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Alte Väter: Vom Glück der späten Vaterschaft
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eBook169 Seiten2 Stunden

Alte Väter: Vom Glück der späten Vaterschaft

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Über dieses E-Book

Franz Beckenbauer wurde mit 58 Jahren noch einmal Vater, Pablo Picasso mit 68, Anthony Quinn sogar mit 81. Prominente Beispiele für sogenannte »Geronto-Väter« gibt es viele. Ein Trend, der sich in der Gesellschaft fortsetzt, was auch eine Folge des demografischen Wandels ist: Wer länger lebt, der liebt auch länger. Inzwischen haben in Deutschland Zehntausende Babys einen Vater, der bei ihrer Geburt über 50 war. Und es werden immer mehr, obwohl die gesellschaftliche Akzeptanz eher noch gering ist: Nur zehn Prozent der Deutschen halten eine Vaterschaft jenseits der 50 für okay. Der Journalist Uly Foerster wird zwei Wochen vor seinem 60. Geburtstag Vater zum ersten Mal. Sein Wunschkind stellt sein bisheriges Leben auf den Kopf. Kurz vor dem Ruhestand hat er plötzlich alles noch vor sich. Warum aber gelten alte Väter vielen als verantwortungslos? Was motiviert sie und ihre immer deutlich jüngeren Partnerinnen? Ist es der egoistische Wunsch, sich noch einmal jung zu fühlen? Oder ist es, andersherum, altruistisch, die letzten Lebensjahre einem Kind zu widmen? Uly Foerster geht diesen Fragen nach und berichtet mit großer Offenheit aus eigener Erfahrung witzig, unterhaltsam, temporeich. Vom Glück der späten Väter und ihrer Diskriminierung bis hin zum turbulenten Familienalltag.
SpracheDeutsch
HerausgeberAllitera Verlag
Erscheinungsdatum31. Mai 2013
ISBN9783869065014
Alte Väter: Vom Glück der späten Vaterschaft

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    Buchvorschau

    Alte Väter - Uly Foerster

    1 Vater mit 60

    Bloß nicht schlapp machen

    Hamburg, ein kleiner Park in einem Schicki-Viertel, eine Rotbuche blutet in der ersten Sonne. Ein Penner sortiert nach kühler Nacht seine abgeschabten Plastiktüten, der depressive Reiher starrt wie jeden Morgen verdrossen in den verdreckten Teich. Ein Witzbold hat dort eine weiße Maske versenkt, sodass es aussieht, als stiere den zufälligen Betrachter die Fratze eines Ertrinkenden an. Doch hier ist niemand zu retten. Auch ich nicht.

    Ich, 60, jogge. Ich hasse es. Ich bin noch nie gejoggt. Sport ist mir zuwider, eigentlich, und das schon mein ganzes Leben lang, seit mich meine sportversessenen Eltern in den örtlichen, 1846 gegründeten, immerfort nach dem Schweiß von Turnvater Jahn riechenden Turnverein gesteckt haben. Da war ich zwei.

    Nicht dass ich – 177 Zentimeter, 77 Kilo, Bauchansatz – ein Frühgreis wäre, jahrzehntelang in schlechter Haltung an Schreibtischen, Schreibmaschinen und Bildschirmen verbogen, zermatscht und verrunzelt. Gelegentliche längere Phasen körperlicher Ertüchtigung in Sportstudios, eilig abgerissene Kilometer auf dem Fahrrad, morgendliche Schwimmbahnen in Linie mit fitten Rentnern, Kämpfe mit Atlantikwellen und Besteigung von Alpengipfeln – das alles hat die Kondition stabilisiert. Mir geht’s gut, ich fühle mich wohl, ich bin selten krank.

    Jetzt jogge ich. Auf dem Gletscher zum Brandenburger Haus in den Ötztaler Alpen vor drei Jahren zog ich, in über 3000 Meter Höhe, nach stundenlangem steilen Aufstieg noch lässig durch. Julia hingegen, meine Frau und 18 Jahre jünger, bat zu meiner Freude ein ums andere Mal um Verschnaufpausen, während über dem Gletscher und uns bei unter Null ein Schneehagelregennebelgewitter niederging. Und nun dehnt sich der äußere Weg rund um den kleinen Hamburger Park auf unendliche 500 Meter Länge. Ein Witz. Ich schaffe noch nicht einmal zwei Runden ohne Pause. Der Hass aufs Joggen blockiert das Herz, die Psyche stopft die Atemwege mit dicken Klößen zu, die Beine baden sich selbst in Milchsäure.

    Ich muss aber. Ich muss es zum ersten Mal in meinem Leben ernst nehmen. Meine neugeborene Tochter ist zwei Monate auf der Welt, kurz vor meinem 60. Geburtstag kam sie in unser Leben, und ich habe eine neue Aufgabe: möglichst alt werden. Nicht schlapp machen, bevor sie mindestens das Abitur hat. Das ist, so scheint es jedenfalls, ein kritisches Datum. Ratgeber teilen nämlich meine Restlaufzeit nun nach den Lebensabschnitten meiner winzigen Tochter ein, ermitteln Verfallsdaten und kalkulieren mein baldiges Ableben.

    „Überleg mal, wie alt du bist, wenn deine Tochter ins Gymnasium kommt."

    „Überleg mal, wie alt du bist, wenn deine Tochter Abitur macht."

    „Überleg mal, du bist wahrscheinlich schon tot, wenn deine Tochter zu Ende studiert hat."

    Vielleicht will sie gar nicht studieren. Vielleicht macht sie gar kein Abitur. Vielleicht will sie Altenpflegerin werden, der Beruf hat in den Wirrnissen des demographischen Wandels schließlich Zukunft. Vielleicht wird sie Tischlerin oder Immobilienmaklerin oder erste Weltmeisterin in der Formel 1 oder Germany’s next Topmodel und trägt sowohl zu meiner Ernährung als auch zu meiner medizinischen Versorgung bei, wenn ich 80 bin. Vielleicht bin ich dann gar nicht tot – frühes Sterben kann ich mir nicht mehr leisten.

    Mit dem Gedanken an den Tod hatte ich eigentlich schon abgeschlossen. Ich bin das ein oder andere Mal schon davongekommen, da plagt einen das Altwerden nicht mehr so sehr, man freut sich vielmehr über jeden Tag, den der Herr werden lässt. Eines Tages ist es dann so weit, und wenn man keine Kinder hat, erlischt nicht von heute auf morgen eine Verantwortung für andere Menschen, man kann abtreten ohne großes Aufheben, den Schmerz haben die anderen. Und tschüss. Mein Sterbealter hatte ich auf etwa 75 kalkuliert. 77,72 ist das Mittel für durchschnittliche Männer, sagt die Statistik des Bundesamtes, das sind immerhin rund 10 Jahre mehr als 1960. Und den heute 60-Jährigen verheißt die Statistik sogar 21,31 Jahre mehr. Das Lebensalter steigt kontinuierlich an, vor allem die Frauen halten immer länger durch. Die Rentner-Republik kommt, und Methusalems wie ich haben genug Kraft und Zeit, perfide Komplotte gegen die verzweifelte Minderheit der Jugend zu schmieden. Vielleicht kann ich, wenn alle älter werden, mit einer Zugabe rechnen. Vielleicht muss ich aber auch einen Abschlag befürchten – Gastwirte und Journalisten sterben früher, heißt es.

    Ende mit 75? Damit kann es dem Gevatter Tod doch nicht mehr ernst sein, nun, da ich eine kleine Tochter habe?

    Es nützt mir nichts, dass sich immer mehr Alte heute immer jünger fühlen. Emnid etwa fand 2006 heraus, dass sich 56- bis 65-Jährige selbst erleben wie 51. Der Soziologe Dieter Otten hat eine Verschiebung des „Alters-Limes beobachtet, die Generation zwischen 50 und 75 sei „schlicht nicht alt. Sie verschiebt damit den ,Alters-Limes’, der traditionell bei 60 liegt, um 15, in Zukunft vielleicht um 20 Jahre oder noch mehr nach oben. Das ist die eigentliche ,Revolution’. Ich mit meinen 60 Jahren dürfte mich also, wenn ich wollte, fühlen wie 45. Höchstens. Und als Partner eines sehr viel jüngeren „Phantomselbst, wie es die Zukunftsforscher Peter Wippermann und Corinna Langwieser nennen: „Das gefühlte Alter, Geburtsdatum minus 15 Jahre, bestimmt die eigene Weltwahrnehmung.

    Aber vielleicht nicht die Weltwahrnehmung meiner kleinen Tochter? Vielleicht sollte ich, das revolutionäre Phantomselbst, es zunächst einmal mit einer positiveren Einstellung zum Altern versuchen? Auch das verlängert das Leben, haben Forscher der Yale Universität 660 Probanden ab 50 Jahren abgeschaut. Wer sich mental nicht ums Altwerden schert, vital und glücklich lebt, macht es im Schnitt sieben Jahre länger als die anderen, die mit dem Altwerden hadern. Ich könnte, zur Lebensverlängerung, auch erwägen, samt Familie nach Dänemark oder Schweden oder Griechenland umzusiedeln. Dort nämlich, fanden Forscherteams an der britischen Universität von Leicester bei einer Untersuchung in 25 europäischen Ländern heraus, haben 50-Jährige gute Chancen, noch etwa 30 Jahre zu leben, 20 Jahre davon in guter Gesundheit. Und in Italien, Großbritannien und den Niederlanden ebenso.

    Ich entscheide, dass wir bleiben. Wer kann schon Griechisch, Schwedisch oder Dänisch.

    Also lieber einen „Komplett-Check" für gestresste Manager in der universitätsnahen Spezialklinik buchen, inklusive Körperkompositionsanalyse (ich fand schon immer, dass mein Körper nicht so richtig gut komponiert war, vielleicht können die da zum Ende hin noch was machen), Hormonstatus, Knochendichtemessung, Ultraschalluntersuchung diverser Drüsen, Adern und Organe, Ganzkörper-Magnetresonanztomografie mit oder ohne Darmuntersuchung, virtuelle Darmspiegelung, Haut-Check und Herz-Lungen-Screening. Und dann die Demonstration des Befunds. In 3D.

    Ich erhalte, als sei ich ein renovierungsbedürftiges Badezimmer, einen Kostenvoranschlag: 2700 Euro.

    Auch die private Konkurrenz freut sich über mein Interesse und empfiehlt den individuell gestalteten „Medical Check-up nach Maß, der in einem ganztägigen „Checkparcour zu absolvieren ist. Für 1490 Euro. Der universitätsnahe Dienstleister hat einen noch preiswerteren „Basis-Check" im Angebot, 1200 Euro, da fehlt dann aber zum Beispiel die Ganzkörper-Magnetresonanztomografie. Ich zögere. Obwohl der leitende Professor des universitätsnahen Instituts, der das Angebot unterzeichnet hat, in einem Interview mit dem manager magazin sogar eine Art Frischegarantie gibt: „80 Jahre kann fast jeder werden. Mehr noch: Ganze zehn zusätzliche Lebensjahre verspricht er, wenn alles gut läuft. Durchschnitt 77,7 + 10 = 87,7, das wäre doch ein Wort. Er spendet mir sodann Trost und Zuversicht mit einem Bericht über Leute, die mit „Lebensstil-Maßnahmen sogar 20 Jahre mehr rausholen, wenn die Gene mitspielen. Also 97!

    Noch vor zehn Jahren habe die Wissenschaft geglaubt, die Gene und der gewählte Lebensstil bestimmten je zur Hälfte, wie alt man wird. Heute tendiere man zu der Ansicht, dass die Gene zu 30 Prozent und der eigene Lebenswandel zu 70 Prozent darüber entscheiden, welches Alter man erreiche. „Gesundheit im Alter, prognostiziert der Professor, „wird zum Statussymbol werden. Das finde ich auch. Und mein Status ist mir jetzt schon wichtig. Es geht eigentlich ganz leicht, sagt er: 1. Einen bauchfett- und rauchfreien Lebensstil mit viel Bewegung wählen; 2. Die eigenen technischen Daten kennen (Blutdruck, Cholesterin, Zucker, Jod …) und entsprechend handeln; 3. Richtig mit Stress umgehen. Und natürlich erst einmal den „Komplett-Check" machen. Kostenvoranschlag siehe oben.

    Die private Krankenkasse meutert. Nicht nur, weil die gesetzliche AOK bereits 2006, ganz ohne Lebensverlängerungsprofessoren und Checkparcour, in zehn Punkten festgehalten hat, wie man jung und fit bleibt: 1. Genügend Schlaf. 2. Lachen. 3. Sonnenschutz. 4. Bewegung. 5. Vitamine und Mineralstoffe aus Obst und Gemüse. 6. Viel trinken. 7. Mit Liebe durchs Leben gehen. 8. Freundschaften pflegen. 9. Hirntraining. 10. Erholung ernst nehmen.

    Die Privatkasse meutert auch aus medizinischen Grundsatzerwägungen. Programme mit „klangvollen Namen wie ,Großer Check Up’, ,Manager Check Up’, ,Medical Check Up’ gehen weit über das hinaus, was medizinisch notwendig und sinnvoll ist", argumentiert sie. Man empfehle hingegen Untersuchungen nach dem bewährten Stufenschema (Basis-, Aufbau-, Spezialdiagnostik) und Abrechnung nach Einzelbeleg gemäß Sozialgesetzbuch V, Paragraph 25, und GÖA, das ist die Gebührenordnung für Ärzte.

    Sollte ich mich trotz dieser Argumente für den „Komplett-Check des Professors, der zehn Jahre mehr in Aussicht stellt, entscheiden, könne man allenfalls einen Pauschalbetrag „von maximal 400 Euro anerkennen. 400 Euro – für zehn Jahre Leben, für meine komplette Gesundheit und die Zukunft eines Kleinkindes! Dabei sollte die Krankenkasse froh sein, dass ich nicht auch noch ein „Lebensstil-Coaching" und die Analyse des genetischen Risikoprofils mitbuchen will. Also erst einmal joggen, damit die preisgünstigeren und abrechenbaren Stufendiagnostikbefunde in diversen Facharztpraxen bei Lungentest und Belastungs-EKG nicht gar so deprimierend ausfallen. Also noch gesünder leben. Mal im Biomarkt vorbeischauen. Mal auf einen Lagavulin verzichten. Bisher verachtete Ratgeberbücher erstmal wahr- und vielleicht auch ernst nehmen. Sie tragen Titel wie Jung und vital. Bis ins hohe Alter, forever young – das Leicht-Lauf-Programm, Die Kunst, länger zu leben. Jugend ist keine Frage des Alters oder Bleib doch einfach jung. Das Komplettprogramm für Jugend, Vitalität und Gesundheit. Möglicherweise bringen sie Verheißung und haben Verachtung nicht verdient.

    Während ich sinne und schnaufe, schwenkt Theodor Horstmüller in leichtem Laufschritt auf den Joggerpfad ein, ein Profi des Direktmarketings, vier Jahre älter, beinahe 65. Er ist gebräunt, hat, anders als ich, das Haupt voller Haare, die sorgfältig gekämmt und gescheitelt sind, und joggt seit Jahrzehnten jeden Morgen.

    „Was machen Sie denn hier?", begrüßt er mich überrascht und wenig originell.

    „Ich jogge." Für längere Erklärungen fehlt mir die Puste.

    Der breitschultrige 1,90-Mann kann das, was auch in den Büchern steht: Er unterhält sich locker, während er rennt, er muss keine Pause einlegen, er atmet nicht schwer, er ist fit. Seine innere Ruhe findet er durch Meditation. Sohn und Tochter sind erwachsen, haben fertig studiert und globale Karrieren eingeplant. Sie sind aus dem Haus, Horstmüller ist mit allem durch.

    Jetzt plant er, erzählt er trabend, eine entspannte Zukunft zwischen Landhaus und Stadtwohnung, ohne zermürbendes Tagesgeschäft, vielleicht ein bisschen Beraten hier und da, sich Zeit nehmen für selbstgewählte Projekte. Und so oft es geht Spaß haben mit dem Aufsitzrasenmäher.

    Meine kleine Anna ist zwei Monate alt. Ich habe alles plötzlich wieder vor mir. Als hätte mein Erwachsenenleben gerade erst begonnen. Ist es tatsächlich so, wie einer der staunenden Kommentatoren aus meinem Bekanntenkreis gemeint hat? Als unser Baby, kurz vor meinem 60. Geburtstag, auf die Welt kam, analysierte er grinsend: „Sie machen wie immer alles richtig, nur in der falschen Reihenfolge." Neid steigt giftig hoch. War die Reihenfolge nicht klar gewesen? War nicht alles, wie beim fitten Horstmüller, geregelt gewesen für die Zeit nach dem Lohnschreiberleben? Eigentum hier und Haus im Süden, ein Paar und zwei Einkommen (= zwei Renten), etwas Vermögen, wenig Verschwendung. Ein fein durchgeplanter und ruhiger Alltag, er hätte andauern und andauern können, vielleicht bis zu meinem 75. Oder, mit

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