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Krimi Paket Mörderische Ferien 2023
Krimi Paket Mörderische Ferien 2023
Krimi Paket Mörderische Ferien 2023
eBook1.167 Seiten13 Stunden

Krimi Paket Mörderische Ferien 2023

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Über dieses E-Book

Krimi Paket Mörderische Ferien 2023

Von Alfred Bekker, Jan Gardemann, Earl Warren

Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Mal provinziell, mal urban. Mal lokal-deutsch, mal amerikanisch. Und immer anders, als man zuerst denkt.


 

Dieses Buch enthält folgende Krimis:


 


 

Jan Gardemann: Trevellian oder Gekidnappt vor der Kanera

Alfred Bekker: Der Killer und sein Zeuge

Alfred Bekker: Der Sauerland-Pate

Alfred Bekker: Kahlgeschoren

Alfred Bekker: Die Apartment-Killer

Earl Warren: Bount Reiniger und die Amnesie

Earl Warren: Bount Reiniger, alte Meister und junge Mörder

Earl Warren: Bount Reiniger und das Alligator-Futter

SpracheDeutsch
HerausgeberAlfred Bekker
Erscheinungsdatum9. Jan. 2023
ISBN9798215749388
Krimi Paket Mörderische Ferien 2023
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Krimi Paket Mörderische Ferien 2023 - Alfred Bekker

    Krimi Paket Mörderische Ferien 2023

    Von Alfred Bekker, Jan Gardemann, Earl Warren

    Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Mal provinziell, mal urban. Mal lokal-deutsch, mal amerikanisch. Und immer anders, als man zuerst denkt.

    Dieses Buch enthält folgende Krimis:

    ––––––––

    Jan Gardemann: Trevellian oder Gekidnappt vor der Kanera

    Alfred Bekker: Der Killer und sein Zeuge

    Alfred Bekker: Der Sauerland-Pate

    Alfred Bekker: Kahlgeschoren

    Alfred Bekker: Die Apartment-Killer

    Earl Warren: Bount Reiniger und die Amnesie

    Earl Warren: Bount Reiniger, alte Meister und junge Mörder

    Earl Warren: Bount Reiniger und das Alligator-Futter

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Folge auf Twitter:

    https://twitter.com/BekkerAlfred

    Zum Blog des Verlags geht es hier:

    https://cassiopeia.press

    Alles rund um Belletristik!

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    Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera: Kriminalroman

    Von Jan Gardemann

    ––––––––

    Reality-Shows-Sie, liebe Leser, wissen, was das ist. Man setzt einen Haufen Menschen in einen Wohncontainer oder auf einer Insel fest und hält sie permanent unter Beobachtung. Man filmt jeden Schritt, den sie tun, nimmt jedes Wort auf, das gesprochen wird, und überträgt alles live in die Wohnstuben der lebenshungrigen TV-Zuschauer.

    Man greift direkt ein in das Privatleben der Menschen, macht es öffentlich, filmt die »Kandidaten« selbst unter der Dusche, überträgt jeden Streit, jeden Ausraster, den Menschen in Extremsituationen nun mal hin und wieder haben., Nun, vielleicht mögen Sie solche Shows. Auch bei uns in den USA gibt es die - doch eine von ihnen erfuhr ein abruptes und erschreckendes Ende...

    ***

    »Von hier oben aus betrachtet, wirkt New York wie das Szenario eines Computer-Strategiespiels«, sagte Leslie Harmon sinnierend. Lässig lehnte er an der Betonbrüstung, die den Dachgarten eines Penthouses im Finanzdistrikt umgab. Das blonde Haar des Stars der Reality-Soap ›To be rich‹ leuchtete in der Morgensonne.

    Neben ihm stand Sabrina Smithe, ein schwarzhaariges Girl mit üppiger Oberweite. Auch sie war eine der fünf Kandidaten der Reality-Show. Sie trug ein weißes Minikleid, das die ganze Pracht ihrer langen Beine sehen ließ.

    »Das da unten sind Menschen, Leslie«, erwiderte sie. Ihrem Tonfall war anzumerken, dass ihr die Bemerkung ihres Freundes nicht behagte. »Du bist wohl schon zu lange hier oben in unserem goldenen Käfig eingesperrt und hast den Bezug zur Realität verloren.«

    Leslie sah Sabrina von der Seite her an und grinste hintergründig. »Aber sieh dir die Krümel, die du Menschen nennst, doch nur mal an!«, forderte er Sabrina auf und deutete mit ausgestrecktem Arm die Häuserschlucht hinunter.

    Der Kameramann, der die beiden auf dem Dach filmte, schwenkte das Objektiv und richtete es über die Brüstung auf die Straße hinunter. Dabei kam kurz ein Helikopter in das Bild. Er flog dicht über den Dächern der in der Morgensonne rötlich schimmernden Hochh äuser des Finanzdistrikts - mit direktem Kurs auf den Dachgarten.

    Während der Kameramann das rege Treiben unten auf der Straße filmte, die Flut von Yellow Cabs, die sich die Nörth End Avenue entlangschob, die winzigen Menschen auf den Gehwegen und den Plätzen, sagte Leslie: »Findest du nicht auch, dass das Leben von hier oben aus aussieht, als würde es von einem Spieler von einer Computerkonsole aus gesteuert? Wir alle sind ' Teil eines Strategie-Spiels! Und wer weiß, ob dieser Spieler überhaupt eine Ahnung von dem hat, was er da tut - oder ob er uns alle in den Abgrund reißt und das Spiel verliert?«

    »Was ist los mit dir, Leslie?«, fragte Sabrina spöttisch. »Bist du deprimiert, weil ich heute Nacht nicht mit dir geschlafen habe?«

    Sabrinas Worte gingen fast in dem Lärm des Helikopters unter, der das Dach, auf dem sich die beiden Soap-Stars befanden, nun fast erreicht hatte.

    Der Kameramann riss das Objektiv hoch, richtete es direkt auf den Helikopter, der seitlich neben dem Dach schwebte. Eine Tür wurde aufgerissen, und ein maskierter Mann mit einem Präzisionsgewehr in den Händen kam zum Vorschein.

    Ohne zu zögern, legte er auf den Kameramann an und schoss.

    ***

    Auf der Mattscheibe des Fernsehers war plötzlich nur noch weißes Flimmern zu sehen. Aus dem Lautsprecher schrillte noch Sabrinas lang gezogener Schrei, bis auch er plötzlich abbrach und nur noch entnervendes Rauschen zu hören war.

    »Das waren die letzten Aufnahmen unseres Kameramanns« erklärte Peter Brood, stellvertretender Programmdirektor des Fernsehsenders ›Kanal 19‹. Er stellte das TV-Gerät per Fernbedienung aus und drehte sich dann zu Milo und mir um.

    Brood war ein untersetzter Mann um die Vierzig. Sein Haar war stark gelichtet, und unter seinem weißen Hemd wölbte sich ein Spitzbauch. Brood hatte ein rundes, gemütliches Gesicht, das jetzt jedoch von Sorge überschattet war.

    »Der Kameramann ist tot«, erklärte er rau. »Und alle fünf Stars unser Show sind aus dem Penthouse verschwunden. Die Kerle in dem Helikopter haben sie entführt!«

    Mr. McKee, der Chef des New Yorker FBI, hatte Milo und mich beauftragt, zu einem Hochhaus in der Nähe des Battery Parks im Finanzdistrikt zu fahren.

    Der Grund: Kidnapping von fünf Personen!

    Es waren jedoch keine Finanzmanager oder Mitarbeiter der New Yorker Börse entführt worden, sondern fünf junge Stars einer Reality-Soap namens ›To be rich!‹ Seit 45 Tagen lief diese Show nun schon im Fernsehen. Mr. Broods Angaben zufolge waren die Einsehaltquoten astronomisch. Auch die zu dieser Show gehörende Internet-Seite war ausgesprochen gut frequentiert.

    Milo und ich kannten die Reality-Show allerdings nur vom Hörensagen. Unser Job als FBI-Agenten ließ uns kaum Zeit, mal die Beine hochzulegen und in die Glotze zu gucken. Und wenn ich nach Feierabend doch einmal dazu kam, bevorzugte ich eher die Sportübertragungen.

    Von Brood hatten wir uns kurz die Idee erklären lassen, die hinter seiner Reality-Show stand. Er hatte fünf Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen in einem luxuriös eingerichteten Penthouse auf dem Dach eines Hochhauses im Finanzdistrikt untergebracht. Dort wurden sie mit Champagner, Hummer und anderen Delikatessen verwöhnt und ununterbrochen gefilmt. Den fünf Kandidaten fehlte es an nichts. Sie bekamen jeden Luxus, den sie sich wünschten und der für sie bisher unerreichbar gewesen war, als sie noch ihr ärmliches Leben in den heruntergekommenen Vierteln New Yorks fristeten.

    Das Publikum wählte per Internet oder Telefon unter den fünf Kandidaten ihre Lieblinge. Wer am schlechtesten dabei abschnitt, musste das Penthouse wieder verlassen - und wer am Ende übrig blieb, gewann 500.000 Dollar!

    Ein Fernsehkritiker meinte einmal, in der Serie ›To be rich‹ würde sich die Sehnsucht nach dem ›American Way of Live‹ -dem amerikanischen Traum also - widerspiegeln. In New York konnte man vom Tellerwäscher zum Millionär avancieren - oder, dank ›Kanal 19‹, vom Straßenkind zum Fernsehstar.

    Doch nun hatte die Erfolgs-Show abrupt ein Ende gefunden, weil die fünf Kandidaten entführt worden waren!

    »Die Videoaufzeichnung wird uns bestimmt helfen, Ihre fünf Schützlinge wiederzufinden«, versuchte Milo Peter Brood zu beruhigen.

    Wir saßen in einem engen Studio, das der Sender in dem Stockwerk unter dem Penthouse eingerichtet hatte. Das Studio war durch eine Glaswand abgetrennt und vollgestopft mit technischen Geräten. Über einem Mischpult mit Schiebereglem, Knöpfen und blinkenden Schaltern hing eine Batterie von Monitoren.

    Die Mattscheiben waren nun allerdings alle dunkel. Nur über den Bildschirm der Glotze, mit der Brood uns das Video vorgeführt hatte, flimmerte Schnee.

    Draußen hinter der Glaswand hasteten Kollegen der City Police vorbei und schleppten Gerätschaften für die Spurensicherung in das Penthouse.

    Charles Dennison, Captain der Mordkommission Manhattan Süd, hatte das gesamte Dachgeschoss mit seinen Leuten bevölkert. Sie nahmen jeden Millimeter Dachgarten unter die Lupe und durchsuchten sämtliche Zimmer nach verdächtigen Spuren.

    Captain Dennison hatte veranlasst, dass das FBI eingeschaltet wurde, denn Kidnapping war nicht Sache der Mordkommission, sondern des FBI.

    Er hatte keinen Wert darauf gelegt, sich das Video anzusehen, sondern hatte es Milo und mir überlassen, uns zusammen mit Peter Brood und einem Techniker in das enge Studio zu quetschen.

    Fragend sah ich Brood an. »Besitzen Sie noch weitere Aufzeichnungen von der Entführung?«

    Der stellvertretende Programmdirektor nickte. »Eigentlich war an diesem Morgen nur ein einziger Kameramann im Einsatz«, erklärte er ausschweifend. »Die versteckten Kameras in dem Penthouse waren abgeschaltet. In der Nacht zuvor hatte es nämlich eine Spontanfete auf dem Dach gegeben. Bis auf Leslie und Sabrina, die beide Frühaufsteher sind, lagen noch alle in ihren Betten und schliefen.«

    Brood atmete einmal tief durch.

    »Zwischen Leslie und Sabrina krieselt es momentan ein wenig«, fuhr er dann in einem Tonfall fort, als würde er über seine eigenen Kinder sprechen. »Es hielt sich darum ständig ein Kameramann in ihrer Nähe auf, um alles aufzunehmen, was sich zwischen den beiden abspielte. Und dann tauchte heute Morgen plötzlich dieser Helikopter auf und machte alles zunichte...«

    Brood brach ab und schüttelte verbittert den Kopf. Er konnte anscheinend noch immer nicht fassen, was geschehen war. Als Verantwortlicher für die Reality-Soap gingen ihm die Vorfälle verständlicher Weise besonders an die Nerven.

    »Was ist nun mit den anderen Aufnahmen?«, versuchte ich ihn wieder auf das Thema zurückzubringen.

    »Die haben wir nur Bob Dancer, meinem Technikern, zu verdanken«, sagte er und klopfte dem schmächtigen Mann, der vor dem Mischpult saß und bisher geschwiegen hatte, anerkennend auf die Schulter.

    »Die Bilder, die die Kameras liefern, werden direkt in dieses Studio gespeist«, fing Brood wieder an, ausschweifend zu werden. »In diesem Studio werden später auch die Highlights des Tages herausgefiltert und zu einer Sendung zusammengeschnitten. Zur Zeit des Überfalls befand sich Bob allein im Studio und verfolgte auf dem Monitor die Bilder, die der Kameramann oben auf dem Dach lieferte. Als Bob den Helikopter bemerkte und kurz darauf das Bild abriss, hat er sofort sämtliche versteckten Kameras aktiviert und mich angerufen.«

    Brood richtete die Fernbedienung wieder auf den Fernseher und startete das Videoband.

    »Die Aufnahmen, die Sie jetzt sehen, stammen von Kameras in den Schlafzimmern unserer Stars«, erklärte er.

    Auf der flimmernden Mattscheibe war nun ein Schlafzimmer zu sehen. Der Tür gegenüber stand ein rundes Bett, in dem ein junges Paar lag und schlief.

    Die beiden waren nackt, und die seidig schimmernde Bettdecke, unter die sie sich gekuschelt hatten, war verrutscht. Der muskulöse Oberkörper des Mannes und die Brüste des Girls waren deutlich zu sehen.

    Plötzlich wurde die Tür auf gestoßen. Ein helles Rechteck flutete in den Raum und beleuchtete das Bett.

    Der Mann richtete sich benommen auf, hob die Hand, um die Augen zu beschatten. Sein dunkles Haar war zerzaust und das Gesicht grimmig verzerrt.

    »Hey!«, rief er empört. »Könnt ihr nicht anklopfen, ihr Deppen?«

    Eine dunkle Gestalt mit einer Maske über dem Kopf stürzte auf das Bett zu. Es musste sich um den Scharfschützen aus dem Helikopter handeln, denn er hatte ein Gewehr dabei. Er holte aus und schmetterte dem Dunkelhaarigen den Gewehrkolben gegen den Schädel.

    »Das ist Mark Davison«, kommentierte Brood, während Mark von der Wucht des Hiebes auf das Bett zurückgeworfen wurde. Zwei weitere Gestalten stürmten in das Zimmer. Sie schnappten sich das Girl und zerrten es, nackt wie es war, aus dem Bett.

    »Das Mädchen heißt Terryl Richards«, erklärte Brood mit rauer Stimme. »Ihre drei Geschwister kamen bei einer Schießerei in Brooklyn ums Leben. Es war für uns alle eine Überraschung, als sie ausgerechnet mit Mark anbändelte, der ein ziemliches Raubein ist.«

    Broods Worte klangen, als würde er über ein Experiment berichten. Während er sprach, drangen aus dem Fernsehlautsprecher Terryls durchdringende Schreie. Sie sträubte sich, schlug mit den Armen um sich und strampelte mit den Beinen. Aber die beiden Kerle, die sie gepackt hatten, zerrten sie einfach aus dem Schlafzimmer und verschwanden aus dem Bild.

    In diesem Moment richtete Mark sich wieder auf. Anscheinend hatten die Schreie seines Girls ihn aus der Benommenheit gerissen. Doch ehe er etwas unternehmen konnte, erhielt er einen zweiten Schlag mit dem Gewehrkolben und sackte bewusstlos zusammen.

    Der Vermummte lud sich den jungen Mann kurzerhand auf die Schulter und trug ihn hinaus.

    Nun war ein anderes Schlafzimmer zu sehen. Ein französisches Bett mit verschnörkeltem Messingrahmen stand darin. In dem Bett lag ein junger Schwarzer, der friedlich schlief.

    »Das ist Sam Francis«, erläuterte Brood. »Ein aufgeweckter Bursche aus der Bronx. Sam ist eine Quasselstrippe und wird es im Showgeschäft bestimmt noch mal weit bringen.«

    Die Tür zu Sams Schlafzimmer wurde auf gestoßen, und zwei Gestalten stürmten herein.

    Sam schreckte hoch und setzte sich kerzengerade im Bett auf. Er trug einen gestreiften Pyjama.

    »Was ist los?«, fragte er und stierte die beiden vermummten Kerle, die sich seinem Bett näherten, misstrauisch an. Er wurde gepackt und aus dem Bett gezerrt.

    »Seid ihr Medienleute jetzt völlig durchgedreht?«, rief Sam und lachte hysterisch. Anscheinend hielt er das alles für einen üblen Scherz.

    Einer der Kerle verpasste ihm einen Fausthieb in den Magen.

    Sam schrie auf und krümmte sich. Dann wurde er Richtung Tür geschleppt.

    Bevor er aus dem Bild verschwand, starrte Sam noch einmal anklagend Richtung Kamera. »Was soll der Scheiß?«, rief er. »Ist das hier etwa so eine Art perverse Variation von Reality-TV?«

    Dann war Sam fort. Schneetreiben ersetzte das Bild auf der Mattscheibe.

    Brood schaltete das Gerät aus.

    »Mehr Filmmaterial haben wir bedauerlicherweise nicht«, erklärte erbedrückt.

    »Gibt es irgendwelche Zeugen?«, wollte Milo wissen.

    Brood schüttelte den Kopf. »Der Clou bei dieser Reality-Show ist, dass die Kandidaten isoliert in einem eng umgrenzten Bereich leben und nur auf sich allein gestellt sind. Außer dem Kamerateam und mir hatte niemand Zutritt zum Dach des Gebäudes.«

    »Warum haben Sie nicht sofort die Polizei verständigt, als Sie bemerkten, dass auf den Kameramann geschossen wurde?«, fragte ich an Bob Dancer gewandt. »Warum haben Sie erst Ihren Chef informiert?«

    »Das Penthouse und der Dachgarten sind nicht irgendein beliebiger Tatort, wo jeder Cop ljumtrampeln und sich umsehen kann«, erklärte Brood anstelle des Technikers. »Dieser Ort ist ein höchst sensibles Terrain. Nichts, was von außen in diesen Bereich eindringt, darf ohne meine Zustimmung geschehen. Immerhin geht es für meinen Sender auch um wirtschaftliche Interessen. Außerdem kannte Bob den Zahlencode nicht, mit den man den Fahrstuhl zum Penthouse in Betrieb setzten und die Tür zum Penthouse öffnen kann. Die Cops hätten vor verschlossenen Türen gestanden und sich gewaltsam Zutritt verschaffen müssen. Den Code kenne nur ich und der Kameramann. Er wird auch jeden Tag geändert. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass keine Unbefugten auf den Set gelangen. Bei anderen Shows haben wir es schon erlebt, dass sich Fans Zutritt zum Drehort verschafften, um ihren Idolen nahe zu sein. Das müsste bei ›To be rich‹ unbedingt verhindert werden.«

    Brood zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich den Schweiß von der Stirn.

    »Ich stehe aber in ständiger Rufbereitschaft«, erklärte er, »um sofort zu erscheinen, falls es Probleme mit unseren Stars geben sollte. Als ich von Bob heute Morgen den Anruf erhielt, habe ich mich sofort auf den Weg gemacht, und als ich das Penthouse betrat, habe ich dort alles verlassen vorgefunden. Unsere Stars waren fort! Die Kerle im Hubschrauber haben sie verschleppt!«

    Brood kniff die Lippen zusammen.

    »Als ich dann den toten Kameramann entdeckte, habe ich schließlich die City Police verständigt. Es gibt nichts, was die Cops durch ihre Anwesenheit da oben jetzt noch zerstören könnten.«

    »Und was ist mit den Kandidaten?«, warf Milo ein. »Konnten sie den Fahrstuhl oder die Treppe benutzten?«

    Brood machte ein unglückliches Gesicht. »Nein«, gab er zu. »Sie dürfen während ihrer Mitwirkung bei der Show keinen Kontakt mit der Außenwelt auf nehmen. Und damit sich niemand über diese Vorgabe hinwegsetzt, wurden gewisse Vorkehrungen getroffen.«

    »Das heißt, die fünf konnten den Entführern nicht entkommen«, resümierte Milo. »Es gab für sie keine Fluchtmöglichkeit!«

    Brood nickte niedergeschlagen. »So ist es«, sagte er bedauernd. »Leider.«

    »Die Entführer konnten sich also sicher sein, bei ihrer Aktion nicht gestört zu werden«, überlegte ich. »Vorausgesetzt, sie kannten sich mit den Gepflogenheiten der Show aus - wovon ich mal ausgehe. Sie kassierten die Kandidaten und verschwanden wieder mit ihrem Helikopter.«

    »Es wird nicht allzu schwer sein, die Herkunft des Helikopters zu ermitteln«, meinte Milo. »Aber das haben die Gangster in ihrem Plan sicherlich berücksichtigt.«

    »Ich frage mich die ganze Zeit, was die Entführer mit ihrem Coup bezwecken? Für gewöhnlich gehen solche Leute eher unbemerkt vor und scheuen die Öffentlichkeit, wenn sie Lösegeld erpressen wollen. Schließlich sind wir hier nicht auf den Philippinen.«

    »In New York ist eben alles möglich, Partner«, erwiderte Milo. »Sehen wir uns oben auf dem Dach noch einmal um. Vielleicht haben Dennison und seine Leute bereits ein paar brauchbare Hinweise gefunden.«

    ***

    Die Kollegen von der City Police hatten die oberste Etage abgeriegelt. Vor den Fahrstuhltüren und dem Treppenaufgang des Penthouses waren gleich sechs Beamte postiert.

    »Gab es irgendwelche Zwischenfälle?«, erkundigte ich mich bei einem der Männer, denn es kam mir sonderbar vor, dass Captain Dennison so viele Beamte abgestellt hatte, nur um die Zugänge zu bewachen.

    »Und ob, Sir«, erwiderte der Cop mürrisch. »Seit der Sender die Videoaufzeichnung von der Entführung im Fernsehen ausgestrahlt hat, wimmelt es in diesem Haus nur so vor aufgebrachten Fans, die den Tatort unbedingt besichtigen wollen. Besonders die Kids sind ziemlich einfallsreich. Wir haben alle Hände voll zu tun, sie abzuwimmeln.«

    Ich warf Brood einen finsteren Blick zu. »Warum haben Sie uns verschwiegen, dass der Sender vorhat, die Bilder von der Entführung auszustrahlen?«

    Brood zuckte mit den Schultern. »The Show must go on«, meinte er lapidar. »Die Videoaufzeichnungen sind Eigentum des Senders. Wir können damit tun und lassen, was wir wollen.«

    »Nicht, wenn unsere Arbeit dadurch behindert wird«, gab Milo in scharfen Ton zurück.

    »Es wurde ja nicht das gesamte Videomaterial für die Fernsehsequenz verwendet«, versuchte Brood abzuwiegeln. »Die Szenen im Schlafzimmer wurden etwas gekürzt.«

    »Sie haben also in aller Seelenruhe erst noch ein Video für Ihre Sendung zusammengeschnitten, ehe Sie die Polizei verständigten«, stellte ich fest.

    Brood schaute hektisch auf seine Armbanduhr.

    »Sie entschuldigen mich, Gentlemen?«, tat er geschäftig. »Ich muss ins Sendehaus. Sie werden bei Ihrer Tatortbesichtigung wohl auf mich verzichten müssen.«

    »Kein Problem«, erwidert Milo ätzend. »Wir werden mit Ihnen in Kontakt treten, wenn wir weitere Fragen haben.«

    Brood verabschiedete sich knapp und entschwand.

    Milo blickte dem Mann nach und schüttelte grimmig den Kopf. »The Show must go on«, wiederholte er Broods Worte abfällig. »Was hältst du von diesem Knaben, Jesse?«

    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass er die Entführung selbst inszenierte, um die Einschaltquoten für seine Show zu erhöhen - wenn du das meinst.«

    Wir betraten den separaten Lift, der zum Penthouse führte. Mr. Brood hatte die Codefunktion außer Betrieb gesetzt. Jeder konnte den Fahrstuhl jetzt benutzen.

    »So, wie sich Brood während der Präsentation des Videomaterials verhielt, würde ich ihm aber durchaus Zutrauen, dass die Entführung von ihm in Szene gesetzt wurde«, meinte Milo im Aufzug. »Vielleicht ist der Kameramann nur versehentlich getötet worden. Und jetzt bekommt Brood kalte Füße und sucht verzweifelt nach jemanden, dem er die Entführung in die Schuhe schieben kann.«

    Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.

    »Du hättest zum Film gehen sollen, Alter«, sagte ich und grinste. »Das Szenario, das du soeben entworfen hast, klingt wie das Drehbuch eines billigen TV-Films. Halten wir uns lieber an die Fakten.«

    ***

    Cops eilten über den Korridor des Penthouses, verschwanden in den angrenzenden Zimmern oder kamen daraus hervor. Die Kollegen von der Spurensicherung schossen Fotos von jedem Winkel. Immer wieder zuckten ihre Blitzlichter auf. Andere Kollegen knieten auf dem Boden oder suchten auf den Türen und Wänden nach Fingerabdrücken.

    Milo blieb vor einer Wand stehen. Ein Blutfleck zeichnete sich darauf ab.

    »Es hat offenbar ein Kampf stattgefunden«, meinte er rau.

    Wir sahen uns erst die Schlafzimmer an und durchquerten dann den Living-room. Eine verglaste Verandatür führte auf den Dachgarten hinaus.

    Auch hier im sonnendurchfluteten Garten wimmelte es vor Kollegen von der Spurensicherung.

    Die Anlage erinnerte an einen kleinen kunstvollen Park. Weiße Marmorstatuen, umrankt von wildem Wein und Efeu, bildeten eine Art Allee, die bis zum Dachrand führte. In behaglich anmutenden Nischen, umgeben von blühenden Oleander und Rosen, standen Parkbänke.

    All diese Örtlichkeiten waren den Fernsehzuschauern, die die Reality-Soap Tag für Tag verfolgt hatten, bestimmt genauso vertraut wie ihr eigenes Wohnzimmer. Doch nun wurde diese scheinbare Idylle, die Schauplatz für heißes Liebesgeflüster, heftige Streitereien und Eifersüchteleien gewesen war, durch die Anwesenheit der Polizei zerstört.

    Ein Mann gab sich besondere Mühe, dem Dachgarten seinen Zauber zu nehmen: Captain Charles Dennison. Er stand mitten auf einem künstlichen Rasen und rief seinen Untergebenen mit gereizten Unterton in der Stimme Befehle zu.

    »Ah! Die Gentlemen vom FBI!«, rief er, als er uns auf sich zukommen sah. »Haben Sie die Videovorstellung genossen, G-men? Brood, dieses Schlitzohr, hätte es uns sagen müssen, dass wir nur die Glotze einschalten müssen, um präsentiert zu bekommen, was auf dem Dach vorgefallen ist. Die Vorführung in seinem muffigen Studio hätten Sie sich sparen können.«

    »Im Fernsehen wurde nur eine gekürzte Fassung gezeigt«, erwiderte ich, nicht gerade erbaut davon, Brood vor Dennison in Schutz nehmen zu müssen.

    »Das ist bei vielen Action-Filmen leider auch der Fall«, murrte Dennison. »Trotzdem sollten wir diesen Halunken einsperren«, verkündete er herablassend. »Wegen Behinderung von Polizeiarbeit.«

    »Haben Ihre Leute inzwischen irgendetwas Brauchbares gefunden?«, wechselte Milo das Thema.

    Dennison nickte. »Wir konnten den Tathergang inzwischen rekonstruieren«, erklärte er und deutete auf die Leiche, die von zwei Kollegen gerade in einen Boddy-Bag gehüllt wurde. »Der Scharfschütze hat mit seinem ersten Schuss die Kamera zerstört. Die zweite Kugel traf den Kameramann direkt in den Kopf. Er war auf der Stelle tot.«

    Dennison wies neben sich auf den Rasen.

    »Der Helikopter ist hier gelandet. Die Spuren sind eindeutig. Es wurden die Abdrücke von sieben verschiedenen Stiefelpaaren sichergestellt. Sie stammen vermutlich von den Entführern, denn die Kandidaten der Show bevorzugten modische Turnschuhe, die von der Sportbekleidungsfirma gestiftet wurde, die die Serie sponsert. Die Kameramänner trugen diese Schuhe übrigens auch. Die Stiefelspuren können also nur von den Entführern stammen.«

    Dennison war zwar ein arroganter Typ. Aber er verstand etwas von seiner Arbeit. Das musste man ihm lassen.

    »Zwei Entführer rannten zu dem Pärchen, das vor der Balustrade stand und gefilmt worden war«, fuhr er mit seinem Bericht fort. »Die anderen Männer stürmten das Penthouse und zerrten die drei anderen jungen Leute aus ihren Betten. Dabei muss es im Korridor zu einer Schlägerei gekommen sein. An der Wand klebt Blut. Es wird bereits untersucht, ob es von einem der Show-Kandidaten stammt oder von einem der Entführer. Nachdem die jungen Soap-Stars in den Helikopter verfrachtet worden waren, hob die Maschine wieder ab und verschwand. Ich habe einige meiner Leute in die Nachbarhäuser geschickt. Vielleicht findet sich dort ein Zeuge, der gesehen hat, in welche Richtung der Helikopter geflogen ist.«

    Dennison grinste hämisch.

    »Sie sehen also, Gentlemen, es gibt für Sie hier nichts mehr zu tun. Kehren Sie zurück in Ihr Büro und warten Sie, bis die Berichte bei Ihnen eintrudeln.«

    Dennison wandte sich ab und stapfte davon. Er winkte einen Cop zu sich und redete hektisch auf ihn ein.

    »Arroganter Schnösel«, murrte Milo. »Und das Schlimme ist, er hat sogar Recht. Brood hat uns mit seiner Filmvorführung nur aufgehalten.«

    »Er wollte eben, dass wir gut unterrichtet sind«, erwiderte ich und knuffte Milo in die Seite. »Sehen wir uns noch ein wenig um.«

    Ich deutete zu der Stelle, wo der tote Kameramann lag.

    »Hier hatten Leslie und Sabrina gestanden«, sagte ich, als wir die Betonbrüstung erreichten.

    Ich neigte mich vor und blickte nach unten auf die Straße. Die Szenerie hatte sich nicht geändert. Taxis schoben sich in einer dichten Kolonne durch die Straßen. Menschen, so klein wie Mohnkrümel auf einem Brötchen, bewegten sich über den Bürgersteigen und auf den Plätzen.

    Da bemerkte ich auf dem Sims hinter der Brüstung plötzlich einen kleinen Gegenstand, nicht größer als ein Knopf.

    »Was hast du vor, Jesse?«, fragte Milo verwundert, als ich mich plötzlich anschickte, über die Brüstung zu klettern.

    »Nach was sieht es denn aus?«, fragte ich. »Glaubst du etwa, ich will mir das Leben nehmen und in die Tiefe springen?«

    »Wer weiß, vielleicht hat dir die junge Lady, mit der du gestern Abend verabredet warst, ja ’nen Korb gegeben.«

    Ich tat empört. »Aber mir doch nicht.«

    Ich kletterte über die Brüstung und ließ mich auf der anderen Seite vorsichtig auf den Sims hinab. Der Sims war nur etwa ein Fuß breit. Unter mir tat sich der gähnende Abgrund auf.

    Wir befanden uns auf dem Dach eines 25 Stockwerke hohen Gebäudes. Ich konnte ein leichtes Ziehen im Magen nicht unterdrücken, als ich mich zu dem Knopf hinunterbeugte, um ihn aufzuheben. Dann kletterte ich rasch über die Brüstung zurück.

    »Was hast du da?«, wollte Milo wissen.

    Ich hielt den Gegenstand hoch. »Das ist ein Knopfmikrofon«, erklärte ich, obwohl ich wusste, dass Milo das Teil nun auch erkannt haben musste. »Es wird versteckt am Kragen getragen. Bestimmt haben unsere Soap-Stars diese Dinger getragen, als sie gefilmt wurden, damit auch jedes ihrer glorreichen Worte gut rüberkam.«

    Milo sah kurz über die Brüstung. »Du glaubst natürlich nicht, dass das Mikrofon zufällig dort unten gelegen hat«, merkte er wie beiläufig an.

    Ich schüttelte den Kopf. »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte ich nachdenklich. »Entweder haben die Entführer Sabrina und Leslie die Mikrofone von den Klamotten gerissen, und als sie die Teile danNachtlos über die Brüstung warfen, ist eins der Mikrofone auf dem Sims gelandet...«

    »Oder unsere beiden Stars haben das Mikro absichtlich hinter der Brüstung platziert« vollendete Milo meine Theorie. »Um uns ein Zeichen oder einen Hinweis zu geben!«

    ***

    Bob Dancer, der Techniker, hielt sich noch unten im Studio auf. Er hantierte gerade an den Knöpfen und Reglern der Anlage und zuckte erschrocken zusammen, als ich gegen die Tür seiner Plexiglaszelle klopfte.

    Die meisten Monitore waren ausgeschaltet. Nur über zwei Bildschirme flimmerten Szenen aus dem Penthouse. Es musste sich um ältere Aufnahmen handeln, denn Leslie und Sabrina waren darauf zu sehen, wie sie sich gerade in den Arm nahmen und küssten.

    »Was gibt es denn, Gentlemen?«, fragte Bob, als er uns die Tür öffnete. Er blieb vor uns stehen, so als wollte er vermeiden, dass wir das Studio betraten.

    Ich zeigte Bob das Knopfmikrofon. »Das habe ich oben auf einem Sims gefunden«, erklärte ich.

    Bob warf nur einen kurzen Blick auf das kleine Gerät.

    »Leslie oder Sabrina müssen es wohl während des Überfalls verloren haben«, erklärte er. »Sie waren die Einzigen, die heute Morgen ein Mikrofon trugen. Diese Mikros sind wahre Wunderwerke der Technik. Sie sind mit einer kleinen Batterie und einem leistungsstarken Miniatursender versehen.«

    »Wie groß ist die Reichweite dieses Senders?«, wollte ich wissen.

    »Zirka eine Meile. Je nach Zustand der Batterie.«

    Ich deutete mit einem Kopfnicken auf die Mischpulte im Hintergrund. »Wäre es möglich, ein solches Mikrofon mit Hilfe Ihrer Apparate zu orten?«

    Bob zuckte mit deNachseln. »Theoretisch wäre das durchaus möglich - vorausgesetzt, man ist nahe genug an dem Mikrofon dran, um seine Impulse erfassen zu können.«

    »Sie könnten also feststellen, ob sich das zweite Mikrofon in der Nähe befindet?«, hakte Milo nach.

    Bob nickte bestätigend. »Warum ist das denn so wichtig?«

    »Wir vermuten, dass einer der Entführten ein Knopfmikrofon bei sich hat«, erklärte ich. »Doch um sicher zu gehen, müssen wir überprüfen, ob die Entführer ihren Opfern die Mikros nicht einfach nur abgenommen und weggeworfen haben.«

    »Verstehe«, sagte Bob und schielte über seine Schulter unschlüssig zu den Mischpulten und Monitoren. »Ich - äh - arbeite nur gerade.«

    »Dann unterbrechen Sie Ihre Arbeit eben!«, blaffte Milo. »Ihr Boss wird Ihnen deswegen schon nicht aufs Dach steigen. Schließlich dürfte Mr. Brood auch daran interessiert sein, dass wir den Aufenthaltsort seiner Stars rasch finden.«

    »Selbstverständlich«, murmelte Bob. Er wandte sich rasch ab und bediente hektisch ein paar Schalter. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und betätigte einen Regler.

    »Mal sehen«, sagte er gedehnt und starrte auf eine Skala. »Wenn das Mikro in der Nähe ist, müsste ich jetzt eine Anzeige kriegen. Wenn die Entführer es vom Hochhaus geschleudert haben, müsste ich jetzt sogar Straßenlärm empfangen.«

    Die Anzeige, auf die Bob starrte, rührte sich nicht.

    Bob drehte sich zu uns um. »Das Mikrofon befindet sich nicht in unmittelbarer Nähe«, meinte er. »Das es zerstört wurde, ist eher unwahrscheinlich. Diese Dinger sind ziemlich robust. Und in diesem Viertel gibt es wohl niemanden, der sich die Mühe machen würde, einen unscheinbaren Knopf von der Straße aufzusammeln. Sie könnten also Recht haben. Einer unserer Stars trägt noch ein Mikrofon bei sich!«

    Ich hielt Milo die Hand hin, und er schlug ein.

    »Volltreffer, Jesse«, lobte er mich. »Leslie oder Sabrina haben das Knopfmikro also tatsächlich auf dem Sims platziert, um uns darauf hinzuweisen, dass sie das zweite Mikrofon bei sich tragen. Jetzt brauchen wir nur noch einen Helikopter mit einem Empfänger auszurüsten und so lange über New York herumfliegen, bis wir das Mikrofon orten können.«

    »Vorausgesetzt, die Entführten befinden sich noch in der Stadt«, dämpfte ich Milos Optimismus.

    »Und vorausgesetzt, die Entführer haben das Mikro nicht entdeckt und zerstört«, ergänzte Milo. »Und auch dann gleicht diese Aktion immer noch der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Aber es ist immerhin eine Chance, die Gekidnappten zu finden. Und die dürfen wir nicht außer Acht lassen.«

    »Ich habe auch schon eine Idee, wem wir diese undankbare Arbeit auf halsen«, sagte ich und grinste.

    Milo verstand sofort, und seine Miene hellte sich auf. »Captain Charles Dennison«, sagte er.

    ***

    Der Konferenzraum lag im Halbdunkeln. Die Jalousien waren herabgelassen. Mattes, streifiges Licht drang herein und malte ein Muster aus horizontalen Linien auf den ovalen Konferenztisch, die Sessel, die holzvertäfelte Wand und den blauen Teppichboden.

    Bis auf die beiden Sessel an den Enden des Tisches waren alle Plätze leer. Die beiden Männer, die in den Sesseln saßen und sich stumm über den langen Tisch hinweg anstarrten, rauchten Zigarren. Sie hatten sich betont lässig in die Sessel gefläzt und versuchten, ihre Anspannung hinter einer coolen Fassade zu verbergen.

    Etwas Lauerndes, Knisterndes lag in der Luft. Dies schienen auch die beiden Begleiter der Männer zu spüren, die sich hinter den Sesseln ihrer Chefs postiert hatten. Die Arme vor der Brust verschränkt, standen sie da und wechselten nervös das Standbpin. Hin und wieder vergewisserten sie sich, ob ihre Pistolen unter den Jacketts auch locker genug saßen.

    »Es freut mich, Rick, dass du meiner Einladung gefolgt bist«, ließ sich einer der Männer am Tisch nun vernehmen. Er war schlank, sehnig und exklusiv gekleidet. Sein Gesicht wirkte schmal und gepflegt, das dunkle Haar trug er streng zurückgekämmt. »Es hätte mich - gekränkt, wenn du nicht gekommen wärst.«

    Der andere Mann lachte rau und stieß dabei eine Wolke aus Zigarrenrauch aus. Seinem Äußeren haftete etwas Militärisches an. Daran konnte auch der dunkle Anzug nichts ändern, den die Muskeln des Mannes fast zu sprengen drohten.

    »Wie hast du herausgefunden, dass ich wieder in der Stadt bin, Jim?«, fragte er, wobei seine tiefe, befehlsgewohnte Stimme den Raum bis in den letzten Winkel auszufüllen schien.

    Jim zuckte nur mit den Schultern. »Mir entgeht eben nichts«, erwiderte er ausweichend. »Es hat sich viel geändert in New York während der zwanzig Jahre, die du fort warst.« Selbstgefällig streckte er die Arme aus und schwenkte den Sessel hin und her, sodass seine Hände in der Luft eine den Raum einschließende Bewegung vollführten. »Ich bin jetzt Leiter eines Wirtschaftsimperiums. Alle aus unserer alten Clique haben sich inzwischen gemausert.«

    Er lehnte sich vor, stützte sich mit den Unterarmen auf die Tischplatte und starrte den Mann am anderen Ende des Tisches durchdringend an.

    »Aber es gibt überall immer mal wieder schwarze Schafe, nicht wahr, Rick?«

    Rick zeigte sich von dem Seitenhieb, den Jim gegen ihn geführt hatte, unbeeindruckt. »Ich hörte irgendwann, das FBI hätte dich hops genommen«, sagte er kühl.

    Jim lachte gekünstelt und verzog das Gesicht. »So sah es eine Zeitlang tatsächlich aus«, gab er zu. »Aber ich konnte mich aus der Affäre ziehen. Einigen meiner Leute hat es allerdings das Genick gebrochen. Doch letztendlich bin ich gestärkt aus dieser Sache hervorgegangen.« Jim lehnte sich zurück und paffte genüsslich an der Zigarre. »Es war seltsam«, fuhr er dann fort. »Als ich im Gerichtssaal auf der Anklagebank saß und der Federal Attorney all die Anklagepunkte verlas, wusste ich ganz tief in meinem Innern, dass ich nicht in einem Gefängnis enden würde. Der Zeitpunkt meiner Niederlage war noch nicht gekommen - das spürte ich ganz deutlich. Dieses Gefühl wurde im Laufe des Prozesses schließlich zur Gewissheit, als ich nämlich meinen Verteidiger in Aktion erlebte. Dieser Kerl ist ein Teufelskerl. Gegen mich wurde ein Indizienprozess geführt - und meinem Verteidiger gelang es, den Großteil der Indizien auszuhebeln und die Jury von meiner Unschuld zu überzeugen!«

    Rick streifte- die Asche von seiner Zigarre.

    »Einen Monat nach meinem Freispruch bekam icheinen Job in einem Wirtschafts-Unternehmen . Einer meiner alten Geschäftspartner war mir noch einen Gefallen schuldig. Inzwischen bin ich zum Geschäftsleiter aufgestiegen. Und das Komische ist, ich verdiene mit ehrlichen Geschäften nun fast noch mehr als zu meiner Zeit als Mobster.«

    »Was ist aus Ed und Harry, den anderen aus unserer Clique, geworden?«, wollte Rick wie nebenbei wissen.

    »Ed ist immer noch im Drogengeschäft«, erklärte Jim. »Er dealt jedoch nur noch im großen Stil. Harry hat einen Posten im Senat. Er fungiert als Berater. Du weißt, er hatte schon immer so einen gewissen sozialen Touch - trotz der krummen Dinger, die er zusammen mit uns damals drehte.«

    Jim rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.

    »Und was ist mit dir, Rick?«, fragte er dann. »Gibt es im Ausland für dich nicht mehr genug zu tun? Keine Putschs, Aufstände und Unruhen mehr? Warum bist du nach all den Jahren wieder nach New York zurückgekehrt?«

    »Es war für mich an der Zeit«, erwiderte Rick. »Ich habe als Söldner immer nur für andere gearbeitet. Jetzt werde ich mir etwas eigenes aufbauen - bevor ich zu alt und verbraucht bin.«

    »Du weißt, du kannst auf deine alte Clique zählen«, sagte Jim eindringlich. »Warum hast du dich nicht mit uns in Verbindung gesetzt. Die anderen sind deswegen - beunruhigt.«

    Rick lachte. »Ich war schon damals ein Einzelgänger«, sagte er und zeigte Jim seine Pranken. »Was ich aufbaue, erschaffe ich mit meinen eigenen Händen. Das erspart mir gewisse Enttäuschungen!«

    Jim machte ein betretenes Gesicht. »Was damals geschah, tut uns allen Leid«, sagte er gequält. »Aber das sind alte Geschichten, die wir vergessen sollten. Was zählt, ist die Zukunft. Und die solltest du dir nicht verbauen, indem du alte Freunde brüskierst.«

    Jim gab dem Mann hinter ihm ein Zeichen, der daraufhin vortrat und ihm eine zusammengerollte Zeitung überreichte.

    Jim breitete die Zeitung aus und hielt sie hoch, damit Rick sie sehen konnte. Vorwurfsvoll tippte er mit Zeige- und Mittelfinger, zwischen denen die Zigarre klemmte, auf die Schlagzeile.

    »Kandidaten einer beliebten Reality-Soap entführt!«, lautete die Überschrift. Darunter war ein Foto zu sehen, das einen Helikopter zeigte, in dessen offener Tür ein vermummter Mann mit einem Gewehr in den Händen stand.

    »Was soll das?«, fragte Jim gereizt. »Ist das etwa deine Art, dir in New York eine Existenz aufzubauen?«

    Rick lächelte spöttisch. »So seid ihr also auf mich aufmerksam geworden«, sagte er höhnisch. »Es hätte mich auch an mei -nen Fähigkeiten zweifeln lassen, wenn du auf andere Weise, als durch eine Zeitungsmeldung von meiner Rückkehr erfahren hät -test. Meine Leute sind Profis. Wenn ich will, dass sie unentdeckt bleiben, bleiben sie es auch!«

    Jim knallte die Zeitung auf den Tisch. »Wir sind hier in New York und nicht in irgendeinem verdammten Dschungel, wo du tun und lassen kannst, was dir beliebt!«, rief er. »Wir werden nicht dulden, dass du unsere Arbeit durch deine idiotischen Aktionen zunichte machst!«

    Das spöttische Grinsen auf Ricks Gesicht vertiefte sich noch. »Willst du mir etwa drohen, Jim?«

    »Ich will dich nur warnen, Rick. Im Namen der ganzen Clique.«

    Rick drückte seine Zigarre im Aschenbecher aus und sah dann teilnahmslos auf seine Armbanduhr. »Wie schmeckt dir übrigens meine Zigarre?«, fragte er dabei wie beiläufig.

    Jim starrte sein Gegenüber verständnislos an. »Was soll das? Willst du etwa ausweichen?«

    Rick schüttelte den Kopf. »Ich wollte nur wissen, ob dir mein Geschenk gefällt - und ob dir am Geschmack der Zigarre etwas aufgefallen ist?«

    »Was, verdammt, soll mir denn aufgefallen sein? Es ist eine stinknormale Zigarre - nichts Besonderes! Wer weiß, aus welchem verfluchten Land du sie mitgebracht hast.«

    »Es ist eine Brasilianische«, erklärte Rick und lehnte sich gemütlich zurück, während auf seinen Lippen ein spöttisches Lächeln ruhte. »Ihr Odeur erinnert mich an den Geruch einer giftigen Pflanze, die von gewissen Indios im brasilianischen Regenwald benutzt wird, um Beutetiere zu betäuben.« Rick legte die Fingerspitzen seiner Hände zusammen und fuhr dann in spöttischen Plauderton fort. »Die Indios bilden während der Jagd mit den Blättern dieser Pflanze kleine Häufchen um einen Baum und bringen sie dann zum Schwelen. Der Rauch, der in die Baumkrone auf steigt, betäubt alle Tiere in den Zweigen. Spinnen, Käfer, Vogel, ja sogar Affen fallen einfach herab. Die Indios müssen sie nur noch töten und einsammeln.«

    Jim starrte Rick an. Er schien sich nicht schlüssig darüber zu sein, ob er dessen Geschichte glauben sollte oder nicht.

    Rick lachte und schüttelte sinnierend den Kopf. »Ich habe diese Indios vor einigen Jahren mit einer Söldnertruppe angegriffen. Ich sollte den Stamm aus ihrem Gebiet im Regenwald vertreiben, weil ein Großgrundbesitzer die Waldfläche roden lassen wollte, wofür er keine Genehmigung bekommen hätte, wenn der Wald bewohnt gewesen wäre. Also rückte ich mit meinen Männern auf das Dorf zu. Doch diese verdammten Indios müssen Wind von der Sache bekommen haben, denn sie hatten um ihr Dorf herum Laubhaufen errichtet und steckten sie an, als ich mit meinen Männern kam.«

    Rick schüttelte kaum merklich den Kopf.

    »Es war unglaublich. Der Raüch benebelte uns, als würden wir plötzlich alle unter Drogen stehen. Ehe ich überhaupt begriff, was los war, hatte ich schon die Hälfte meiner Männer verloren. Die Indios hatten sie einfach mit ihren Speeren abgestochen, während sie sich benommen auf dem Boden wälzten.«

    Rick starrte finster vor sich hin. Er schien nun ganz in der Erinnerung gefangen zu sein und wirkte, als hätte er seine Umgebung für einen Moment vergessen.

    »Wir zogen uns zurück und kehrten in der Nacht mit Gasmasken zurück«, fuhr er fort und lachte dabei rau und meckernd. »Die Indios müssen uns wohl für Dämonen gehalten haben, als wir mit unseren Masken vor den Gesichtern unbeschadet durch den Rauch ihrer Schweifeuer stapften. Wir haben das ganze Dorf ausgelöscht - bis zum letzten Mann. Es war ein Schlachtfest, Jim. Die Frauen haben geschrien wie...«

    »Warum erzählst du mir diesen Schwachsinn?«, unterbrach Jim sein Gegenüber. »Willst du mir etwa beweisen, was für ein harter Kerl du bist? Wir alle haben Leichen im Keller.«

    Jack lächelte hintergründig. »Ich wollte nur, dass du begreifst, was mit dir geschieht«, sagte er kalt. »Ich habe damals einige Handvoll Blätter dieser erstaunlichen Giftpflanze mitgenommen. Noch heute besitze ich welche davon. Sie haben mir gute Dienste geleistet - so wie heute auch.«

    Jim krauste die Stirn. »Ich weiß immer noch nicht, warum du mir das alles erzählst!«

    »Die Zigarre, die du gerade rauchst, ist von mir mit den Blättern der Indio-Pflanze präpariert worden. Die Wirkung müsste jeden Moment einsetzten. Es hat eben seine Vorteile, in der Welt herumzukommen.«

    Jim ließ die Zigarre fallen. »Du bluffst doch nur!«, rief er und versuchte aufzuspringen.

    Aber irgendwie wollten seine Beine ihm nicht mehr gehorchen. Sie knickten unter ihm weg, und Jim sank seitlich in seinen Sessel zurück, bis sein Oberkörper in grotesker Pose über die Armlehne baumelte.

    Jims Leibwächter trat vor und starrte erschrocken äuf seinen Boss herab. Dann riss er hektisch seine Waffe unter dem Jackett hervor.

    Aber er schaffte es nicht mehr, auf Rick oder dessen Begleiter anzulegen, denn Ricks Komplize hatte bereits eine Pistole mit aufgeschraubten Schalldämpfer auf den Hünen gerichtet.

    Drei Mal zog er den Abzugsfinger durch. Zwei Kugeln trafen den Leibwächter in die Brust. Die dritte stanzte ihm ein hässliches Loch in die Stirn.

    Bei jedem Einschlag zuckte der Hüne wie unter einem Stromstoß zusammen. Er stürzte rücklings zu Boden und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Rücken.

    Jim stierte mit weit aufgerissenen Augen auf seinen toten Leibwächter hinab. Er wollte etwas sagen. Doch es drang nur ein hohles Krächzen über seine Lippen - und ein Speichelfaden, der zäh und sämig auf den Teppichboden tropfte.

    Rick erhob sich gelassen von seinem Sessel. Er nahm seinem Komplizen die Pistole ab, schlenderte auf Jim zu und zielte mit der Waffe auf dessen Kopf.

    »Der Rest der Clique wird sich in die Hosen scheißen, wenn sie erfahren, was mit dir geschehen ist, Jim«, sagte er lächelnd. »Sie werden versuchen, ihre Haut zu retten - und mir dabei genau ins Messer rennen. Du wirst sie bald Wiedersehen, Jim. In der Hölle!«

    Mit diesen Worten drückte er ab und löschte Jims Leben aus.

    ***

    Bob Dancer brauchte eine Stunde, um das Empfangsgerät für die Knopf mikrofone so zu modellieren, dass es als transportables Ortungsgerät für das Mikrofon eingesetzt werden konnte, das die Entführten vermutlich bei sich hatten. Der Apparat wurde schließlich in einen Polizeihubschrauber verfrachtet, der die nächsten Stunden über der Stadt kreisen und versuchen würde, das Mikrofon aufzuspüren.

    Wenn wir Glück hatten, würde uns das Gerät zu den Gekidnappten führen. In diesem Fall würden die Cops im Hubschrauber Milo und mich sofort verständigen.

    Zusätzlich veranlassten wir, dass im Büro von Peter Brood und im Studio im Finanzdistrikt Abhörvorrichtungen für die Telefone installiert wurden. Falls die Entführer sich meldeten, würden sie es bestimmt über einen dieser Anschlüsse versuchen. Die mitgeschnittenen Gespräche könnten uns dann Aufschluss über die Gangster oder den Ort liefern, von dem aus telefoniert worden war.

    »Jetzt haben wir uns aber einen kleinen Imbiss verdient, Partner«, sagte Milo, als wir mit der Arbeit fertig waren. »Hier im Finanzdistrikt gibt es ein paar exklusive Schnellimbisse. Was für einen Broker gut ist, kann für einen G-men auch nicht schlecht sein.«

    »Einverstanden«, sagte ich.

    Der Imbiss, in den wir einkehrten, hieß ›Second‹ und versprach in roten Lettern, die über einen Screen liefen, sekundenschnelle Bedienung.

    Die Einrichtung des Ladens bestand vollständig aus verchromten Metall. An den Wänden hingen schwarze Tafeln, auf denen die Gerichte auf gelistet waren und die an die Kurstafeln in der Börse erinnerten.

    Der Besitzer des Imbisses musste ein humorvoller Mensch sein, denn er hatte auf einem schrillgelben Schild verschiedene Handzeichen abbilden lassen, mit deren Hilfe die gestressten und unter Zeitdruck stehenden Broker ihre Menüs ordern konnten.

    Über dem Ladentresen hing ein Fernseher. Ein Börsensender war eingeschaltet. Das Gesicht eines fast haarlosen Mannes war zu sehen. Mit markiger Stimme und ebenso markigen Sprüchen kommentierte er die neuste Entwicklung in der Wallstreet-Börse.

    Milo und ich traten an den Tresen und bestellten Hamburger. Wir verzichteten aber auf die Handzeichen und gaben unsere Bestellung lieber persönlich bei der Bedienung ab - zumal es sich um ein blondes Girl mit üppiger Oberweite handelte, die uns genauso interessiert und ungeniert taxierte wie wir sie.

    Ausgelassen flachsten wir mit dem Girl herum, während sie uns die Hamburger servierte.

    Plötzlich stieß Milo mich mit dem Ellenbogen an. Er starrte zur Glotze hoch und sagte: »Ich glaub es nicht! Sieh dir das an, Jesse!«

    Ich riss mich vom Anblick des prachtvollen Girls los und sah zum Fernseher auf.

    Der Börsenbericht war unterbrochen worden. Stattdessen wurde ein Werbeblock ausgestrahlt. Und da der Börsensender zur Programmgruppe von ›Kanal 19‹ gehörte, wurde auch Reklame für Sendungen der anderen Programme gemacht.

    Zum Beispiel für eine gewisse Reality-Soap mit Namen ›To be rich‹.

    »Hey, dass sind ja Sie da auf dem Bildschirm!«, rief die Blondine hinter dem Tresen überrascht.

    Und sie hatte Recht.

    Die Szene, die da über die Mattscheibe flimmerte, hatte sich erst vor wenigen Stunden in dem Penthouse im Finanzdistrikt abgespielt. Milo und ich inspizierten gerade ein Schlafzimmer der Entführten. Es war nicht zu verstehen, was wir sagten. Stattdessen ertönte die rauchige Stimme einer Frau aus dem Fernsehlautsprecher.

    »Seien Sie live dabei!«, drang es sensationsheischend an mein Ohr. »Erfahren Sie alles über die neusten Entwicklungen der Entführung unserer Stars aus der beliebten Reality-Show ›To be rich‹. Jetzt hat sich auch das FBI eingeschaltet.- Wir berichten halbstündig auf NBC!«

    Damit war der Werbespott zu Ende.

    Milo und ich starrten uns fassungslos an.

    »Jetzt weiß ich auch, warum Bob Dancer vorhin so nervös war, als wir bei ihm im Studio auftauchten«, sagte ich. »Wir sollten nicht merken, dass die versteckten Kameras im Penthouse aktiviert waren und die Ermittlungsarbeit der Polizei gefilmt wurde.«

    »Das geschah bestimmt auf Veranlassung von Peter Brood«, knurrte Milo verärgert. »Der Kerl kann sich auf was gefasst machen!«

    Da dudelte plötzlich mein Handy.

    »Trevellian«, meldete ich mich verstimmt.

    »Hier Medina«, drang die Stimme unseres Kollegen mit der indianischen Abstammung und dem erlesenen Modegeschmack aus dem Apparat. Er hielt sich im Büro von Peter Brood auf, um die Abhörgeräte zu überwachen.

    »Was gibt’s, Orry?« fragte ich. »Auf Brood sind wir gerade nicht gut zu sprechen.«

    »Ich kann mir schon denken, warum«, lachte Orry. »Ihr macht auf der Mattscheibe tatsächlich keinen guten Eindruck. Liegt bestimmt an euren billigen Klamotten. Ihr solltet euch in Sachen Mode mal von mir beraten lassen.«

    »Ich fühle mich in meinen Klamotten recht wohl«, ging ich halbherzig auf Orrys scherzhafte Bemerkung ein. Er war wohl der modebewussteste G-man im ganzen FBI-Distrikt New York und trug hauptsächlich Armani-Anzüge. »Das ist auch nicht der Grund, warum ich auf Brood sauer bin. Es kümmert ihn einen Dreck, dass er unsere Arbeit durch seine Fernsehveröffentlichungen erschwert. Dabei geht es doch um seine sogenannten Stars. An ihrem Überleben scheint er kein gesteigertes Interesse zu haben, wohl aber an deren Vermarktung.«

    »Mr. McKee hat Brood bereits den Kopf gewaschen«, erklärte Orry. »Er wird es sich das nächste Mal bestimmt besser überlegen, was er im Fernsehen zeigt.«

    »Und warum rufst du an?«

    »Die Entführer haben sich gemeldet«, berichtete Orry. »Der Anrufer sprach mit elektronisch verzerrter Stimme. Er kündigte an, ein Video mit Aufnahmen von den Geiseln zum Sender zu schicken. Eine Forderung wollte er noch nicht nennen.«

    »Konnte das Gespräch zurückverfolgt werden?«, fragte ich.

    »Klar. Schließlich verstehe ich nicht nur von Mode etwas«, erwiderte Orry und nannte mir dann eine Adresse in der Bronx.

    »Und damit rückst du erst jetzt raus! Mann, du hast Nerven!«

    »Reg dich wieder ab, Jesse. Die City Police habe ich schon verständigt. Sie haben Order, auf euch vor dem Gebäude zu warten.«

    »Verständige auch Captain Dennison«, bat ich. »Der Helikopter mit dem Ortungsgerät soll das Gebiet über der Bronx abfliegen. Vielleicht befindet sich das Versteck der Geiseln sogar in demselben Haus, von dem aus telefoniert wurde.«

    »Wird erledigt«, versprach Orry.

    Ich unterbrach die Verbindung. »Los geht’s«, sagte ich an Milo gewandt. »Die Pflicht ruft.«

    »Soll ich Ihnen die Hamburger einpacken?«, fragte das blonde Girl.

    Doch da waren Milo und ich schon bei der Tür. »Keine Zeit!«, rief ich bedauernd und winkte dem Girl zu.

    »Ihr Jungs vom FBI seid ja noch hektischer als die Kerle von der Börse!«, rief sie uns nach.

    ***

    Als wir in die Morris Avenue einbogen, sahen wir die Patrol Cars der City Police schon von weitem. Es handelte sich um vier Chevys, die in einem Halbkreis um ein alleinstehendes, schäbiges Gebäude standen und die Fahrbahn blockierten. Die Einsatzlichter waren eingeschaltet. Das rote undblaue Licht zuckte über die hässliche Fassade des Hauses und spiegelte sich in den schmud-' deligen Scheiben.

    Plötzlich sah ich in einem der Fenster ein Mündungsfeuer aufblitzen. Eine Schusssalve hämmerte, und die Cops unten auf der Straße gingen hinter ihren Autos in Deckung.

    »Verdammt!«, fluchte Milo. »Was ist denn da los?«

    Ich stoppte den Dienstwagen hinter dem ersten Patrol Car.

    Geduckt verließen Milo und ich den Wagen. Im Schutz der Patrol Cars pirschten wir bis zum Einsatzleiter, einen hageren Schwarzen, der ein Megafon in der Hand hielt.

    »Agent Tucker und Agent Cotten, FBI«, stellte ich uns dem Mann vor und zeigte ihm meine Dienstmarke.

    »Lieutenant Berry«, erwiderte er knapp. »Verdammt, wo haben Sie so lange gesteckt?«

    »Auf dem Highway hatte es einen Unfall gegeben«, erwiderte ich. »Und was ist hier schief gegangen?«

    »Wir sind mit einer Einheit angerückt - wie vom FBI gewünscht. Aber noch während die Kollegen ausschwärmten, um die Hinterausgänge des Gebäudes zu sichern, hat irgendjemand in dem Haus durchgedreht und das Feuer eröffnet. Gott sei Dank wurde niemand verletzt.«

    Ich spähte zu dem Fenster empor, aus dem geschossen worden war. Ein Schatten bewegte sich dahinter. Die Person schien ziemlich aufgeregt zu sein. Rufe und schrille Schreie drangen zu uns herab. Offenbar wurde dort oben gestritten.

    »Ich habe versucht, Kontakt mit den Leuten aufzunehmen«, erklärte Lieutenant Berry und hob das Megafon kurz an. »Aber sie antworteten mit Kugeln.«

    »Was wissen Sie über die Bewohner?«, erkundigte sich'Milo.

    Berry zuckte mit den Schultern. »So viel uns bekannt ist, sind nur die oberen beiden Etagen bewohnt. Die unteren Wohnungen stehen seit längerem leer. Wer will auch schon in einer solchen Bruchbude hausen - unter einem Dach mit Leuten, die sich den ganzen Tag Crack reinziehen?«

    »Sind Straftäter unter den Bewohnern?«, hakte Milo nach.

    »Na klar!« Lieutenant Berry lachte rau. »In dieser Gegend gibt es kaum jemand, über den wir nicht schon eine Akte angelegt haben.«' Er deutete mit einem Kopfnicken Richtung Haus. »Aber diese Leute da sind eher durch kleinere Delikte aufgefallen. Nichtß, was je eine Aktion wie diese gerechtfertigt hätte.«

    »Die Hausbewohner scheinen aber ein verdammt schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie gleich das Feuer eröffnen, wenn sich Cops ihrer Bude nähern«, merkte Milo sarkastisch an.

    »Wahrscheinlich sind sie bis zur Schädeldecke mit Drogen vollgepumpt«, gab Lieutenant Berry zu bedenken. »Wer weiß, welcher Film gerade in ihren voll gedröhnten Köpfen abläuft. Vielleicht halten sie das alles für eine Verschwörung von Außerirdischen, die gekommen sind, sie zu entführen und Experimente an ihnen durchzuführen.«

    »Sie glauben nicht, diese Leute könnten etwas mit der Entführung der Reality-Show-Kandidaten zu tun haben«, stellte ich fest.

    Berry schüttelte den Kopf. »Die schaffen es doch noch nicht mal, für sich selbst zu sorgen.«

    »Mir kommt die Sache auch nicht ganz koscher vor«, meinte Milo. »Warum versuchen diese Leute nicht, zu verhandeln? Als Geiselnehmer hätten sie durchaus etwas in der Hand, uns zu Eingeständnissen zu zwingen.«

    Ich atmete tief durch. »Es ist trotzdem nicht auszuschließen, dass die Bewohner in den Entführungsfall involviert sind. Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Auch die, dass die Geiseln in dem Haus gefangen gehalten werden.«

    »Was schlagen Sie also vor?«, fragte Berry.

    »Agent Tucker und ich werden versuchen, in das Gebäude zu gelangen«, erklärte ich. »Doch bevor wir es gleich auf die harte Tour durchziehen, werde ich es zuvor noch mit ein bisschen Kommunikation versuchen.«

    Ich grinste ironisch und ließ mir von Lieutenant Berry das Megafon aushändigen.

    »Hier spricht Special Agent Trevellian vom FBI!«, rief ich. Meine verstärkte Stimme hallte kalt von der Fassade des Gebäudes wider. »Kommen Sie mit erhobenen Händen raus. Widerstand ist zwecklos. An kleinen Fischen sind wir nicht interessiert. Sie haben also nichts zu befürchten, wenn Sie jetzt aufgeben!«

    Ich ließ das Megafon sinken und wartete ab, was geschehen würde.

    Oben hinter dem Fenster wurde plötzlich wieder heftig gestritten. Ein Mann brüllte, wurde aber von dem Gekeife einer Frau niedergeschrien. Dann fiel ein Schuss - und das Gezeter der Frau ging in klägliches Jammern über.

    »Wir lassen uns durch euer Psychogequatsche nicht zermürben!«, schrie der Mann, ein dickleibiger Puertoricaner in schmuddeligen Rippenhemd, aus dem Fenster. Er riss ein Schnellfeuergewehr hoch und schoss.

    Wir zogen die Köpfe ein. Der Lärm war ohrenbetäubend. In das Hämmern des Schnellfeuergewehrs mischte sich metallisches Stanzen, als sich die Kugeln in das Karosserieblech des Patrol Cars fraßen. Glas splitterte und regnete wie glitzernde Eiskristalle auf uns herab.

    Dann trat plötzlich wieder Stille ein.

    »Ihr kriegt uns nie!«, rief der Kerl am Fenster mit überschnappender Stimme und lachte hysterisch.

    Lieutenant Berry sah mich zwischen den Armen, die er schützend über seinen Kopf verschränkt hatte, spöttisch an. »Ihr Kommunikationsversuch war wohl ein Reinf all«, meinte er trocken.

    »Dass kann man von Ihrer Einschätzung, was die Harmlosigkeit der Hausbewohner betrifft, wohl auch behaupten«, konterte ich. »Jemand, der sich ein Schnellfeuergewehr beschafft, plant sicherlich mehr, als bloß ein bisschen Crack unter die Leute zu bringen.«

    Berry machte ein säuerliches Gesicht. »Da haben sie wohl recht. Ich sollte einen Scharfschützen anfordern! Er könnte den Kerl am Fenster, aufs Korn nehmen, wenn er das nächste Mal versucht, Schrott aus unseren Einsatzwagen zu machen.«-Plötzlich lag das Dröhnen einen Hubschraubers in der Luft. Es schwoll rasch an. Die Luft fing an zu vibrieren.

    Ich schaute hoch. Ein Polizeihubschrauber näherte sich aus östlicher Richtung. Er schwebte dicht über die Dächer der schäbigen Häuser hinweg, wirbelte Staub in den Straßenschluchten auf und ließ Zeitungsfetzen durch die Luft wirbeln.

    »Verdammt!«, rief ich. »Ungelegener konnte der Hubschrauber wirklich nicht kommen. Sein Erscheinen wird die Leute in dem Haus noch mehr durchdrehen lassen!«

    Tatsächlich bemerkte ich auf dem Dach des Gebäudes plötzlich eine Bewegung. Ein schlaksiger Kerl in zerschlissener Jeans und Lederweste war aus einer Luke gekrochen -über seiner Schulter hing eine MPi. Feindselig starrte er zu dem Hubschrauber empor.

    Milo richtete sich blitzschnell hinter dem ramponierten Streifenwagen auf, gab einen Warnschuss auf den Kerl auf dem Dach ab und tauchte blitzschnell wieder hinter dem Wagen weg.

    Keine Sekunde zu früh. Denn der Puertoricaner am Fenster ließ wieder sein Schnellfeuergewehr sprechen. Das tierhafte Brüllen des Schützen übertönte dabei fast das Hämmern der Waffe. , Wie wütende Hornissen sirrten die Kugeln über das Dach des Patrol Cars hinweg, rissen kleine Krater in den Asphalt hinter uns. Gut, dass das ein so mieser Schütze war.

    Der Kerl auf dem Dach hatte sich unterdessen wieder gefangen. Er duckte sich hinter den Dachrand und verschwand aus' meinem Blickfeld.

    Der Polizeihubschrauber schob sich unterdessen immer dichter an das Haus heran. In Kürze würde er in Reichweite des Schnellfeuergewehrs gelangen. Der Pilot hatte den Bewaffneten auf dem Dach anscheinend nicht bemerkt!

    Rasch holte ich mein Handy hervor und wählte die Nummer von Captain Dennison.

    ***

    »Trevellian hier!«, brüllte ich, als Dennison das Gespräch in Empfang nahm. »Befehlen Sie Ihrem Piloten, er soll sofort abdrehen! Auf dem Dach des Gebäudes, das er gerade anfliegt, hockt ein Kerl mit einer MPi!«

    Ein deftiger Fluch drang aus dem Handy. Die Geräusche, die dann zu hören waren, deuteten auf hektische Aktivitäten hin.

    Da knatterte oben auf dem Dach plötzlich die MPi los.

    Im selben Moment drehte der Hubschrauber ab. Der Motor brüllte auf, als die Libelle dem Schützen den Rumpf zukehrte und dann rasch an Höhe gewann.

    Der wütende Wind der Rotoren fetzte mir durch Haar, trieb mir Staubkörner in die Augen und ließ mich einen Moment taub werden.

    Dann ebbte der Rotorensturm ab. Der Helikopter entfernte sich in nördlicher Richtung - offenbar unbeschädigt. Die Kugeln hatten ihm nichts anhaben können. Die Warnung an den Piloten war gerade noch rechtzeitig erfolgt.

    Aus dem Fenster und vom Dach her drang irres Triumphgeschrei zu uns herunter. Der Kerl auf dem Dach war wieder hervorgekommen. Wie ein Partisan, der gerade den Feind in die Flucht geschlagen hatte, schüttelte er seine MPi. Auch der Puertoricaner führte hinter dem Fenster einen Freudentanz auf, was ich an der auf und ab zuckenden Silhouette des Mannes zu erkennen glaubte.

    »Jetzt!«, rief ich Milo zu. »Eine zweite Chance, ins Haus zu gelangen, bekommen wir nicht!«

    Lieutenant Berry starrte mich entgeistert an. »Das ist nicht Ihr Emst!«

    »Geben Sie mir ein Walkie-talkie«, verlangte ich.

    Mit mechanischer Bewegung reichte der Lieutenant mir sein Funkgerät.

    »Falls der Kerl am Fenster sich beruhigt, bevor wir das Haus erreicht haben, decken Sie ihn mit Schüssen ein!«, befahl ich.

    Milo und ich zogen unsere Dienstwaffen. Dann huschten wir in verschiedenen Richtungen um das Auto herum und rannten geduckt auf das Gebäude zu.

    »Ihr verdammten Schweine!«, schrillte die überschnappende Stimme des Puertoricaners plötzlich zu uns herab.

    Die Cops hinter den Petrol Cars schossen auf das Fenster.

    Aber davon ließ sich der Kerl nicht beeindrucken. Sein Schnellfeuergewehr hämmerte los. Kugeln pfiffen dicht über unser Köpfe hinweg und fetzten hinter uns Asphaltbrocken aus der Straße.

    Im Zickzackkurs rannten wir weiter. Der Kerl am Fenster schaffte es nicht, mit dem schweren Gewehr unseren Bewegungen zu folgen. Die Kugeln schlugen irgendwo hinter uns in die Straße ein und sirrten als Querschläger über den Asphalt.

    Dann hatten wir den Eingang endlich erreicht. Ich prellte die Tür mit der Schulter auf - und der Korridor nahm uns auf.

    Routiniert sicherten wir mit den Waffen nach allen Seiten, sahen uns in dem düsteren Treppenhaus hektisch um.

    Doch wie es aussah, waren wir allein. Irgendwo von oben drang aber das Wimmern eines Kindes zu uns herab.

    »Wir sind drin«, sprach ich mit gedämpfter Stimme in das Walkie-talkie.

    »Das war verdammt knapp, G-men«, schnarrte Berrys Stimme aus dem Gerät. »Dem Kerl war es völlig gleichgültig, dass wir auf das Fenster schossen. Ich glaube, er hat etwas abgekriegt.«

    »Wir gehen jetzt nach oben«, erklärte ich. »Ab jetzt herrscht Funkstille.«

    »Roger!«

    Ich verstaute das Walkie-talkie in der Jackettasche. Im selben Moment dudelte mein Handy.

    Während ich das Telefon hervorholte, stellte Milo sich mit dem Rücken an die Wand und spähte das Treppenhaus empor, damit wir vor unliebsamen Überraschungen sicher waren.

    Die Anzeige auf dem Display meines Handys verriet, dass Captain Dennison der Anrufer war.

    »Trevellian«, meldete ich mich. »Ist die Besatzung des Helikopters wohl auf?«

    »Es ist nochmal alles gut gegangen«, bestätigte Dennison, und seine Stimme klang dabei ausnahmsweise mal nicht arrogant. »Bis auf ein paar Einschusslöcher im Rumpf blieb die Maschine unversehrt. Das haben wir nur Ihnen zu verdanken, Trevellian. Der Pilot war ziemlich unvorsichtig.«

    »Gern geschehen.«

    »Das Ortungsgerät im Helikopter hat übrigens nicht ausgeschlagen«, wechselte Dennison das Thema. »Die Entführten scheinen sich nicht im Gebäude aufzuhalten -vorausgesetzt, Ihre Theorie von dem mitgeführten Knopfmikrofon stimmt.«

    Dennison hatte schnell zu seiner alten Arroganz zurückgefunden. Ich bedankte mich trotzdem für die Information und unterbrach die Verbindung. Diesmal schaltete ich das Handy auf Vibrationsalarm, bevor ich es wieder in der Tasche verstaute.

    Dann nickte ich Milo zu. »Es kann losgehen«, sagte ich gedämpft. »Wie es aussieht, halten sich die Geisel nicht in diesem Haus auf.«

    Milo atmete erleichtert auf. »Dann lass uns diese Crack-Bande mal hopsnehmen«, meinte er unternehmungslustig.

    Ich kannte Milo nur zu gut. Trotz seiner laxen Bemerkung wusste er genau, dass ein hartes Stück Arbeit vor uns lag - und dass wir unser Leben aufs Spiel setzten, um die durchgeknallten Bewohner dieses Hauses zu stoppen.

    ***

    Mit schussbereiten Waffen stiegen wir die Stufen empor. Ein muffiger, säuerlicher Geruch lag in der Luft.

    Unbehelligt erreichten wir das erste Obergeschoss. Die Türen zu den Wohnungen waren nicht verrammelt, so wie es im Erdgeschoss der Fall gewesen war. Einige der Türen standen sogar offen und gewährten einen Blick in die verwüsteten Räume dahinter.

    Die Cracksüchtigen schienen die leerstehenden Wohnungen als ihre private Müllhalde zu betrachten, denn in den Räumen stapelten sich Unrat, Müll und zerstörte Möbel. Der Gestank, der auf den Korridor drang, wurde mit jedem Schritt unerträglicher.

    Der schießwütige Puertoricaner hatte sich zwar im zweiten Obergeschoss aufgehalten, trotzdem konnten wir nicht ausschließen, dass irgendwelche Komplizen hinter den Türen dieser Etage lauerten. Seit wir in das Haus gestürmt waren, hatte sich niemand im Treppenhaus blicken lassen. Milo hatte die Treppe nicht aus den Augen gelassen, als ich mit Lieutenant Berry und Captain Dennison gesprochen hatte. Die Schützen hielten sich also wahrscheinlich noch immer dort auf, wo sie gewesen waren, bevor wir das Haus betraten.

    Als Erstes würden wir uns den Puertoricaner kaufen!

    Ich setzte gerade meinen Fuß auf die Treppe zum zweiten Obergeschoss, als Milo mich plötzlich am Arm berührte.

    »Was gibt’s?«, fragte ich mit gedämpfter Stimme.

    »Ich habe etwas gehört«, erwiderte Milo und deutete mit einem Kopfnicken zu der Tür, an der wir gerade vorbeigekommen waren.

    Die Tür war nur angelehnt. Ich lauschte angestrengt. Tatsächlich vernahm ich nun ein verräterisches Scharren und ein erstick-' tes Wimmern.

    Ich nickte Milo zu und gab ihm damit zu verstehen, dass ich einverstanden war, in der Wohnung nach dem Rechten zu sehen.

    Mit dem Rücken zur Wand postierten wir uns neben die Tür. Milo nickte mir zu, ich trat vor, versetzte der Tür einen Tritt, hechtete in den dahinterliegenden Raum und rollte mich auf dem Boden ab. Im selben Moment, da die Tür gegen die Wand krachte, kam ich wieder hoch und sicherte nach allen Seiten.

    Der Raum war jedoch leer!

    Milo huschte herein und stürmte in das nächste Zimmer, die SIG schussbereit im Beidhandanschlag vor sich ausgestreckt.

    Er schüttelte den Kopf, als er wieder zu mir kam. Die Wände des Zimmers, das er gecheckt hatte, waren rot gestrichen. Ein großes rundes Bett, das ziemlich zerwühlt war, stand in der Mitte.

    Der Raum sah aus wie das Stundenzimmer eines Bordells!

    Nun blieb uns nur noch eine Tür. Ein herzzerreißendes, ersticktes Wimmern war dahinter zu hören.

    Milo und ich sahen uns an. Das Gesicht meines Freundes hatte sich verdüstert. In seinem Kopf gingen wohl

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