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Market Gardening & Agroforst: Von Gemüse und Bäumen, Grundlagen und Vorbildern oder: Wie du mit Bäumen deinen Gemüsebetrieb super resilient machst
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Market Gardening & Agroforst: Von Gemüse und Bäumen, Grundlagen und Vorbildern oder: Wie du mit Bäumen deinen Gemüsebetrieb super resilient machst
eBook413 Seiten3 Stunden

Market Gardening & Agroforst: Von Gemüse und Bäumen, Grundlagen und Vorbildern oder: Wie du mit Bäumen deinen Gemüsebetrieb super resilient machst

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Über dieses E-Book

Mit Gemüsepower und Bäumen in eine nachhaltige Zukunft: die Welt braucht mehr Market Gardener

Du liebst deinen Garten, das Anbauen, Pflegen und Ernten ist deine große Leidenschaft. Du freust dich über die Vielfalt, über jede krumme Gurke und unförmige Karotte, die du aus der Erde ziehst, weil du weißt: sie werden deine Geschmacksknospen förmlich zum Explodieren bringen. Und weil du sowieso immer zu viel von allem hast, teilst du das knackige Gemüse, die duftenden Kräuter und die süßen Beeren mit Freunden und Familie. In deinen Träumen siehst du dich selbst hinter einem Marktstand stehen oder quer durch die City, dein Dorf oder den Landkreis düsen, um deine Gemüsekisten zu verteilen. Oder bist du einfach nur neugierig und möchtest ganz locker etwas mehr über das Thema Market Gardening erfahren? Wo es herkommt und was genau dahintersteckt, was es mit biointensivem Gemüseanbau auf sich hat und wie ein Agroforstsystem aussieht? So oder so: Du bist hier genau richtig.

Vogelgezwitscher und Grabegabel statt Motorengeheul und jede Menge Bäume
Du siehst das Gemüse vor lauter Bäumen nicht mehr? Dann bist du schon mittendrin in der Agroforstlandwirtschaft. Ein weiterer Schritt in eine lebenswertere Zukunft ist diese Art der regenerativen Landwirtschaft. Leon Schleep integriert Bäume und Sträucher in den Gemüseanbau. Denn: Bäume sind die besten und natürlichsten CO2-Speicher, sie sind gut für den Klimaschutz, schützen den Boden besser vor Erosion und stärken die biologische Vielfalt. Und: Sie lassen sich perfekt mit Marktgärtner-Systemen verbinden. Bäume und Sträucher bieten dem Gemüse nicht nur Schutz vor Wind, sie sind auch eine willkommene Unterkunft für Nützlinge und erweitern zudem die Produktpalette der Gemüsekiste durch saftig-knackiges und süßes Obst. Wie du ein Agroforstsystem selbst anlegen kannst, was du dabei beachten musst und welche Bäume sich in deinem Garten eignen, findest du in diesem Buch heraus. Der Autor hat mittels Crowdfunding sein eigenes Market-Gardening-Business "Gemüseinsel" gestartet, das er nach und nach mit Bäumen und Sträuchern ausstattet. Er nimmt dich mit auf seine Reise und lässt dich an seinem Weg zur ersten Gemüsekiste teilhaben.

Ärmel hochgekrempelt und rein ins Gemüsebeet und Gebüsch
Du bist nun mit der Theorie vertraut? Dann steht deinem eigenen Marktgärtnerei-Betrieb nichts mehr im Weg. Mach deine Träume wahr, mach dich selbstständig und vor allem: unabhängig. Versorge die Menschen in deinem Umfeld Woche für Woche mit knackfrischem, saisonalen und mit Liebe aufgezogenen Lebensmitteln. Oder du schaust dir vorher noch an, wie es andere gemacht haben: Rund um die Welt gibt es noch so viele andere Vorbilder, die sich ihren Traum vom eigenen Gemüseunternehmen erfolgreich erfüllt haben, wie zum Beispiel Jean-Martin Fortier, hat der Autor einige von ihnen besucht und interviewt. Die Marktgärtner*innen erzählen von ihren Erfolgen und Misserfolgen, von Fehlern und unterschiedlichen großen Portionen Glück. Und jetzt? Schnapp dir Schaufel und Grabegabel und pflanz dein eigenes Bäumchen. Die Anleitungen dafür liefert dir Leon Schleep.

- Wenig Platz, viel Gemüse: Hier lernst du die besten Anbaumethoden kennen (100 % bio, eh klar!), erfährst alles zum Thema Market Gardening und wie du richtig viel Ernte abstaubst.
- Ready for change? Bye-bye Büroalltag – hallo Freiluft-Business! Planen, tüfteln, anpacken … raus aufs Feld, Gemüse anbauen – und: verkaufen. So startest du dein Unternehmen!
- Sehnsucht nach Austausch und danach, mal in andere Projekte reinzuschnuppern? Lass' dich von Vorreiter*innen rund um die Marktgärtnerei inspirieren.
- Mit 8 Pflanzanleitungen: Von simpel und schmal bis obstig und nussig – pflanz dir dein eigenes Bäumchen in deinen Garten mit 8 unterschiedlichen Beispielplanungen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juni 2022
ISBN9783706629195
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    Buchvorschau

    Market Gardening & Agroforst - Leon Schleep

    Auf der Suche nach zukunftsfähigen Alternativen für die Landwirtschaft: Vorwort

    Die Menschheit und somit die Landwirtschaft stehen vor großen Herausforderungen: Klimakrise, bedrohte Artenvielfalt, Höfesterben, Hungerkrisen uvm. Die Landwirtschaft ist davon am direktesten betroffen, da sie auf eine vielseitige und intakte Umwelt angewiesen ist, um ihre vielfältigen Funktionen auszubilden, die das (Über-) Leben der Menschen ermöglichen. Die aktuelle, seit Jahrzehnten vorherrschende industrielle Landwirtschaft trägt oft zur Verschärfung der genannten Krisen bei, indem sie versucht, durch wachstumsorientierte Kosteneffizienz und technischen Fortschritt diese Krisen beherrschbar zu machen. Den Landwirt*innen bleibt oft nur ein „Wachsen oder Weichen". Dabei weiß die Landwirtschaft eigentlich besser als jeder andere Wirtschaftszweig, dass es kein Wachstum ohne Grenzen gibt: Wenn Getreide zu stark gedüngt wird und zu stark wächst, bricht es zusammen, die Ernte wird schlechter. Daher braucht es Alternativen.

    Das vorliegende Buch versammelt viele innovative Ansätze, die zur Lösung der genannten Krisen beitragen können. Sie sind oft in der Erprobung und bieten viele Potentiale zur kreativen (Weiter-)Entwicklung. Leon hat aus seinem Studium der Ökologischen Agrarwissenschaften heraus seine vielen Interessengebiete aktiv weiterentwickelt, sodass mit diesem Buch wichtige Impulse zum Ausbau vielfältiger Strategien für eine klimagerechte, arten- und ertragreiche sowie lebensfrohe und sozial gerechtere Landwirtschaft gegeben werden.

    Rüdiger Graß

    Universität Kassel-Witzenhausen

    illustration

    Von altem und neuem Wissen und überhaupt: Tauch ein in die vielfältige Welt der Marktgärtnerei

    Die Marktgärtnerei boomt. Kein Wunder. Die Menschen beginnen immer mehr ihr Konsumverhalten zu hinterfragen und wollen wissen, woher ihre Lebensmittel kommen, wie und unter welchen Bedingungen sie produziert werden. Deshalb ist das Market Gardening schon lange kein Nischenthema mehr. Woche für Woche für Woche werden bunt gefüllte Gemüsekisten ausgeliefert, abgeholt oder vor Haustüren abgestellt. Krumme Gurken, unförmige Karotten und maximale Vielfalt – die sich in dieser kleinen Kiste auf so vielen Ebenen widerspiegelt: in der Menge, in Aussehen und Geschmack. Die knallorange Snackpaprika ist an Süße nicht zu überbieten, der Rucola schmeckt so nussig, herb und intensiv, das haben deine Geschmacksknospen noch nie erlebt.

    Und aktuell wird auch das Thema Agroforstwirtschaft immer präsenter. Besonders im Kontext der regenerativen Landwirtschaft wird sie immer bedeutsamer. Doch Informationen zur Kombination von Agroforstwirtschaft mit dem Gemüsebau sind leider spärlich gesät. Das wollen wir ändern. Denn: Ohne die Leistung der Bäume wäre unser globales Ökosystem kaum vorstellbar. Sie produzieren Sauerstoff und sind neben Ozeanen und Böden einer der größten CO2-Speicher. Kurz: Sie sind gut für den Umweltschutz und bremsen die Klimakrise. Und wie man nun Gemüseanbau und Agroforstwirtschaft miteinander kombiniert, um das Bestmögliche rauszuholen, erfährst du in diesem Buch. Bist du bereit, in die unglaubliche Welt von Gemüse und Bäumen einzutauchen? Dann los!

    Der Beginn einer Reise

    Was du gerade in deiner Hand hältst, ist das Ergebnis einer Reise – einer Recherche-Reise. Aber gleichzeitig ist es auch eine Zwischenstation meiner eigenen Reise. Themen wie Ökologie und Umweltschutz haben mich schon seit meiner Schulzeit begleitet und waren immer sehr wichtig für mich. Während meiner Abiturzeit war ich der festen Überzeugung, dass mich dieses Interesse in die Politik oder zu NGOs führt. Doch wie meistens im Leben kam alles anders. Die freie Zeit nach der Reifeprüfung nutzte ich für eine lange Reise. Zusammen mit einem Freund ging es ab in die Ferne. Wir reisten durch den Norden Amerikas und uns war klar, dass wir mit unserem Geld gut haushalten mussten. Wir hatten von dem Konzept des Wwoofens gelesen und sahen darin unsere Chance, sehr effizient Zeit an einem Ort zu verbringen, ohne viel Geld auszugeben. Wwoofen steht für World-Wide Opportunities on Organic Farms. Dabei handelt es sich um ein weltweites Netzwerk, bei dem freiwillige Helfer*innen auf Biobauernhöfen oder Selbstversorgerhöfen mitarbeiten können – also Freiwilligenarbeit gegen Kost und Logis. Genau so haben wir uns die Reise vorgestellt: mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, zu erfahren, wie die Locals leben, kostenlos wohnen und essen und dafür mit anpacken. Und so schlossen wir auch recht schnell mit den Gärtner* innen eines kleinen Gemüsehofs Bekanntschaft.

    Wir hatten beide keine Erfahrung im Gemüsebau und waren deshalb umso mehr begeistert von dem, was die kommenden Wochen zu bieten hatten. Täglich aßen wir nur das knackigste, frischeste und geschmacksintensivste Gemüse, das wir bisher in unserem Leben gekostet hatten. Viele junge Leute gingen ein und aus. Die beiden Hofgründer*innen waren selbst erst Mitte 20. Es war eine tolle Stimmung auf dem Hof und wir fühlten uns gleich super integriert. Wir säten, pflanzten, ernteten und hatten einfach eine fantastische Zeit. Nach einiger Zeit des Umherreisens kamen wir wieder und verbrachten noch einmal zwei Monate dort. In dieser intensiven Zeit wuchs in mir der Gedanke, dass so ein Leben auch in meiner Zukunft liegen könnte. Der Kontrast zwischen der reinen Vorstellung eines Gärtner* innenlebens und der puren, oft harten Realität war es, der mich so begeisterte. Denn obwohl ich vom Land komme, konnte ich mir bis dahin nicht viel unter einem landwirtschaftlichen Leben vorstellen.

    illustration

    Zocalo Organics in Kanada war der Hof, auf dem ich zum ersten Mal mit dem Gemüsebau in Kontakt gekommen bin … und der mir meinen zukünftigen Weg wies.

    Nach der Reise begann ich dann ein Studium im Bereich der Geisteswissenschaften in Hamburg. Eine große, laute Stadt. Auch wenn ich meine Studienfächer mochte, schwelgte ich nach wie vor in Erinnerungen an die Zeit auf dem Hof. Bis ich einen Entschluss fasste: Ich packte meine Sachen und zog nach knapp einem Jahr von der zweitgrößten Universitätsstadt Deutschlands in die kleinste: Witzenhausen. Ein nettes Städtchen im Norden Hessens.

    Jetzt hieß es: Bye-bye Geisteswissenschaften, hallo Ökologische Landwirtschaft. Ein starker Kontrast, aber auf jeden Fall die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit.

    Im zweiten Semester stieß ich auf das Buch „The Market Gardener" von Jean-Martin Fortier und las es in einem Zug durch. Da wurde mir klar, dass auch der Gemüsehof, auf dem ich während meiner Reise gearbeitet habe, sehr viele dieser Praktiken umsetzte. In den kommenden Monaten und Jahren verschlang ich alle Bücher zum Thema, die mir zwischen die Finger kamen. Da wurde mir bewusst, dass das Thema Market Gardening immer größeren Anklang fand, auch im deutschsprachigen Raum. Die Marktgärtnerei rückte mehr und mehr in den Fokus der öko-gärtnerischen Öffentlichkeit. Und auch mich packte die Faszination.

    Zu dieser Zeit gründeten ein paar Kommiliton*innen eine Arbeits- und Diskussionsgemeinschaft, die sich mit dem Thema regenerative Landwirtschaft auseinandersetzte. Der Gruppe bin ich auch beigetreten, und wir diskutierten über Anbaupraktiken im Speziellen, aber auch über die Zukunft der Landwirtschaft generell. Dort kam ich das erste Mal mit der Agroforstwirtschaft in Berührung. Wir waren uns alle einig: Diese Art der Landwirtschaft wird ein großer Teil der Agrarwende sein. Mich zogen beide Systeme gleichermaßen in ihren Bann – Marktgärtnerei und Agroforstwirtschaft. Das führte dann auch dazu, dass ich meine Abschlussarbeit der Symbiose dieser Themen widmete. Mein Dozent schlug mir damals vor, darüber ein Buch zu schreiben, da das Thema im deutschsprachigen Raum noch nicht sehr weit verbreitet war. Da ich zu dieser Zeit bereits mitten in der Planung unseres eigenen Gemüsebetriebs, der Gemüseinsel (dazu erzähle ich dir später ab S. 12 mehr), steckte, war ich zunächst einmal abgeneigt. Wie sollte ich denn einen Betrieb aufbauen und nebenbei ein Buch schreiben? Und als Nächstes stellte ich mir auch die Frage: Ist es überhaupt legitim, ein Buch über das Gärtnern zu schreiben, während ich selbst gerade erst dabei bin, meine eigenen Erfahrungen zu sammeln? Und dann erinnerte ich mich an ein Buch von Andrew Mefferd, „The Organic No-Till Farming Revolution". Darin skizzierte er seine Recherche-Reise, die ihn zu verschiedenen Höfen führte, die bereits ein Anbausystem ohne Pflug und Fräse eingeführt hatten. Erst gab er einen theoretischen Unterbau und dann ließ er die Praktiker*innen sprechen, die schon all die Erfahrung gesammelt hatten, die er noch nicht hatte. Es war grandios, so viele Perspektiven zu diesem Thema so konzentriert präsentiert zu bekommen. Dieses Konzept erinnerte mich an meine eigene Situation. Ich hatte mich in den letzten Monaten durch allerlei Bücher, Studien und Berichte geackert und darüber sogar eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben. Ich kannte mich also gut aus und wusste, wonach ich suchen musste. Und durch die Stimmen der Praktiker*innen konnte ich eine Bandbreite an Ideen, Wissen und Konzepten darstellen, die weit über das hinausgeht, was ich aus meiner Erfahrung berichten hätte können, selbst wenn ich schon zehn Jahre Agroforst betrieben hätte. Da stand für mich fest: Ja, ich kann dieses Buch schreiben! Also machte ich mich auf die Suche nach progressiven Betrieben und inspirierenden Gärtner*innen.

    Und schon bald verschlug es mich nach England, Wales, Frankreich, Italien und natürlich auch auf Höfe innerhalb Deutschlands. Nur die Gärtner*innen aus Nordamerika konnte ich nicht persönlich besuchen, diese Interviews führte ich über Videotelefonie. Und was soll ich sagen: Bei meiner Recherche und durch die unglaublich inspirierenden Gärtner*innen habe ich so wahnsinnig viel (dazu) gelernt. Jeder Hof zog mich auf seine ganz eigene Art und Weise in den Bann. Nun, nach dieser langen Lernreise, werden wir bei der Gemüseinsel unsere Agroforstsysteme planen und anlegen.

    Für mich wäre es die größte Freude, wenn einige der Erkenntnisse bzw. Erfahrungen aus diesem Buch auch dir dabei helfen, ein Agroforstsystem für deine Gemüseflächen zu planen und anzulegen. Die Reise zu diesem Buch ist für mich hier zu Ende. Aber natürlich ist das nur ein Zwischenstopp auf der großen Reise. Mit den ersten Bäumen, die wir pflanzen werden, geht es los zur nächsten Etappe. Denn der Weg ist das Ziel. Und jeder Baum ist ein Schritt nach vorne!

    illustration

    Baum für Baum zu mehr Biodiversität: Das war die erste, aber bestimmt nicht die letzte Baumpflanzung auf der Gemüseinsel.

    Die Landwirtschaft ist in der Krise

    Vermutlich hast du schon gehört, dass die Landwirtschaft einige große Probleme hat: Klimakrise, Biodiversitätsverlust, Landflucht …

    Jedoch, ohne zu großen Optimismus verbreiten zu wollen, habe ich im Moment das Gefühl, dass sich etwas verändert. Die Neugründungen von Solawis gehen durch die Decke, überall entstehen Marktgärten, und Begriffe wie Agroforstwirtschaft oder regenerative Landwirtschaft sind zu öffentlichen sowie privaten Gesprächsthemen geworden.

    Ich glaube, die „Fridays for Future"-Bewegung und all die anderen Aktivist*innen, die die Klimakrise ganz oben auf die Prioritätenliste packen, haben massiven Erfolg gehabt. Dieser schlägt sich leider nicht immer in Gesetzen nieder, aber große Teile der Bevölkerung haben erkannt, dass sich etwas tun muss, wenn wir eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder wollen. Deshalb bin ich mir sicher, dass gerade jetzt eine supergute Zeit wäre, um sich selbst nach einem Stückchen Garten umzusehen oder sogar einen Hof zu gründen. Ich glaube, wir brauchen vor allem mehr junge Menschen in der Landwirtschaft. Motivierte Menschen, die innovativ sind und sich voller Tatendrang hineinstürzen. Die Ideen sind da, setzen wir sie um!

    Gemeinsam ernten und noch so viel mehr: Solidarische Landwirtschaft

    Solawi steht für Solidarische Landwirtschaft. Das Konzept kommt ursprünglich aus Nordamerika und heißt dort CSA (= Community Supported Agriculture). Bei Solawis geht es darum, dass Verbraucher*innen und Gärtner* innen eine Allianz bilden. Die beiden Parteien treffen eine Vereinbarung, dass die Verbraucher*innen für die Länge einer Saison oder eines ganzen Jahres dem Gärtnereibetrieb eine Gemüsekiste abnehmen werden. Dadurch erhalten die Gärtner*innen mehr Planungssicherheit (und dadurch auch finanzielle Sicherheit), denn so wissen sie genau, wie viel Gemüse sie im Laufe der Saison anbauen müssen. Solawis gibt es in vielen Formen und Ausführungen. Manche liefern nur wenige Kisten, manche beliefern mehrere Großstädte. Auch die Betriebsform variiert. Am häufigsten sind Vereine, Genossenschaften und GbRs (Personengesellschaft).

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    Was für eine Veränderung in so kurzer Zeit: So sah die Fläche im August 2020 aus ...

    Komm mit auf die Gemüseinsel

    Und dann war das Ende des Studiums plötzlich da. Und jetzt? Mein Studienfreund Tim und ich hatten schon länger darüber gesprochen, einmal in die Mongolei zu reisen und mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren. Dafür schien jetzt der perfekte Zeitpunkt: Keine Verpflichtungen, keine Uni und der Sommer stand kurz bevor. Nun kam uns zu der Zeit leider ein anderer Reisender in die Quere: Corona. Und machte somit unsere Pläne zunichte. Erst überlegten wir, vielleicht nur in Europa zu reisen, doch schneller als gedacht war nicht einmal mehr Reisen in Deutschland möglich. Was also tun mit all der Zeit?

    Eines Abends, als wir in unserer Studi-WG zusammensaßen, kam die Idee auf, statt zu reisen Gemüse anzubauen. Und das war eigentlich gar nicht so abwegig, schließlich hatten wir uns beide beinahe unsere gesamte Studienzeit genau damit beschäftigt. Aus diesem Gedanken wurde ein handfester Plan. Wir begaben uns auf die Suche nach Flächen und wurden überraschend schnell fündig. In Dietzenrode, etwa 15 Kilometer von Witzenhausen entfernt, lud uns der Inselhof ein, um über die Verpachtung einer Fläche zu sprechen, auf der die beiden Betriebsleiter*innen vor wenigen Jahren selbst Gemüse angebaut, aber mittlerweile den Betriebsfokus verändert hatten. Umso passender schien es, dass wir mit unserer Solawi-Idee bei ihnen anklopften. Wir waren alle auf einer Wellenlänge und schon bald war alles unter Dach und Fach. Und nachdem der Roggen im August vom Acker geerntet worden war, konnten wir auch schon durchstarten. Wir säten Zwischenfrüchte aus und arbeiteten intensiv an der Gartenplanung.

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    ... und das war die Fläche genau ein Jahr später.

    Das erste Jahr war nicht immer einfach. Ein nasses und kaltes Frühjahr, gescheiterte Experimente und Unstimmigkeiten mit Ämtern und Behörden bescherten uns die ein oder andere Stirnfalte. Aber: Am Ende der ersten Saison waren wir sehr zufrieden und stolz auf uns. Was wir alles geschafft haben! Auch wenn hier und da mal eine Kultur ausgefallen ist, haben wir unglaublich tolles Gemüse angebaut. Und: Wir haben vor allem eine Menge gelernt. Mehr, als wir uns hätten vorstellen können. Und genau aus diesen Gründen haben wir große Lust, all das in den nächsten Saisons zu verfeinern. Genau das möchte ich dir auch mit diesem Buch vermitteln: Es geht nicht darum, immer gleich alles perfekt zu machen. Aber mit einer ordentlichen Portion Motivation und Tatendrang lässt sich vieles erreichen. Wenn das ganze Team anpackt und eine Idee in die Realität umsetzt – was für ein Gefühl. Und so soll es weitergehen, ich möchte jeden Tag dazulernen und Neues entdecken.

    Market Gardening: Alles auf Anfang

    Die Marktgärtnerei erlebt gerade einen ziemlichen Aufschwung. Ein neues Phänomen ist diese Anbauweise aber nicht: Schon vor über 150 Jahren haben Menschen nach diesem Prinzip gegärtnert und gewirtschaftet. Mit der fortschreitenden Technisierung und dem Siegeszug der industriellen Landwirtschaft ist sie aber im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend in Vergessenheit geraten. Lass uns das Marktgärtnern wieder ganz neu entdecken – indem wir uns erst auf seine Wurzeln besinnen und uns dann ansehen, was daraus geworden ist.

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    Diese Ernte kann sich sehen lassen.

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    Die Arbeit auf dem Feld ist nicht immer einfach, aber das Ergebnis lohnt sich allemal.

    Die Marktgärtnerei und ich: Volltreffer!

    Falls du neu auf diesem Terrain bist und dich jetzt fragst, was der Unterschied zwischen Market Gardening und Marktgärtnerei ist, kann ich dich gleich beruhigen: Es gibt keinen. Ich verwende nur gerne die deutsche Übersetzung des Begriffs. Und was genau hinter dem Begriff „biointensiver Gemüsebau" steckt und was er mit der Marktgärtnerei zu tun hat, das verrate ich dir in einem späteren Kapitel ab S. 20 noch ausführlicher. Hier kommt erst einmal ein kleiner Einstieg in die Theorie. Oder bist du schon ein absoluter Pro und kennst dich auf diesem Gebiet bestens aus? Auch gut, dann kannst du direkt weiterblättern auf S. 43 und im Kapitel Agroforstsysteme wieder einsteigen.

    Im kommenden Abschnitt dieses Kapitels gehe ich nochmal ganz zurück an den Anfang der Marktgärtnerei. Aber zu Beginn habe ich mir zunächst eine Frage gestellt: Was begeistert mich eigentlich an der Marktgärtnerei? Zwei Dinge sind mir da sofort in den Sinn gekommen:

    illustration Marktgärten sind in der Regel einfach schöne Orte. Sie fühlen sich wirklich an wie Gärten und nicht bloß wie Produktionsstätten. Du kennst sicher auch die riesigen Felder, die uns alle umgeben. Dort gibt es oft wenig Strukturelemente wie zum Beispiel Hecken oder Blumenbeete. Aber sobald Sträucher, Bäumchen oder ein Bach einen Acker begrenzen, sieht er meist gleich viel schöner aus. Ein Garten hingegen beinhaltet solche Strukturen schon per Definition. Permanente Wege, Staudenbeete, eine Gartenhütte … all das gibt einem das Gefühl von Vertrautheit und Ruhe. Fast wie ein Stück Zuhause.

    illustration Um die verschiedenen Konzepte der Marktgärtnerei hat sich in den letzten Jahren eine sehr vitale Community gebildet. Auf beinahe allen Medienkanälen gibt es Inhalte für alle möglichen Erfahrungslevel. Von Grundlagenkursen bis zur Masterclass, mehreren Dutzend Büchern, Videokanälen, Chatgruppen, Social Media – es gibt für alle einen Einstieg in die Themen, egal welche Formate einen ansprechen. Im deutschsprachigen Raum existiert seit kurzem sogar ein Netzwerk für alle möglichen Themen rund um die Marktgärtnerei – das Kolibri-Netzwerk. Der Austausch macht einfach unglaublich viel Spaß und bringt uns alle weiter. Dadurch, dass Informationen mittlerweile nicht nur in einzelnen Regionen weitergegeben werden, sondern mit wenigen Klicks einmal quer über den Globus befördert werden können, haben sich in den letzten Jahren sehr viele Innovationen ergeben. Auch für meine Recherche für dieses Buch war es fantastisch, sich so unkompliziert mit Menschen aus der ganzen Welt unterhalten zu können.

    Dass es sogar Reportage-Serien wie „The Farmers" mit Jean-Martin Fortier gibt, freut mich sehr. Denn so gelangen diese Themen in eine breitere Öffentlichkeit. Dadurch, dass die Marktgärtnerei-Bewegung dem Gemüsebau eine popkulturelle Bedeutung gegeben hat, interessieren sich jetzt auch mehr und mehr junge Menschen aus den Städten für diese Arbeit auf dem Land. Wer hätte das noch vor einiger Zeit für möglich gehalten?

    Back to the roots: Zeitreise zu den Anfängen der Market-Gardening-Bewegung

    Der Beginn der Bewegung wird meist den Pariser Marktgärtner*innen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugeschrieben. In den äußeren Bezirken von Paris herrschte zu dieser Zeit eine sehr lebendige Gärtner* innen-Kultur. Die Gärtner*innen waren ziemlich clever und so geschickt, dass sie mehr Gemüse produzierten, als die Pariser*innen benötigten. Angeblich exportierten sie ihre Waren sogar bis nach England. Aber was machte die Pariser Gärten so besonders? Zum einen war das ganz schön viel Mist: nämlich Pferdemist. Sie nutzten damit eine Ressource, die zur

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