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Die Wölfe warten schon ...: Ein Leben in Kanada
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Die Wölfe warten schon ...: Ein Leben in Kanada
eBook71 Seiten51 Minuten

Die Wölfe warten schon ...: Ein Leben in Kanada

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Über dieses E-Book

Ein Urlaub in Kanada war es, der sein Leben verändern sollte. Zutiefst beeindruckt von der unberührten Natur und dem, was sie in seinem Innern auslöste, entschied sich Erhardt Maier, seinem privilegierten Leben in Deutschland den Rücken zu kehren. Weg von der lärmenden, totbetonierten Großstadt, ihren hektischen, von Konsumdenken geprägten Bewohnern. In Tahsis, einer kleinen Gemeinde an der Westküste von Vancouver Islands, fühlte er sich endlich angekommen. Rückblickend erinnert sich Erhardt als alter Mann an sein Leben am Nootka Sound und an das, was sich ihm hier offenbart hat: die Verbindung zwischen Mensch und Natur, Leben und Tod, der diesseitigen und der spirituellen Welt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBuch&media
Erscheinungsdatum21. Sept. 2016
ISBN9783957800695
Die Wölfe warten schon ...: Ein Leben in Kanada

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    Buchvorschau

    Die Wölfe warten schon ... - Christian Laetsch

    Erstes Kapitel

    Mit der Magie eines wunderbaren Geistes hat sich ein weißer Nebel über dem Nootka Sound ausgebreitet. Sein Wesen behütet zäh ein Geheimnis dieser Welt.

    Der Wind, als Vorbote einer unbändigen Kraft, peitscht eisig über die erhabenen Berggipfel von British Columbia. Alle furchtbaren Geister der Natur haben sich vor der Küste von Vancouver Island versammelt und sind dabei, sich zu einem gewalttätigen Schneesturm zu vereinbaren. Dieser wird in der Nacht wütend und mit unnachgiebiger Härte über die Landschaft hereinbrechen.

    Inmitten dieser menschenleeren und schwer zugänglichen Region an der Westküste von Kanada steht eine Hütte. Dort lebt ganz alleine ein alter Mann. Vor 45 Jahren hat Erhardt Maier ein Leben in Sicherheit und Wohlstand aufgegeben, um zusammen mit seiner Frau nach dem wahren Glück zu suchen. Erhardt Maier ist schon deutlich vom Alter gezeichnet, sein Körper besteht fast nur noch aus Haut und Knochen. Einzig seine Augen strahlen noch eine jugendliche Trotzigkeit aus.

    Der 91-Jährige sitzt am warmen Ofen und schimpft laut vor sich her: »Verdammt! Ihr feigen Hunde! Scheiße, ich bin im Arsch!« Erhardt weiß ganz genau, wie aussichtslos seine Situation ist, aber die Schimpferei bewahrt ihm ein Gefühl von Selbstwert. Mit zittrigen Händen legt er andächtig und sorgfältig ein Stück Zedernholz in die Glut des Ofens. Es ist das letzte Stück Feuerholz, welches sich in der Hütte befindet und ihm noch einmal Wärme spenden kann. Draußen, hinter der Hütte, lagert ausreichend Holz, mit dem Erhardt über den Winter kommen könnte. Aber dort wartet schon seit fünf Tagen ein ausgehungertes Rudel Wölfe auf den klapprigen alten Mann.

    Erhardt verweilt noch ein wenig am Ofen und schaut bekümmert zu, wie das letzte Stück Holz langsam verglüht. Dann geht er ins Bett und hofft, wie jeden Abend, dass er für immer einschlafen kann.

    pg7

    Am nächsten Morgen …

    Erhardt kam in der vergangenen Nacht nicht zur Ruhe. Ein brutaler Sturm wütete über dem Nootka Sound. Der Sturm rüttelte tobend und brüllend so sehr an Erhardts Hütte, dass diese sich mit flehentlichen Balkenknirschen bewegte. Der alte Mann lag die ganze Nacht zusammengekauert unter seiner Bettdecke und fürchtete, dass sein kleines, geliebtes Heim der mächtigen Naturgewalt nicht standhält. Schon unzählige Male hatte Erhardt mithören müssen, wie die Bäume draußen ächzend fielen. Er fühlte in dieser Nacht wieder, wie klein und bedeutungslos der Mensch der Natur gegenübersteht.

    Erst, als das Licht des neuen Tages die Dunkelheit zurückdrängt, verflüchtigen sich auch die Geister des Sturms. Jetzt ist es wieder ruhig, draußen am Nootka Sound. Erhardt liegt noch erschöpft im Bett. Er hadert mit sich, ob er heute überhaupt noch einmal aufstehen soll. Warum auch? Was sollte heute schon noch Schönes passieren? Es ist die pure Neugier, die ihn dazu bewegt, sich doch aus dem Bett zu quälen. Die Gelenke des Alten sind in der Früh immer steif und unbeweglich, und so kostet ihn das morgendliche Aufstehen sehr viel Überwindung und ist mit großen Schmerzen verbunden. Erhardt beginnt nun mit der täglichen Prozedur. Er robbt seinen Unterkörper aus dem Bett. Die Füße haben jetzt Kontakt mit den alten Dielen, sein Oberkörper liegt noch auf der Matratze. Nun konzentriert er alle Kraft auf den einen Moment. Dafür hat er sich schon vor zwei Jahren ein Seil als Hilfsmittel an einen Deckenbalken angebracht. Erhardt greift zuerst mit der rechten und dann mit der linken Hand nach dem Seil. Nun zieht er sich unter großer Anstrengung und lautem Stöhnen Stück für Stück nach oben. In Sitzposition verharrt er eine Weile. Er atmet tief durch. Dann fasst er noch einmal fest an das Seil und zieht sich in den aufrechten Stand. Auch heute hat es wieder funktioniert. Wie lange noch?

    Erhardt humpelt mit zittrigen Knien zum Fenster. Er will schauen, ob die Wölfe noch da sind. Vielleicht hat der Sturm sie zur Aufgabe gezwungen? Erhardt entdeckt sie zusammengekauert im Schnee liegen. Es fällt heute Morgen nur ein Schimpfwort, »Scheiße!«. Dann schaut er, was der Sturm angerichtet hat. Sehr viele Bäume wurden gebrochen. Nur die großen, alten Bäume stehen noch alle da. »Nein, euch kann kein Sturm mehr etwas anhaben, nur der Mensch ist dazu in der Lage«, murmelt Erhardt.

    Erhardt beginnt mit seinem gewohnten Tagesablauf. Er humpelt zum Stuhl, hält sich an der Lehne fest und startet die Morgengymnastik. Dazu bewegt er zunächst die Füße, dann kreist er die Arme und den Kopf und

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