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In Teufels Hölle! Gegenwartskrimi in Zeiten von Corona.
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eBook271 Seiten3 Stunden

In Teufels Hölle! Gegenwartskrimi in Zeiten von Corona.

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Über dieses E-Book

Harte Zeiten! Schräge Typen! Toughe Frauen! meiercrimes.de! Meiers Heiligbrück-Krimireihe bei tredition! Band 2: In Teufels Hölle! Eine verweste Frauenleiche im Niemandsland der Balkanroute…und ein stadtbekannter Toter mit einem Pfeil in der Brust in den Flussauen von Heiligbrück. In Berlin sieht M, die geheimnisumwitterte Strategin der Noch-Kanzlerin im Herbst 2021 Leichen vom Sommer 2020 aus dem Keller auferstehen. Derweil gerät die pensionierte Kripobeamtin Anne Sorbas auf Mördersuche in der bayerischen Provinz ahnungslos zwischen die Fronten heimlicher Allianzen in höchsten Polit- und Medienkreisen. Spät erkennt sie im scheinbar verschlafenen Heiligbrück das größenwahnsinnige Zentrum einer deutsch-österreichischen Verschwörung zur Machtübernahme. Wie schon in seinem ersten Heiligbrück-Krimi CORONA - Lasst sie sterben… schreibt der Autor auch In Teufels Hölle! bis zum Ende bissig mit realen und verblüffend aktuellen Ereignissen mit und bindet sie in seine Handlung ein, in natürlich frei erfundenen Zusammenhängen. Die man sich so aber durchaus auch hinter den realen Polit-Kulissen vorstellen kann. Meier zeichnet ein galgenhumoriges Gesellschaftsbild in Krisenzeiten, das ihm schon mal mörderisch aus dem Rahmen fällt. Der Rahmen ist die fiktive bayerische Kleinstadt Heiligbrück, in der es hinter den biederen Fassaden alles andere als heilig zugeht. Nach der ersten Leiche in den Flussauen scheint die Handlung dahinzuplätschern wie der Fluss durch die Stadt und die Auen vor der Stadt. Dabei fordert allein Corona im Herbst 2021 unsichtbar, aber immer bedrohlicher die ganze Republik heraus. In Heiligbrück schleicht sich dazu die beklemmende Bedrohung eines Serienmörders an, kommt spürbar auch Sorbas immer näher. Inzwischen ist die komplette Heiligbrück-Trilogie 2020, 2021, 2021 im Handel! CORONA - Lasst sie sterben...; In Teufels Hölle!; Im Schatten des Teufels.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. März 2022
ISBN9783347511842
In Teufels Hölle! Gegenwartskrimi in Zeiten von Corona.
Autor

Werner Meier

Werner Meier Der gebürtige Landshuter volontierte beim Straubinger Tagblatt, war Kriminalreporter bei der Münchner Abendzeitung und der Illustrierten Quick, arbeitete danach freiberuflich für diverse Illustrierte, als Autor für Ferenczy Presse Agentur, war in seinen angestellten Journalistenphasen leitender Redakteur, später Inhaber einer Presseagentur. Zwischendurch schrieb er Kinderkrimis für Loewes Verlag und setzte Drehbücher in Romanform um. Seine Gegenwartskrimis erscheinen unter seinem eigenen label meiercrimes.de bei tredition.com, in jeweils brandaktuellem Handlungsrahmen. Dabei setzt der Autor tatsächliche Ereignisse in erfundene Zusammenhänge seiner Mordfälle, schwarzhumorig mit schrägen Typen und bissiger Beschreibung von Gesellschaft und Politik in Zeiten von Krisen. M, die wegen ihrer hinterhältigen Intrigen gefürchtete einstige Strategin der Ex-Kanzlerin erscheint auch im 4. Band. Nach der Heiligbrück-Trilogie 2020, 2021, 2022: CORONA - Lasst sie sterben... In Teufels Hölle! Im Schatten des Teufels. Im Frühjahr 2023 jetzt: Sorbas - Die Macht der toten Frauen. Die Farbe LILA auf dem Hardcover widmet Meier "all den todesmutigen Frauen, die wo auch immer ihr Leben für ihre Würde und ihre Freiheit riskieren. Die damit auch für unsere Freiheit kämpfen! Wobei es global um das Überleben von Demokratie geht. Und um die Menschenwürde. Bei uns wird der Freiheitsbegriff inzwischen auch von Medienkolumnisten und hochrangigen Politikern inflationär gebraucht und ist, wie ich finde dadurch total entwertet. Freiheit ist existenziell. Todesmutige Frauen auf der Welt riskieren ihr Leben nicht für kindische Albernheiten, um schneller als 130 fahren zu dürfen. " Meier lebt in München.

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    Buchvorschau

    In Teufels Hölle! Gegenwartskrimi in Zeiten von Corona. - Werner Meier

    1

    Seit Morgengrauen folgte er den Spuren des einsamen Wolfs durchs Niemandsland. Als er zwischen den Bäumen heraus auf die Lichtung trat blendete ihn die inzwischen hochstehende Sonne. Sekunden, bis er wieder klarsehen konnte. Er stand vor ihm, vielleicht 15 Meter entfernt, schätzte er, während sein Puls in die Höhe ging. Der Graue stand da angewurzelt, wie er. Sie starrten sich in die Augen. Langsam nahm er das Gewehr von der Schulter…

    Er hatte den Einsamen nie erschießen wollen, hätte nicht sagen können, warum er seinen Spuren überhaupt gefolgt war. Eigentlich patrouillierte er im Auftrag der Polizei nach Flüchtenden auf der Westroute über den inneren Balkan, von Griechenland über Nordmazedonien und Serbien. In unregelmäßigen Abständen. Es gab noch die Ostroute von der Türkei über Bulgarien und Rumänien die Donau aufwärts nach Serbien. Beide Routen waren wenig erfolgversprechend, trotzdem schafften es immer wieder welche, angetrieben von nacktem Überlebenswillen. Er ging seinem derzeitigen Job halbherzig, widerwillig nach, froh nur, dass er noch nie auf welche dieser verzweifelten Menschen getroffen war. Was hätte er mit ihnen tun sollen? Sie zurücktreiben in die Hölle? Jeder wusste um die fürchterlichen Zustände in den Lagern. Moria auf Lesbos war eines der unmenschlichsten gewesen. Vor fast einem Jahr, in der Nacht auf den 9. September 2020 hatten junge Männer aus Afghanistan das Lager angezündet. Der letzte verzweifelte Akt, Zuständen schlimmer als der Tod zu entkommen. Durch das Feuer waren 12.600 Menschen obdachlos geworden, ein Teil war auf das griechische Festland gebracht, für rund 7800 Menschen ein provisorisches Zeltlager an der Küste in der Nähe des bereits bestehenden Lagers Kara Tepe errichtet worden. Inzwischen hatten sie an anderer Stelle ein modernes Moira gebaut. Ein Hochsicherheitsgefängnis mit Stacheldrahtrollen obenrum.

    Er legte das Gewehr auf den Wolf vor ihm an, um ihm zu zeigen was Sache war. Wenn es sein musste…

    Der im Überleben erfahrene Graue wusste was ein Gewehr war. Abrupt drehte er auf den Hinterläufen eine elegante Pirouette und hetzte davon. Sein Verfolger sah jetzt, dass er vor dem Felsbrocken nach etwas gegraben hatte. Der Jäger hatte einen Klappspaten in seinem Rucksack. Eine Viertelstunde später bekam er grausige Klarheit darüber wonach der Wolf gegraben hatte. Er hatte den Leichnam gewittert und gierig das Grab öffnen wollen.

    ***

    Der Wetterdienst hatte ab Nachmittag vor Böen mit Geschwindigkeiten um die 60 km/h gewarnt. Freitagmittag drückte dieser 24. September mit 15 Grad bewölkt, aber noch wenig windig auf das Machtzentrum in Berlin. Büroflügel mit verglasten Wintergärten flankierten den Kubus des Kanzleramtes, mit verglasten Sichtbetonfassaden auf der Eingangsseite und zum Kanzlergarten hin. Ein Baldachin aus weißem Sichtbeton hing im unteren Bereich der vorderen Fassade, und der Ehrenhof, in dem Gäste aus aller Welt empfangen wurden, glich einer riesigen Bühne, tragende Säulen erweckten den Eindruck eines antiken Theaters. Das Foyer war von Tageslicht durchflutet, wellenförmige Decken und raumgreifende Treppen führten durch das Gebäude, wo irgendwo auch Muttis Hausdrachen hauste. Wie andere sie hausintern nannten. Flüsternd, hinter vorgehaltener Hand. Der weiche Mund tarnte ihr Durchsetzungsvermögen. Ein ausgeprägtes Grübchen am Kinn gab einen Hinweis darauf. Ihr graues Haar saß wie ein Helm auf ihrem schmalen Kopf. Dicke Brillengläser täuschten altjüngferliche Naivität vor, strahlend blaue Augen herzliches Entgegenkommen, ihre blütenweiße Kragenbluse mit Rüschenknopfleiste unter dem dunkelblauen Blazer wirkte bieder. Dazu trug sie einen dunkelgrauen glatten knielangen Rock. Sie war 57, einsvierundfünfzig klein in ihren schwarzen Pumps mit niedrigen breiten Absätzen. Ihr Ego hatte es nicht nötig, sich sichtbar größer zu machen. Kaum jemand wusste, was sie als Sonderberaterin der Kanzlerin wirklich tat. Die sie wegen ihrer zierlichen Erscheinung nicht ernst genommen hatten, hatten meist keine Zeit bekommen, ihre Fehleinschätzung zu korrigieren.

    Noch zwei Tage bis zur Bundestagswahl. Es sah schlecht aus für die Union! So, oder so, die Chefin und sie hockten quasi schon auf gepackten Koffern. Und die Katze war noch nicht mal aus dem Haus, da tanzten die Mäuse schon auf dem Tisch. Bei ihrer Unterredung mit der Kanzlerin bis vor zehn Minuten hatte sie die auf die besorgniserregende Entwicklung hingewiesen.

    „Hören Sie wieder mal das Gras wachsen?"

    Hatte die Chefin geantwortet, mit dem feinen ironischen Unterton, den M inzwischen sicher heraushören konnte. Natürlich sah auch die Chefin die Geier aus den eigenen Reihen kreisen, lauernd auf Machtübernahme und künftige Kursbestimmung der Partei, alte weiße Männer mit verstaubten Betonköpfen und heißhungrige Wölfe aus dem Parteirudel. Sie gaben sich beim Chefredakteur der meistgelesenen Boulevardzeitung im Land die Klinke in die Hand und schaukelten sich in apokalyptische Wahnvorstellungen vom Untergang der Republik durch einen Linksrutsch hoch. Der neu gegründete Fernseh-Sender kam daher wie ein Klon von Fox News. Mit Medienpromis auf Aufmerksamkeitsentzug faselten sie angeblich um die Demokratie besorgt vom Abbau bürgerlicher Grundrechte. Und befeuerten so durch die offene Hintertür die Schwurbler. Noch hemmungsloser agierten Putins Staatssender. Die deutschsprachigen Formate betrieben gezielt Desinformation über Impfungen. Der Hit bei hiesigen Russlanddeutschen. Wogegen Putins Sender im eigenen Land genau das Gegenteil propagierten und zum Impfen aufforderten.

    Aus eigenen Reihen bildeten sich unheilige Allianzen des mächtigsten Medienchefs mit Ex-Parteigranden, die es wieder, und mit Nachdränglern aus dem Rudel, die es erst werden wollten, die gerade erst vom Blut der Macht leckten. Die Miene der Chefin hatte ihr verraten, dass sie längst auch die Kräfte der Partei geortet hatte, die in ihrer Wahlumfragen-Panik jetzt mit allen Mitteln versuchten, Ängste ins derzeit dafür immer empfängliche Volk zu transportieren. Auch Bayern-Markus war ins alte Muster umgeschwenkt und baute mit am Popanz der linken Gefahr. In mehreren Parteien kreiste schon der Witz, seine geliebten Bienen wären inzwischen auf der Flucht, und bayerische Bäume wollten sich gegen seine Umarmungen impfen lassen.

    Weder M noch die Chefin sahen linke Satanisten am Werk, dagegen deutlich die eigene Partei mit einem Ruck nach rechts außen driften.

    „Das ist nicht das Land, die Sie nach sechzehn Jahren Amtszeit sehen wollen! Den Verrat an Ihrem Erbe!"

    Sie hatte die Chefin vor den Kumpaneien mit Chefredakteur Kevin Ritter gewarnt.

    „Es ist gefährlich, wenn welche unserer grauen Eminenzen und Jungwölfe auf seinem Schoß sitzen."

    „Könnten Sie weniger kryptisch sein und deutlicher werden."

    Hatte die Chefin sie in einem Anflug von Verärgerung aufgefordert.

    „Das Damoklesschwert seiner Triebhaftigkeit und des Machtmissbrauchs pendelt immer noch über ihm und dürfte in Bälde auf ihn fallen."

    Hatte M ihre Gräser flüstern hören. Nicht nur nebenbei hatte sie auch die ungute Verehrung aus erster Reihe für den Austria-Kollegen angemerkt.

    „Der Bubenkanzler ist eine tickende Zeitbombe. Jede Nähe zu ihm kann uns auch noch gewaltig auf die Füße fallen. Ich weiß noch nichts Genaues! Aber ich habe Anzeichen dafür, dass eine verheerende Lawine auf den Österreicher zurollt. Die Frage ist noch, wie weit sie rollt, und wen sie mitreißt."

    „Sie haben wirklich ihren kryptischen Tag heute."

    Die Kanzlerin hatte die Stirn gefaltet, M diesmal aber nicht aufgefordert, deutlicher zu werden. Zweifellos hatte sie verstanden, dass die Anspielung auf unverhohlene Verehrung des Österreichers in ihren eigenen vorderen Parteireihen zielte. Die Chefin hatte die Unterredung beendet.

    „Behalten Sie die Entwicklung der Dinge im Auge. Solange wir noch hier sind."

    War das jetzt nur unaufgeregt wie immer war, oder schon fatalistische Resignation, hatte M sich gefragt. Wie sie die zwischendurch an der Chefin angesichts der Coronalage manchmal zu erkennen glaubte, wenn sie mit ihren Warnungen wieder mal gegen Betonköpfe anrannte. Aber sie neigte nun mal auch nicht zu Aufgeregtheiten, was sie bei verschiedenen eigentlich angebrachten Anlässen gerne mal begründete.

    „Meine Aufgabe ist es, Lösungen zu finden. Würde es mich einer Lösung näherbringen, wenn ich mich aufrege, würde ich mich aufregen."

    Was in einem Satz gleichzeitig den politischen Stil der Chefin beschrieb, der Freund wie Feind gleichermaßen auch zur Verzweiflung treiben konnte. Sah sie keine Lösung eines Problems tat sie gar nichts, legte es in die Warteschleife und versuchte, es erstmal auszusitzen. M fragte sich, ob sie die Chefin zum Ende hin mal aufgeregt erleben dürfte. Gegenüber mancher Ignoranten in der eigenen bräsigen Partei!

    Sie hatte der Chefin nicht alles gesagt, nicht, dass gerade Leichen im Keller auferstanden, auch aus ihrem Keller! Im unheilschwangeren Gefühl, dass das mal passieren könnte, hatte sie immer noch ein Auge auf Heiligbrück im bayerischen Hinterland.

    Jetzt war es passiert!

    Sie hatte es heute Morgen als schwarz umrandete aktuelle Meldung in Teufels online-Monatsmagazin gelesen, und online den noch nicht viel längeren Bericht in der Heiligbrücker Zeitung.

    Sepp Teufel war tot! Gestern erschossen mit einem Armbrustpfeil! Mitten ins Herz!

    Der Vorbote, dass die jüngste Vergangenheit sie jetzt zum Ende hin noch einholen wollte, hatte sich vorgestern schon gemeldet, mit unerwarteter Post von Gideon Maria Sonnenschein aus Portugal.

    Ein alter Wolf hatte im griechischen Niemandsland eine verweste Leiche angegraben. Der ausgeschnittenen Meldung aus einer griechischen Zeitung war eine handschriftliche Notiz beigelegt.

    Hallo M. Kontaktieren Sie mich nicht! Beiliegende Information ist alles, was ich für Sie tun werde! Nur, um die Sache von vorletztem Sommer abzurunden.

    Sie hatte mit ihrem Undercover-Ex-Mann für alle Fälle schon mal neuzeitlicher kommuniziert, auf sicherer Videoleitung. Das waren noch andere Zeiten gewesen.

    Die Sache von vorletztem Sommer…

    Danach hatte sie bis jetzt keinen Kontakt mehr zu Sonnenschein gehabt. Vor seiner Abreise damals aus Heiligbrück hatte er der Klatschbase der Lokalzeitung noch ein Interview gegeben und wie nebenbei die Kanzlerin ins Spiel gebracht, ihre persönliche Widmung in einem seiner Reiseromane. Mit ihrer bloßen Erwähnung war er für M verbrannt, hatte sie ihm unverblümt mitgeteilt. Sein süffisantes Lächeln dazu hatte ihr genug gesagt. Seine Erwähnung ihrer Chefin war kein Versehen gewesen. Nach zehn Jahren war er ihr elegant vom Haken gegangen. Ironischerweise hatte er die Kanzlerin nie persönlich kennengelernt. M hatte ihm die Widmung besorgt, die nicht so persönlich war, dass er daraus hätte schließen können die Kanzlerin wüsste von seinen Einsätzen. Sie hatte Sonnenschein darüber immer im Unklaren gelassen. Wie sie auch öfter vergaß, die Chefin in ihre Operationen einzuweihen, zumindest im Detail. Wie sie dachte ganz im Sinne der Chefin. In all den Jahren hatte die nie Anstalten gemacht, sie zu duzen, immer höfliche Distanz gehalten. Vertraute ja, Vertraulichkeiten nein. Also wollte die Chefin sagen tun Sie was nötig, aber informieren Sie mich nur über das Nötigste. Worüber die Kanzlerin nichts wusste, darüber würde sie nicht lügen müssen, sollte beispielsweise mal eine heikle Sonnenschein-Operation auffliegen und im worst case vor einem Untersuchungsausschuss landen. Libyen fiel ihr dazu ein, Sonnenscheins heimlich aufgenommenes Video von einem Sklavenmarkt, auf dem afrikanische Flüchtlinge aus einem Lager verkauft wurden. Für 1.000 Dollar und mehr „das Stück". Er hatte ihr das Video übermittelt, sie sich auf Nachfrage Tage später dumm gestellt.

    „Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Sonnenschein."

    Der USB-Stick lag immer noch bei ihr in einer Schublade, ohne dass die Kanzlerin Sonnenscheins Aufnahmen je gesehen hatte. So hautnah wollte man es nicht wissen, hatte Sonnenschein ihre sich dumm stellende Antwort auf sein Nachhaken richtig verstanden. Man bezahlte Verbrechermilizen und lieferte ihnen bewaffnete Schnellboote, um Flüchtlinge vom Meer in die Sklavenlager zurückzutreiben. Immerhin bauten und bestückten Deutsche KZs nicht mehr selbst, ließen von dort Geflohene nur wieder zurück verschleppen. Natürlich wusste die Kanzlerin Bescheid, ihr dazu ein Sklavenhandel-Video zukommen zu lassen, wäre in Ms Augen kontraproduktiv gewesen, wäre der Vorgang öffentlich geworden. Und das wurden solche Vorgänge früher oder später immer.

    Der Hauch eines wehmütigen Lächelns flüchtete über ihre Lippen, während sie sich elf Jahre zurückerinnerte, als sie den vielversprechenden Diplomaten Sonnenschein für sich zwangsrekrutiert hatte. Seit damals in London hatte sie ihn am Haken. Eine Mrs. Coralin Shoemaker hatte eine DVD zu Sonnenscheins Händen geschickt. Er sollte wissen, was seine Frau mit ihrem Mann triebe. Mrs. Shoemaker hatte einen Privatdetektiv auf ihren Mann angesetzt, und der war erfolgreich gewesen. Auf seinem Film war ein nacktes Paar in Aktion zu sehen, nackt, bis auf eine Queenmaske der Frau, während der Mann Prinz Philip gab. Buckingham wäre not amused gewesen über eine Hardcore-Pornosoap mit den naked Royals in den Hauptrollen, die mit schwitzenden Körpern den Windsor-Knoten nachstellten. Die Stellung stand nicht mal im Kamasutra. Ein Wunder, dass Lizzy und Philip nach dieser menschlichen Kernschmelze mit heilen Gliedern wieder auseinandergekommen waren. Leider hatten sie danach vor der versteckten Kamera noch keuchend die Masken abgenommen und Prinz Philip sich als Mr. Shoemaker, und die Queen-Darstellerin sich als Ehefrau Trudi des deutschen Botschaftsattachés Gideon Maria Sonnenschein entlarvt.

    Sonnenschein hatte sich ihr seiner damaligen Botschafterin anvertraut, sie kühl seinen Auftrag zur Schadensregulierung formuliert.

    „Sie werden sich Missis Shoemaker nähern. Wunden lecken von Gehörntem zu Gehörnter. Legen Sie Mrs. Shoemaker flach, Sonnenschein! Es geht um nationale Sicherheit."

    Mrs. Shoemaker hatte ihre Gekränktheit an der Hotelbar vom Excelsior in Bourbon ertränkt, war jetzt selbst anfällig für erotische Fallensteller. Und durchaus auch filmreif, hatte Sonnenschein ihr vorgeführt, nachdem er sie weisungsgemäß flachgelegt hatte. Im inzwischen verwanzten Zimmer, das Mrs. Shoemaker seit dem dokumentierten Fehltritt ihres Gatten belegte. Sie stammte aus einem US-Städtchen mit sehr puritanischer Gesinnung. Dort kamen zwar Kids leicht an Pumpguns, aber Mom und Dad konnten vor Gericht landen, wenn sie es in der Hundestellung trieben oder sich nur gemischt in einer Sauna zeigten. Sonnenschein hatte Mrs. Shoemaker mit dem Streifen überzeugt, von weiterer Verbreitung des Windsor- Pornos Abstand zu nehmen.

    Die antike Duellpistole auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers war dann dummerweise geladen gewesen, als Trudi sie sich gegriffen hatte. Sie hatte höher mittig gezielt, ihn dabei aber ins Knie getroffen, nachdem er ihr seinen Abschied vom diplomatischen Dienst und als Sahnehäubchen seine Scheidungsentscheidung mitgeteilt hatte.

    M, wie Sonnenschein seine Botschafterin in bissiger Anspielung auf James Bonds Chefin jetzt nannte war danach zu besonderen Aufgaben ins Kanzleramt berufen worden. Bald hatte sie ihm das Angebot gemacht, künftig freiberuflich für sie zu arbeiten. Ein Angebot, das er schlecht hätte ablehnen können.

    „Sie stecken schon zu tief mit drin, Sonnenschein."

    Hatte M ihm klargemacht und ihm seinen neuen Job definiert.

    „Ich schicke Sie nie irgendwohin, Sonnenschein. Sie reisen in spannenden Ländern herum, schreiben spannende Bücher darüber und liefern mir interessante Erlebnisse am Rande, die ich bei Bedarf für die Kanzlerin auswerten werde und Sie in Ihren Büchern tunlichst nicht erwähnen werden. Hie und da bescheiden honoriert werden Sie aus unserem Berateretat. Operativ gibt es Sie für mich nicht."

    Weshalb ihr persönlicher Agent für keinen Kontrollausschuss geheimdienstlicher Tätigkeiten existierte.

    Sonnenschein hatte freundlicherweise noch die Übersetzung des Zeitungsausschnitts mitgeliefert, da M nicht griechisch konnte. Ein Jäger war dem einsamen Wolf auf der Balkanroute gefolgt und durch ihn auf ein Grab gestoßen. Mit einer stark verwesten alten Frau. Beiliegende Dokumente identifizierten sie als Ayeesha Beshrami aus Idlib/Syrien, zuletzt geflüchtet zusammen mit ihrer Enkelin Razan aus dem Lager Moria auf Lesbos.

    Der Jäger hatte das Grab schon am 17. August gefunden, erst Wochen danach hatte die tote Frau es als Meldung in eine überregionale griechische Zeitung geschafft. Wen kümmerte eine Flüchtende, die unterwegs gestorben war. Es konnte nicht einmal jemand sagen wann die beiden Syrerinnen aus Moria verschwunden waren. Niemand hatte sie vermisst. Vielleicht hatte Corona-Angst im Lager Moria Großmutter und Enkelin letztendlich in die Flucht getrieben. Die zynische Ironie war, dass Corona sich in den Lagern wie im Schlaraffenland ungehemmt durch ungeschützte Menschenmassen fraß, die Pandemie gleichzeitig das Elend der Menschen aus dem öffentlichen europäischen Bewusstsein verbannt hatte. Corona fokussierte mediales und politisches Interesse auf die jeweils eigene Bevölkerung. Auslöser für Ayeeshas und Razans Flucht konnte auch eine niederschmetternde Nachricht gewesen sein, die sie um die Zeit von Ayeeshas Tochter und Razans Tante Sibel aus Heiligbrück aufs Handy gekriegt haben mussten: Die Ablehnung von Sibels Antrag auf Familiennachzug von Mutter und Nichte. Sie waren nur noch drei von 13 einer syrischen Familie aus der Gegend von Idlib, zehn von ihnen umgekommen in Bombenhagel, oder vom IS ermordet, darunter Ayeeshas Mann und der Sohn, Razans Eltern und Sibels Mann und Tochter. Sibel hatte nur noch Mutter und Nichte gehabt, und die beiden nur noch sie.

    Was immer der Fluchtgrund gewesen war, vermutlich hatten Ayeesha und Razan einen Schlepper gefunden, oder einer hatte sie angesprochen, ihnen alles abgenommen was für ihn von Wert war, sie danach aufs Festland gebracht, zu einer abgelegenen Stelle geführt und dort ihrem Schicksal überlassen. Ausgerüstet höchstens mit einer groben Skizze übers Weiterkommen. Weit gekommen war die alte Frau nicht, dürfte nach Ms Einschätzung mit ihrer Enkelin höchstens vier, fünf Tage unterwegs gewesen sein. Von der Inkubationszeit her gut möglich, dass sie sich im Lager mit dem Virus angesteckt und auf der Flucht nicht nur an purer Erschöpfung, sondern an Covid 19 gestorben war. Aber wer wollte das wissen? Die griechischen Behörden nicht, die EU schon gar nicht.

    Ayeesha Beshramis Leiche war ohne forensische Untersuchung verbrannt worden.

    M holte den USB-Stick vom vergangenen Jahr aus der Schublade. Das Video hatte Datums- und Zeitstempel vom 13. April 2020, 14.36 Uhr. Die bis auf das Gesicht schwarz verhüllte Frau hockte auf einem Felsbrocken im weißen Schnee. Sie sah uralt aus, obwohl erst Mitte 60. Gnadenloses Leben hatte sie um wenigstens ein Vierteljahrhundert voraus altern lassen. Die Großaufnahme gab keinen Hinweis auf mehr Landschaft um sie herum, auch nicht darauf, wie viele Menschen noch mit ihr unterwegs waren. Sie hockte da wie selbst versteinert und redete. Monoton, kraftlos. Das Gesicht unter dem Kopftuch war bleich wie der frisch gefallene Schnee und ausgezehrt um die dunklen tief liegenden Augen. M konnte, musste der alten Frau im Schnee dabei zusehen, wie sie mit Leben aufhörte, irgendwo im Nirgendwo. Sie hatte sich zum Sterben auf den Felsbrocken gehockt und schickte letzte Grüße an Tochter Sibel in Heiligbrück. Enkelin Razan hatte das Video mit ihrem Handy aufgenommen, ihre Großmutter an Ort und Stelle betrauert, sie sicher noch selbst beerdigt, sich danach auf grob geschätzte eineinhalb tausend Kilometer zu ihrer Tante ins bayerische Hinterland gemacht. Dass sie es geschafft hatte, glich einem Wunder. Durch die europäische Flüchtlingsabwehr und während harter Corona-Lockdowns. Ein 17jähriges Mädchen mit unbändigem Willen, mittellos und allein über drei Monate durchs östliche Europa unterwegs. Eine Reise durchs Fegefeuer. Endlich am Ziel angekommen war Razan direkt in der Hölle gelandet!

    Samstag den 18. Juli 2020 hatte der Fluss in den Auen von Heiligbrück eine Mädchenleiche ins Morgengrauen gespuckt!

    Bekleidet nur mit einem Hauch weißer Spitzendessous und einem durchsichtigen Negligé. Sexorgie mit Jungfleisch

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