Worte in der Dämmerung: Gedichte und Prosa
Von Benedikt Maria Trappen und Martin Spura
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Über dieses E-Book
Diese programmatischen Worte, mit denen das umfangreichste und rätselhafteste Fragment der Sammlung einer Ouvertüre gleich beginnt, weisen auf die Gratwanderung hin, bei der interessierte Leserinnen und Leser den Verfasser der Gedichte und Prosa jetzt begleiten können. Martin Spura zufolge, der das Buch mit einem Nachwort versah, folgt Benedikt Maria Trappen einem Aufruf "zu ewiger Wandlung, die das Tote lebendig macht. Er traut sich die alte Haut abzuwerfen, damit das Überraschende und Ungewohnte wachsen kann. In der tiefsten Dunkelheit leuchtet ein Licht, das nur dem aufgeht, der sich nicht vor dem Gang in die Finsternis scheut."
Seine 1978 bis 1982 entstandenen und 40 Jahre später herausgegebenen Texte, gelten dem Autor rückblickend als "Zeugnisse des Prozesses der Menschwerdung, wie ihn Hegel und Feuerbach, Nietzsche und Lama A. Govinda vorhergesehen und vorhergesagt haben."
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Buchvorschau
Worte in der Dämmerung - Benedikt Maria Trappen
Erste Gedichte
BILDER
Autos zischen über nasse Straßen.
Geschrei von spielenden Kindern
und das Klingeln einer Haustür.
Regengeplätscher durchdringt den
grauen Schleier. Rauch aus dem Kamin
zieht gemächlich in die Höhe. Aus
den Umrissen der kahlen Bäume
hebt sich leuchtend eine Tanne ab
und beansprucht das alleinige Recht
betrachtet zu werden.
Keine Hand verändert das monotone Bild.
Gelegentlich ziehen schweigend Vögel vorbei,
bedacht, den Fesseln der Natur zu entrinnen.
Gefangen und nicht im Gefängnis.
Verurteilt, doch nicht schuldig.
Hilflos und ohne Hilfe.
Das Bild des Lebens.
Und keiner wagt sich zu wehren,
auszubrechen aus den Wegen, die
sind und doch nicht sind.
Und keiner kennt den Weg der ihm ist.
Und doch geht er ihn, Stunde um Stunde,
Tag für Tag. Und malt ihn aus, gering.
Denn sein Weg gehört zum Weg aller,
zum Bild der Natur, das keiner von
ihnen gemalt hat.
LIEBE
In der Liebe fest verankert
liegt des Lebens letzter Sinn.
Liebe ist der seidene Faden
an dem du am Leben hängst.
Liebe umhüllt das große Schweigen
was die Quell‘ des Lebens ist.
In geheimnisvoller Weise
durchzieht sie deinen Lebensweg.
Es ist die Liebe ohne Wissen,
ein unbewusstes Bindewerk,
das dich auf kunstvoll schöne Weise
Schlichtes sehr zu schätzen lehrt.
Es ist die Liebe zweier Menschen,
die beide gar zu einem vereint,
die Liebe, die so für den einen
unschätzbaren Wert dem andern gibt.
Es ist die Liebe aller Menschen
zu irgendetwas in der Welt,
die Liebe aller unter einander,
die das Miteinander des Lebens prägt.
Es ist die Liebe, die das Leben
jeder Baum und Strauch dir gibt,
die Liebe, die von dem gegeben,
der Liebe in der Liebe ist.
DEIN KAMPF
In Krieg und Leid, Gewalt und Frieden
gab es Männer, Frau und Kind.
Es waren die, die Geschichte schrieben,
es waren die, die nicht mehr sind.
Sie sind nicht mehr, doch sind geblieben,
Krieg und Leid, Gewalt und Frieden.
Mit diesen Dingen, die da bleiben,
ist’s an dir, Geschichte zu schreiben.
So beginne deinen Kampf,
gegen Krieg, Gewalt und Hass.
Kämpfe für das Glück und Frieden.
Du musst kämpfen. Du wirst siegen.
Lebe auch für deinen Kampf
und mach daraus ein Lebenswerk.
Zeig im Kleinen wie im Großen,
dass Leben auch ganz anders geht.
Auf Dank darfst du doch niemals hoffen,
denn Dank ist doch den meisten fremd.
Als Dank muss dir allein genügen,
dass manch einer den Weg erkennt.
Denn viele haben nur geglaubt,
für Ideale muss man sterben.
Du musst den anderen vererben,
dass Leben sich doch viel mehr lohnt.
WALDWECHSEL
Die Blätter fallen müd vom Baum,
zu müd, um länger Blatt zu sein.
Noch gelb und grün, bald rot und braun,
sie werden wie die Erde sein.
Es neigt der Wald sein Angesicht,
im Wandel stiller Zeiten,
und harrt in dunkler Zuversicht,
den herbstlichen Gezeiten.
Noch hüllt der Nebel Wald und Stamm
in leises Grau, so leise,
dass man von ferne hören kann,
des Donners dumpfe Weise.
Doch auch der Nebel wird vergehen,
im Wandel unserer Zeiten,
dann werden wir das Dunkel sehen
und müssen an ihm leiden.
LIEBESGEDANKEN
Die große Sehnsucht deiner Liebe
schenkte mir den zarten Traum,
in dem ich lange bei dir bliebe
durchschwebte mit dir Raum um Raum.
Gemeinsam fühlten unsere Herzen,
was uns zu einem gar verband,
fühlten auch die sanften Schmerzen,
gingen wir nicht Hand in Hand.
Und wenn du dann so vor mir standest,
wie siebzehn und so jung, so schön,
und nicht die rechten Worte fandest,
die doch in deinem Herzen stehen
Dann schenkten sich doch unsere Augen
Liebe, die wir uns ersehnt
und ließen uns den schönen Glauben,
den uns die Jugend ausgelehnt.
DIE SIEBEN
Die Sieben schon am Anfang aller Dinge:
In sieben Tagen erschuf Gott die Welt.
Gebangt hast du, dass sie nun bald erklinge,
die dich so oft vom Truge fern gestellt.
Erkannt hast du der Menschen wahre Seiten,
gesehen, was dein Innerstes ersehnt,
gefühlt hast du mit Sternen in den Weiten,
die die die Sieben ausgelehnt.
Die Sieben auch am Ende aller Schrecken:
In sieben Ewigkeiten endet diese Welt.
Du hoffst, sie wird auch dich erwecken,
wenn der Schleier des Truges fällt.
HEILIGE NACHT
Glasblaues Eis,
brennender Stern, der mit glühendem Schweif
zur Erde schreit. Kind der verlorenen Rufe,
verlassene Nacht, die dich berührt, die du
fühlst. Kurze Ewigkeit, alles begreifend,
alles wissend verlischt für Ewigkeit.
ANSICHTEN EINES CLOWNS
Gedanken einer großen Zeit,
in unser Leben übernommen,
so als hätt‘ der Mensch der Zeit
kein Recht, allein zu sich zu kommen.
Zu suchen, finden und erkennen
was der Weltengeist verbirgt,
sich und sein Leben anerkennen,
bevor der Traum der Jugend stirbt.
Gedanken einer großen Zeit
zum Bereuen und Vergessen,
Mord und Hass und Menschenleid
und was der Geist der Zeit besessen.
Und aus dem Mensch der Schreckenszeit
wird der Mensch der Vergangenheit.
Als wäre Leben nur ein Spiel,
von Maskenmenschen ausgedacht.
Der Masken gibt es ach so viel,
die Maske, die den Menschen macht.
Doch dem sie Lieb und Treu genommen,
des Lachen sie zunicht‘ gemacht,
er soll in ihre Mitte kommen,
soll nehmen, was ihm zugedacht.
Als hätten sie ihm zu vergeben,
als wär es Schuld, zurück zu schauen.
Und so steht einzeln gegen jeden,
ein einsamer verlorener Clown.
SINNSAM
Denkend die dunklen Wege wandelnd, die stillen
Straßen. Denkend ohne Gedanken. Die stumme
Mauer suchend, die Frage, die einzige nur
auf die Antwort: Leben.
VERSUCH
Keiner muss.
Nur wenn er will.
Auch kämpfen?
Auch kämpfen.
Sich wehren?
Ja wehren.
Und töten?
Auch töten.
Ich will nicht
und sterben.
Also doch
Erzählungen
DER WEG
Ich war ein Junge wie all die anderen, vielleicht nur darin etwas anders, dass ich nicht mit dem Traum vom Eisenbahner oder Flugzeugführer lebte, sondern die Welt mit den aufgeschlossenen, wissenshungrigen, doch allzu oft trostlos unverständigen Augen eines Knirpses sah, für den die Welt selbst einen Traum darzustellen schien, der es wert war, in allen möglichen und unmöglichen Situationen konsequent bis zum Ende erlebt zu werden. Wie alle Kinder lebte ich mit dem Christkind, dem Osterhasen und Nikolaus, dem schwarzen Mann, mit Hexen und Zauberern und sonstigen, als pädagogische Mittel recht wirkungsvollen Gestalten. Für all das hatte ich Platz in meinem Traum, all das regte meine Phantasie lebhaft an. Nur wollte oder konnte mir damals keiner erklären, wie diese Wesen beschaffen seien, wo sie lebten, was sie taten, ob man mit ihnen reden konnte. Mir genügte nicht, dass sie überall waren, die einen gut, die anderen böse, dass sie alles sehen, gute Kinder belohnen und böse bestrafen konnten. So begann ich, sie zu suchen. Bald fand ich, dass mein Vater, der urteilen, strafen, verbieten konnte, in Wirklichkeit der schwarze Mann und meine Mutter, ihrer Sorge und Nachgiebigkeit wegen, das Christkind sei. Doch man versicherte mir, dass dem nicht so sei, und so musste ich, damals wohl etwas enttäuscht, meine Fragen anders zu beantworten suchen. Ich betrachtete alles ganz genau und entdeckte bald, dass im Himmel nur das Christkind und der schwarze Mann nur im Dunkel, im Verborgenen, in einer finsteren Höhle oder den wirren Ästen eines kranken Baumes leben konnte. Ich betrachtete den Himmel, das Vorüberziehen der blassen Wolken, in denen ich Pferde und Schafe, Burgen und Schlösser, ganze Landschaften gar mit Bergen entdecken konnte. Nur das Christkind konnte ich nirgendwo finden.
Die Schule brachte schließlich ganz andere, neue, doch nicht weniger interessante Dinge in mein Leben, so dass ich meine Aufmerksamkeit ganz den noch unbekannten Gebieten zuwenden musste. Auch erzählte man mir, dass die Geschichten vom Christkind und dem schwarzen Mann gar nicht so seien, wie sie mir erzählt worden waren und ich wollte es glauben. Doch wie alles, was einer Lösung bedarf, die man nicht finden kann, reizten mich auch all diese Geschichten, deren Wahrheit ich vorläufig ersatzlos beraubt war, und ich konnte sie nicht ganz vergessen.
Die Jahre vergingen, ich wuchs heran. Von meiner Kindheit geblieben war mir einzig die Leidenschaft, alles genau zu nehmen, alles erfahren zu wollen, meine Art, träumerischen Gestalten nachzuhängen und damit verbunden noch immer der Gedanke, ob alles Leben nicht nur ein Traum sei und die Wirklichkeit erst mit dem Erwachen beginne, von der ich mir keine mich befriedigende Vorstellung machen konnte. Waren die Schularbeiten getan, streifte ich lange durch Wiesen und Wälder, flüchtete mich tief in die Einsamkeit der Natur, deren Wesen mich nicht minder lockte als die Suche nach dem schwarzen Mann. Sicher war an seine Stelle längst der Teufel mit all seinen dunklen Gesellen getreten, doch sah ich darin keine Neuerung, sondern fand, dass hinter all diesen unheimlichen Namen im Grunde doch nur eines steckte. Was es genau war, davon wusste ich freilich nichts, und die Erklärungen meiner Eltern waren kaum dazu angetan, meine Neugier zu verringern.
Oft saß ich in Gedanken versunken mitten im Wald, an einem Bach und lauschte den verschiedenartigen Geräuschen des Tier- und Pflanzenreiches. Das Betrachten einer Blume, eines Steines, eines Käfers fesselte mich so stark, dass ich lange meinen Blick auf diesen Dingen ruhen ließ. Ähnlich den Wolken konnten auch diese Dinge andere Formen annehmen, ihr Aussehen von Augenblick zu Augenblick ändern, sich öffnen und Königreiche zeigen, Freude und Sehnsucht, aber auch Angst und Entsetzen in mir erwecken. So in Gedanken verloren hoffte ich, das Wesen der Dinge zu erkennen, hinter meinen Traum blicken und jeder Figur meines Lebens ihren wahren Gehalt zuordnen zu können. Bald hatte ich mir eine eigene Welt geschaffen, die meiner Meinung nach der Enthüllung aller unfassbaren Phänomene des Lebens weit näherstand, als alle philosophisch-naturwissenschaftlichen Erklärungen der Menschheit.
Unter all den Plätzen, die ich auf meinen Wegen aufsuchte, hatte ich bald schon einen Lieblingsplatz gefunden. Eine kleine Wiese, die den ganzen Nachmittag in der Sonne lag und von wilden Hecken umgegeben war. Auf einem dornenüberwucherten Hügel stand inmitten der Wiese eine alte Eiche. Ihre morschen, verkrüppelten Äste hingen wirr umher, es fehlten Zweige, die Rinde an vielen Stellen. Ganze Teile waren abgefault und nackte Stümpfe zierten den riesigen Stamm. Würme und Käfer suchten Nahrung und Schutz in den tiefen Wunden des sterbenden Baumes. Ein enger Durchbruch, groß genug, dass ich mich hindurchzwängen konnte, machte es mir möglich, an diesen Ort zu gelangen. Ich hielt es für unmöglich, dass irgendwer diesen Zugang finden und wenn auch, hindurch kommen könnte. Diese Gewissheit gab mir das Gefühl wohltuender Einsamkeit, Friede, Geborgenheit. Und ich fühlte einen überlegenen Stolz all denen gegenüber in mir anwachsen, die keine Wiese hatten, keinen Baum und kein Geheimnis. Ich bemitleidete sie gar im Stillen.
Ich behielt mein Geheimnis ganz für mich und hütete mich streng, auch nur die entfernteste Andeutung dessen zu machen, was langsam zum festen Bestandteil meines jungen Lebens wurde. Hier verbrachte ich den Großteil meiner Freizeit, war vertraut mit jedem Halm, jeder Blume, jedem Stein, hier konnte ich ungestört träumen und vor allem meiner Neigung zum Sinnlichen, meiner Suche nach Antworten auf die mich immer mehr beschäftigenden Fragen nach Sinn und Ziel alles Seienden freien Raum bieten. Mehr als alles andere aber wirkte dieser verkrüppelte Baum auf mich. Ich schenkte ihm mein ganzes Mitleid, war aufrichtig ergriffen vom Lauf seines Schicksals und musste doch hilflos mit ansehen, wie es seinen Lauf nahm. So oft ich ihn ansah,