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Ein Ticket Richtung Freiheit
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eBook246 Seiten3 Stunden

Ein Ticket Richtung Freiheit

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Über dieses E-Book

Eine junge Wissenschaftlerin aus Kiew mit deutschen Wurzeln geht auf eine Reise, um ihre innere Ruhe zu finden. Das Leben im neuen Land ist eine Lektion über Hoffnung, Freundschaft, Liebe und Vergeben, aber auch über Verrat, Lügen und Falschheit. Es ist ein Roman stark emotionell, eine Reise des Selbstentdeckens, der Liebe und des Verrates. Wird Emma am Ende die Freiheit finden?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Nov. 2019
ISBN9783749782505
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    Buchvorschau

    Ein Ticket Richtung Freiheit - Julia Schannen

    Kapitel 1

    Ich ziehe mein Kleid langsam über duftendes Spitzenleinen und wähle die hohen roten Schuhe. Am Hochzeitstag meiner besten Freundin möchte ich schön sein.

    Bella und ich waren vom Kindergarten bis zum Uniabschluss immer zusammen. Nach dem Master trennten sich unsere Wege, aber obwohl wir weit voneinander entfernt lebten, waren wir einander doch nah.

    Ich suche nach meinem Handy und frage mich genervt, warum ich es nicht immer an den gleichen Ort lege. Nie weiß ich, wo es ist. Genauso die Schlüssel. Den Rest habe ich. Schließlich finde ich es auf dem Fernsehtisch und wunder mich, wie ich es übersehen konnte – es war direkt vor meiner Nase. Dann rufe ich an.

    „Ich bin bereit, wo bist du? Wann kommst du an?"

    Die gereizte Stimme des geliebten Mannes antwortet. „Ich bin immer noch unterwegs und muss Dimitri abholen. Lieber treffen wir uns bei ihm."

    „Aber … ich trage schon das Kleid für die Hochzeit …"

    „Ich kann jetzt nicht reden. Du kommst dorthin."

    Ich lege auf, ohne zu antworten. Er will immer alles so bequem wie möglich, das war schon immer so. Keine Anstrengung. Nicht einmal für mich. Wenn ich sage, dass ich etwas tue, tue ich es. Er nicht. Sagt es, aber er tut es nie. Dann findet er eine Ausrede. Die Tatsache, dass so oft etwas anderes zu tun ist, wenn wir etwas gemeinsam planen, verletzt meinem Stolz.

    Er hatte die Stadt wegen seines Dienst verlassen und wir hatten uns seit einer halben Woche nicht gesehen. An diesem Tag sah ich gut aus und die Zuversichtlichkeit drang mir aus allen Poren. Diesmal wollte ich die Momente unseres Anfangs nochmal erleben, so wie es war, als wir uns gerade wahnsinnig verliebt hatten.

    Obwohl ich mit ihm allein sein will – eine Tatsache, die er akzeptiert hatte –, stört es mich nicht, wenn er jemand anderen mitbringt. Was mich stört, ist, dass ich, seine geliebte Frau, gekleidet in ein Abendkleid mit der U-Bahn fahren muss.

    Wenn ihn jemand um etwas bittet, sagt er nie nein. Ich bin die Einzige, die dieses magische Wort aus seinem Mund hört. Und das nach so vielen Jahren. Obwohl es selbstsüchtig ist, will ich die wichtigste Person in seinem Leben sein. Zumindest von Zeit zu Zeit. Wenn etwas für mich wichtig ist. Wie heute.

    Ich würde weinen, wie ich es schon so oft getan habe, aber ich kann keine Träne mehr vergießen. Etwas hat sich geändert, ich habe mich verändert.

    Ich frage mich, indem ich mich zwinge, ehrlich mit mir selbst zu sein, ob ich ihn noch liebe und ob ich an seiner Seite glücklich bin. Seltsam … Ich kann diese Frage nicht beantworten. Früher irgendwann hätte ich, ohne zu zögern, gesagt, ich liebe ihn so sehr, wie Kiew groß ist. Was ich genau weiß, ist, dass unsere Beziehung zu einem Kreislauf von Streit und Gleichgültigkeit geworden ist. Wenn wir nicht streiten, sind wir einander gleichgültig. Wir tun nur, was unbedingt notwendig ist. Und ich bin so unglücklich.

    Ich lernte ihn kennen, als ich noch sehr jung war, und ich brauchte ein halbes Jahr, um zu erkennen, dass ich mich verliebt hatte. Er hat mich durch seine Intelligenz erobert, durch die Kraft, die er ausstrahlte, ohne arrogant zu wirken, und durch lange Gespräche bis spät in die Nacht über Träume, über Forschung und die Bedeutung der Schule im Leben. Er war die erste Person, die ich kannte, die sich für diese Themen interessierte. Anderen schien derartiges langweilig zu sein, aber ihm hat es Freude bereitet.

    Ich fühlte mich neben ihm wie eine Frau. Wir waren Liebhaber und Freunde zur selben Zeit – bis er mich zum ersten Mal betrog. Und ich habe ihm vergeben. Auch danach habe ich ihm jedes Mal vergeben, in dem Glauben, dass es das letzte Mal sein würde. Aber nie ganz. Ich konnte nicht. Konnte nicht so tun, als sei es nie geschehen. Jeder Streit hat meine Kräfte geschwächt und mich abhängiger gemacht. In der Gesellschaft wurde ich als eine starke Frau angesehen, zu Hause war ich eine Marionette ohne Verteidigung gegen den geliebten Mann. Ich hatte so viele wichtige Dinge aufgegeben, die mich glücklich gemacht hatten, einfach um für ihn da zu sein.

    Plötzlich erinnere ich mich an meinen Wunsch, ein Forscher zu werden, aber nicht, was ich bis jetzt gemacht habe. Wahre Forschung! Wie ich vor Freude aufsprang, als ich in Yale ein Studienplatz bekam.

    Ich erinnere mich an diesen Tag, als ob es gestern war. Wie ungeduldig ich ihm sagen wollte, dass ich ging, und ihn bat, mit mir zu kommen. Oder zumindest auf mich zu warten.

    Zum ersten Mal fühlte ich damals, dass er nicht an mich glaubte. Er vertraute nicht in das, was ich sagte. Und wie klein mein Herz war, als er mich bat, nicht zu gehen. Zunächst weil es nicht klappen würde, dann weil ich es nicht brauchen würde und schließlich weil wir getrennt sein würden.

    Ich habe seine Argumente nie geglaubt. Weil ich mich besser kenne als jeder andere, weil ich weiß, dass ich es geschafft hätte. Aber wenn ich jemanden wirklich liebe, mache ich Kompromisse. Ich habe den Leuten immer Chancen gegeben. Manchmal zu viele.

    Und wenn … wenn ich ihn verließe? Warum soll ich bleiben, wenn uns seit langer Zeit nichts mehr verbindet? Ich fühle mich bereit, ihn aufzugeben. Ich sollte ehrlich zu mir selbst sein. Realistisch. Ich frage mich: Wann war ich das letzte Mal wirklich glücklich bei ihm? Wann war das letzte Mal, dass ich mich in dieser Beziehung erfüllt gefühlt habe? Seltsam. Ich erinnere mich nicht.

    Ich nehme das Handy und schreibe ihm kurz: „Es ist vorbei", und zum ersten Mal nach so vielen Jahren fühle ich mich besser.

    Ein neues Gefühl überflutet meinen Körper, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Ein Gefühl der Freiheit. Ich tat, was ich tun musste. Endlich habe ich gesagt, was ich vorher nicht gewagt habe. Ohne Streit, ohne Vorwürfe und ohne Tränen. Nüchtern und leer, als hätte ich ihn nie geliebt.

    Ich schaue auf die Uhr und merke erstaunt, wie spät es ist.

    Scheiße, in 20 Minuten fährt der Zug ab. Ich kann ihn eigentlich nicht mehr bekommen, aber ich versuche es. Vielleicht habe ich Glück.

    Ich eile zum Bahnhof, aber ich komme zu spät.

    Mit meinem Ticket für den nächsten setze ich mich auf eine Terrasse, trinke einen Kaffee und telefoniere. Ich muss jetzt fast zwei Stunden warten.

    „Hallo Bella. Ich komme nicht zur kirchlichen Trauung, tut mir leid … es tut mir so leid. Ich habe den Zug verpasst. Ich komme direkt ins Restaurant."

    „Hier spricht Anna, Bellas Mutter. Bella zieht sich gerade an."

    „Guten Tag, sagen Sie Bella bitte Bescheid?"

    „Aber du kommst, ja? Wir warten auf dich."

    „Sicher. Ich würde um nichts auf der Welt ihre Hochzeit verpassen!"

    „Ich richte es aus. Auf Wiederhören."

    „Tschüss."

    Kapitel 2

    Leidenschaftlich beginne ich, Texte über die menschliche Natur zu lesen. Ich will verstehen, was die Schritte zur Selbsterkenntnis sind, um mich selbst zu entdecken. Das ist der einzig effektive Weg, um die Dinge zu verstehen, die ich kenne: das Lesen. Mehr. Viel mehr. Und es wird mir nie langweilig, zu lesen.

    Währenddessen erinnere ich mich, dass ich jemandem danken muss, der mir indirekt gezeigt hat, dass meine Beziehung zu Patrick eine giftige ist und dass sie beendet werden muss. Ich schreibe eine Danknachricht an Frau Cernenko, meine ehemalige Psychologin.

    Ich lernte sie kennen, als ich den psychologischen Test für den Führerschein ablegte. Sie war eine hübsche und natürliche Frau, schön und elegant. Sie hatte meinen Test korrigiert und mir zu meinen Leistungen gratuliert. Zu Beginn waren persönliche Informationen über Familienstand, Ausbildung und Beruf anzugeben.

    „Gratuliere. Sie sind eine zu bewundernde Frau", hatte sie daraufhin gemeint.

    „Vielen Dank", sagte ich schüchtern.

    Niemand hatte mir das je gesagt, ohne mich genauer kennengelernt zu haben, und ich war aufgeregt. Ich war eine Frau – ein Mädchen, das auf Komplimente empfindlich reagierte. Vielleicht, weil das meiste, was ich gut gemacht hatte, keine Reaktion hervorrief, Schlechtes hingegen immer.

    „Nicht viele Menschen aus einer so zerrütteten Familie haben Erfolg im Leben. Die meisten gehen auf der Straße verloren. Das ist bewundernswert", fuhr sie fort.

    Mein Puls stieg, ich zappelte sichtlich aufgeregt herum. Und sie merkte das.

    „Vielen Dank."

    „Gerne. Ich denke, Sie sind ein bisschen gestresst. Hier ist meine Visitenkarte."

    „Bin ich beim Test durchgefallen?", fragte ich mit zitternder Stimme.

    „Sie haben bestanden. Ich denke nur, dass Sie unter Stress stehen und Ihnen ein paar gemeinsame Sitzungen guttun würden."

    „Ich werde darüber nachdenken."

    Anschließend nahm ich die Visitenkarte entgegen und ging weg.

    Während schriftliche Tests bei mir stets reibungslos verlaufen, bin ich bei mündlichen und praktischen Prüfungen sehr emotional. Meine Angst, nicht perfekt zu sein, dass ich nicht die Beste sein würde, ist immer präsent.

    Ich habe über Emotionen in Prüfungssituationen recherchiert und beschloss, zu ihr zu gehen. Eine schwierige Entscheidung. Wenn man zum Psychologen geht, heißt das für die Umwelt nicht, dass man gestresst ist oder dass man eine Frage hat und die Antwort nicht selbst finden kann. Es bedeutet für viele direkt, dass man verrückt ist.

    Ich wusste jedoch, dass es für mich wichtiger war, die Führerscheinprüfung abzulegen. Oder wenn ich verrückt war, mit dem Autofahren aufzuhören.

    Ich ging in die Praxis und meldete mich am Empfang an. Man sagte mir, ich müsse ein bisschen warten, und bat mich, einen Baum zu zeichnen. Ich dachte, es sei der hässlichste Baum, den ich je gesehen habe, denn ich bin nicht gut im Zeichnen. Ein einfacher Baum mit einigen langen Zweigen und Blättern. Eine junge Pflaume.

    „Fühlen Sie sich wohl?", fragt die Psychologin.

    „Nicht wirklich, denn jemand Unbekanntes analysiert mich von Kopf bis Fuß."

    „Ist es in Ordnung, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle? Es ist ein Persönlichkeitstest."

    „Deswegen bin ich ja hier."

    Diese „paar Fragen stellten sich als langes Gespräch heraus. Einige von den Fragen schienen mir ziemlich bizarr. Ich bin gespannt jedoch auf die Auswertung. „Wie bin ich?

    „Sie sind eine ehrgeizige Frau. Der Test sagt, dass Sie eine psychisch ausgeglichene Person sind. Außerdem sind Sie Perfektionistin."

    „Ist das schlimm, Perfektionistin zu sein?"

    „Kommt drauf an. Wenn es nicht bis zum Äußersten geht, ist es vorteilhaft."

    Ich atmete erleichtert auf.

    „Sie sind nur gestresst. In einigen Sitzungen ist das gelöst."

    „Ich werde auf jeden Fall kommen. Ehrlich gesagt bin ich gekommen, weil praktische Prüfungen starke Emotionen in mir hervorrufen. Ich weiß nicht, warum, ich habe nie eine Prüfung abgebrochen."

    „Sie sind eine starke Frau, aber Sie haben nicht genug Vertrauen in sich selbst."

    „Bin ich stark? Das habe ich nie gedacht."

    Ich nahm für einen Monat regelmäßig Termine bei ihr wahr. Ich liebte es, dorthin zu gehen. Da konnte ich frei sprechen, ohne beurteilt zu werden. Ich fing an, die Beziehung mit Patrick anders zu sehen. Wir haben oft über meine Unzufriedenheit mit ihm gesprochen, und die Tatsache, dass sie mir sagte, wie ich die Dinge sehe, hat mich dazu gebracht, mit Patrick zu reden.

    Die Diskussion führte nicht zu dem, was ich mir erhoffte. Obwohl ich erklärte, dass mir diese Sitzungen geholfen hätten, beharrte er darauf, dass Frau Cernenko eine Betrügerin sei, die meine Beziehung zerstören würde, nur um an mein Geld zu bekommen.

    Er bat mich, die Treffen zum Wohle unserer Beziehung zu beenden. Wenn ich reden möchte, sei er da. Ich müsse keinen Psychologen bezahlen, der sich dafür nicht interessiert. Ich gab auf und begründete meine Entscheidung, die Therapie abzubrechen, mit finanziellen Problemen.

    Ich glaube fest, wenn ich weiter in die Praxis gegangen wäre, wäre meine Beziehung zu Patrick längst vorbei. Mir wären viele Momente der Frustration erspart geblieben.

    Nach vielen Zeitschriftenartikeln, Büchern und Motivationsreden habe ich verstanden, dass ich mir selbst erlauben muss, jede Empfindung zu erleben, um mich zu erkennen.

    Wo Bücher keine Antwort liefern, bietet uns das Leben eine an. So begann für mich das Abenteuer der Suche nach mir selbst.

    Heute bin ich gelangweilt. Ich gehe langsam von der Arbeit zur Wohnung meiner Schwester. Es herrscht eine erstickende Hitze und in dieser staubigen Stadt fühlt es sich noch schlimmer an.

    Meine Gedanken fliegen zu Alexander, einem alten Freund. Er fragte mich vor ein paar Monaten, ob er bei mir wohnen könne, weil er nach Kiew ziehen wollte. Ich weiß nicht, ob er scherzte oder es ernst meinte, aber ich will ihn fragen.

    „Hallo, du kleiner Teufel, wie geht es dir?"

    „Hallo Emma. Mir geht‟s gut. Lange Zeit nichts von dir gehört. Ich glaubte schon, dass du tot bist", sagt er lachend.

    „Na ja, ich war beschäftigt. Tot noch nicht, antworte ich scherzend. „Und, willst du immer noch nach Kiew kommen?

    „Im September. Wieso? Lässt du mich bei dir wohnen?", fährt er mit demselben amüsierten Ton fort.

    „Warum nicht?", entgegne ich und lache laut.

    „Wegen deines Freundes."

    „Welcher Freund?"

    „Wie, welcher? Machst du Witze?"

    „Ich habe keinen Freund."

    „Echt?"

    „Echt."

    „Ich bin nun in Deutschland, aber wenn du willst, würde ich gerne dein Mitbewohner werden."

    „Was zum Teufel machst du denn in Deutschland?"

    „Ich arbeite hier im Sommer und komme bei meinem Vater unter."

    „Und wie gefällt es dir da?"

    „Ich mag es nicht. Es regnet mir zu viel. Ich freue mich darauf, zurückzukommen."

    „Na ja, so ist das Leben, sage ich witzelnd. „Dann machen wir es fest. Ich muss ohnehin derzeit nach einer Wohnung suchen. Im Moment wohne ich bei meiner Schwester. Sie hält sich im Ausland auf, aber in zehn Tage kommt sie zurück.

    „Hast du deine alte Wohnung nicht mehr?"

    „Es ist eine lange Geschichte. Sie war aber so oder so zu teuer."

    „Übrigens, maximal 5000 Hrywnja¹… Ich kann nicht mehr bezahlen."

    Als ich höre, was er sagt, bekomme ich einen Lachanfall.

    Vielleicht findet er damit was in Troeschina, aber gewiss nicht in den besseren Gegenden, sage ich mir selbst.

    „Liebling, in dieser Stadt findet man nicht einmal eine Hundehütte für das Geld."

    Er lacht auch. „5500, klingt das besser?"

    „Sagen wir 6000, vorsichtig. Vielleicht. Es ist nicht unmöglich, eine billigere zu finden, aber … ich versuche es. Keine Sorge, ich möchte auch nicht meinen ganzen Lohn für die Miete ausgeben."

    „Na ja … dann lass ich dich suchen und du gibst mir Bescheid, sobald du etwas gefunden hast."

    „Dann melde ich mich demnächst."

    Alexander redet viel und schnell. Er hat dasselbe Tempo wie ein ICE, aber er ist total humorvoll. Ich denke, dieser kleine Mann war nie in seinem Leben aufgebracht. Für sein Alter scheint es mir normal so zu sein. Er ist immer vorne dabei.

    Wir haben uns vor drei Jahren bei dem Spiel Travian getroffen, das damals viel meiner Zeit verschlang, aber ich liebte es. Zugleich war es ein Spiel, das ich gemeinsam mit Patrick und einem Freund, dem seit vielen Jahren alles über das Spiel bekannt war, erleben konnte. Er war nicht wirklich mein Freund, sondern Patricks. Einer seiner wenigen Freunde. Trotzdem haben wir zusammengespielt.

    Ich war eine Art Führer in unserer Gruppe, aber eher organisatorisch: Was ich tat, waren administrative Dinge im Gespräch mit Team-Mitgliedern. Ich traf keine Entscheidungen.

    Patrick spielte nicht fair. Er tat es nur, um zu gewinnen, und die anderen waren bloße Werkzeuge für ihn. Eigentlich spielte er nicht mal für das Team, in dem ich war, sondern für das gegnerische. Das ließ mich aufhören, mit ihm zusammen zu spielen, und ich beschloss, allein weiterzumachen. Ich spielte mit Vergnügen.

    Die Probleme begannen, als die übrigen Teammitglieder beschlossen, mir zu folgen, obwohl ich keine Erfahrung in der Ausführung dieses Spiels hatte.

    Am Ende waren Patrick und sein Freund diejenigen, die ausgeschlossen blieben. Aus diesem Grund – unglaublich dumm für mich – beendete Patrick unsere Beziehung, aber nur für einen Monat. Er kam daraufhin zurück und weinte, sodass er mir leid tat. Ich habe ihm vergeben. Es war nur ein Spiel. Eine kindliche Unvernunft. Wir verloren es zwei Wochen vor seinem Ende. Derjenige, der es gewinnen sollte und den fast 200 Menschen unterstützten, beschloss, das Lager zu wechseln.

    Die meisten verbündeten Führer gaben danach auf. Sie konnten die Niederlage nach vier Monaten des Spielens nicht hinnehmen. Einige von uns blieben, auch Alexander und ich.

    Wir entschieden, auf die Art zu spielen, wie es gespielt hatten. Wo es keine Diplomaten gibt, verrät jeder jeden. Trotzdem oder gerade deshalb habe ich eine nette Partie gemacht. Auch einige der Gegner haben zugegeben, sie hätten seit Jahren nicht so gespielt.

    Alexander und ich haben viele Nächte zusammen mit dem Entwickeln neuer Spielstrategien verbracht. Wir waren Verbündete, beide die Führer unserer Teams, und wir hatten viel zu tun. Obwohl wir beide uns im wirklichen Leben nie gesehen hatten, hatte das Virtuelle eine Kameradschaft geschaffen.

    Das ist doch eine Herausforderung, sagte ich mir. Billig, schnell und nah an der Arbeit.

    Ich habe eine ganze Woche gesucht. Nichts.

    Kurz bevor meine Schwester zurückkam und mich aus ihrer Wohnung geworfen hätte, finde ich eine kurze Anzeige. Kein Bild, nur eine kurze Beschreibung. Ich stelle dem Inseraten viele Fragen, denn

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