Peters Reisebericht Nr. 5: Georgien - Rundreise in einem Paradies
Von Peter Alles
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Peters Reisebericht Nr. 5 - Peter Alles
Dezember 2013
Eine alte Legende besagt: Als Gott das Land an die Völker verteilte, verspäteten sich die Georgier. Zuerst zürnte der Herr, denn alles Land war bereits verteilt. Doch die Fröhlichkeit, vor allem die Sangeslust, und der Charme der Abgesandten dieses Volkes versöhnten ihn, und er schenkte den Georgiern den paradiesischen Flecken Erde, den er eigentlich sich selbst vorbehalten hatte.
Mal gespannt, ob von der Fröhlichkeit und dem Charme sowie der Attraktivität der Gegend noch was zu spüren ist, dachte ich mir. Auf jeden Fall war mein Interesse am Kaukasus nach dem vor einigen Jahren gescheiterten Plan, eine Bergtour auf den Elbrus mitzumachen, nicht geringer geworden. Während der Vorbereitung zur Georgien-Reise stieß ich auf viele Aspekte, warum die Region zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer sehens- und erlebenswert ist: Gastfreundschaft der Leute, geographische, ethnische und kulturelle Vielfalt, exotisches Essen, leckerer Wein, sehr wechselhafte Geschichte, fruchtbare Landschaften, mildes bis subtropisches Klima, hohe Berge, einzigartige Baudenkmäler, UNESCO-Welterbestätten u.v.m.
Bei der Auswahl meiner Reise hatte ich lange zwischen einer Tour durch Armenien und einer durch Georgien geschwankt. Schließlich entschied ich mich für Georgien, da mir dieses am abwechslungsreichsten und interessantesten erschien, obwohl Armenien in geschichtlicher, geographischer und kultureller Hinsicht mindestens genauso interessant sein dürfte.
Georgien liegt in Transkaukasien, also dem Land jenseits (südlich) des mit zwei Millionen Jahren noch recht jungen Großen Kaukasus. Im Süden bildet der mit 150 Millionen Jahren deutlich ältere Kleine Kaukasus die Grenze zur Türkei, zu Armenien und zu Aserbaidschan. Bei der Vorbereitung stieß ich häufig auf die Bezeichnung „iberisch bzw. „Iberien
für Transkaukasien, was mi ch insofern verwunderte, dass man ja bekanntlich Portugal und Spanien als die iberische Halbinsel bezeichnet. Aber Iberien war ein antiker georgischer Staat im Transkaukasus, dessen Zentrum östlich des Lichi-Gebirges im Tal der Kura lag, also im östlichen Teil des heutigen Georgiens bis hinein in den Westen von Aserbaidschan.
Nach den Einfällen der Kimmerer und Skythen in Kleinasien im 8. und 7. Jh. v. Chr. entstanden vermutlich mehrere kleine Staaten auf dem Gebiet des heutigen Georgiens. Im 6. Jh. v. Chr. bildete sich der Staat Iberien heraus. Dieser lag in direkter Nachbarschaft zum persischen Achämeniden-Reich und unterlag daher noch mehr als der zur gleichen Zeit entstandene Nachbarstaat Kolchis einem starken persischen Einfluss in Politik und Kultur. Die frühe Hauptstadt war möglicherweise Uplisziche (s. den Bericht zum 16. Juni), eine in Innerkartlien gelegene, in Fels gehauene befestigte Stadt, die schon verhältnismäßig früh angelegt worden war.
Der Legende nach soll das georgische Volk von Noahs Urururenkel Karthlos abstammen. Georgien heißt in der Landessprache Sakartwelo (= der Ort, wo die Kartlier leben). Der überwiegende Teil der Urgeorgier siedelte längs des Flusses Mtkwari (russisch: Kura) in Zentralgeorgien und bildete dort die Volksgruppe der Kartlier, die eine eigene Sprache und Kultur entwickelten. In dieser Gegend wurden versteinerte, menschliche Schädel gefunden, die über 1,5 Millionen Jahre alt sind und belegen, dass in dieser Gegend die ersten „Homines erecti" gelebt haben. Die Kartlier dehnten ihren Einfluss im ersten Jahrtausend n. Chr. nach Westgeorgien aus, so dass die Georgier diese Kultur als ihren Ursprung ansehen und daher ihr Land Sakartwelo (საქართველო) nennen.
Georgien ist mit Abchasien und Südossetien fast so groß wie Bayern oder Irland, ohne die sich als autonom ansehenden Provinzen (18% der Fläche Georgiens) etwas größer als Kroatien. Früher war Georgien die mit Abstand reichste Sowjetrepublik und erlebte nach der Unabhängigkeit den tiefsten wirtschaftlichen Absturz der 15 ehemaligen Sowjetrepubliken (2010 lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weltweit auf Rang 147, Quelle: laenderdaten.de/wirtschaft). So schrumpfte die Bevölkerung von 5,4 Mio. in 1989 auf 4,4 Mio. in 2002 und wächst nun allmählich wieder an. Viele wanderten damals in andere GUS-Staaten, nach Westeuropa oder USA aus. Heute hat Georgien, ohne die abtrünnigen Provinzen (für die nur wenig verlässliche Zahlen vorliegen), wieder 4,7 Millionen Einwohner. Das Durchschnittseinkommen beträgt 600 Lari, ca. 280 € monatlich, mit großen Unterschieden je nach Tätigkeit, Region und Geschlecht. Die Einheitsrente beträgt 100 Lari. Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 16,5%, allerdings müssen sich Arbeitslose nicht registrieren lassen, da es kein Arbeitslosengeld gibt.
Abb. 1: Transkaukasien vor unserer Zeitrechnung (Quelle: wikipedia.de)
Abb. 2: Georgien in geographischer Hinsicht
(Quelle: anna-georgien-qedeli.blogspot.com)
Abb. 3: Verwaltungsgliederung des modernen Georgiens
(Quelle: www.bpb.de)
Abb. 4 und 5: Flagge und Wappen Georgiens
Gehört Georgien zu Europa oder zu Asien?
Hierüber sind sich die Gelehrten nicht einig. Die Beantwortung der Frage hängt stark von den Beurteilungskriterien ab. In geologischer Hinsicht besteht die überwiegende Auffassung, dass Georgien zu Asien gehört, da die Grenze durch den Ural, die Manytsch-Niederung nördlich des Kaukasus (hier stoßen die Kontinentalplatten von Europa und Asien zusammen und einst soll eine Verbindung zwischen dem Kaspischen und dem Asowschen bzw. Schwarzen Meer bestanden haben), das Schwarze Meer und die Meeresengen der Dardanellen und des Bosporus gebildet wird.
Andere sehen aus naturgeographischer Hinsicht den Hauptkamm des Großen Kaukasus als Kontinentalgrenze an. Oder man betrachtet es religionsgeschichtlich, dann wird Georgien (und Armenien) zu Europa zugehörig angesehen. Andererseits gehört das Georgische nicht zur indogermanischen Sprachfamilie. Die Georgier selbst betrachten sich wohl überwiegend als Europäer.
Im Dezember 2013 war es dann soweit, ich buchte im „Abenteuer-Reisebüro Schulz Aktiv „Wandern und Kultur zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer
für den Zeitraum 07.-21.06.14 als Reise des Schwierigkeitsgrades 1,5 (von 5) mit „leichten bis mittelschweren Halb- und Ganztageswanderungen bis ca. 6 h täglich". Die Reise war zwar fast schon ausgebucht, da sich eine größere Gruppe aus Münster-Osnabrück angemeldet hatte, wie ich in Erfahrung bringen konnte (Gott sei Dank nicht aus Sachsen wie im Falle meiner Island-Tour ☺), aber ein Platz war noch frei.
Und, nachdem ich erfahren hatte, dass die schon angemeldeten Teilnehmer nicht mehr taufrisch waren, gab es kein Halten mehr, ich bestätigte bewundernswert mutig meine Anmeldung, da ich unbedingt den frühen Termin für die Reise wahrnehmen wollte. Erstens weil es in den Bergregionen viel interessanter ist, wenn es überall blüht, und zweitens weil es im Juli und August in Tiflis temperaturmäßig kaum auszuhalten sein soll. Und ältere Mitreisende, die ihre Sturm- und Drangzeit schon hinter sich haben, sind ja meist viel abgeklärter und ruhiger als jüngere, also weniger anstrengend, wobei ich mit der Altenbetreuung schon ein paar Erfahrungen habe.
Auf die Reise habe ich mich anhand zweier Reiseführer aus dem Trescher und dem Reise Know-How Verlag sowie der „Gestohlenen Geschichten" der amerikanisch-britischen Journalistin Wendell Steavenson vorbereitet. Steavenson verbrachte um die Jahrtausendwende zwei Jahre in Georgien, wo sie u.a. Schewardnadse und den adscharischen Provinzfürsten Abaschidse interviewte und Krisengebiete wie Abchasien und die Grenzgebiete zu Tschetschenien in den chewsuretischen Bergen (Schatili, Pankisi-Tal) besuchte. Sie berichtete sehr einfühlsam von ihren Erlebnissen mit georgischen Bekannten und Freunden und den korrupten, chaotischen und ärmlichen Lebensverhältnissen, mit denen sie klar kommen musste. Z.B. gab es in der ganzen Zeit ihres Aufenthaltes ständige Stromausfälle, eigentlich war die Stromversorgung eher die Ausnahme an wenigen Stunden am Tag, manchmal musste sie sogar tagelang gänzlich ohne Strom auskommen, so dass auch in den Wintermonaten, in denen es in Tiflis sehr kalt werden kann, keine Heizung funktionierte und es kein Heißwasser gab. Das Geld, mit dem einige georgische Optimisten ihre Stromrechnungen trotzdem beglichen, ist meist irgendwo folgenlos versickert. Ich kann den Georgiern nur wünschen, dass sich die Stromversorgung seitdem deutlich verbessert hat.
Nach dieser Vorbereitung sah ich der Reise in ein tolles Land zwar erst mit etwas gemischten Gefühlen entgegen, aber schließlich wurde die Vorfreude immer größer und ich konnte die Zeit bis zum Juni kaum abwarten.
7./8. Juni 2014 – თბილისი
Der Flug begann für mich um 18:15 in Frankfurt mit Zwischenlandung in München, wo die komplette Reisegruppe den Flieger nach Tiflis um 21:20 nehmen sollte. Die restlichen Teilnehmer kamen aus Münster/Osnabrück und Düsseldorf. Meinen Aufenthalt im Münchner Flughafen verbrachte ich zunächst im „Pano", wo ich zwei Warte-Bier zu Weltstadtpreisen genoss und dabei die vorbeigehenden Reisenden auf potentielle Mitreisekandidaten musterte. Doch das ergab zu viele Treffer.
Ich ging dann zum