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Powerfrauen küsst man nicht: oder doch?
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Powerfrauen küsst man nicht: oder doch?
eBook348 Seiten4 Stunden

Powerfrauen küsst man nicht: oder doch?

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Über dieses E-Book

Eine Powerfrau in den 70er-Jahren hatte es nicht leicht. Um in der Männerwelt fernab von Quotenregelungen Karriere machen zu können, mussten große Opfer gebracht werden - an Familie und Kinder war zum Beispiel nicht zu denken. Es waren daher nicht viele, die den Mut hatten, diesen steinigen Weg zu gehen.
Gefangen im Karrierewahn verzichtet Luise, die Protagonistin dieses spannenden Romans, auf alles, was ihr im Leben lieb und wichtig ist. Auch der sehnsüchtige Kinderwunsch wird verdrängt und bleibt unerfüllt. Erst nach dem Tod ihrer über alles geliebten Mutter, als es fast schon zu spät ist, wird Luise bewusst, wie hoch der Preis für ihre Karriere war. Sie versucht, zu retten, was noch zu retten ist, und sucht die Liebe ihres Lebens. - Ob es ihr gelingen wird?
Die mitreißende, emotionale Geschichte einer großartigen Frau und ihrer aufregenden Karriere; dramatisch, prickelnd und spannend.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum10. Sept. 2019
ISBN9783749739974
Powerfrauen küsst man nicht: oder doch?

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    Buchvorschau

    Powerfrauen küsst man nicht - Astrid M. Helmers

    Powerfrauen?

    Ja, die gab es schon immer! Bereits vor hunderten von Jahren. Es waren diese großartigen Frauen und Mütter, deren Männer im Krieg gefallen waren und von der Front nicht wieder Heim kamen, die arbeiten mussten, um ihre Kinder ernähren zu können. Damals hieß es nicht, man müsse Beruf und Familie miteinander verbinden. Nein, im wahren Leben hieß es einfach anders: man muss arbeiten, um die Kinder zu ernähren!

    In der Hoffnung ihre Gatten würden bald aus dem Krieg oder der Gefangenschaft wieder kommen, haben viele Frauen die Unternehmen weiter geführt und nebenher die Kinder geboren und großgezogen. Wie viel Energie man dafür benötigte, darüber wurde nicht geredet.

    Dann, Jahre später, entdeckte man das amerikanische Schlagwort »Powerfrau«.

    Das Leben und Wirken dieser wunderbaren Powerfrauen von damals war nicht viel anders als heute, auch nicht anders wie in den Siebzigern, mit dem kleinen Unterschied: sie waren »einmalig« und ganz wenige an der Zahl!

    Das Pendeln zwischen Karriere und Kindern war nicht mehr »in« und die Familie rückte langsam auf Platz zwei.

    Nein, diese Powerfrauen sind keine überirdischen Wesen! Powerfrauen sind ganz normale, intelligente Frauen mit organisatorischem Geschick und kaufmännischen Verstand, oder anderen Berufen und meistens studiert.

    Ja, die wilden Siebziger! Das waren noch Zeiten! Pop und Rock, die Rolling Stones, Rod Steward, Kiss, die ABBAs und all die anderen. Das waren die Jahre, in denen die Frauen selbstbewusst wieder in Schwung kamen und eben auch auf die Disco nicht verzichten wollten. Es waren sehr, sehr wenige, doch es gab sie wieder, diese wunderbaren, emanzipierten Powerfrauen in den Siebzigern!

    »Hallo, Mutti! Ich bin es!«

    »Hallo, mein Sonnenschein! Was hast Du auf dem Herzen?«

    »Dir bleibt aber auch nie etwas verborgen! Woher weißt Du, dass ich etwas auf dem Herzen habe?«

    »Hättest Du sonst angerufen, mein Sonnenschein?« Juliane lachte.

    »Natürlich hätte ich, Mutti!«

    »Also, raus mit der Sprache!«

    »Kannst Du Dich noch an Esther erinnern, Mutti?«

    »Ganz vage! Was ist mit ihr?«

    »Erinnerst Du Dich, sie war Direktorin in einer Fabrik mit mehr als tausend Mitarbeitern?«

    »Tausend Mitarbeiter? Das habe ich nicht gewusst!«

    »Ihr Mann dagegen war lediglich Abteilungsleiter! Ein halbes Familiendrama für die damalige Zeit! Seine Gattin war seine Chefin und er der Sklave!«

    »Es war ein heißes Gesprächsthema! Das weiß ich noch genau! Eine Frau, die Vorgesetzte ihres Gatten!«

    »Natürlich haben alle getuschelt!«

    »Deswegen hast Du mich doch nicht angerufen, mein Sonnenschein!«

    »Natürlich nicht Mutti, ich wollte Dir etwas ganz anderes sagen!«

    »Also, schieß los! Ich bin gespannt!«

    »Elisabeth hat mich heute in ihr Büro gerufen. Sie meinte ich habe das Zeug dazu. Mit etwas Mühe und Fleiß könnte ich eine gute Geschäftsfrau werden! In dem Augenblick habe ich automatisch an Esther gedacht! Elisabeth würde mich in das Geschäftsleben einführen! Sie kennt Gott und die Welt! Was ganz wichtig ist, sie wird von allen geschätzt und vor allem hofiert! Sie sieht eben auch toll aus! Ich habe sie immer sehr bewundert!«

    »Die Idee finde ich wunderbar. Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube es auch. Ich bin mir sogar sicher, dass Du eine sehr gute Geschäftsfrau werden kannst. So wie Dein Vater, er war ebenfalls ein toller Geschäftsmann. Damals wurden die Geschäfte noch per Handschlag abgeschlossen. Es war halt eine andere Zeit!«

    »In diesem Zusammenhang fiel mir Esther ein! Sie war so eine Powerfrau, wie man sie heute nennt!« Ich bin sehr froh Mutti, dass Du mir vertraust!«

    »Und? Was willst Du tun? Hast Du zugesagt?«

    »Ja! Natürlich! Ein solches Angebot bekommt man nicht jeden Tag, Mutti! Etwas Bauchweh hab ich natürlich schon!«

    »Du schaffst es, mein Sonnenschein, da bin ich mir sicher!«

    »Weißt Du was Elisabeth sagte?«

    »Nein, woher soll ich das wissen?«

    »Stell Dir vor Mutti, sie sagte, als allererstes brauche ich einen Pelzmantel und zwar einen Nerz!«

    »Brauchst Du Geld, mein Schatz?«

    »Um Himmels Willen, Mutti! Glaubst Du, ich würde Dich für einen Pelzmantel um Geld bitten? Wenn ich einen Nerzmantel nicht bezahlen kann, so brauch ich auch keinen. Elisabeth bekommt Sonderkonditionen bei ihrem Händler. Sie hat bereits Ratenzahlungen für mich vereinbart!«

    »Wann soll es losgehen?«

    »In zwei Wochen!«

    »Streng Dich an, Du kannst das! Du bist wie Dein Vater! Und halt mich am Laufenden!«

    »Danke Mutti! Du hast mir sehr geholfen! Deine Meinung ist immer sehr beruhigend für mich, wie Balsam auf meiner Seele!«

    »Das freut mich, mein Sonnenschein! Melde Dich, wenn es etwas Neues gibt! Tschüss!«

    »Tschüss Mutti, mach ich!« Luise legte den Hörer auf. Was für eine wunderbare Frau meine Mutti doch ist, dachte sie.

    Über Julianes Zuversicht war Luise nicht überrascht. Sie wusste wie sehr ihre Mutter sie schätzte und sie wusste auch, dass sie immer eine Stütze für ihre Kinder und Enkelkinder war. Luise wusste, dass sie jederzeit mit ihren Problemen und all dem was sie auf dem Herzen hatte zu ihr gehen konnte, um sich einen Rat zu holen. Juliane hatte einen gesunden Menschenverstand, viel Lebenserfahrung und eben auch Vertrauen. Sie liebte ihre Kinder und Enkelkinder über alles.

    Luise war fest entschlossen alles zu tun was in ihrer Macht stand, um das zu erreichen, was für eine Frau in der Zeit so unerreichbar war. Sie wollte eine besonders gute Geschäftsfrau, eine richtige Powerfrau werden. Sie wollte das erreichen, von dem so viele Frauen träumten und besser sein als die männlichen Geschäftsleute, die sie kannte. Elisabeth hatte es geschafft! Also, warum nicht auch sie? Elisabeth hatte beste Beziehungen zu den Ostblockländern. Sie hatte ein kleines Imperium aufgebaut. Das Geschäft in Polen lief bereits gut. In der Tschechoslowakei gab es eine Niederlassung mit Hauptsitz in Prag und Nebensitz in Bratislava. Es gab jährlich Messen, an denen ihre Firma teilnahm. Die Produkte waren »Made in Germany« und sehr geschätzt. Ihre Firma war stets auf Expansionskurs. Speziell im Ostblock wollte sie expandieren und dafür benötigte sie Personal. Nicht einfach, denn wer kannte damals den Ostblock genau? Es gab wenige Geschäftsleute mit guten Beziehungen im Osten.

    Frauen? Mangelware!

    Was Luise lernen musste, war der Kontakt zu den entsprechenden Kunden herzustellen, die sowohl männlich als auch weiblich waren und sie musste lernen wie man sich als Geschäftsfrau durchsetzen kann. Ganz wichtig war, sich den Respekt in der männlichen Welt zu erkämpfen, nicht immer einfach in dieser Zeit.

    Der gesamte Ostblock hatte Handelsunternehmen gegründet. Dort wurden die Geschäfte mit den westlichen Vertretern verhandelt und abgeschlossen. Der eigentliche Kunde durfte keinen direkten Kontakt zu den westlichen Firmen und deren Vertreter haben. Meistens, eigentlich fast immer, waren bei den Gesprächen Mitarbeiter des Geheimdienstes dabei. Die Geschäftspartner aus dem Westen waren selbstverständlich nicht informiert, obwohl es doch meist schwer zu verbergen war. Es ist bekannt, dass jedes Geheimnis oder Verbot ewig schon bekannt war.

    Für die geplante Expansion im Ostblock benötigte Elisabeth neues Personal. Luise schien ihr für diesen Job geeignet zu sein.

    Elisabeth hatte gerade einen neuen Prokuristen eingestellt. Es war Holger, ein junger gutaussehender Mann. Sie entschied sich bei der nächsten Reise nach Polen sowohl Luise als auch Holger den Kunden vorzustellen beziehungsweise einzuführen. Im Ostblock ging es ausschließlich um die persönlichen Beziehungen, die man zu den Geschäftsleuten unabdingbar haben musste. Diese Beziehungen waren eine Art Vertrauen und die Kunden brauchten Vertrauen. Die polnischen Geschäftsleute waren in dieser Richtung ohnehin unheimlich sensibel. Dieses Vertrauen hatte sich Elisabeth erarbeitet. Wo auch immer sie auftauchte, standen alle stramm. Natürlich hatte sie auch jede Menge Geschenke dabei, für alle Fälle! Auch wusste sie genau, wo der sensibelste Punkt dieser Menschen war. Trotz des Kommunismus waren die meisten Polen christlich geblieben und meist katholischen Glaubens.

    Den Kontakt zu ihrer Heimatkirche und dem Pfarrer hatte Elisabeth die ganzen Jahre über aufrechterhalten. Der Bitte des Pfarrers Mariusz ihn bei der Restauration der Kirche zu unterstützen, kam sie sofort nach und so spendete sie das Blattgold für die Vergoldung des Altares. Selbstverständlich wurde ihre Großzügigkeit schnell publik und damit war sie die große Gönnerin. Die Wenigsten wussten, dass für diese großzügige Arbeit sehr wenig Gold benötigt wird. Zehn Gramm Blattgold reichen allemal für das Vergolden eines Ritters samt Pferd in Naturgröße. Es gab dann auch noch einen Gottesdienst, in dem sie hochgelobt und gefeiert wurde. An diesem Sonntag sollte sie auf jeden Fall dabei sein, das war der Wunsch des Pfarrers Mariusz. Zu dieser besonderen Messe wollte Elisabeth den neuen Prokuristen Holger und auch Luise dabeihaben. Sie war stolz ihnen zu zeigen, welche Anerkennung sie in Polen genoss. Sie war die Person und die Frau, die in ihrer Heimatstadt den ganzen Altar der Kirche vergolden ließ! Das war etwas ganz Besonderes, das war eine großzügige Geste, die sich wie der Wind überall herumsprechen wird. Sie wird speziell im Kundenkreis wie eine Königin gefeiert werden, denn jeder kannte jeden. Ein Segen für das Geschäft. Natürlich war es auch so gedacht! Sie hatte Luise mal gesagt, im Geschäft sei alles erlaubt, eben auch das was verboten war! Und das tat sie auch. Damit nahm sie es auch mit der Treue nicht so genau! Ihren Freund Alexandro, ein spanischer Geschäftsmann, hatte sie in bestimmten Situationen sehr oft vergessen. Er brauchte auch nicht immer alles zu wissen. Ist besser so, war ihre Meinung.

    An dieser besonderen Messe in ihrer Heimatkirche sollte Alexandro nicht dabei sein. Seine Anwesenheit war, aus welchem Grund auch immer, nicht erwünscht.

    Elisabeth war bereits als junge Frau aus Polen in die Bundesrepublik ausgewandert. Dadurch hatte sie viel Ostblockerfahrung. Ihre Mutter war Polin, ihr Vater Deutscher.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg heiratete ihr Vater eine junge, hübsche Polin. Aus der Ehe stammten Elisabeth und ihr Bruder, der kurz nach der Geburt an Diphtherie starb.

    Elisabeth, eine extrem attraktive und gepflegte Person, war unheimlich beliebt in der männlichen Welt. Sie nutzte diese Beliebtheit schamlos aus, denn sie wollte nach oben, immer weiter nach oben!

    Sie hatte es geschafft! Ein kleines Imperium! Villen und andere Reichtümer zählten zu ihrem Eigentum. Alles was sie anpackte, gelang ihr. Im privaten Bereich war es etwas anders. Da hatte sie nicht so viel Erfolg. Die Partner, die ihr gefielen, waren meist vergeben oder versuchten sie auszunutzen. Und so geriet sie immer wieder an die falschen männlichen Gestalten. Mit dem Bett nahm sie es auch nicht so ernst. Schließlich hatte sie jeden Sonntag die Gelegenheit ihre Sünden zu beichten.

    Elisabeth war Luises Vorbild! Luise wollte wie Elisabeth eine gute Geschäftsfrau werden, beliebt, geschätzt und respektiert bei den Kunden. Das war das »A« und »O« für jedes Geschäft im Ostblock. Die Messe in Posen stand vor der Tür. Elisabeth entschied sich, während dieser Messe Luise und den neuen Prokuristen den polnischen Kunden vorzustellen. Eine gute Gelegenheit mit dem PKW zu fahren, um auch Messematerial inklusive Werbegeschenke mitnehmen zu können.

    Luise hatte viel Arbeit mit den Vorbereitungen.

    Es klopfte an der Tür! Holger trat ein:

    »Ach, Sie sind ja da, Luise?«

    »Entschuldigung, ich hatte ganz vergessen, dass Sie mich sprechen wollten! Ich habe irrsinnig viel zu tun!«

    »Ach so, störe ich?«

    »Kennen Sie den Spruch? Wenn Mohamed nicht zum Berg kommt, so kommt der Berg zu Mohamed!«, fragte Luise lachend.

    »Köstlich, Luise, den Spruch finde ich gut! Ich wollte einiges über die Messe im Ostblock wissen!«

    »Ich weiß natürlich auch nicht besonders viel! Können wir heute Abend über die Messe in Posen reden, wenn ich mit dem ganzen Kram hier fertig bin?«

    »Etwa um neunzehn Uhr? Ich habe eine Flasche Remy Martin dabei! Um neunzehn Uhr ist keiner mehr im Büro!«

    »Gerne, machen wir! Ich fahre ohnehin mit der U-Bahn heim! Ich meine wegen dem Remy!«

    »Ansonsten gibt es ja auch noch ein Telefon!«

    »Bis dann!«

    Luise freute sich nach einem schweren Tag mit ihrem Chef reden zu können. Sie hatte volles Vertrauen und überhaupt keine Hintergedanken. Für sie stand fest, eine Beziehung im Geschäft ist Gift für die Karriere! Und das für immer und ewig!

    Der Abend war sehr erfrischend und Luise war überrascht wie geistreich und humorvoll Holger doch war. Es war plötzlich eine Art Vertrauen entstanden, das lange andauern sollte. Luise war täglich bis spät abends im Büro. Es wurde zur Gewohnheit abends bei einem Gläschen Cognac zusammen zu plaudern.

    Holger erzählte viel aus seinem Leben, Luise hörte zu.

    »Waren Sie schon mal mit Elisabeth auf Geschäftsreisen, Luise?«

    »Nein, noch nie! Das ist übrigens meine erste Geschäftsreise überhaupt!«

    »Ach so?«

    »Warum fragen Sie, Holger?«

    »Elisabeth ist eine Person mit vielen Überraschungen! Wir werden es erleben!«

    »Trotzdem finde ich sie außergewöhnlich. Für mich ist sie eine wunderbare Frau!«

    Die Woche verging schnell und dann war es soweit. Alle Vorbereitungen für die Messe in Posen waren abgeschlossen. Luise konnte es kaum erwarten, ihre erste Geschäftsreise ins Ausland! Der Anfang einer neuen Karriere, einer neuen Zukunft! Ob ihr diese Karriere auch gelingen wird, stand in den Sternen. Doch sie war fest entschlossen, alles zu tun was in ihrer Macht stand! Sie wollte nach oben, sie wollte eine gute und außergewöhnliche Geschäftsfrau werden. Sie wollte kein Büromauerblümchen bleiben, wo ihr jeder in den Po kneifen konnte. Sie wollte, was noch keiner in den Siebzigerjahren kannte, eine sogenannte Powerfrau werden. Sie war fleißig, hatte den Willen und auch das dazu benötigte gewisse »Etwas«.

    Elisabeth plante vor Beginn der Messe noch schnell einen Kundenbesuch. Es ging um einen gigantischen Auftrag. Ein wichtiger Kunde, den Elisabeth bereits seit Jahren kannte. Übernachten sollten sie im Pfarrhaus. Mariusz hatte einige Gästezimmer zur Verfügung gestellt.

    Die Fahrt war lang und anstrengend. Luise war froh, Holger am Steuer zu sehen. Sie vertraute Autofahrerinnen nicht besonders. Sie selber besaß zwar einen Führerschein, doch ein Auto konnte sie sich noch lange nicht leisten. Noch nicht! Irgendwann! Hoffentlich!

    Die Strecke war irrsinnig lang und mit vielen Grenzüberschreitungen. Zunächst von Hamburg nach Lauenburg zur DDR-Grenze. Dort begannen die Schikanen. Die Pässe wurden zur Kontrolle auf ein Band gelegt. Es war ein komisches Gefühl, als plötzlich alle Pässe auf dem Transportband verschwanden. Es dauerte ewig! Irgendwann wurde man aufgerufen und geprüft. Gesichtskontrolle, der Mercedes wurde mit Spiegeln von unten untersucht und schließlich das Gepäck. Elisabeth hatte für uns Brote dabei, die wir aber nicht mitnehmen durften.

    Wo unsere Visa seien, wollte der Grenzbeamte wissen. Als er dann hörte, dass wir nur auf der Durchreise nach Polen waren, änderte er seine Taktik.

    Luise schaute erstaunt die riesigen Kontrolltürme an der Transitstrecke an.

    »Sag mal Elisabeth, was kontrollieren die da oben?«

    »Uns natürlich! Falls einer die Transitstrecke verlässt, gibt es gewaltigen Ärger!«

    »Wovor haben die eigentlich Angst?«

    »Sie wollen keinen Kontakt zu den westlichen, speziell deutschen Kapitalisten! Wir sind für die Faschisten!« Elisabeth lachte.

    »Ach so, dann sind wir alle drei Faschisten? Das ist sehr lustig!« Holger lachte ebenfalls.

    »Wo sind unsere Brote? Ich hätte jetzt Appetit!«

    »Ja, haben Sie das nicht mitbekommen, Elisabeth? Der Zöllner hat die Brote doch in den Müllcontainer geworfen! Als ob die Brote vergiftet wären!« Holger grinste.

    »Vor lauter Aufregung habe ich das nicht mitbekommen!« Elisabeths Stimme war etwas zittrig.

    »Wieso Aufregung?«, fragte Holger.

    »Na ja! Ich hatte noch etwas Geld für die Messe dabei, das brauchten diese Burschen nicht zu wissen!« Nun war Elisabeth etwas verlegen.

    »Oh! Das hätte auch schiefgehen können!« Holger war total erschrocken.

    Wie sie später erfuhren, hatte Elisabeth sage und schreibe Zwanzigtausend Westmark dabei.

    Das Thema wurde nicht mehr angesprochen. Holger hatte bereits an die nächsten Zollkontrollen gedacht. Sie hielten an einer Tankstelle, bei der mit Devisen bezahlt wurde und die ausschließlich für Personen aus dem Westen gedacht war. Dort gab es auch eine kleine Imbissbude.

    An der Grenze zu Polen bei Frankfurt an der Oder gab es erfreulicherweise keine Probleme. Dort an der polnischen Grenze hatte Elisabeth, mit ihren perfekten polnischen Sprachkenntnissen, die Oberhand. Alles lief rund.

    Natürlich mussten sie die Zollformalitäten erledigen. Dazu gehörte diese besondere Zollerklärung, in der man die Höhe der Devisen, den Schmuck sowie alle Wertgegenstände, die man dabei hatte, eintragen musste. Ebenfalls zu den Wertgegenständen zählten im Winter die Pelze der Damen, die sie dabei hatten. Luise konnte sich diesen Schwachsinn nicht erklären. Elisabeth kannte die Prozedur. Diese Devisenerklärung war für den polnischen Zoll deswegen so wichtig, weil sie wissen wollten, ob wirklich Devisen im Land geblieben waren. Denn auf dem Schwarzmarkt konnte man alle Wertgegenstände gegen Devisen verkaufen.

    »Ihr müsst darauf achten, der Devisenbetrag muss bei der Ausreise immer niedriger sein als bei der Einreise! Daraus sehen die Zöllner, dass Geld im Land geblieben ist. Sollte man eine höhere Summe bei der Ausreise haben, so bekommt man große Schwierigkeiten! Die sind ja auch nicht dumm, diese Zöllner!«

    »Und was ist mit Deinem Geld, Elisabeth?«, fragte Luise erschrocken. Doch sie bekam keine Antwort.

    Total erschöpft kamen sie bei Pfarrer Mariusz an. Nach einer herzlichen Begrüßung und einem Willkommensdrink gab es zum Abendessen wunderbare polnische Spezialitäten.

    Dann kam die große Überraschung. Die Haushälterin erschien mit einem riesigen Tablett, darauf frische Blinis und eine Kristallschüssel, randvoll mit schwarzem Kaviar, mindestens ein halbes Kilo. Nach einigen Sekunden, nachdem allen klar war, welch eine Delikatesse auf dem Tisch lag, fingen sie zu klatschen an. Pfarrer Mariusz himmelte Elisabeth an und sagte leise:

    »Das ist doch Dein Lieblingsessen, meine Liebe!«

    »Danke, Mariusz! Du bist der liebste Mensch, den ich kenne!«

    Luise war total überrascht über die Köstlichkeiten, die Pfarrer Mariusz servierte. Sie hatte nicht mitbekommen, wie der Pfarrer Elisabeth anhimmelte.

    Sie genossen den schwarzen Kaviar. Die Kombination mit den Blinis war etwas ganz Neues für Luise. Daheim, bei verschiedenen Veranstaltungen, gab es oft Kaviar, allerdings nicht mit Blinis, sondern mit Toastbrot. Sie genoss es trotzdem.

    Holger hatte kleinlaut zugeben müssen, in seinem Leben noch nie schwarzen Kaviar gegessen zu haben, doch es schmeckte ihm trotzdem.

    »So, Leute, jetzt gehen wir schlafen! Morgen gibt es einen schweren Tag! Diese Kunden sind sehr wichtig für unser Geschäft, wir müssen fit sein!«

    »Gute Nacht!«

    »Gute Nacht!«

    Die Haushälterin zeigte den Gästen die Zimmer. Elisabeth oben, Luise und Holger im Erdgeschoss.

    Luise träumte von einer großen Party mit vielen jungen Menschen, die alle ausgelassen rockten. Im Traum erschien ihr Vater, streng zeigte er mit dem Finger auf sie und er ermahnte sie vorsichtig zu sein, denn nur mit Vorsicht und Fleiß wird sie das erreichen, was sie vorhatte. »Mit wem muss ich vorsichtig sein, Papa?«, fragte sie ihn. »Mit den Leuten, mit denen Du Dich einlässt, mein Kind! Denk daran, Luise, keine Liebschaften in Deinem geschäftlichen Umfeld!« Sie gab als Antwort: »Das werde ich nicht tun, Papa!«

    »Das ist gut mein Kind, nur so schaffst Du Deine Karriere!« Dann verschwand der Vater aus ihrem Traum. Luise wachte auf und hatte Mühe wieder einzuschlafen. Es war eine Warnung, eine Bestätigung dessen, was sie eigentlich vorhatte. Soll man an seine Träume wirklich glauben? Wenn Papa in ihren Träumen erscheint, muss sie seinen Ratschlägen Glauben schenken. Es war nicht das erste Mal und sie war immer den Ratschlägen ihres Vaters gefolgt.

    Am nächsten Morgen beim Frühstück kam Elisabeth etwas später. Sie war elegant angezogen, sah wunderbar aus und hatte ein seltsames strahlendes Gesicht. Sie kam aus den Gemächern des Pfarrers. Holger schaute sie fragend an. Etwas später erschien auch Mariusz beim Frühstück. Die Haushälterin war etwas überrascht. Luise war nichts aufgefallen. Dass es im ersten Stock keine Gästezimmer gab, wusste Luise nicht und das war eigentlich auch uninteressant für sie.

    »Sollte der Traum ihres Vaters eine Warnung sein, nicht das Gleiche wie Elisabeth zu tun, um der Karriere nicht zu schaden? So könnte man das wohl deuten! Abwarten, so schnell schießen die Preußen nicht!«, das war ihre Devise. Noch war kein Mann weit und breit zu sehen, der sie interessierte. An einem Abenteuer war Luise überhaupt nicht interessiert. Bei ihr ging es ausschließend um ihre Karriere. Sie wollte nach oben, sie wollte in die Männerwelt, sie wollte genau wie Elisabeth sein, die große, hochgeschätzte Geschäftsfrau, obwohl sie noch nicht genau wusste, wie hoch die Wertschätzung ihrer Chefin in der Männerwelt war. Taten die Männer nur so, weil sie an ein Abenteuer dachten oder war dieser hochgepriesene Respekt ihr gegenüber ehrlich? Niemand wusste es genau, niemand! Luise wagte nicht daran zu denken. Sie bewunderte und respektierte Elisabeth. Dass, was Elisabeth jetzt für sie tut, könnte ihr Leben radikal verändern und dafür musste sie Respekt und Dankbarkeit zeigen. Elisabeth schien souverän und glücklich zu sein, keiner ihrer Angestellten oder Freunde zweifelten daran. Luise war ebenfalls der gleichen Meinung.

    Wo Elisabeth morgens auftauchte, war Luise eigentlich egal. Das hatte sie auch nicht zu interessieren. Schließlich war es ihr Leben!

    Am nächsten Morgen fuhren sie zum Kunden. Elisabeth informierte sie nur kurz über den Vorgang.

    »Diese Geschäftsleute sind alle meine Freunde. Sie sind mir und meiner Firma gut gesinnt, haben volles Vertrauen und ich hoffe sehr, wir werden morgen den Vertrag unterzeichnen. Immerhin 1,5 Millionen, das ist ein Batzen Geld!«

    »Wahnsinn! Ich bin total überwältigt! So einen großen Auftrag!« Luise war außer Rand und Band.

    »Was müssen wir tun?«, fragte Holger.

    »Nichts! Ihr müsst nur schön brav zuhören! Solltet Ihr Fragen haben, so fragt mich lieber jetzt, bevor wir beim Kunden ankommen! Habt Ihr Eure Visitenkarten dabei?«

    »Ja, selbstverständlich!«

    »Also, Ihr reicht den Herren Eure Visitenkarten, ich stelle Euch vor und den Rest mache ich! Den Vertrag sollten Sie unterschreiben, Holger!«

    »Oh! ich weiß doch überhaupt nicht worum es geht! Kann ich einen Vertrag blind unterschreiben?«

    »Ich schaue mir den Vertrag genau an. Es ist ja nicht der erste, den wir mit diesem Kunden abschließen! Die Leute sind sehr ehrlich und werden von mir auch gut behandelt. Keine Sorge!«

    »Ein wenig Muffensausen habe ich schon!«, sagte Holger etwas erschrocken.

    »Gut, dann unterschreibe ich den Vertrag. Ich kenne diese Geschäftsleute bereits sehr lange, es sind meine Freunde!«

    Es war bereits elf Uhr, als sie beim Kunden ankamen. Sie wurden von einer Sachbearbeiterin empfangen und in den Verhandlungsraum begleitet. Luise und Holger schauten auf den fein gedeckten Tisch. Süßigkeiten, einige große Flaschen Schnaps und mehrere Gläschen standen bereit.

    Der Direktor mit seiner Sekretärin und dem Abteilungsleiter betraten den Raum. Sie begrüßten Elisabeth, als ob sie sich schon immer kannten. Tatsächlich kannte einer der Direktoren Elisabeth aus der Schulzeit. Sie sprachen über Gott und die Welt, über den vergoldeten Altar, über Abenteuer aus der Jugend, am wenigsten übers Geschäft. Nachdem sie die Unterschriften geleistet hatten, wurde die Sekretärin in ihr Büro geschickt.

    Der Direktor stand plötzlich auf und schenkte die Gläschen voll. Luise war entsetzt, sie konnte am frühen Morgen keinen Alkohol trinken. Doch der Direktor prostete und wollte nun auf den tollen Abschluss ein Gläschen mit seiner lieben Elisabeth trinken. Luise schaute verzweifelt nach links und dann nach rechts. Sie wusste nicht so recht was jetzt passiert. Elisabeth merkte ihre Verlegenheit und sagte leise:

    »Nur ein kleines Gläschen, um unseren Vertrag abzusegnen!«

    »Oh!« Luise schaute sich verzweifelt um. Hinter ihrem Stuhl war diese große Pflanze, dieser Oleander! Da könnte sie, wenn es keiner sieht, ihr Gläschen in den Blumentopf kippen. In einem für sie günstigen Moment tat sie das auch.

    Plötzlich stand der Direktor auf und fing an zu schimpfen und zu fluchen. In seiner Landessprache natürlich. Elisabeth hatte schnell mitbekommen, was passiert war und versuchte zu schlichten. Doch der Direktor war derart erbost, dass er sich nicht beruhigen konnte. Auf ihrem Stuhl wurde Luise kleiner und kleiner, sie war stumm wie ein Fisch. Elisabeth entschuldigte sich nochmals und dann erhob sie sich, versuchte sich ebenfalls polnisch zu verabschieden und sie verließen den Raum.

    »Was fällt Dir eigentlich ein?«, schrie Elisabeth, als sie draußen waren. »Bist Du von allen Geistern verlassen, Luise? Hast Du vergessen, was ich für Dich tue? Willst Du mich ruinieren? Einen Millionen Vertrag, den muss man feiern! In jedem Land feiert man einen solchen Vertrag!«

    »Entschuldigung, Elisabeth, ich kann keinen Schnaps am helllichten Tag trinken! Das geht einfach nicht!«

    »Dann hast Du halt einen Schwips oder Du lässt den Schnaps liegen!«

    »Wollte ich, doch der Direktor hatte immer wieder eingeschenkt, bis das Glas übergelaufen war!« Luise war fast am Heulen.

    »Na und? Dann läuft es halt über! Ich hoffe für Dich, dass der Vertrag nicht storniert wird! Fahren Sie, Holger, ich bin total fertig!« Elisabeth war richtig sauer.

    »Beruhigen Sie sich, Elisabeth! Es hat doch keinen Sinn, jeder macht Fehler! Luise hat es nicht gewusst, sie kennt das Geschäft zu wenig, genau wie ich!«

    »Dann soll sie die Augen öffnen und schauen, wie ich mich verhalte! Sie soll lernen, wie man ein Geschäft abschließt! Basta!«

    Luise war am Boden zerstört! »Wie soll es weiter gehen. Schaffe ich es, eine gute Geschäftsfrau zu werden oder ist alles vorbei? Nein! Es darf nicht vorbei sein! Im Gegenteil, ich muss es lernen, ich muss wachsam sein,

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