Dem Glück bezahlt ich meine Schuld: Leni Behrendt Bestseller 13 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Es war, als wolle der Sommer sich noch schier verschwenden, bevor er sein Regiment an den Herbst abgab, der kalendermäßig nach einer Woche seinen Einzug halten sollte. Im Park blühte es üppig auf Beeten und Sträuchern, und die Bäume zeigten noch kein buntes Blatt. Knistertrocken und ährenschwer hatten die Landwirte das Korn bergen können, und auch die Heuernte war so gut gewesen wie schon seit Jahren nicht mehr. Jetzt konnte man an die Hackfrüchte herangehen, die gleichfalls prächtig gediehen waren. Das Obst, in der Sonne gar herrlich gereift, wartete nur darauf, von emsigen Händen gepflückt zu werden – also gab es in der Landwirtschaft immer noch alle Hände voll zu tun, aber man war auch mit Lust und Liebe dabei, zumal keine längere Regenperiode die mühsame Erntearbeit erschwerte. Es hatte immer gerade nur so viel geregnet, um die lechzende Natur mit köstlichem Naß zu erquicken. Daher konnte man mit Fug und Recht von einem gottgesegneten Jahr sprechen, wie es soeben die Dame tat, die einer anderen am Doppelschreibtisch gegenübersaß. Man sah es dem Möbel an, daß ernstlich an ihm gearbeitet wurde, denn es häuften sich auf ihm Kontobücher, Akten, Listen und allerlei lose Papiere. Es war gar nicht so einfach, sich da zurechtzufinden, doch die Dame, die das alles zu bewältigen hatte, konnte es mit sicherem Griff. Jetzt hob sie den Kopf von einem mächtigen Journal und sah ihr Gegenüber mit frohen Augen an. »Tante Hermine, ich kann dir die freudige Mitteilung machen, daß ich bereits ein ganz nettes Haben verbuchen durfte. Noch einige so gottgesegnete Jahre – und wir können Geld scheffeln.« »Von wegen scheffeln«, lachte die andere bitter auf. »Daß es nicht dazu kommt, dafür wird schon der da sorgen…« Damit reichte sie ein Schreiben hinüber, das Brunhild von Reichwart betroffen las. Das Gesicht mit den blühenden Farben erblaßte. »Dann allerdings! Ist der Junge denn ganz von Gott verlassen?« »Nein, aber von der Leidenschaft besessen.
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Leni Behrendt Bestseller
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Dem Glück bezahlt ich meine Schuld - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 13 –
Dem Glück bezahlt ich meine Schuld
Leni Behrendt
Es war, als wolle der Sommer sich noch schier verschwenden, bevor er sein Regiment an den Herbst abgab, der kalendermäßig nach einer Woche seinen Einzug halten sollte. Im Park blühte es üppig auf Beeten und Sträuchern, und die Bäume zeigten noch kein buntes Blatt. Knistertrocken und ährenschwer hatten die Landwirte das Korn bergen können, und auch die Heuernte war so gut gewesen wie schon seit Jahren nicht mehr.
Jetzt konnte man an die Hackfrüchte herangehen, die gleichfalls prächtig gediehen waren. Das Obst, in der Sonne gar herrlich gereift, wartete nur darauf, von emsigen Händen gepflückt zu werden – also gab es in der Landwirtschaft immer noch alle Hände voll zu tun, aber man war auch mit Lust und Liebe dabei, zumal keine längere Regenperiode die mühsame Erntearbeit erschwerte. Es hatte immer gerade nur so viel geregnet, um die lechzende Natur mit köstlichem Naß zu erquicken.
Daher konnte man mit Fug und Recht von einem gottgesegneten Jahr sprechen, wie es soeben die Dame tat, die einer anderen am Doppelschreibtisch gegenübersaß.
Man sah es dem Möbel an, daß ernstlich an ihm gearbeitet wurde, denn es häuften sich auf ihm Kontobücher, Akten, Listen und allerlei lose Papiere.
Es war gar nicht so einfach, sich da zurechtzufinden, doch die Dame, die das alles zu bewältigen hatte, konnte es mit sicherem Griff.
Jetzt hob sie den Kopf von einem mächtigen Journal und sah ihr Gegenüber mit frohen Augen an.
»Tante Hermine, ich kann dir die freudige Mitteilung machen, daß ich bereits ein ganz nettes Haben verbuchen durfte. Noch einige so gottgesegnete Jahre – und wir können Geld scheffeln.«
»Von wegen scheffeln«, lachte die andere bitter auf. »Daß es nicht dazu kommt, dafür wird schon der da sorgen…«
Damit reichte sie ein Schreiben hinüber, das Brunhild von Reichwart betroffen las. Das Gesicht mit den blühenden Farben erblaßte.
»Dann allerdings! Ist der Junge denn ganz von Gott verlassen?«
»Nein, aber von der Leidenschaft besessen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, ihn diesen gierigen Klauen zu entreißen.«
»Was gedenkst du zu tun?«
»Mit einem Donnerwetter dazwischenzufahren.«
»Tante Hermine, man darf Trutz nicht zu hart anpacken – muß ihn mehr als Kranken behandeln.«
»Na, das fehlte gerade noch!« brauste die alte Dame auf, die mit ihren siebzig Jahren noch so manchen Jungen in die Tasche steckte. Und dabei hatte sie ein sehr schweres Leben hinter sich, die Baronin Swindbrecht auf Adl. Brechten. Mit achtzehn Jahren war sie dahin verheiratet worden, sozusagen frisch aus dem Pensionat importiert – verwöhnt, unselbständig und voll schwärmerischer Jungmädchenideale, die der junge Gatte dann aber bald zerbrach. Da er über eine blendende Erscheinung verfügte, hatte er besonders viel Chancen bei den Frauen und war daher immer in irgendeine Amour verstrickt. Und da so was ja recht kostspielig ist, fiel es dem Schwerenöter gar nicht schwer, so peu á peu die reiche Mitgift der ihm aufgedrängten Frau zu vergeuden.
Er blieb denn auch im Duell und ließ eine fünfundzwanzigjährige Witwe, ein sechsjähriges Söhnchen und ein arg verschuldetes Rittergut zurück.
Nun stand die junge Hermine da – weltfremd, hilflos, am Leben verzweifelnd. Und wer weiß, ob sie mit ihrem Jungen nicht Ruhe in dem tiefen Parkweiher gesucht, wenn sich nicht ein Großonkel erbarmend ihrer angenommen hätte. Er war zwar ein Rauhbein, aber ein vorzüglicher Landwirt und hatte außerdem noch Geld, womit er das verlotterte Brechten zu sanieren begann. Zwar schien das zuerst ein aussichtsloses Beginnen, aber mit Energie und eisernem Fleiß ging es denn doch allmählich bergan. Allerdings mußte die junge Herrin auch ihr Teil dazu beitragen, wurde von dem Onkel in eine harte Schule genommen. Als sie protestieren wollte, schnauzte er sie an:
»Du dummes Ding, glaubst du etwa, es macht mir Spaß, hier meine Kräfte und mein Geld zu vergeuden, damit du, wenn ich die Augen schließe, dir doch wieder nicht zu helfen weißt? Ich bin nämlich jetzt über Siebzig und will, wenn ich nächstens abgerufen werde, dich als tüchtige Landwirtin zurücklassen. Reichtümer wirst du hier zwar nicht erwerben, aber du kannst dir und deinem Sohn durch Umsicht und zähen Fleiß die Heimat erhalten!«
Zuerst hatte Hermine bei einer solchen Strafpredigt vor Angst gezittert. Doch als sie den Onkel erst näher kennenlernte und somit das goldtreue Herz des Rauhbeins erkannte, da tat sie alles, was von ihr verlangt wurde. Und als dieser Großonkel nach zehn Jahren starb, hatte er aus der einst so hilflosen jungen Baronin eine tüchtige Landwirtin gemacht, die einen Besitz ihr eigen nannte, auf dem zu wirtschaften es sich lohnte.
Ihre Hoffnung, daß sie an dem Sohn einmal eine Hilfe haben würde, erfüllte sich leider nicht, er war und blieb ein Denker und Träumer. Dazu heiratete er mit zweiundzwanzig Jahren ein achtzehnjähriges überzartes Geschöpfchen, das nach der schweren Geburt eines Knaben die träumerischen Augen für immer schloß.
Darüber kam der Gatte nicht hinweg. Er verfiel der Schwermut, und da er ohnehin von schwächlicher Konstitution war, überstand er eine heftige Lungenentzündung nicht und folgte somit nach zwei Jahren der geliebten Frau.
Das war für Hermine der herbste Schlag, den ihr das ohnehin schon rauhe Leben brachte, doch sie gab sich dem heißen Schmerz nicht hin, sondern biß die Zähne zusammen und schuftete weiter wie besessen – und zwar für den kleinen Enkel, der so ganz und gar seinem Großvater nachschlug, äußerlich jedenfalls, ob auch charakterlich, das mußte sich erst im Laufe der Jahre herausstellen.
Hermine segnete immer noch den Tag, an dem sie eine verwaiste Nichte ins Haus nahm, die ihr dann auch bald eine tüchtige, unentbehrliche Helferin wurde – in jeder Beziehung. Und diese Nichte, mittlerweile zur stattlichen Vierzigerin herangereift, betrachtete die verehrte Tante jetzt angsterfüllt – und schon kam es, was erstere befürchtete.
»Geh, mein Kind, und schick mir den Bengel her«, sprach der schmale Altfrauenmund verbissen – und da wußte Brunhild, daß es in dieser Stunde hart auf hart gehen würde.
Fünf Minuten später stand dann der junge Mann vor der alten Dame, deren hageres Antlitz dem eines Falken glich, zumal dann, wenn die Augen so scharf und hart blickten – genauso wie jetzt.
Er war eine blendende Erscheinung, der junge Baron von Swindbrecht – nur war das Gesicht zu weich für einen Mann. Daher kam es wohl, daß er mit seinen siebenundzwanzig Jahren immer noch wie ein Jüngling wirkte. Wie das sprühende Leben stand er da, die blitzblauen Augen auf die Großmutter geheftet, die ihm jetzt das Briefblatt reichte.
»Da, lies – und dann laß uns ergründen, ob du überhaupt noch deiner Sinne Meister bist.«
Die nervige Hand zitterte, die das gelesene Blatt Sekunden später auf den Tisch legte, das Gesicht war tief erblaßt. Doch furchtlos hielten die blauen Augen dem falkenscharfen Blick stand. Trotz schwang in der Stimme mit, die nun sprach:
»Großmama, willst du das nicht meine eigene Angelegenheit sein lassen? Der Juwelier braucht keine Angst zu haben. Ich werde ihm den Schmuck nicht schuldig bleiben.«
»Und wovon willst du den bezahlen? Etwa in Raten von deinem Taschengeld? Dann wirst du wahrscheinlich die letzte Rate als Opa entrichten, denn wie der Juwelier schreibt, handelt es sich um zehntausend Mark. Wahrscheinlich eine Lappalie für dich – aber viel Geld für mich.«
»Eine unerhörte Indiskretion von dem Mann, wegen der Bestellung des Schmucks an dich zu schreiben!« brauste der Enkel auf. »Ich werde…«
»Du wirst gar nichts!« unterbrach ihn die Großmutter kalt. »Der Mann tat gut, sich an mich zu wenden, weil er unsere Verhältnisse kennt und daher weiß, daß du von mir abhängig bist. Wem ist der Schmuck überhaupt zugedacht?«
»Meiner Braut als Verlobungsgeschenk.«
»Aha – also sind dir doch die Sinne verwirrt.«
»Großmama, ich verbitte mir das!«
»Und ich verbitte mir noch viel mehr!« wurde ihre Stimme jetzt scharf und schneidend. »Solltest du nämlich wagen, mir dieses Frauenzimmer…«
»Großmama, mäßige dich!«
»… ins Haus zu bringen«, sprach die glasharte Stimme unbeirrt weiter, »so laß ich es hinauspeitschen – so wahr ich Hermine Swindbrecht heiße. Und nun werde ich dir mal etwas sagen, mein lieber Trutz, aber achte gut auf meine Worte, sie sind mir bitter ernst. Also: Du kennst die Geschichte unseres Hauses und weißt daher, daß ich mit fünfundzwanzig Jahren einen Besitz übernahm, der kaum noch einen Heller wert war. Wenn Großonkel Otto sich da nicht meiner erbarmt und mir mit Geld und energischen Vorhaltungen das Rückgrat gestärkt hätte, wärest du überhaupt gar nicht geboren, weil dein Vater mit mir zusammen im tiefen, verschwiegenen Parkweiher versunken wäre – wovor uns jedoch eine feste und gütige Hand noch im letzten Augenblick bewahrte, aber das alles ist dir ja aus Erzählungen bekannt, auch daß ich tagaus, tagein wie ein Kuli geschuftet habe – ganze fünfundvierzig Jahre. Und es hat sich gelohnt – denn Brechten steht heute, wenn auch nicht direkt glänzend, so doch immerhin ganz gut da.
Und daher werde ich mich mit jedem Blutstropfen dagegen wehren, daß du in deiner sinnlosen Leidenschaft mit einem minderwertigen Weib das vergeudest, was ich so mühsam aufbaute.
Du kannst mir wahrlich nicht den Vorwurf machen, daß ich hart mit dir verfahren bin. Du hast eine frohe, sorglose Kindheit gehabt. Hast dann studiert, hinterher Reisen gemacht und dein Leben genossen, ohne dabei mit der Mark rechnen zu müssen. Ich habe auch beide Augen zugedrückt bei deinen jeweiligen Amouren – aber wenn du dich mit so einem Techtelmechtel verlobst, dann ist es Zeit, einen Riegel vorzuschieben, oder besser gesagt: Dein vergiftetes Herz zu entgiften – und das kannst du in einer Ehe mit Ragnilt Leinsen – diesem unberührten, taufrischen Geschöpf. Sie als Herrin von Brechten zu wissen, ist schon lange mein Wunsch.«
»Aber nicht der meine!« brauste der junge Mann auf. »Ich will eine Frau haben – aber kein sentimentales Gänschen!«
»Daher ist dir eine Frau lieber, die zehn Jahre älter ist als du.«
»Großmama, wollen wir nicht das heikle Thema lassen?« fragte Trutz nun wieder beherrscht. »Spare deine Worte, sie sind nur vergeudet. Du brauchst keine Angst zu haben, daß ich das gewissenlos verschleudern werde, was du hier mühsam aufbautest. Du weißt ja, daß es schon lange mein Wunsch ist, zu Onkel Arnold nach Kanada zu gehen und ich deswegen mit ihm jahrelang in regem Briefwechsel stehe. Vor einigen Tagen erreichte mich die Nachricht, daß dieser prächtige Onkel mir eine größere Summe überweisen wird, wovon ich gewiß auch das Verlobungsgeschenk meiner geliebten Braut bezahlen kann.«
»Wie schön, wenn es einen Onkel gibt, den man anbetteln kann«, meinte die alte Dame sehr ruhig, sehr eisig. »Man hat es natürlich satt, mit siebenundzwanzig Jahren immer noch von einer verschrobenen, verkalkten, siebzigjährigen Großmutter abzuhängen. Selbst ist der Mann – oha –!«
»Großmama, deine Ironie ist fürchterlich!« brauste der Enkel erneut auf. »Du siehst mich wahrscheinlich immer noch als Hosenmatz und vergißt darüber, daß ich siebenundzwanzig Jahre zähle und daher das Recht beanspruche, endlich selbständig zu werden. Und zu dieser Selbständigkeit wird mir Onkel Arnold verhelfen.«
»Das wird er wahrscheinlich tun«, kam die Antwort trocken. »Aber mit dem Leben, das du bisher als verwöhntes Herrensöhnchen führtest, dürfte es wohl zu Ende sein. Denn ein Mensch, der sich in so harter Fron eine Existenz aufbauen mußte, wie es bei Arnold der Fall ist, der hat bestimmt kein Verständnis für ein Salonbürschchen – schon gar nicht, wenn es mit einer abgetakelten Halbweltdame als Eheweib anrückt.«
»Halt ein!« unterbrach der Enkel sie flammenden Blickes. »Wie kann man mit siebzig Jahren nur noch so boshaft sein. Trotzdem sage ich dir Dank für alles.«
»Bitte sehr«, tat Hermine nonchalant ab. »Aber sei dem, wie es wolle, auf den Zehntausendmarkschmuck wird deine Holde dennoch verzichten müssen.«
Da knallte die Tür hinter dem jungen Mann zu, und die vom Leben enttäuschte Hermine lachte bitter auf. Das waren die Früchte, die sie nach so mühsamer Saat ernten durfte!
*
Zehn Minuten später trat Brunhild ein, mit bangem Blick die alte Dame musternd, die so aufrecht wie eh und je in dem hochlehnigen Polsterstuhl saß. Zwar war das hagere Antlitz