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Der andere Judas: Catalunya Hardcore
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eBook308 Seiten3 Stunden

Der andere Judas: Catalunya Hardcore

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Über dieses E-Book

Der Brandsachverständige und ehemalige Legionär Jean Sarre wird zu einer Unfallstelle gerufen und entdeckt bei der Untersuchung des Autowracks, dass es sich keinesfalls um einen Unfall, sondern um einen Brandanschlag gehandelt hat. Dies ist der Anfang zu einer Ermittlung, die immer größere Ausmaße annimmt.
Dabei ergibt sich aus der Mitwirkung eines nicht immer sehr bemühten Kriminalinspektors, eines korrupten Bauunternehmers, mehrerer Kleinkrimineller, eines gewissenlosen Arztes und hinreißender Frauen eine explosive Mischung!
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum17. Jan. 2023
ISBN9783756872299
Der andere Judas: Catalunya Hardcore
Autor

Oliver J. Petry

Oliver J. Petry wurde 1965 in Saarbrücken geboren und ist seiner saarländischen Heimat bis heute treu geblieben. Der Kfz-Prüfingenieur und Sachverständige betreibt im Nordsaarland eine kleine Prüfstelle. Seine spannenden Kurzgeschichten und Romane sind von seiner Liebe zur Technik, Musik, Natur, Tieren und Kunst geprägt.

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    Buchvorschau

    Der andere Judas - Oliver J. Petry

    Buchbeschreibung:

    Der andere Judas wird vor allem in schwierigen und ausweglosen Situationen angerufen.

    Gläubige, die den Apostel um Hilfe anflehen, berichten oft von Wundern. Der heilige Judas Thaddäus gilt als Schutzpatron des Unmöglichen und großer Helfer in schweren Lagen.

    Jean Sarre, der Sachverständige und ehemalige Legionär, kommt in Nordspanien kriminellen Machenschaften auf die Spur.

    Schnell findet er sich in einem Teufelskreis aus Gier, Macht, Sex und Gewalt wieder.

    Doch der Antiheld weiß aus Erfahrung, dass himmlischer Beistand nicht schaden kann.

    Über den Autor:

    Oliver J. Petry, geboren 1965, lebt und arbeitet im Saarland.

    für Elke und Hanna

    Danke an Gabriele Rach für ihr unermüdliches Lektorat und an alle, die mich nach wie vor unterstützen.

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    VORSCHAU

    Im fahlgelben Scheinwerferlicht wirkten die Serpentinen zwischen Roses und Cadaqués irgendwie unwirklich und weitestgehend gefahrlos. Kein Wunder, schließlich konnte man bei Dunkelheit nur schwer erkennen, dass es hier stellenweise, fast siebzig Meter in die Tiefe ging. Der Fahrer der großen, silbernen Limousine war so gut gelaunt, wie schon lange nicht mehr und aus dem Autoradio ertönte melodische Rockmusik. Er hatte es endlich geschafft. Gerard besaß nun Geld genug, um sich für immer absetzen zu können. Jetzt musste er nur noch seine Geliebte abholen und dann nichts wie raus, aus Spanien.

    „Irgendwie verdammt romantisch, fast wie bei Shakespeare!", dachte er sich grinsend und drehte - Liquid Love- noch eine Idee lauter.

    Gerard Brieaux war ein Mann, Ende dreißig, bei dessen Anblick das weibliche Geschlecht oftmals in Verzückung geriet. Der gepflegte, südländische Typ mit dem schulterlangen, pechschwarzen Haar verkörperte durchaus das „Latin-Lover"-Klischee und wurde oft auf seine frappierende Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Antonio Banderas angesprochen. Ohne dieses Kapital hätte es Gerard die letzten Jahre auch sehr schwer gehabt. Die Arbeit als investigativer Journalist funktionierte nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Zudem war als Fotograf auch kein großes Geld zu verdienen.

    Vor zwei Jahren hatte er sich noch als Paparazzo durchgeschlagen.

    Doch dann unterlief ihm ein folgenschwerer Fehler, der ihn auch in diesem Metier disqualifizierte.

    Damals stellte er in Barcelona einer Hollywood-Diva nach. Blödsinnigerweise handelte es sich dabei um ein Filmdouble, das ihn aufs Glatteis führte. Es dauerte nicht lange, bis er letztlich Hohn und Spott zu spüren bekam. Nachdem der Shitstorm im Internet abgeklungen war, hatte Gerard auch diese Berufsperspektive verloren und zudem keine Einkünfte mehr. Deshalb kam er nicht umhin, sich ab und an, von ein paar wohlhabenden Damen aushalten zu lassen. Denn schließlich musste sein Leben, respektive sein exklusiver Lebensstil, ja auch weiter finanziert werden. Gerard hatte noch nie Spaß daran, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Schon als Kind schwebte er gedanklich in höheren Sphären und schuf sich seine eigene glamouröse Traumwelt. Sollten die anderen doch malochen. Dafür war er sich definitiv zu schade. Da bekanntlich Kleider Leute machen und der sportlich ambitionierte Gerard selten Geld in der Tasche hatte, ließ er sich also von gutsituierten und zugleich unbefriedigten Frauen einkleiden, damit die ihn anschließend wieder entkleiden konnten. Die große Liebe vorzugaukeln, hatte ihm niemals wirklich etwas ausgemacht. Er ließ sich nur allzu gerne durchfüttern. Schließlich zahlte er ja, sagen wir mal, in Naturalien zurück. Doch als er diese dunkelhaarige Schönheit auf einer Charitéparty kennenlernte, sollte es damit grundsätzlich vorbei sein. Außerdem hatte er mit ihrer Mithilfe den großen Fisch an Land gezogen.

    Gerard begann plötzlich zu frösteln und schaltete daraufhin die Heizung noch zwei Stufen höher.

    Dieses verdammte elektrische Schiebedach ließ sich seit ein paar Tagen einfach nicht mehr schließen. „Auch egal", dachte er sich, da er den alten BMW nur noch heute Abend brauchte. Alles würde gut gehen, denn seine Süße und er, wären morgen ohnehin schon in der Karibik.

    Wie aus dem Nichts tauchte hinter seinem Wagen plötzlich ein einzelner Scheinwerfer auf. Gerard wurde einen Moment lang über seinen Innenspiegel geblendet und klappte ihn hektisch hoch. Sekunden später setzte jemand zum Überholen an. „So ein Wahnsinniger und das, bei den scharfen Kurven, dachte er sich, als ein Motorrad an ihm vorbei brauste. Gerard ärgerte sich noch eine ganze Zeit lang über das waghalsige Überholmanöver, als er auf einmal das besagte Bike führerlos am Straßenrand stehen sah. Kurz vor einer gefährlichen Linkskurve begann er herunterzubremsen und überlegte noch, ob er zurücksetzen sollte. Im gleichen Moment erblickte Gerard eine Person, die mit irgendetwas Flackerndem auf ihn zulief. Brieaux erschrak, wollte anhalten, doch dann, wie aus dem Nichts, flog etwas Grellleuchtendes gegen sein Auto. Innerhalb von Millisekunden brannte das Wageninnere und Blut lief ihm über die Stirn. Irgendwas hatte ihn geschnitten. Warmes Blut nahm ihm die Sicht. Überall war Feuer. Das Letzte, was Gerard denken konnte, war „Er hätte niemals zurückkommen dürfen! Schon zerschlug die große silberne Limousine lichterloh brennend die Leitplanke, wurde zum Feuerball, überschlug sich und stürzte unaufhaltsam in die felsige, schwarze Tiefe.

    „Verdammter Tramuntana, fühle mich wie sandgestrahlt", dachte Jean, während er dem schlanken, aber muskulösen Hund erstmal eine große Blechschüssel mit frischem Wasser hinstellte. Der Dobermann machte sich sofort geräuschvoll über das kühle Nass her.

    Breit lächelnd öffnete sich der blasse Mann währenddessen eine eiskalte Dose „San Miguel. „Das habe ich jetzt aber wirklich gebraucht, dachte er, als er sich das spanische Bier in großen Schlucken einverleibte. Dann riss er die Balkontür auf. Im Gegensatz zur Hausfront schien die Veranda auch weitgehend windgeschützt.

    Draußen vor dem Pool lag ein großer Kalbshautknochen in der Nachmittagssonne. „Sieht irgendwie -strange- aus", sinnierte er, aber zeitgleich hatte sein Hund den klobigen Knochen schon im Maul.

    „Junge, wo hast du das Teil denn die ganze Zeit versteckt? Na, komm schnell wieder in den Schatten!" Der Hund ließ sein Spielzeug daraufhin sofort fallen. Dann legte er sich vor Jean und wartete auf ein neues Kommando. Vielleicht himmelte er den Menschen auch einfach nur an.

    Arthos liebte sein Herrchen. Schließlich hatte der Mann ihn aus extrem schlechter Haltung gerettet. Vor nicht allzu langer Zeit galt der Dobermannrüde, der seine Jugend an der Kette verbrachte, noch als unvermittelbar.

    Nur durch einen Zufall kamen die beiden vor ungefähr zwei Jahren zusammen und waren seitdem unzertrennlich.

    Nachdem Jean eine katalanische Tageszeitung vor sich ausgebreitet hatte, begann er zu lesen. Zwei Minuten später legte er sie wieder genervt weg und ging zum Pool. Es war einfach zu heiß, um sich auf irgendwelche Wirtschaftsnachrichten konzentrieren zu können. Außerdem dachte er gerade mal wieder über sein bisheriges Leben nach.

    Der Mann schaute zu seinem Hund und hatte auf einmal das gleiche lange Gesicht.

    Er wurde vor fast 48 Jahren in einem kleinen Dörfchen, nahe der französischen Grenze geboren. Obwohl er sein Leben bislang irgendwie gemeistert hatte - richtig zufrieden-war er bis dato doch selten gewesen. Es wurde auch allerhöchste Zeit, wieder mal „auszusteigen". Jean Sarre hatte schon fast überall gearbeitet, auch einige Zeit im verregneten Deutschland. Unter anderem, als Sachverständiger mit Schwerpunkt Brandschäden.

    Man verdiente einigermaßen und hatte einen mehr oder minder leichten Job. Allerdings verschlechterte sich die wirtschaftliche und soziale Lage in seiner alten Heimat zusehends. Im Übrigen wurden immer mehr Menschen einfach wegrationalisiert, damit die Aktienkurse, wie auch die Dividenden weiter steigen konnten. Hier in Nordspanien, konnte er die gleiche Arbeit für eine Versicherung auch leisten. Zumindest das Klima und die mediterrane Lebensart der Menschen, gefielen ihm weitaus besser.

    Jean Sarre war mittelgroß, mittelalt, mittelgutaussehend. Oft fühlte er sich einfach mittelmäßig. Genau das, störte ihn derzeit auch am meisten an sich selbst. Aber schließlich konnte er doch mit seinem jetzigen Leben zufrieden sein. Zumindest redete er sich das immer wieder ein.

    Sein Werdegang hatte er sich vor Jahren dann doch anders vorgestellt; ganz klassisch ... mit Frau, mit Kindern ... gut, zumindest den Hund hatte er. Und wenigstens für den, konnte er sich ja auch verantwortlich fühlen.

    Bei immer noch über 30 Grad im Schatten war er froh ein Haus mit kleinem Außenpool gemietet zu haben. Noch genoss er diesen Luxus in vollen Zügen.

    Plötzlich klingelte sein Mobiltelefon. Der schwarz-braune Hund schreckte hoch und bellte. Leise fluchend, stieg er tröpfelnd aus dem Pool und nahm das Telefon in seine noch nassen Hände… „Sarre!"

    „Hola Señor Sarre", meldete sich am anderen Ende eine helle Frauenstimme. „Perdón für die sonntägliche Störung… Und übermorgen haben Sie 14 Tage Urlaub, wie ich gelesen habe. Hätte ich auch gern. Na ja, …Können Sie morgen früh sofort in Richtung Cadaqués fahren? Letzte Nacht ist dort ein Wagen von der GI 614 in eine Schlucht gestürzt. Sie kennen doch die Serpentinenstraße…

    Untersuchen Sie bitte das Fahrzeug; es ist total ausgebrannt...

    Der Fahrer ist übrigens tot. Schlimme Sache... ein Franzose, ein Fotograf... Sie fahren dann..., die Polizei, Señor Inspector Ruiz... er wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen... Hasta luego y Gracias!"

    Nachdem er der Sachbearbeiterin versichert hatte, morgen früh gegen 8:00 Uhr, vor Ort zu sein, legte Sarre das nasse Smartphone auf den weißen Tisch. Er griff ein großes, dunkelblaues Badetuch, begann sich abzutrocknen und dachte währenddessen über seine derzeitige Auftragslage nach. Momentan konnte er sich über zu wenig Arbeit nicht beklagen. Er war erst wieder seit ein paar Monaten im Land und fast jeden Tag beruflich ausgelastet.

    Aber am Wochenende nahm er sich die Zeit, um mit Arthos die Gegend zu erkunden und seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Zudem liebte er Musik über alles. Wenn er nicht gerade gutgemachte Rockmusik hörte, griff er sich seine Westerngitarre. Er klimperte dann ein paar Akkorde oder versuchte sich gar an einem Solo.

    Jean ging ins Haus, nahm die Zeitung und warf sie mit Schwung in den Bodenrundordner, auch Papierkorb genannt. Als Nächstes nahm er seine alte Gibson J45. Auf der akustischen Gitarre spielte er ein paar Akkorde in Folge. „Am, Em, Am, G, C, F, Em, Am, G, F, Em, Am."

    Das erinnerte ihn an einen Italowestern, bei dem es ein alternder Revolverheld, gespielt von H. Fonda, mit einer Übermacht, der sogenannten „Wilden Horde, aufnehmen musste. Der geniale Ennio Morricone, hatte damals Richard Wagners „Ritt der Walküre gecovert und sogar mittels Autohupen aufgefrischt. Geradezu episch das Ganze!

    Er spielte das Thema drei- viermal. Aber als Arthos leise jaulte, legte er sein geliebtes Instrument wieder in den verbeulten Koffer.

    „Hahaha… Scheiß doch der Hund ins Feuerzeug! Haha... Ist gut, ich hör ja mit dem Geschrammel auf, Arthos!"

    Jean lachte, als er den Gitarrenkoffer wieder schloss.

    Der Hund sah Jean interessiert dabei zu und begann dann ausgiebig zu gähnen. Der Sachverständige musste unwillkürlich über seinen unmusikalischen Dobermann lächeln, wobei das Hundegähnen natürlich auch ein Beschwichtigungssignal sein konnte.

    Allerdings gähnte Jean jetzt auch und fühlte eine gewisse Müdigkeit aufkommen. Dann würde er heute Abend also doch früher schlafen gehen müssen. Am besten gleich nach dem Abendessen. Er musste morgen schließlich halbwegs fit sein.

    Circa zwanzig Kilometer weiter, etwa um die gleiche Zeit, schwamm auch Juan Falgas in seinem Pool. Mit dem Unterschied, dass dieser Swimmingpool eher die Größe eines öffentlichen Freibades hatte. Er war einfach riesig und man konnte herrlich Bahnen schwimmen.

    Der durchtrainierte Mann, von fast 58 Jahren, stieg leichtfüßig aus dem Wasser und betätigte einen Kippschalter.

    Es dauerte höchstens 30 Sekunden, dann lief auch schon einer seiner Bediensteten, mit einem großen Badetuch, die Treppen zum Pool hinunter. Sobald der Butler seinem „Jefe" das Tuch überreicht hatte, musste er sich einige Beleidigungen anhören.

    „Oye Cabron, wo hast Du meinen Rioja und meine Cohibas? Ihr Idioten müsstet doch allmählich die Wochentage kennen. Heute ist Sonntag und was sollt Ihr -Möchtegerndiener- mir sonntagabends immer bringen? Mierda – Los tonto, jetzt lauf und bring, bevor ich Dir in Deinen lahmen Arsch trete!"

    Nachdem der verängstigte Diener, unter wüsten Beschimpfungen, wieder die Treppen zum Haupthaus erklommen hatte, richtete sich das Agressionspotential gegen die hübsche dunkelhaarige Frau auf der anderen Poolseite.

    „Alles Deine Schuld, Mercedes! Wie suchst du eigentlich unser Personal aus? Du bist genauso weich wie dein Vater! Das Einzige, was du kannst, ist schön zu sein!"

    Die ausgesprochen hübsche Frau zeigte keine Reaktion. Sie wusste, dass das bei ihrem zuweilen cholerischen Ehemann nichts brachte. Also schluckte Sie und versuchte, an bessere Tage zu denken.

    Früher war „Ihr Juanito ganz anders gewesen. Nett, höflich und immer respektvoll gegenüber seinen Mitmenschen. Ihr Vater hatte in ihm, seinen „Traumschwiegersohn gefunden und es dauerte nicht lange, bis der alte Patriarch die gesamte Firma überschrieb.

    Heute wusste Mercedes Falgas, geborene Leon, dass Liebe wirklich blind machen konnte. Sie wollte nur noch weg.

    Außerdem war sie zurzeit noch trauriger als sonst, denn sie erwartete einen Anruf von einem Mann, der sie von ihrer permanenten Angst befreien konnte. Aber das Telefonat war längst überfällig.

    Ihr Vater Pedro Leon sah zu seinen Lebzeiten nur das Gute im Menschen. Nachdem er als Jungunternehmer in der Baubranche zu sehr viel Geld gekommen war, unterstützte er alle möglichen karitativen Organisationen. Vor allem in den angrenzenden Pyrenäen ließ er kleinere Krankenhäuser, Pflegeheime und Schulen bauen, um eine geistige und medizinische Grundversorgung für die Einwohner zu schaffen.

    Er selbst stammte aus einem dieser kleinen abgeschiedenen Bergbauerndörfer und kannte die Einheimischen und deren Probleme nur zu gut. Aber vor knapp zwei Jahren hatte Pedro Leon dann unverhofft diesen schweren Herzinfarkt, den der „große Baulöwe" nicht überlebte.

    Montagmorgen, gegen fünf Uhr dreißig, waren ein noch müder Jean und sein großer Dobermannrüde bereits am menschenleeren Strand unterwegs. Hier in Empuriabrava, durften die Hunde offiziell weder an den Strand noch auf irgendwelche Grünflächen. Überall waren mittlerweile Verbotsschilder mit der Aufschrift: - No Perros- aufgestellt. Jean Sarre fragte sich, wo denn die vielen Hunde hier im Ort eigentlich hinsollten.

    Klar, wer mochte schon immer und überall in Hundedreck treten. Aber ein verantwortungsvoller Hundehalter hatte ohnehin eine Plastiktüte dabei, um die Tretminen seines Lieblings an geeigneter Stelle zu entsorgen.

    Trotz allgemeinen Verbots, kannte Sarre so seine „Hundeplätze". Schließlich hatte er seine Freizeit schon öfter in der Bucht von Roses verbracht.

    Gerade der wilde Strand zwischen der Flussmündung des Muga und dem Fischerort San Pere de Pescador, hatte es Jean und höchstwahrscheinlich auch Arthos angetan.

    Dahinter lag das Vogelschutzgebiet Aiguamolls.

    Wenn man dort kilometerweit über den feinkörnigen Sand marschierte, hatte man wirklich nicht das Gefühl, sich in einer von Touristen überlaufenen Gegend zu befinden.

    Gott sei Dank hatten auch die Spanier über die Jahre eingesehen, dass Natur- und Artenschutz wichtige Aufgaben sind, die letzten Endes auch das Gesicht der Costa Brava, der „wilden Küste" ausmachten.

    Für den fünfjährigen Rüden war dieses Revier mehr oder minder neu. So blieb er öfter als gewohnt stehen, um Witterung aufzunehmen. Sein Herrchen achtete dabei darauf, dass er keine Dummheiten machte, aber auch der Hund musste schließlich „Zeitung lesen".

    Nachdem Jean anschließend auf seiner Veranda gefrühstückt hatte, nun ja, „Frühstück konnte man den doppelten Cortado und die Lucky Strike nicht unbedingt nennen, versorgte er erstmal Arthos. „So, mein Freund. Dann halt du hier mal schön die Stellung und lass die Ledercouch in Frieden! Jean musste unwillkürlich grinsen, als der Hund daraufhin leise knurrte, so ganz nach dem Motto „Hier darf man ja gar nix!"

    Jean nahm sein Arbeitsmaterial und fuhr seinen alten Geländewagen aus der Einfahrt.

    Anschließend stieg er wieder aus, um das große, eiserne Eingangstor abzuschließen. Eigentlich war das Absperren, verhältnismäßig unnötig, denn schließlich hielt Arthos Wache.

    Nun ja, Jean liebte mittlerweile einfach doppelte Sicherungen. Vielleicht war das ja einer der Gründe, für sein abgesichertes, aber auch fades und zurzeit wirklich unspektakuläres Leben.

    Schon vor etlichen Jahren, wollte oder eher musste, er das ungemütliche Deutschland verlassen. Damals wäre, es für ihn jedoch bedeutend risikoreicher gewesen in einem fremden Land Fuß zu fassen. Aber jetzt hatte er seinen „Ausstieg" geplant und es getan. Wahrscheinlich gaben aber eher andere Aspekte den endgültigen Anstoß dazu.

    Wie auch immer. Jean Sarre hatte vor fast zwei Jahren den einzigen Menschen verloren, mit dem er wirklich über alles reden konnte. So wurde seine langjährige Freundin plötzlich todsterbenskrank und innerhalb weniger Wochen hatte der Bauchspeicheldrüsenkrebs gewonnen.

    Oftmals dachte er unweigerlich an die herrliche und viel zu kurze Zeit mit der Schwedin Inga zurück. Er zündete sich dabei meistens trotzig und gedankenverloren eine Zigarette nach der anderen an.

    Bald schon hatte er auf dem Weg ins Hinterland die Urbanisation hinter sich gelassen. „Hier wohnt man ausgesprochen ruhig. Auch ganz schön, wenn nicht alles so verbrannt wäre", dachte er sich und der Sachverständige wusste natürlich, dass dahinter meist keine unbedarften Touristen, sondern die Bau-Mafia steckte. Skrupellose Geschäftemacher, die Menschen in Gefahr brachten und die Natur vorsätzlich zerstörten, nur um anschließend zu billigem Bauland zu kommen.

    Ein Name, der in diesem Zusammenhang oftmals fiel, war „Falgas", aber das waren nur unbestätigte Gerüchte.

    Als er zur Unfallstelle kam, waren die Polizei und ein Kranwagen bereits vor Ort.

    Er parkte seinen Geländewagen hinter dem Bergungsfahrzeug, doch bevor er aussteigen konnte, kam bereits ein blonder Mann wutschnaubend auf ihn zu.

    „Sie da, verschwinden Sie! Das ist eine Polizeiaktion. Los weg! Journalisten haben hier keinen Zutritt, machen Sie Ihre Fotos sonst wo!"

    „Momentmal, ich bin Jean Sarre, der Gutachter der Estrella-Versicherung und kein Zeitungsfuzzi!", entgegnete Jean dem Mann vor ihm.

    Schlagartig wurde der Polizist mit dem strähnigen Haar und der riesigen Nase kleinlaut und der verärgerte Jean merkte, dass dem Ordnungshüter das Ganze doch sehr peinlich war.„Oh, das tut mir leid Señor Sarre, ich habe Sie für einen von diesen „Zeitungszecken" gehalten. Ich bin Inspector Carlos Ruiz und ich dachte mir, Sie kämen erst später in die Werkstatt nach Figueres.

    So früh habe ich außerdem noch gar nicht mit Ihnen gerechnet.

    Sie sehen ja, wir bergen den ausgebrannten 7er BMW gerade. Der tote Franzose, oder eher das, was von ihm noch übrig ist, liegt seit Sonntagmorgen in der Gerichtsmedizin von Girona", sagte der stämmige Mann fast leise und Jeans Pulsfrequenz normalisierte sich langsam wieder.

    Mittlerweile hatten sich auch einige Zaungäste eingefunden, die der Bergung euphorisch beiwohnen wollten.

    Gaffer hielten hinter dem Bergungsfahrzeug an und schauten durch Ferngläser und Kameras hinunter in die Schlucht. Jean Sarre gab Carlos Ruiz daraufhin einen Wink, worauf der Inspektor lautstark einige Anweisungen rief.

    Umgehend sperrten die Polizisten die halbe Straße. Danach begannen sie die Schaulustigen mit Nachdruck zu verscheuchen.

    Jean wollte sich eine Zigarette anzünden und suchte in seinen Bermudashorts verzweifelt nach Feuer.

    Der Inspektor zog ein messingfarbenes Sturmfeuerzeug aus seiner Hosentasche und reichte es ihm. „Nehmen Sie und behalten Sie es ruhig, habe mir das Rauchen gerade abgewöhnt. Sie wissen ja, -fumar puede matar-", bemerkte Carlos Ruiz grinsend.

    Jean lächelte, bedankte sich höflich

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