehen, doch er war aufgeweckt. Aus dem sollte mal was werden, nicht so eine unstete Existenz wie seine Mutter. Gut, seinen Namen empfinde ich als etwas sehr altmodisch, aber da muss ich mit meinem Namen gerade reden. Otto wollte eine Orientierungsfigur, die konnte seine Mutter ihm bei all dem Suff kaum bieten.

    Doch dann kam dieser Schmerz in der Brust dazwischen.

    „Darf ich Sie Timothy nennen?", werde ich gefragt und wieder zurück ins Hier und Jetzt gerissen, wo und wann dieses Jetzt auch immer ist.

    Mir wird klar, dass das schon die zweite oder dritte Frage dieser jungen Frau ist, die sich über mich beugt. Inzwischen habe ich meine Augen geöffnet.

    Sie ist vielleicht zwanzig, hat stark krauses Haar, das straff frisiert ist und erahnen lässt, wie hübsch sie sein kann. So allerdings sieht sie eher sehr ... effizient aus.

    Sie trägt eine Schutzbrille und hat die Augenbrauen neugierig gehoben. Sie hat asiatische Züge, aber sehr viel dunklere Haut als ich.

    „Wenn‘s sein muss, sage ich. „Bin ich bei den Katholiken oder Evangelen im Himmel? Das kann ich mir nicht verkneifen.

    Sie runzelt die Stirn und sieht auf ihre Messinstrumente.

    „Himmel? Im Himmel? Wir sind auf der Erde. Diese Aktion in einem Flugzeug durchzuführen, erscheint mir absurd. Oder meinen Sie Lunar 1?"

    Jemand neben ihr bemerkt: „Vielleicht bedeutete die Vokabel Himmel zu seiner Zeit etwas anderes?"

    „Keine neurologischen Schäden, beruhige ich sie und nicke. „Nur Humor, der für Sie sicher prähistorisch anmutet. Keine Sorge, nur Humor.

    „Ist das wieder Humor? Dieses Wort, dieses ... prähistorisch, das widerspricht sich. Vor der Historie gab es keine Geschichtsschreibung."

    Ich nicke und seufze. „Ihr Hirn funktioniert also auch. Prähistorisch meinte zu meiner Zeit die Epoche, bevor man Geschichte schrieb. Aber lassen wir das."

    „Wir werden später einen weiteren Hirntest durchführen."

    „Sicher. Welches Jahr haben wir? Wo sind wir?"

    „2111. Sie sind der erste Reaktivierte."

    „2111 nach Christus? Die Zukunft lag also um die Ecke. Vermutlich haben sie bereits wenige Jahre, nachdem ich weg war, den Krebs besiegt. Wo bin ich? Wie haben Sie mich zum Leben erweckt?"

    „Nicht nach Christus. Wir zählen nicht mehr so wie Sie, wir haben das Jahr 2111 nach der Welteinigung in der Gemeinschaft. Was das in Ihrer Zeitrechnung ist, weiß ich leider nicht genau. Das müssen Sie jemanden fragen, der sich damit beschäftigt. Laut Unterlagen Ihres Transportbehältnisses wurden Sie aus einem Land namens Norwegen vom Historischen Dienst ausgegraben."

    „Von Archäologen?", frage ich halb scherzhaft, vergessend, dass diese Frau ja keinen Humor zu besitzen scheint. Gott, lass die nicht alle so sein!

    „Von der historischen Fakultät, es war ein Zufall. Die zwei anderen Tanks, die wir von dort heranschafften, konnten wir leider nicht lebendig reaktivieren. Viele haben auch schwerwiegende Leiden, sodass eine Reaktivierung keinen Sinn ergibt."

    „Ich bin Ihr Uni-Projekt?" Das ist jetzt langsam hoffentlich ihre Art von Humor.

    „Wir sind hier in der medizinischen Fakultät, das ist korrekt. Ich bin Naomi G. 32."

    Ich ergreife ihre dargebotene Hand und stelle mich vor.

    „Timothy S. Beiss, erkläre ich. „Aber das wissen Sie vermutlich.

    „Oh, sie sind eine S-Klasse? Ich werde jemanden rufen lassen, der Ihre Begriffe besser beherrscht."

    Ich ziehe die Stirn in Falten. Ich bin doch keine S-Klasse! Was soll das sein, ein Auto? Bin ich ein Mercedes?

    „Das S steht für Samson, erkläre ich. „Nicht für eine Klasse.

    Naomi kichert. „Was soll das denn sein? Ein Name?"

    „Das ist korrekt. Eine mythische Figur, genau genommen."

    „Keine Typenbezeichnung?"

    Jetzt bin ich daran, noch verwirrter zu schauen. „Eine Typenbezeichnung?", frage ich und betone jedes Wort. Ich muss klingen wie jemand, der eine ihm fremde Sprache spricht.

    „Ja. S-Klasse. Soldat", erklärt sie. Dabei spricht sie ebenso langsam wie ich, wie zu einem Kleinkind, dem man etwas versucht begreiflich zu machen, das der eigenen Meinung nach doch völlig evident ist.

    „Nein, sage ich langsam. „Ich bin nie im Militär gewesen.

    „Was war ihr Dienst an der Gemeinschaft?"

    Ich zögere. Will sie meinen Beruf wissen?

    „Ich war Universitätsprofessor", erwidere ich.

    „Ah, also eine G-Klasse, sagt sie und lächelt. „Dann sind Sie bei mir ja richtig.

    Ein Gerät an ihrem Arm vibriert. Sie nimmt es und schaut auf den Bildschirm.

    Es muss ein Kommunikator sein, so was wie ein Handy oder Smartphone vielleicht.

    Dann sagt sie: „Verzeihen Sie, aber jemand wird Sie in einen Aufenthaltsraum bringen. Ich werde mich später wieder mit Ihnen beschäftigen. Lang lebe die Gemeinschaft!"

    Dann ist sie auch schon aus dem Raum.

    Man hilft mir auf. Ich bin nur mit einer Decke bekleidet, wie mir erst jetzt klar wird. Irgendjemand muss sie über mich geworfen haben.

    Ich weiß, dass ich nackt eingefroren werden sollte. Schließlich ist Kleidung bei einem medizinischen Eingriff eher hinderlich. Erst jetzt kommt mir in den Sinn, wie gut diese Frau Englisch gesprochen hat. Ich meine, bei all der Zeit verändert sich eine Sprache. Sie betont einige Wörter fremdartig, aber das ist mir gar nicht so sehr aufgefallen.

    Ich stehe auf und falle sofort hin.

    „Bitte bleiben Sie liegen", befiehlt eine junge Pflegerin. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie dastand. Zumindest denke ich, dass sie das ist, sie trägt keinen Kittel.

    Sie hilft mir auf und legt mich wieder hin. Mir ist das unangenehm, aber was soll‘s. Viel gravierender finde ich, dass ich mich so schwach fühle.

    Sollte ich nicht ausgeruht sein nach all dem Schlaf?

    „Was ist passiert?", frage ich.

    „Ihre Muskeln sind degeneriert durch die lange Zeit, in der sie nicht genutzt wurden. Der Einfrierungsprozess führt dazu. Ich werde Ihnen einige Dioden in die Muskulatur einführen. Nach einer leichten Betäubung werden Sie gar nichts vom neuerlichen Muskelaufbau spüren", erklärt sie.

    Dann beginnt sie bereits, mir irgendwelche Nadeln in den Körper zu stecken.

    Es tut weh und kribbelt. Dann hält sie mir ein Mundstück ins Gesicht. Nach einigen tiefen Zügen eines betäubenden Gases dämmere ich weg. Ich hasse dieses Gefühl, es erinnert mich unangenehm ans Sterben.

    2

    Als ich aufwache, sitze ich in einem Aufenthaltsraum, nur bekleidet mit einem Kittel.

    Neben mir steht ein gesichtsloser Androide, der vier Arme anstatt zwei hat. Zwei seiner Arme enden in Fingern, zwei eher in etwas wie großen Wattepads.

    Er hat kein Gesicht in dem Sinne, sondern nur einen breiten grauen Streifen dort, wo die Augen wären. Ich nehme an, dass er damit ein größeres Gesichtsfeld hat als ein Mensch, mindestens 270°.

    Er muss Naomi verständigt haben, denn kurz darauf betritt sie den Raum.

    „Wie geht es Ihnen?", fragt sie und mustert mich neugierig.

    „Besser", stelle ich fest.

    „Präzisieren Sie bitte, für meinen Bericht. Was Sie sagen, wird aufgezeichnet."

    Ich seufze. „Ich fühle mich, als hätte ich Muskelkater, kann mich aber besser bewegen", sage ich und stehe zur Probe auf. Tatsächlich, ich fühle mich erheblich kräftiger.

    „Wir sind froh, dass Ihr Körper noch gut funktioniert. Er scheint die Organoiden gut aufzunehmen", stellt Naomi klar.

    „Bitte was?, frage ich. „Organoide?

    Sie blinzelt und sagt dann: „Organe aus pluripotenten Stammzellen, die gezielt zum Züchten eines Organs genutzt werden. Ihre Lunge und eine Ihrer Nieren sind neu, genauso Ihr Herz."

    Ich atme scharf ein. „Sie haben mein Herz ausgetauscht?"

    „Besitzt es einen besonderen sentimentalen Wert für Sie?"

    Ich schüttle den Kopf und versuche mich wegen dieser Erkenntnis zu beruhigen. Die Zukunft hat einiges Neues, muss ich einsehen. Deswegen wollte ich ja auch hierher.

    „Wieso sprechen Sie Englisch?", frage ich schließlich, was mir schon gestern durch den Kopf ging. Oder sind etwa schon mehrere Tage vergangen?

    „Was sollte ich sonst sprechen? Ihre Muttersprache, Deutsch, war zu kompliziert für die kurze Zeit."

    „Zu kompliziert?", echoe ich.

    „Nun, führt Naomi aus und bekommt dabei eine lehrerhafte Haltung. „Wir haben Ihnen die wichtigsten Informationen, die für unsere Sprache nötig sind, ins Hirn gepflanzt.

    „Was?, fahre ich auf. „Das ist unmöglich, Sie sprechen Englisch, ich spreche Englisch!

    „Das ist nicht richtig. Sehen Sie, Ihr Hirn hat ein Areal, das für Fremdsprachen zuständig ist. Das kann man gezielt ansteuern. Sie haben davon nichts gemerkt. Allerdings muss Ihr Hirn die Lücken füllen, da ist Information aufgetaucht, die vorher nicht da war. Also glauben Sie, dass Sie Englisch sprechen. Ihr Hirn weiß sehr wohl, dass Sie nicht Ihre Muttersprache benutzen."

    „Das ist ...", sage ich nur, weil ich fassungslos bin.

    „Es ist, als würde ich mittels Stromimpuls Ihren Arm bewegen. Wenn ich den Impuls in Ihr Hirn sende, wird Ihr Bewusstsein glauben, dass es Ihre Bewegung war. Darum glauben Sie auch, reflexhafte Bewegungen seien ‚Ihre‘. Das sind sie nicht, sie werden unbewusst ausgeführt. Aber das Hirn füllt diese Informationslücke eben aus mit einer schönen Fantasie."

    Nachdenklich schweige ich eine Weile.

    „Wie ist eigentlich Ihr Nachname?", frage ich.

    „Nachname?"

    „Ihr Familienname. Sie nannten sich Naomi G. 32. Wie schlüsselt sich dieser Name auf?", erkläre ich mein Anliegen.

    „Naomi ist meine Strang-Bezeichnung, das G. steht für Gelehrte, ich gehöre der wissenschaftlichen Kaste an, und die 32 ist meine Individualbezeichnung unter den Naomi-Strang-Angehörigen."

    „Strang-Bezeichnung?"

    Sie seufzt zum ersten Mal und bekommt wieder diesen Tonfall, den man bei einem Kind anschlägt, das eine vermeintlich dumme Frage stellt.

    „Ich bin die 32. Frau, die im genetischen Strang ‚Naomi‘ geboren wurde. Nicht alle meiner Vorfahrinnen waren G-Klasse, aber die meisten. Es gibt eine besondere Eignung dazu."

    Ich versuche es zu verstehen.

    „Ihre Tochter wird also Naomi 33 werden?"

    „Tochter?"

    Jetzt bin ich es, der nach Worten ringt. „Ein weibliches Baby, das von Ihnen abstammt?", versuche ich es.

    „Sie meinen einen Strang-Folger. Eine Naomi, die im genetischen Strang auf mich folgen wird. Direkt auf mich."

    „Vielleicht meine ich das, ja."

    „Wenn ich tot bin, wird mein Strang modifiziert anhand der Daten meines Lebens, er wird verbessert und in einen Brüter eingeführt. Anschließend wird eine neue Naomi geboren", erklärt sie stolz.

    Ich habe das Gefühl, mehr Fragen aufzuwerfen als Antworten zu bekommen. Aber hey, dafür wollte ich das hier.

    „Also sind das Ihre Kinder?"

    „Nun, es gibt auch noch andere als die, die mir im Strang folgen. Es gibt auch gezielte Verschmelzungen von Spermien mit fremden Eizellen, um neue Menschen zu erschaffen."

    Ich höre zu und versuche zu verarbeiten. Um Zeit zu gewinnen, frage ich: „Haben Sie auch Fragen an mich? Wenn ich Sie hier so mit Fragen löchere."

    „Wie löchert man jemanden mit Fragen?, sagt Naomi und blickt irritiert an sich herunter. „Eine befremdliche Redewendung. Ich hoffe doch, dass es eine ist? Gut! Tatsächlich habe ich eine. Ihre Datei sagt, Sie waren emeritierter Professor für Ethnologie/Kulturanthropologie. Erklären Sie diese Tätigkeit bitte.

    „Emeritiert bedeutet, ich bin in Ruhestand gegangen."

    „Sie beendeten Ihre Arbeitszeit?"

    „Korrekt. Ich war in Rente."

    „Rente? Was ist das?"

    „Wenn man lange arbeitet, zahlt man immer etwas Lohn in eine Kasse. Daraus bekommt man ein wenig Geld, wenn man irgendwann zu alt zum Arbeiten ist und aufhört. Denn man benötigt ja Geld zum Leben, erkläre ich es ruhig. „Was tut man denn bei Ihnen, wenn man nicht mehr arbeiten kann?

    „Man fällt der Gesellschaft nicht zur Last und beantragt das Einschläfern, sofern ein medizinisches Gutachten das ebenso bestätigt."

    Ich schlucke hart. Wie so oft bei meinen Beschäftigungen mit fremden Kulturen muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass Moral keine Konstante ist. Im Gegenteil, jede Ethik war nie universell, sondern immer ein Aushandlungsprozess einer Gesellschaft. Ethik und Moral sind immer relative, keine absoluten Konstanten.

    Ich fahre also fort.

    „Professor für Ethnologie oder Kulturanthropologie heißt, ich habe an der Universität andere Wissenschaftler gelehrt. Mein Fach ist ... tja, da fragen Sie was. Es geht darum, wie sich Menschen verhalten und warum. Menschen beobachten, wie sie Dinge tun und auch vergleichen, wie es Menschen anderer Kulturen machen. Es ist keine Aussage, tausend Menschen zu befragen, ob sie ihre rechte oder linke Hand lieber benutzen. Erst wenn Sie es vergleichen mit anderen Kulturen, wird es wirklich interessant. Es gibt Erlerntes und Veranlagtes im Menschen."

    „Um den besten Weg zu finden, etwas zu tun?"

    „Aber nein, richtig und falsch hat in meiner Arbeit nichts zu suchen. Wenn ein Löwe eine Gazelle frisst, wer ist dann der Böse? Die Gazelle will leben, aber auch der Löwe, und dazu muss er fressen. Moral ist sehr standpunktabhängig, das ist nicht, was wir erforschen. Wir zeigen eher menschliches Verhalten auf. Der Mensch und seine Kultur, das interessierte mich immer, nicht so sehr die Bewertung."

    Naomi schweigt.

    „Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre rückständigen Ansichten zur Moral teile", sagt sie dann. Ich hebe die Augenbrauen dabei. Wenn Moralvorstellungen für jemanden rückständig sein können, glaubt er vermutlich auch daran, dass es eine absolute Wahrheit gibt.

    „Sie kommen allerdings aus einer primitiveren Zeit, weshalb man sicher nachsichtig sein muss. Sie wissen es ja noch nicht besser", sagt sie dann. So ungefähr, denke ich, muss sich ein Ureinwohner gefühlt haben, wenn sein eigenes Land zur Kolonie von irgendwem erklärt wurde. Ich ignoriere die Herablassung einfach.

    „Wieso haben Sie mich aufgetaut?", frage ich dann. Möglicherweise ein etwas unverfänglicheres Thema.

    Sie notiert etwas in ihrem kleinen Handgerät.

    „Später. Nun aber sollten Sie etwas ruhen. Sie können einen Resov dazu nutzen. Der Pflegeandroide hat eines dabei. Wir reden morgen weiter." Dabei steht sie auf und wendet sich ab. Ich bleibe in dem kleinen Raum zurück. Schließlich stehe ich auf und gehe durch die einzig andere Tür in mein fensterloses kleines Schlafzimmer. Es gibt dort auch eine Nasszelle.

    „Was ist ein Resov?", frage ich den Androiden, der mir wie ein Schatten folgt.

    Er antwortet mir, indem er das Gerät aus einer kleinen Klappe an seinem Brustpanzer holt.

    „Es stimuliert Ihr zentrales Nervensystem, damit es Endorphine ausschüttet. Die meisten Menschen benutzen es regelmäßig, um besser einschlafen zu können, erklärt er mit einer synthetischen Stimme. „Es soll sehr angenehm sein.

    Ich lege mich auf das Bett und er legt mir den kleinen Kasten auf die Stirn. Bevor ich protestieren kann, trifft es mich wie ein Glockenschlag.

    Dann dämmere ich in betäubende Glücksgefühle weg. Es ist mit nichts zu vergleichen, kein Alkoholrausch kommt an dieses Gefühl heran.

    3

    Ich erwache aus traumlosem Schlaf und fühle mich leicht groggy. Der Pflegeroboter steht noch immer neben mir und packt beherzt zu, als ich versuche aufzustehen.

    „Lass mich", sage ich und schüttle ihn ab. Er lässt mich mit seinen Wattebauscharmen los und ich richte mich auf. Ich fühle mich nicht gut, eher ein wenig betrunken. Ich weiß, dass manche Menschen dieses duselige Gefühl mögen, ich aber nicht.

    Eine Weile stehe ich so im Raum, bis ich wieder klar denken kann. Dann gehe ich in die Dusche, die zwar keinen Wasserhahn hat, deren Handhabung aber trotzdem verständlich ist. Es befinden sich Knöpfe an der Wand, die Temperatur kann ich allerdings nicht einstellen.

    „Wieso kann ich die Temperatur nicht einstellen?, frage ich den Roboter, der darauf nur erwidert: „Die optimale Temperatur ist bereits eingestellt.

    Ich bin mir nicht sicher, aber diese Welt erscheint mir ähnlich wie das zusätzliche paar Hände des Pflegeroboters, der mir ebenfalls ins Bad folgt: Irgendwie in Watte eingepackt.

    Ich schiebe das Vorurteil von mir. Immerhin kenne ich diese Kultur zu wenig, um mir ein Urteil zu bilden und ich bin hier, um Neues zu erfahren. Auch wenn – das muss ich zugeben – nie jemand von mir erfahren wird. Ich bin schließlich nicht räumlich von meiner eigenen Kultur getrennt, sondern zeitlich.

    Als ich mich umdrehe, falle ich in der nassen Dusche vor Schreck fast hintenüber.

    Naomi steht dort und mustert mich. Es ist ein neugieriger Blick, den ich nicht recht zu deuten vermag.

    „Wie lange stehen Sie da?", frage ich und versuche mich darauf zu besinnen, dass Schamgefühl etwas Anerzogenes ist. Das Wissen darum verhindert natürlich nicht, dass ich mich schäme, vor dieser jungen und zugegeben attraktiven Frau nackt zu sein.

    Ich erinnere mich an eine Feldforschung, bei der ich einen Freund im Kongo besuchte. Einige Frauen des Dorfes fragten mich, ob sie sich etwas anziehen sollten. Immerhin hätten sie gehört, dass Männer bei uns selten Brüste zu sehen bekämen. Das war nur einer dieser Momente, in denen man merkt, wie viele Dinge, die man als gegeben ansieht, doch nur anerzogen sind. Missverständnisse sind immer sehr leicht zwischen menschlichen Gruppen.

    „Nur einige Minuten. Sie haben einige Falten, sind aber doch für ein Individuum aus Ihrer Zeit erstaunlich gut in Form. Vor allem, da noch kein Glätt-Ex erfunden war."

    „Was soll das sein?"

    „Es ist eine Mischung von Stoffen, die der Haut ihre Elastizität wiedergibt. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, eine mit dem Lebensalter ansteigende Dosis zu konsumieren. Wir wollen ja nicht, dass Sie jemanden mit Ihrem Alt-sein belästigen, oder?", sagt sie und lässt zum ersten Mal ein freundliches Lachen hören, nur dass es überhaupt nicht witzig für mich ist. Ich steige aus der Dusche und trockne mich ab. Findet Sie mich interessant, weil ich alt bin und das hier exotisch ist? Aber auch Exotik ist wieder eine dieser sehr vagen und relativen Kategorien, die sich alle paar Generationen ändern.

    „Hätten Sie Interesse an Sex?", fragt Naomi mich dabei.

    Ich erstarre in der Bewegung. Ich unterdrücke den Reflex, etwas Sarkastisches zu sagen und versuche, die Situation kühl und logisch zu analysieren. Sie scheint die Aussage ohne Spott zu meinen. Also sollte ich mit einer Erklärung antworten. Ich atme einmal tief durch.

    „Das ist bei uns etwas mehr oder weniger Intimes. Man fragte zu meiner Zeit in einer Konversation nicht einfach nach Sex. Vor allem nicht, wenn man sich kaum kennt", erkläre ich.

    Sie legt den Kopf schief. Ich glaube, das tut sie immer, wenn sie etwas verwundert.

    „Nun, Sie wirkten interessiert, wenn ich die Signale ihres Körpers richtig deute, und wir kennen uns immerhin noch nicht gut."

    Stimmt sie mir zu? Ich begreife, dass Sex hier wohl eher einen sozialen Katalysator darstellt, wie ein gemeinsamer Sport.

    „Sind Sie verheiratet?", frage ich, um meine Überlegung zu überprüfen.

    „Das Wort ist mir nicht geläufig."

    „Eine dauerhafte, auch juristische Bindung zweier Individuen. Meist verbunden damit, nur Sex miteinander zu haben und oft auch Kinder zu zeugen und großzuziehen. In manchen Kulturen gibt es das Konzept der Liebe, das die lebenslange Bindung begründet. Es gibt aber auch andere Konzepte des Zusammenlebens, was ist das Ihre?"

    Sie bekommt wieder einen Gesichtsausdruck, als würde sie mit einem Idioten reden.

    „Solcherlei Zwänge stehen einer individuellen Lebensplanung entgegen. Die individuelle Lebensplanung darf man nicht derartig einschränken, stellt sie fest. „Kinder wachsen im Hort auf. Ich selbst habe bereist fünf Mal Eizellen dafür gespendet.

    „Das heißt, Sie haben Kinder?"

    „Möglich, was soll es mich interessieren?, stellt sie fest. „Wenn Sie kein Interesse haben, vielleicht ein andermal. Kommen Sie?

    Inzwischen habe ich mich angezogen und sie führt mich durch ein Gewirr von Gängen. Endlich gibt es einige große Fenster. Ich bleibe beeindruckt stehen und sehe die Skyline einer großen Stadt vor mir. Naomi würdigt das Panorama keines Blickes.

    „Wo sind wir? Wie heißt diese Stadt?", frage ich.

    „Megaplex-E-12", erwidert sie.

    Wir sind mindestens im hundertsten Stockwerk und haben eine atemberaubende Sicht auf Tausende von Gebäuden. Die Stadt schmiegt sich an den Hang eines Berges, sodass wir eine gute Sicht über viele gleich hohe Gebäude haben. Sie schlängelt sich an der einen Seite einer Küste entgegen. Das Meer schimmert.

    „Hat diese Stadt keinen Namen?", frage ich.

    „Doch, Megaplex-E-12", erklärt Naomi.

    „Wofür das E?"

    „E steht für Europa. Wir sind der zwölfte Stadtmegaplex in Europa. Wie nummerierten Sie denn Ihre Städte?"

    „Mit Individualnamen, so wie auch Menschen einen Vornamen haben, erkläre ich. „Ich komme aus Emden an der Nordsee. Eine der vielen hundert Städte an der Nordsee.

    „Es muss ja ein Chaos sein, bei all diesen Namen."

    Ich nicke und versuche trotzdem, es ihr zu erklären. „Die Namen sind historisch gewachsen und es gibt eine gewisse Identifikation der Menschen damit."

    „Also bleiben Sie aus Treue zu einer Stadt an einem Ort?"

    „Manchmal, ja."

    „Obwohl es woanders Arbeit zu erledigen gibt?"

    „Ja. Soziale Kontakte können eine große Rolle dabei spielen, ob man irgendwo einen Job annimmt oder nicht."

    „Wie ineffizient. Kein Wunder, dass die Alte Welt unterging."

    Damit wendet sie sich wieder zum Gehen und ich folge ihr. Das Thema scheint für sie beendet zu sein – für mich noch lange nicht.

    „Wie ging sie denn unter?", frage ich.

    „Fragen Sie das Kaito G. 43. Er gehört einer alten Gelehrtenlinie an und ist sehr am Gespräch mit Ihnen interessiert. Zudem arbeitet er im Archiv, er wird Ihnen vielleicht mehr sagen können."

    Wir landen in einem schlichten Büro ohne Fenster, in dem ein Mann einsam an seinem Tisch sitzt und über einem Bildschirm brütet. Er sieht aus, wie man sich einen Mann Mitte vierzig vorstellt. Sein dunkles Haar ist kurz geschoren und steht im krassen Gegensatz zu seiner ungesund hellen Haut, durch die kleine Adern schimmern. Er hat keinerlei Bart und die ersten kleinen Spuren des Alters sind erahnbar. Andererseits bin ich nicht sicher, ob ich bei ihrem Technologiestand wirklich in der Lage bin, sein Alter zu schätzen.

    „Kaito", grüßt Naomi ihn freundlich, als wir reinkommen.

    Er blickt kurz von seinen Notizen auf und gerade als er zu einer Erwiderung ansetzen will, sieht er mich.

    „Sehen wir uns heute Abend?, beginnt er, doch dann: „Ist er das?, fragt er sie und ignoriert mich völlig. Die beiden reden über mich, als wäre ich nicht da. Sie sprechen eine Sprache, die noch immer ein Englisch ist, das ich verstehe, aber doch anders, wie ein fremder Akzent mit komischen Wörtern. Natürlich ist mir klar, dass das mit diesem Wissen-ins-Hirn-Senden zu tun haben muss. Obwohl ich scheinbar ein Grundvokabular habe, gibt es eine Menge Begrifflichkeiten, die mir in ihrer Sprache unbekannt sind.

    „Das ist er, Timothy S. Beiss, sagt Naomi und fügt hinzu: „Das S. ist aber bedeutungslos in seinem Namen.

    Kaito nickt. „Ein weiterer Name zur besseren Differenzierung. Keine Soldatenklasse, nicht wahr? Du musst wissen, Naomi, dass die Individualität ein weit verbreitetes und für viele Menschen bedeutendes Konzept jener Epoche war. Aber es ist eine andere Konzeption von Individualität, ohne Sinn für das, was Menschen beweisbar glücklich macht."

    Sie hebt die Augenbrauen, sagt aber nichts. „Sie waren also alles Sozialschmarotzer?"

    Kaito nickt, bevor ich protestieren kann. „Zweifellos. Doch sie sahen sich nicht in der Weise. Ihre Ansicht war eher, dass jeder selbstverantwortlich für sich ist."

    Naomi kichert kurz. Die Freude scheint echt. Irgendwie verletzt mich das ein klein wenig.

    „Nun, dann lasse ich Sie vorerst in seiner Obhut. Ich denke, er wird viel Freude an Ihnen haben."

    Damit verlässt sie uns.

    Kaito bietet mir einen Stuhl an. Es ist eine Art Sitzsack, mit einem fremdartigen Gel gefüllt, und passt sich perfekt meiner Körperform an. Dabei sitzt er seltsam fest, ohne hart zu sein.

    „Machen Sie sich nichts daraus. Naomi empfindet Ihre Ansichten als überholt, stellt Kaito fest. „Zu Ihrer Zeit glaubte man, dass es mehr als eine Wahrheit gibt. Solche Ansichten sind nichts für Naomi.

    „Ob jemand in meinen Augen ein Freiheitskämpfer oder ein Terrorist ist, hängt in erster Linie davon ab, ob er für oder gegen mich ist", stimme ich zu. Kaito G. 43 nickt.

    „So sieht man das heute nicht mehr, sagt er. Ich erinnere mich unwillkürlich an meinen Doktorvater. Das „nicht mehr ist wie das Wort „noch". Es bedeutet, dass der Sprecher sich auf einer höheren Stufe der Zivilisation wähnt, geht mir ungewollt durch den Kopf. Mir fällt auf, dass Kaito in eine Ecke des Zimmers sieht. Erst jetzt bemerke ich die Kamera.

    „Bitte, wollen Sie vielleicht, dass ich Ihnen die Stadt zeige? Es gibt einiges zu sehen."

    Ich nicke. Er führt mich durch eine Reihe von Korridoren und ich sehe durch große Fenster erneut auf Bereiche der Stadt, die fremdartig und faszinierend sind.

    „Viele Gebäude, die Sie hier sehen, sind weitaus größer. Sie reichen weit unter die Erde und unter das Meer. Es ist eine billige Art des Isolierens. Es ist leichter, derartig Wohnraum zu schaffen.

    Wir erreichen eine Plattform, die an der Außenwand des hohen Gebäudes angebracht ist, in dem wir uns befinden.

    Auf der Plattform steht ein Gefährt, das auf mich wie eine Mischung aus Helikopter und Flugzeug wirkt, die mich an die Drohnen erinnert, die es zu meiner Zeit bereits gab, nur eben groß genug, um Personen zu transportieren.

    Tatsächlich fliegen mehrere kleine Drohnen deutlich sichtbar in unserer Nähe herum. Auch sie haben mehrere Rotoren um eine Kernkabine angeordnet.

    „Wofür sind die?", frage ich Kaito.

    „Die? Ach, die dicken transportieren meist irgendwelche Bestellungen oder Lebensmittel. Die kleinen Drohnen dienen der öffentlichen Sicherheit."

    „Wie das?"

    „Sie beobachten, damit man einschreiten kann, wenn ein Verbrechen geschieht."

    „Sie überwachen Sie immer? Jederzeit?"

    „Natürlich. Es könnte mir ja auch außerhalb eines Gebäudes etwas passieren."

    Ich schließe daraus, dass in den Gebäuden also auch reichlich Kameras sind. Dass hier die Unschuldsvermutung ausgehebelt wurde, beängstigt mich. Bei uns muss ein Verbrechen bewiesen werden, hier aber wird jeder verdächtigt und überwacht, sollte er doch mal etwas Illegales tun.

    Mich fröstelt und es liegt nicht am starken Wind, der hier oben auf dem Gebäude an mir zerrt.

    Wir steigen in einen dieser fremdartigen Helikopter. Im Gegensatz zu einem normalen ist er aber geräumiger und besitzt sechs Propeller.

    Als die Türen geschlossen sind und die Rotoren anfangen zu jaulen, entspannt sich Kaitos Körperhaltung sichtlich.

    „So, hier drin sind wir ungestört", sagt er und lenkt den Flieger von der Plattform. Genau genommen steuert er ihn nicht selbst, sondern tippt Wegpunkte auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm ein. Das System lenkt daraufhin die Maschine von allein.

    Ich sehe ihn fragend an.

    „Nun, es mag ein Schock für Sie sein. In Ihrer Zeit war man technologisch und moralisch ja noch bei Weitem nicht so weit wie heute. Allerdings ist es heute technisch möglich, jemanden überall und immer abzuhören."

    „Das war durchaus auch zu meiner Zeit möglich, aber illegal und unmoralisch", kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen.

    „Das ist es heute mitnichten. Man analysiert, was auch immer Sie sagen, zur Früherkennung von Verhaltensauffälligkeiten. Psychologische Störungen oder auch rein physische Krankheiten sollen so vorher erkannt werden."

    „Das ist furchtbar, platzt es aus mir heraus. „Das kann man doch gegen Sie verwenden. Jeder misstraut jedem?

    Kaito nickt traurig und sieht mich an, wie man ein Kind ansieht, das eine unangenehme Wahrheit ausspricht.

    „Natürlich. So sinkt auch die Zahl der begangenen Verbrechen. Allerdings müssen wir natürlich Watsons Anweisungen bedingungslos akzeptieren."

    „Watson?"

    „Präsident Watson, unser nobler Anführer. Er regiert die Koalition der Polis, die Gemeinschaft."

    „Die Gemeinschaft? Was für eine Gemeinschaft? Von wem?"

    „Von uns. Es gibt nur diese eine Gemeinschaft, die zählt."

    „Gibt es noch Territorialstaaten oder nur Stadtstaaten?", frage ich.

    Kaito dreht sich zu mir.

    „Es gibt zwölf eurasische Stadtstaaten von beachtlicher Größe. Nach und nach hat man es versäumt, in der Peripherie Infrastruktur zu schaffen. Am Ende war es leichter, eine Mauer zu unserem Schutz zu bauen, als den Zurückgebliebenen die Zivilisation zu bringen."

    Während er dies sagt, fliegen wir über eine gigantische Stadt. Das Meer brandet an die Stadt und ich entdecke, dass viele Häuser, die direkt an der Küste gebaut sind, weit unter die Wasseroberfläche reichen. Das Wasser ist klar und so sehe ich, dass die Ausbreitung unter Wasser genauso groß wie an Land ist. Ich deute auf eine ganze Anzahl von Röhren.

    „Was ist das?"

    „Gezeitenkraftwerke. Wenn die Ebbe kommt, gewinnen wir Strom durch das abfließende Wasser. Genauso gewinnen wir Strom bei Flut. Es ist eine Turbine, die als Dynamo dient."

    Eine Drohne fliegt nahe an unser Fluggerät heran. Ihr schwarzes Kameraauge sieht ins Cockpit und dann zieht sie weiter.

    „Stört Sie die Überwachung nicht?"

    „Wie soll Präsident Watson die beste Entscheidung für uns alle treffen, wenn er nicht alle Fakten kennt?, erklärt Kaito. „Aber wo Sie es sagen: Ja, ich weiß um Ihre Probleme damit. Immerhin studiere ich in meiner Freizeit die Geschichte der Alten Welt. In Ihrer Zeit gab es keine so hilfreiche Instanz wie Präsident Watson.

    „Ich dachte, Sie alle dienen der Gemeinschaft?, erkundige ich mich. „Haben Sie dann überhaupt für so etwas Zeit?

    „Na ja, ein Teil des Tages steht zur freien Verfügung, irgendwann müssen Sie ja essen und schlafen, nicht wahr? Er lacht dabei nicht. Ich glaube nicht, dass es als Witz gemeint ist. „Da nutze ich gerne die Zeit und lese über die Alte Welt. Aber das ist kein ... nun, keine angesehene Beschäftigung. Ich weiß nicht, ob jemand meine Arbeit irgendwann einmal fortsetzen wird. Dabei denke ich, dass man so viel aus der Vergangenheit lernen kann!

    Wir fliegen einen weiteren Bogen.

    „Was ist mit diesen Menschen, gegen die Sie die Mauern bauen?", frage ich plötzlich.

    „Nun, Präsident Watson entschied, dass es besser ist, dass sie nicht unseren Lebensstandard sehen. Wissen Sie, vor gut einhundertzwanzig Jahren gab es das Problem, dass wir gigantische Migrationsströme hatten. Wir konnten hier schließlich nicht alle als preiswerte Arbeitskräfte gebrauchen, dafür hatten wir immerhin Maschinen. Diese Menschen brauchte hier also niemand und seien wir ehrlich: Die waren auch zu ungebildet, was unsere Welt anging. Also haben wir die archaischen Menschen draußen gelassen. Sie wissen nicht, was innerhalb unserer Mauern passiert, und so vermissen sie auch nichts. Sie wissen ja gar nicht, dass man viele Krankheiten zum Beispiel leicht heilen kann."

    „Präsident Watson entschied das vor über hundert Jahren? Wie ist Ihre Lebenserwartung?"

    „Ja, natürlich. Ach so, das wissen sie ja nicht. Präsident Watson ist ein Computer, nach Ihrem Verständnis."

    „Er ist was?"

    „Eine komplizierte Rechenmaschine. Wissen Sie, er wählt immer die beste Option für alle aus, so wie dieses Flugzeug auch seinen Weg geht, ohne dass ich direkt etwas tun muss. Die Routinen und Algorithmen sind immer besser als ein Mensch. Wollen Sie mal die Wilden sehen?" In seinen Augen blitzt es. Er erinnert mich an jemanden, der mir ein Tier zeigen will, das er besonders exotisch findet. Sieht er mich vielleicht auch so?

    „Natürlich", presse ich hervor. Mich irritiert der unvermittelte Themenwechsel. War das von Anfang an sein Ziel? Zugegeben, ich bin neugierig auf die Menschen, die nicht das Glück haben, in den Städten zu leben.

    Andererseits weiß ich als Anthropologe, dass die Wilden eigentlich immer nur die anderen sind, die weit weg leben. Je nachdem, wo der eigene Horizont ist, sind sie eben weiter oder näher entfernt. Im alten Europa der Römerzeit lebten die Wilden hinter dem Limes, später lebten sie dann in der Karibik. Das, was man in Europa als „die Wilden" bezeichnet hat, betrachtete man immer mit eine Mischung aus Abscheu und Faszination. Man konzipiert den Fremden einerseits als edel und gutmütig. Er hat meist die Eigenschaften, die ein Mensch haben soll. Gleichzeitig ist er aber oft entweder grausam oder naiv. Die Wahrheit ist meist sehr viel komplizierter. Ich empfand es nicht nur aus fachlicher Sicht immer als äußerst arrogant, als jemand, der mit einer bestimmten Technik aufgewachsen ist, jemandem, der das nicht ist, vorzuwerfen, dass er davon keine Ahnung hat.

    Das Gefährt geht in eine sanfte Schleife und bald erreichen wir den Rand der Stadt. Obwohl mir gerade gesagt wurde, sie sei riesig, muss ich sagen, dass sie wohl kleiner ist als New York zu meiner Zeit. Aber das ist sicher alles eine Frage der Verhältnisse. Was ist schon groß?

    Um die Stadt ist eine Mauer gezogen worden, die wiederum ist wirklich beeindruckend. Mehr als hundert Meter hoch ist sie und sicher noch einmal hundert breit. Sie erinnert mich eher an ein Gebäude, das man um die Stadt gezogen hat. Auf ihrem Dach sind Start- und Landeplattformen und Geschütztürme, die auf die umliegenden Wälder zielen. Ein vierhundert Meter breiter Streifen vor der Mauer ist völlig gerodet. Nichts wächst dort.

    Ein summendes Geräusch lenkt meine Aufmerksamkeit auf die Schalttafeln vor mir. Kaito drückt einen Knopf und vor ihm erscheint eine zweidimensionale Abbildung eines haarlosen Menschen in der Luft. Das Hologramm schwebt vor uns.

    „Sie verlassen nun die Sicherheit der Stadt. Geben Sie Ihr Einverständnis?", fragt die Person.

    „Ich bin einverstanden", erwidert Kaito und das Hologramm verschwindet.

    „Wofür war das?"

    „Das ist eine automatisierte Haftungserklärung. Wir verlassen den Radius, in dem meine Versicherungen gelten, wissen Sie? Wenn mir also etwas passiert, muss ich sowohl Rettung als auch medizinische Eingriffe selbst bezahlen. Aber das macht nichts. Wer sollte mich vermissen? Ich habe eigentlich nur Spark zu Hause."

    „Spark?"

    „Einen E-Hund."

    „Was ist das?"

    „Ein Roboter in Hundegestalt. Sehr pflegeleicht und macht keinen Dreck, fühlt sich aber an wie ein echter."

    „Sie haben schon mal einen angefasst?", kann ich mir die Spitze nicht verkneifen. Kaito scheint die Ironie nicht zu hören.

    „Natürlich, in einem Zoo."

    „Waren Sie mit der Schule dort, im Streichelzoo? So nannte man bei uns die Abteilung im Zoo, in der man die Tiere anfassen kann."

    „Schule? Dafür geht man doch nirgendwo hin."

    „Wie sieht Schule bei Ihnen aus?"

    „Wir sitzen an unseren Computern und lernen zu Hause. So wie Erwachsene zu Hause arbeiten, müssen die Kinder vormittags am Computer lernen. Und es heißt korrekt ‚Schulen‘, nicht ‚Schule‘. Man wird geschult oder ist bei den Schulen."

    Ich sage erst mal nichts und genieße den Ausblick auf die gigantischen Nadelwälder unter uns.

    „Wohin fliegen wir genau? Gibt es auch Städte der Wilden?", frage ich.

    Kaito lacht. „Städte, brummt er dabei. „Na ja ...

    Er schweigt eine Weile und ich erwarte schon nicht mehr, dass er antwortet.

    „Städte haben sie nicht. Wir fliegen in eine Siedlung. In dieser Siedlung bin ich schon ein paar Mal gewesen."

    „Zu Forschungszwecken?"

    Er lächelt. „Nein. Wissen Sie, viele von uns fliegen niemals aus der Stadt. Wenn, dann in eine der anderen Städte. Mehr gibt es auf der Welt ja nicht an Zivilisation."

    „Auf der ganzen?, unterbreche ich ihn. „Es gibt nicht mehr als diese Megaplexe? Wirklich?

    „Soweit ich weiß, ja. Wieso sollten die Wilden eigene Städte bauen?"

    „Aber gibt es keine Städte, die unabhängig sind von Watson?"

    „Wieso sollte das eine Stadtbevölkerung wollen? Präsident Watson trifft die beste und rationalste Entscheidung für alle. Somit ist es nur gut, ihn entscheiden zu lassen."

    Ich frage nicht weiter nach. Ich kann das nicht glauben, Menschen bilden immer Subgruppen. Was er primitiv nennt, ist nur durch eine Reihe von technischen Innovationen von uns getrennt. Wieso sollten sie keine Städte haben? Wieso sollten sie weniger wert sein?

    Ich wechsele das Thema, um meinen Gastgeber nicht zu beleidigen.

    „Sie waren also schon mal dort, wo Sie uns hinbringen?"

    „Oh ja, richtig. Wir sind auch fast da. Sehen Sie dort", sagt er. Er deutet auf weite Schneeebenen, die blutrot gefärbt sind.

    „Was ist das?"

    „Das ist Blutschnee, wie die Einheimischen sagen. Sie glauben, dass irgendwelche Götter das tun. Sie sind nicht mal nahe dran an der Wahrheit. Eigentlich sind es Algen, die den Schnee rot färben. Die Siedlungsbewohner wissen von der Stadt und halten uns für Götter. Wir haben sie nach unserem Ebenbild geschaffen. Eine Reihe von Freunden von mir fliegt gerne dorthin."

    „Wieso?", frage ich betont ruhig.

    „Ich weiß nicht, ob sie schon mit Naomi Sex hatten, aber sie sollten es lassen. Sex dient, anders als bei Ihnen, soweit ich weiß, bei uns als Sozialisierung. Es ist gut für Herz und Kreislauf. Das Zeugen von Kindern wird vermieden. Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren und von Zeit zu Zeit wird dann eine künstliche Befruchtung durchgeführt und ein neues Kind wird im Hort herangezogen. Wir paaren uns nicht mit willkürlichen Partnern, so wie die Wilden. Neue Kinder werden nur geschaffen, wenn sie nötig sind. Das passiert immer, sobald abzusehen ist, dass jemand stirbt. Der Staat bleibt somit erhalten und jede Funktion besetzt. Aber wissen Sie, wie sich eine Frau hingeben kann? Wirkliche Leidenschaft, das Erfüllen jedes Wunsches? Ich kann Ihnen sagen, die Archaischen sind da wirklich ... faszinierend. Sie sind begeistert, wenn es um ihre Götter geht. Er lächelt zufrieden. „Außerdem kann man beobachten, wie die Kinder dort aufwachsen. Es gibt dort eine zu beobachtende Fixierung des Kindes auf seine Mutter. Wir vermuten, dass diese ..., äh, Bindung, verschiedenen psychischen Erkrankungen entgegenwirkt. Diese Kinder haben eine Art grundsätzliches Urvertrauen in die Welt, das die Heranwachsenden, die von qualifiziertem Personal unserer Einrichtungen versorgt werden, nicht haben. Er seufzt. „Sie schaffen es ins Erwachsenenalter mit deutlich weniger Störungen. Leider sind unsere Forschungen nicht von Präsident Watson genehmigt, also können wir bedauerlicherweise nichts publizieren."

    „Wirklich", sage ich trocken. Er scheint den Spott gar nicht zu bemerken.

    „Ja, tatsächlich. Ich habe bereits darum gebeten, eine Vergleichsstudie mit echten Frauen aus dem Megaplex durchzuführen. Doch meine derartigen Anfragen für größere Studien wurden abgeschmettert. Ich würde nur versuchen, Frauen von der Erwerbsarbeit abzuhalten und damit dem System schaden, sagte man mir. Also forsche ich im Verborgenen weiter. Ihre Generationenfolge ist kürzer als unsere, nur knappe dreißig Jahre. Bei den Krankheiten kein Wunder. Das erleichtert die Forschung."

    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Meine Gedanken wandern zurück zu einer meiner ersten Vorlesungen zur Kulturanthropologie. Eine Professorin, die jahrelang zu Religionsethnologie geforscht hatte, hielt diese damals. Jahre hatte sie in Indien verbracht und immer wieder zeigte sie uns im Studium Videoaufnahmen von religiösen Praktiken der ganzen Welt. Gleich zu Beginn sahen wir eine, bei der einem Huhn der Kopf abgerissen wurde. Viele Kommilitonen waren entsetzt, einige irritierte es nur. Ich erinnere mich wie gestern an ihre Worte: „Wenn Sie es nicht schaffen, einer fremden Kultur gegenüberzutreten und Ihre Privatmeinung von richtig und falsch außen vor lassen zu können, lassen Sie dieses Fach. Sie werden nie neutral sein, Sie haben ihren Wertekanon immer dabei, keine Frage. Aber in diesem Fach sehen Sie, wie unterschiedlich Menschen die Welt sehen und handhaben. Wieso ist das eine besser als das andere? Wieso ist Ihr Blickwinkel moralisch überlegen? Schon Malinowski hat bei seiner Forschung im Pazifik Schwierigkeiten mit einigen Ritualen gehabt. Aber sie müssen genauso damit klarkommen. Sie sind hier nicht im Missionierungsseminar, Sie wollen fremde Kulturen erforschen. Das bedeutet, eine fremde Meinung erst einmal auszuhalten. Manchmal muss man dafür nicht mal weit weggehen, nur in ein Nachbarviertel, in dem man noch nie war." Viele waren angewidert von dem, was sie in dem Video gesehen hatten. Passenderweise hatte sie uns das in der Vorlesung gezeigt, nach der die meisten zu Mittag aßen.

    Ich rufe mir ihre Worte in Erinnerung. Ich mag nicht gutheißen, was ich sehe, aber ich muss das aushalten.

    „Die kennen Sie sicher nicht", unterbricht Kaito G. 43 meine Gedanken. Er deutet aus dem Fenster und mir verschlägt es die Sprache.

    Über die eisige Tundra trotten Mammuts. Menschen sitzen auf ihnen, wie mir bei näherem Hinsehen auffällt. Langsam stapft ungefähr ein Dutzend von ihnen über die eisige Steppe, ihr Atem bildet kleine Wolken. Mit Gurten sind Sättel auf ihnen festgeschnallt. Jeweils drei Menschen sitzen auf einem Tier. Sie erheben ihre Musketen, als wir vorbeifliegen. Ich denke, sie grüßen uns.

    „Mammuts? Die sind zu meiner Zeit ausgestorben, stelle ich überrascht fest. „Was tun die denn hier? Sind sie echt?

    „Ha, ich wusste es! Das ist eine These, die ich schon lange habe. Mammuts sind nicht so alt, wie alle glauben, sie gehören also doch zu den Experimenten der Genetiker!, ruft Kaito triumphierend. „Wissen Sie, ich habe da schon lange einige Auseinandersetzungen mit Fachkollegen. Mir ist aufgefallen, dass viele Schriftzeugnisse existieren, in denen Mammuts nicht vorkommen. Viele Gelehrte sagen aber, das liegt daran, dass man eben nicht über Alltägliches schreibt. Uns ist auch nicht überliefert, ob Sie über Maschinen verfügten, die Ihre Wohneinrichtungen in Schuss hielten oder über Dienstpersonal. Manche diskutieren auch über Sklaven, da uns keine Belege der Bezahlung für diese Tätigkeiten vorliegen. Andere sagen, dass es zu Ihrer Zeit vornehmlich Wohnverbundsgruppen gab, die sich gegenseitig halfen. So Alltägliches schreibt man nicht auf, weil Zeitgenossen das ja sowieso wissen.

    Bald darauf ist die Waldgrenze erreicht. Tannen reihen sich aneinander und bilden ein ewig grünes Meer aus Wipfeln, die im Wind schwanken.

    „Wie kann sich so nahe bei der Stadt eine schneebedeckte Tundra befinden?, frage ich. „Der Flug war doch gar nicht so weit.

    „Eine warme Strömung sorgt dafür, dass es einen harten Schnitt zwischen den Klimazonen gibt."

    „Werden wir aussteigen?, frage ich. Kaito nickt. „Keine Sorge, Ihre Kleidung ist wärmer, als Sie denken. Trotzdem habe ich zwei Weile dabei. Er öffnet eine Kiste und reicht mir eine Art Overall in blassem Blau. Er erinnert mich etwas an die Kleidung von Mechanikern, natürlich nur ohne die obligatorischen Ölflecken. „Das ist ein lebendes Gewebe mit Tintenfischgenen. Es isoliert ziemlich gut."

    „Aha, schaffe ich zu erwidern und mustere das Kleidungsstück. „Es lebt?

    „Ja, aber eher so wie eine Zimmerpflanze. Wo kein Nervenknoten, da auch kein Denken."

    Wir nähern uns einer kleinen Waldlichtung. Der Helikopter fliegt in eine sanfte Kurve und setzt zur Landung an.

    Auf der Lichtung drängen sich kleine Blockhäuser dicht an dicht. Aus dicken Tannen sind sie gebaut, die Blöcke haben geraden Wuchs. Die Dächer sind mit Reet gedeckt. Irgendwo muss es also ein Gewässer geben.

    Menschen versammeln sich um das Fluggerät. Sie tragen Felle in mehreren Schichten übereinander. Viele haben Musketen geschultert. Ich sehe, dass etwas entfernt einer ein Dreibein aufbaut und eine Kiste darauf befestigt. Erst nach mehrfachem Hinsehen begreife ich, was es sein muss: eine Kamera.

    „Ziehen Sie sich an,

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