Was soll ich mir wünschen, wenn ich nicht weiß, was ich will
Von Thomas Brezina
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Über dieses E-Book
Eine Reise auf der Suche nach neuen Perspektiven führt auf eine ferne Insel und zu überraschenden Begegnungen. Eine philosophische Erzählung von Erfolgsautor Thomas Brezina anlässlich seines 60. Geburtstags Lebensweisheiten über die großen Fragen, die so viele Menschen sich stellen: Worum geht es im Leben und was will ich wirklich?
Thomas Brezina
Durch seine erfolgreiche Arbeit an verschiedensten Drehbüchern bekam Thomas Brezina das Angebot, Bücher zu schreiben. Er packte die Gelegenheit beim Schopf und 1990 gelang ihm sein Durchbruch als Autor mit der Buchreihe „Die Knickerbocker-Bande“. Drei Jahre später schuf Thomas Brezina „Tom Turbo“, das tollste Fahrrad der Welt, das mittlerweile seit 30 Jahren sowohl als Buchreihe als auch als interaktive Detektivsendung im Fernsehen Kinder begeistert. Weitere erfolgreiche Buchreihen folgten: „Sieben Pfoten für Penny“, „No Jungs! Zutritt nur für Hexen!“ oder „Ein Fall für dich und das Tiger-Team“. Mit dem Tiger-Team konnte er international und insbesondere in China große Erfolge feiern und dort sogar „Harry Potter“ in den Schatten stellen. Es ist also nicht verwunderlich, dass er in China als „Meister der Abenteuer“ bezeichnet wird. Insgesamt schrieb Thomas Brezina über 550 Bücher, die in über 35 Sprachen übersetzt wurden. Über 40 Millionen verkaufte Bücher machen ihn zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchautoren. Dem nicht genug: Der passionierte Vielschreiber schuf über 350 Hörspiele und war an der Entstehung von 40 Fernsehformaten als Autor, Produzent oder Moderator beteiligt. Zudem konnte er auch mit einer Vielzahl an Theaterstücken und Musicals Erfolge feiern. Sein umfassendes Werk bescherte Thomas Brezina bereits zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das „Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich“ oder den begehrten TV-Preis „Romy“ für die Wissenssendung „Forscherexpress“.
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Buchvorschau
Was soll ich mir wünschen, wenn ich nicht weiß, was ich will - Thomas Brezina
1
Als ich im strömenden Regen aus dem Taxi stieg und innerhalb von Sekunden bis auf die Haut durchnässt war, verfluchte ich alles, was ich jemals über „erfolgreiches Wünschen und „Lebe deinen Traum!
gehört hatte.
Wunschträume sollten mit einer Bedienungsanleitung kommen, die Warnhinweise enthält, dachte ich grimmig. Oder mit einer Packungsbeilage wie Medikamente, in der auf unerwünschte Nebenwirkungen aufmerksam gemacht wird.
Ich hatte seit Jahren einen großen Traum.
Jeden Tag hatte ich mir ausgemalt, wie wunderbar ich mich fühlen würde, ginge er erst in Erfüllung. Ich visualisierte den Traum, wie das in der Sprache der Lebenshelfer so schön heißt.
Nun war es so weit. Mein Traum wurde Wirklichkeit. Und Stück für Stück verwandelte er sich in den größten Albtraum meines Lebens.
Hinter mir lagen mehr als 34 Stunden Flug. Die meiste Zeit war ich eingequetscht zwischen Leuten gesessen, die besser zwei Sitze hätten buchen sollen, schreienden Babys und einem Herrn, der unter heftigen Blähungen litt, was für alle deutlich zu riechen war.
Vor mir lag nun die letzte Etappe meiner Reise: ein Flug in einer sicherlich erschreckend kleinen Maschine zu der Insel, auf die ich mittlerweile gar nicht mehr wollte.
Der Fahrer des Taxis, das mich zu dem kleinen Flughafen gebracht hatte, war im Wagen sitzen geblieben und hatte es mir überlassen, mein Gepäck aus dem Kofferraum zu hieven. Geduckt, den Kopf zwischen den Schultern eingezogen, legte ich die paar Meter zu einem flachen Gebäude zurück. Hinter mir hörte ich das Taxi davonfahren.
Es war früher Abend, aber bereits stockfinster. Neben dem Eingang brannte eine einsame Lampe. Zum Glück gab es ein Vordach, unter dem ich ein wenig Schutz vor dem Regen fand. Die Tropfen hatten die Größe von Pingpongbällen. Ich zog die Tür auf und betrat das Gebäude.
Der kahle Raum vor mir wurde von ein paar Neonröhren mehr schlecht als recht erhellt. Eine Reihe von Plastikstühlen stand auf einer Seite, an der Wand hing schief das Logo der Insel-Airline. Ich war allein hier.
Laut Buchung sollte der Abflug in einer halben Stunde erfolgen. Ich war die ganze Fahrt im Taxi wie auf Nadeln gesessen, weil ich Angst gehabt hatte, den Flug zu verpassen und einen Tag auf den nächsten warten zu müssen.
Auf der anderen Seite des Raumes befanden sich eine Tür und ein Fenster, das beinahe die gesamte Wand einnahm.
Nachdem ich Koffer und Reisetasche abgestellt hatte, ging ich hin, drückte mich dicht an die Scheibe und schirmte meine Augen mit den Händen ab. Draußen war es zu dunkel, um etwas zu erkennen. Die Tür war abgesperrt und ließ sich nicht öffnen.
Mir kamen Zweifel, ob ich hier richtig war.
Meine Augen brannten und ich war zum Umfallen müde. Also ließ ich mich auf einen der Stühle sinken und holte mein Handy aus der Schultertasche.
Keine Nachricht. Enttäuscht steckte ich es zurück.
„Ist hier frei?"
Ich sah erschrocken auf.
2
Vor mir stand eine zarte ältere Frau in kurzen Kakihosen und einem blauen Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Ihr Gesicht hatte etwas Puppenhaftes. Sie deutete auf die Stühle. „Ist hier frei?"
„Ja, natürlich."
Sie nickte dankend, nahm ihren Rucksack ab und setzte sich.
„Kommen Sie von draußen?", fragte ich und deutete zur Eingangstür. Ich hatte nicht gehört, wie sie aufgegangen war.
Sie nickte. Aus ihrem Rucksack zog sie eine Art Decke. Da es schwül im Raum war, verstand ich zuerst nicht, was sie damit vorhatte. Erst als sie sich ein paar bunte Stoffflicken auf die Knie legte und aus einer kleinen Schachtel Nadel und Faden nahm, erkannte ich, dass sie einen Quilt nähte.
„Haben Sie auch die 19:10-Uhr-Maschine gebucht?", wollte ich wissen.
„Sie meinen den ‚Ungefähr irgendwann nach sieben Uhr‘-Flug?", antwortete die Frau, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.
„Auf meinem Ticket steht 19:10 Uhr", beharrte ich.
„Nehmen Sie das nicht so genau."
Man hatte mich gewarnt, dass auf den Inseln die Uhren anders gingen.
„Kommt die Maschine also nicht pünktlich?", hakte ich nach.
„Nie. Heute schon gar nicht. Es regnet zu stark. Aber der Regen hört bestimmt bald auf."
Wir schwiegen eine Weile. Sie nähte, ich sah ihr dabei zu. Die Stille war mir unangenehm. Aus einem mir unerklärlichen Grund kam mir die Frau bekannt vor.
„Wohnen Sie auf der Insel? Oder besuchen Sie jemanden?", fragte ich, um das Schweigen zu brechen.
„Keins von beiden."
Sie erklärte mir nicht, was das bedeuten sollte, und ich wollte nicht allzu neugierig erscheinen. Wieder sagten wir eine Weile nichts.
Die nasse Kleidung klebte an meiner Haut. Deshalb öffnete ich meine Reisetasche und kramte ein T-Shirt und Shorts heraus. Ich ging an einen Platz, an dem mich die Frau nicht sehen konnte, und zog mich schnell um.
„Weshalb besuchen Sie die Insel?", wollte sie wissen, als ich zurückkam.
„Ich habe ein Haus gemietet. Direkt am Strand. Für sechs Wochen."
„Allein?"
„Ja, allein."
„Urlaub?"
„Mehr eine Auszeit", erklärte ich.
„Wie meinen Sie das?"
„Ich will aus allem raus: meiner gewohnten Umgebung, Arbeit, Freundeskreis, Alltag. Einfach weg und Abstand bekommen."
Sie nickte. „Ich verstehe. Reisen ist dafür die beste Möglichkeit. Aber wieso wollen Sie aus allem raus?"
„Ich feiere einen runden Geburtstag und will mir Ruhe gönnen. Man kann es auch ‚Abstand von allem‘ nennen. Das ist doch nichts Ungewöhnliches."
Die Frau unterbrach ihre Arbeit und blickte mich einen Moment lang an. „Sie wissen nicht weiter, nicht wahr?"
Ich öffnete schon den Mund, um zu protestieren, ließ es dann aber bleiben. Man konnte meine Situation durchaus so beschreiben. Mich quälten einige Zweifel. Vor allem aber verspürte ich eine Wut auf alles, was schiefgelaufen war.
Die Frau hielt den Quilt in die Höhe und begutachtete das Quadrat, das sie eingenäht hatte. „Nun etwas Blaues", sagte sie zu sich und suchte den passenden Flicken. Als sie ihn gefunden hatte, sah sie auf.
„Fühlen Sie sich irgendwie verloren?", fragte sie.
Das Gespräch wurde mir zu persönlich. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass die Frau erneut den Finger auf meinen wunden Punkt gelegt hatte.
Ich hatte genau dieses Gefühl: verloren. Nicht wissend, wohin ich gehen sollte. In den Monaten vor meinem runden Geburtstag hatte ich über mein Leben nachgedacht und einige erschreckende Feststellungen gemacht. Einige meiner Wünsche hatten sich erfüllt. Statt Begeisterung hatte sich in mir allerdings Enttäuschung breitgemacht.
Andere Wünsche, die nicht in Erfüllung gegangen waren, vergrößerten diese Enttäuschung.
Außerdem gab es einige Wünsche, von denen mir klar geworden war, dass sie sich nie erfüllen würden. Wodurch meine Enttäuschung nur