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Gott in Rente
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eBook165 Seiten2 Stunden

Gott in Rente

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Über dieses E-Book

Der Glaube an Gott und die Lehre der katholischen Kirche sollten nicht im Widerspruch zueinander stehen, aber gerade aktive Christen verspüren zunehmend ein Spannungsfeld. Die kirchliche Einstellung zu vielen Themen ist nicht einmal mehr für viele gläubige Mitglieder nachvollziehbar, umso weniger für Menschen, die außerhalb oder am Rand der Kirche stehen.

Ist das ein Thema, das Menschen interessant finden? Definitiv, wenn es nur gelingt, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sobald man zu Punkten gelangt, die sie für sich persönlich als relevant empfinden, wird der Gedankenaustausch plötzlich spannend.

So geht es auch Klaus, ein mitten im Leben stehender Projektmanager und Familienvater aus München. Er kommt in seinen Geburtsort und trifft dort Sebastian, einen Rentner Ende sechzig, der weit in der Welt herumgekommen ist. Aus der zufälligen Begegnung wird eine Folge intensiver Gespräche.

Darf die Kirche entscheiden, was gut und was böse ist? Wie ist das mit der Dreifaltigkeit? Hilft die Kirche den Menschen bei ihrem Versuch, sich Gott anzunähern oder stellt sie für viele eher ein Hindernis dar?

Eingerahmt werden die Gespräche durch Beobachtungen in der ländlichen Heimat von Klaus. Dabei wird, manchmal mit etwas Schmunzeln, die bayerische Lebensart skizziert. Es fließen aber auch weitere Spannungsfelder wie das Zusammenspiel von Bodenständigkeit und moderner Lebensart oder die Landflucht und die damit verbundenen Probleme in den ländlichen Regionen mit ein.

Und da sind dann auch noch die Mutter von Klaus und Tante Trude, die nicht nur für gutes Essen, sondern immer wieder auch für unterhaltsame Situationen sorgen, und am Schluss noch für eine faustdicke Überraschung gut sind.

All diese Elemente sorgen hoffentlich dafür, dass schwierige, die menschliche Existenz und den Glauben betreffende Themen in einer Weise transportiert werden, die unterhaltsam genug ist, um flüssig und mit Freude gelesen zu werden.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Mai 2021
ISBN9783347207066
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    Buchvorschau

    Gott in Rente - Albert Dietl

    Sonntagvormittag um halb zehn

    Es war schön, wieder mal zu Hause zu sein. Wohnhaft bin ich seit vielen Jahren in München, genauer gesagt am Rand von Allach, wo es einerseits ruhig ist und man mit ein paar Schritten im Grünen ist, und von wo aus man andererseits in gut zwanzig Minuten im Zentrum sein kann. Es ist gut, so zu wohnen, und ich bin gern dort. Aber wenn ich „zu Hause" sage, meine ich in aller Regel Hockhausen, den Ort, von dem ich herkomme, wo ich aufgewachsen bin und die ersten neunzehn Jahre meines Lebens verbracht habe.

    Zugegebenermaßen sind es eher Erinnerungen, die mir in Hockhausen das Gefühl von Heimat geben. Die meisten Freunde sind weggezogen und die drei Kramerläden, der Metzger, der Schuhladen und der Schmied haben längst zugemacht. Nur einen Bäcker gibt es noch. Im einzigen Gasthaus am Ort trifft man sich regelmäßig zum Stammtisch und eigentlich sitzen da ganz bodenständige Männer und, ab und zu, auch Frauen zusammen. Aber spätestens, wenn die Rede auf die Politik kommt, wird es für jemanden, der eine eher tolerante, weltoffene Sicht vertritt, schwierig, sich nicht zu sehr aufzuregen.

    Aber meine Mutter wohnt noch da und Tante Trude. Beide sind inzwischen Mitte achtzig und leben gemeinsam in meinem Elternhaus. Mein Vater und auch Onkel Herbert sind seit vielen Jahren tot, und so führen die zwei älteren Damen einen männerfreien Haushalt, freuen sich aber trotzdem, oder vielleicht gerade auch deshalb, wenn ich drei- oder viermal im Jahr für ein Wochenende zu Besuch komme. Es gibt dann oft Suppenfleisch mit Wirsinggemüse und nachmittags gedeckten Apfelkuchen. Ich habe irgendwann angefangen, beides ganz ausdrücklich zu loben und habe so die eingeschränkte Abwechslung in der Speisenfolge vermutlich selbst verursacht. Wir erzählen uns dann gegenseitig alte Geschichten von früher, schauen uns manchmal auch alte Fotos an und es fühlt sich ein bisschen so an wie früher. Meine Frau und meine beiden Töchter sind nur gelegentlich dabei, weil sie meine Mutter und meine Tante zwar auch gerne mögen und diese Art von Heimatgefühl schon verstehen, aber natürlich nicht die gleiche intensive Bindung dorthin haben wie ich.

    Sonntags gehen die beiden Damen in den Gottesdienst. Nur krank zu sein und nicht aus dem Bett zu können, wäre ein akzeptabler Grund, dies nicht zu tun. Ohne den Kirchgang wäre der Sonntag unvollständig, hätte sozusagen eine Lücke, die anderweitig nicht sinnvoll zu füllen wäre. Ich will dies auch nicht als reine Gewohnheit bezeichnen, die beiden sind so tief verwurzelt in ihrem Glauben, dass es ihnen vermutlich seelische oder sogar körperliche Schmerzen bereiten würde, aus einem nichtigen Grund den Sonntagsgottesdienst zu versäumen.

    Und es geht natürlich um den katholischen Gottesdienst, schließlich sind wir ja in Bayern. Es gibt schon auch ein paar Protestanten im Ort, aber wenn man hier Kirche sagt, ist jedem vollkommen klar, was gemeint ist. Hockhausen hat eine kleine Barockkirche mit vielen Figuren und Bildern, die reichlich Stoff zum Schauen und Nachdenken bieten, umrahmt von zahlreichen Schnörkeln und goldenen Verzierungen, was in Summe einen sehr weichen Gesamteindruck ergibt. Wie in vielen anderen Dörfern auch, ist die Zahl der Gottesdienstbesucher nicht mehr so hoch, wie dies vor vierzig oder fünfzig Jahren der Fall war. Damals war ich Ministrant und zumindest am Sonntag war die Kirche gut gefüllt, an Festtagen wie Weihnachten oder Ostern sogar brechend voll. Aber das ist auch hier längst vorbei. Zu einem normalen Sonntagsgottesdienst kommen nicht einmal mehr hundert Gläubige und als Fünfzigjähriger senkt man den Altersdurchschnitt gleich ganz wesentlich.

    Wenn ich übers Wochenende da bin, gehe ich meist mit in den Gottesdienst, mindestens aber fahre ich die beiden Damen zur Kirche und hole sie wieder ab. Sie können schon noch ganz gut zu Fuß gehen, aber, wie sie schmunzelnd gestehen, genießen sie es doch, mit einem schönen Auto vorgefahren zu werden, und hoffen insgeheim, dass möglichst viele der anderen Hockhausener das auch sehen. Nun kann man mit einem Auto der oberen Mittelklasse heute niemanden mehr beeindrucken, aber die beiden haben trotzdem ihre Freude, die ich ihnen gerne bereite.

    Zu Hause in Allach gehe ich sonntags auch immer wieder mal in den Gottesdienst, aber bei Weitem nicht so regelmäßig wie meine Mutter und meine Tante. Ich möchte meinen Draht zu Glaube und Kirche nicht abreißen lassen, aber es gibt eben auch viele Wochenenden, an denen wir auf Reisen oder anderweitig unterwegs sind, und bei Bedarf ist eine Ausrede, weshalb man am Sonntagvormittag lieber zu Hause bleiben möchte, ja auch schnell gefunden. Hier in Hockhausen fühlt sich das dann doch eher wie früher an, das heißt, nicht in die Kirche zu gehen wäre ein bisschen wie Schule schwänzen.

    Und so war es auch an diesem Sonntag im September. Ich fuhr die beiden zur Kirche, ließ sie galant und gleichzeitig publikumswirksam am Aufgang zur Kirche aussteigen und parkte dann hundert Meter weiter an dem für Kirchenbesucher vorgesehenen Parkplatz. Auf dem Weg zurück zur Kirche war ich ohne Eile, denn wir waren wie jeden Sonntag früh genug dran, weil die Damen vor dem Gottesdienst noch ein paar Minuten Zeit für ein stilles Gebet haben wollten. Auch die Sorge, keinen Platz mehr zu bekommen, wäre weit an der Realität vorbei gegangen. Und ich saß – obwohl sich die Trennung in Männer und Frauen in der gottesdienstlichen Sitzordnung auch hier inzwischen weitgehend aufgelöst hat – in der Kirche gewohnheitsmäßig doch immer noch rechts, also auf der gefühlten Männerseite und nicht neben Mutter und Tante. Insofern konnte ich mir getrost Zeit lassen.

    Es war ein warmer Septembermorgen, nicht mehr so heiß wie im Juli und August, aber noch sehr angenehm, und ich hatte das Bedürfnis, noch ein paar warme Sonnenstrahlen zu genießen, bevor die diesigen Herbsttage kamen. Auf dem Kirchplatz unterhalb des Aufgangs zur Kirche stand eine riesige, uralte Eiche und um die Eiche gab es eine Metallbank, die durch die kreisrunde Form den Vorteil bot, dass man sich immer in die Sonne setzen konnte.

    Es waren noch ein paar Minuten Zeit und so steuerte ich auf diese Bank zu, auf der bereits ein älterer Mann saß. „Älterer Mann" hört sich ziemlich alt an, er war aber geschätzt Mitte oder Ende sechzig, also kaum fünfzehn Jahre älter als ich. Offensichtlich nehme auch ich, wie die meisten Menschen, mein eigenes Älterwerden nur widerwillig wahr.

    Ich kannte den Mann vom Sehen und wusste, dass er, so wie ich auch, in Hockhausen aufgewachsen war und beruflich viel in der Welt herumgekommen war. Nach dem Ende seiner aktiven Berufslaufbahn hatte er mit seiner Frau das ein wenig außerhalb von Hockhausen gelegene elterliche Gehöft umgebaut und lebte nun dort. Eigentlich hätte ich auch wissen müssen, wie er heißt, aber mit Namen war ich noch nie besonders gut, und diese kleine Mangelerscheinung scheint sich mit dem Älterwerden signifikant zu verstärken. Wenn ich mit meinen Freunden beim vierteljährlichen Stammtisch sitze, ist die Vergesslichkeit das Thema der meisten Witze in der Runde, was deutlich zeigt, dass es nicht nur mir so geht.

    „Guten Morgen", sagte ich wenig einfallsreich, mit Namen konnte ich ihn ja nicht ansprechen.

    „Guten Morgen, Klaus", kam es zurück, was mich spontan etwas in Verlegenheit brachte. Offensichtlich gab es doch Menschen, die mit Namen wesentlich sattelfester waren als ich.

    „Na, auch wieder mal in der alten Heimat?", fragte er.

    „Ja, antwortete ich höflich, „solange meine Mutter lebt, versuche ich mich regelmäßig blicken zu lassen. Wer weiß, wie lange ich sie noch habe.

    Er nickte und lächelte wohlwollend. „Deine Mutter ist ja noch recht gut beieinander, aber die Allerjüngste ist sie trotzdem nicht mehr."

    Schweigend saßen wir einige Minuten und ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. „Bam, bam", ertönte die Kirchturmuhr, es war halb zehn. Man konnte durch die Kirchentür hören, wie die Orgel ertönte, der Pfarrer anfing, das Eröffnungslied zu singen und die Gemeinde mit einstimmte. Der Durchschnitt aller Stimmen ergab dann in etwa die gewünschte Melodie.

    Eigentlich hatte ich erwartet, dass wir uns spätestens jetzt gemeinsam erhoben und auf die Kirche zugingen, aber mein Sitznachbar machte nicht die geringsten Anstalten aufzustehen. Nun war das ja kein Grund für mich, ebenfalls sitzen zu bleiben. Aber irgend etwas in mir schien mich auf der Bank festzuhalten, so, als ob wir nur gemeinsam gehen oder gemeinsam bleiben konnten. So verrückt mir der Gedanke damals wohl erschienen wäre, aber im Nachhinein betrachtet war das ein sehr prägender Moment in meinem Leben.

    Einige Augenblicke hielt ich es aus, dann musste ich ihn einfach fragen: „Gehen Sie denn nicht hinein in die Kirche?"

    „Kannst ruhig Sebastian zu mir sagen – oder Wast, wie mich die Leute hier im Dorf nennen. Weißt du, ich fühle mich ganz wohl hier. Hier zu sitzen mit Blick auf die Kirche, dabei zu sein, ohne sich zu sehr vereinnahmen zu lassen, das fühlt sich nach einem Gleichgewicht an, das zu mir passt. Ich gehe schon auch gern in Kirchen hinein, aber ehrlich gesagt, am liebsten, wenn sie leer sind."

    Verblüfft fragte ich ihn: „Glaubst du denn nicht?" und war im selben Moment selbst überrascht über die Offenheit meiner Frage.

    Er lächelte: „Ich glaube schon, aber halt nicht alles. Weißt, ich glaube an Gott, und ich bin auch Mitglied in der Kirche, aber in der Reihenfolge. An Gott zu glauben, fällt mir leicht, aber meine Kirche macht es mir schon oft recht schwer, mit ihr zurechtzukommen."

    „Ah, hakte ich ein, „du sprichst sicher von den Missbrauchsfällen, oder von der goldenen Badewanne in Limburg, oder was sonst noch so alles schiefläuft.

    „Für mich sind das nur Symptome, die in den Griff zu bekommen wären, erklärte er nachdenklich. „Wenn man aufhört, Missbrauchsfälle zu vertuschen und alle, die gegen Recht und Gesetz verstoßen, bestrafen würde ohne Rücksicht auf kirchliche Würdenträger und vor allem ohne Rücksicht auf kirchlichen Imageschaden, dann ließen sich zwar auch in Zukunft Missbrauchsfälle nicht hundertprozentig vermeiden, aber es wäre kein Sonderthema der Kirche mehr. Auch aus dem Ruder laufende Baukosten für die Renovierung kirchlicher Gebäude ließen sich mit der notwendigen Transparenz zu einem finanziellen Thema machen, für das in der Kirche die Verantwortlichen genauso zur Rechenschaft gezogen werden sollten wie außerhalb der Kirche. Leider werden aber noch nicht einmal diese Themen in der Kirche konsequent angegangen, aus Furcht, die eigene Position zu schwächen. Und dann werden daraus eben hoch emotionale Themen mit Gerüchten wie das von der goldenen Badewanne, die es in Wirklichkeit gar nicht gab, die aber als Sinnbild für die Verschwendung kirchlicher Finanzmittel herhalten musste und als solches auch bestens funktionierte.

    „Aber, wenn das nur Symptome sind, wie sehen denn dann die wirklichen Probleme erst aus? Warum treten die Leute denn scharenweise aus der Kirche aus, wenn nicht wegen solcher Themen?"

    „Oha, entfuhr es ihm, „jetzt machst du aber ein großes Fass auf. Ich fürchte, das ist nicht in zwei, drei Sätzen zu beantworten und schon gar nicht von mir. Ich bin weder Theologe noch steht es mir zu, anderen Leuten wie dir die Welt zu erklären.

    So leicht ließ ich aber nicht locker. „Ich möchte keine wissenschaftliche Abhandlung hören und auch keine allgemein gültige Gesamtanalyse der aktuellen Situation der Kirche, ich möchte nur ein bisschen mehr über deine Sicht der Dinge erfahren. Jetzt hast du mich einfach neugierig gemacht."

    „Nun ja, begann er, „dann lass mich versuchen, wenigstens kurz zu erklären, aus welcher Richtung ich denke. Was meinst du, ist Aufgabe der Kirche?

    Ich musste kurz überlegen. „Vielleicht Menschen zu helfen, sich Gott anzunähern."

    „Eine sehr gute Antwort!, erwiderte er. „Die spannende Frage ist, ob die Kirche das auch macht.

    „Wie?!, entgegnete ich. „Die Gottes- und Nächstenliebe in der Nachfolge Christi ist doch das Top-Thema in der Kirche.

    Sebastian schüttelte den Kopf. „Eigentlich schon, aber schau dir doch mal an, wie dieses Thema transportiert wird. Jesus hat uns viel über Gott erzählt und das Gottesbild im Vergleich zum Alten Testament ziemlich stark verändert. Als Christen glauben wir, dass er das konnte und durfte. Aber er hat natürlich so gedacht und gesprochen, wie Juden vor

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