Geschichte der Stadt Innsbruck
Von Michael Forcher
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Über dieses E-Book
WELCHE GEHEIMNISSE VERSTECKEN SICH IM HERZEN DER TIROLER ALPENSTADT?
Woran denkst du, wenn du "Innsbruck" hörst? An das GOLDENE DACHL? An die GRANDIOSEN SKIGEBIETE UND WANDERWEGE IN DEN WUNDERSCHÖNEN BERGEN rund um die Stadt? Vielleicht kommen dir auch sofort die HOFBURG UND IHRE HABSBURGISCHEN BEWOHNER in den Sinn … Dass es an Kultur und Kulinarik viel Sehenswertes gibt, stimmt. Doch was auch immer du glaubst, schon über Innsbruck zu wissen: DIE STADT AM INN HAT NOCH WEIT MEHR ZU BIETEN!
HIER MUSS MAN TIEFER SCHÜRFEN: ENTDECKE NEUE, UNBEKANNTE FAKTEN ÜBER INNSBRUCK
Umbrüche, Revolutionen und der Wechsel vieler Generationen haben IM HEUTIGEN BILD UND IM WESEN DER STADT VIELFÄLTIGE SPUREN HINTERLASSEN. Auch wenn sie auf den ersten Blick oft verborgen bleiben - dieses KOMPAKTE BUCH MACHT DIE SPANNENDEN HINTERGRÜNDE, DIE GESCHICHTEN HINTER DEN GESCHICHTEN, ZUGÄNGLICH! Erfahre mehr über DIE ERSTEN SIEDLER, vom RÖMISCHEN VELDIDENA (WILTEN) und vom GEHEIMNIS DES RIESEN HAYMON, vom WERDEN DER STADT AM INN und der BÜRGERLICHEN GEMEINSCHAFT. Eine wichtige Rolle spielt SÜDTIROL, DAS 1918 VON TIROL GETRENNT WURDE und von da an seinen eigenen Weg ging. Tauche ein in die Zeit des TIROLER FREIHEITSKAMPFES VON 1809 und erfahre mehr aus dem LEBEN DES FREIHEITSHELDEN ANDREAS HOFER und über die FASZINIERENDE PERSÖNLICHKEIT VON KAISER MAXIMILIAN.
EIN BUCH, SO MITREISSEND WIE DIE GESCHICHTEN, DIE ES ERZÄHLT
Kurz und bündig, leicht verständlich und IMMER UNTERHALTSAM. Der bekannte Historiker und Publizist Michael Forcher spürt der wechselreichen Vergangenheit Innsbrucks nach. ER IST FÜR DIE LEBENDIGKEIT SEINER BÜCHER BEKANNT - HIER WIRD GESCHICHTE HAUTNAH ERZÄHLT! Ein unverzichtbares Buch, wenn du MEHR ÜBER INNSBRUCK ERFAHREN möchtest: topaktuell, reich bebildert und SO FESSELND WIE EIN ROMAN!
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Geschichte der Stadt Innsbruck - Michael Forcher
Die Berge sind immer mit dabei
Stadt, Mensch, Natur: Vom Werden und Wesen Innsbrucks
Innsbruck … Keinen besseren Namen gäbe es für diese Stadt, die ihr Dasein, ihr Wachsen und Wesen einem Fluss und einer Brücke verdankt. Fluss und Brücke, Natur und Menschenwerk. Die Gunst der geografischen Lage hat diese Stadt gerade hier entstehen und zu dem werden lassen, was sie heute ist. Doch die natürlichen Voraussetzungen allein wären zu wenig gewesen. Es brauchte Menschen, die sie zu nutzen wussten. Ohne ihre Initiative und ihren Arbeitseifer ist die Stadt genausowenig denkbar.
Dort, wo die tiefe Furche des Brennerpasses in die nicht minder ausgeprägte Längsfurche des Inntales mündet, liegt Innsbruck. Es ist die verkehrsgeografisch günstigste Stelle im mittleren Alpenbereich, nur rund 30 km Luftlinie vom Alpenhauptkamm entfernt, der sich am Brenner zu seiner geringsten Höhe zwischen dem Golf von Genua und den östlichen Ausläufern der Niederen Tauern senkt. Obwohl die Alpen hier andererseits am breitesten sind, können sie in einmaligem Auf- und Abstieg überquert werden. Im Süden des Brenners laufen außerdem verschiedene inneralpine Längs- und Querverbindungen zusammen, vor allem das Pustertal und der in den Vinschgau führende Jaufen. Das Inntal, das von Rosenheim aus den Zugang ins Innere der Alpen öffnet, ist von Norden her auch über mehrere bequeme Übergänge zu erreichen: über den Achensee, die Seefelder Senke sowie über den Fernpass und das Mieminger Plateau. Das Inntal ist aber nicht nur der »Zubringer« zum Brenner, sondern hat durch seine Fortsetzung in der Arlbergfurche und in den nach Salzburg führenden Pässen auch als inneralpine Ost-West-Verbindung große Bedeutung. So ist Innsbruck nicht nur Brücke im Süd-Nord- und Nord-Süd-Verkehr, sondern wird zum Kreuzungspunkt, zur Drehscheibe.
IllustrationWilten mit der Nordkette: Dazwischen breitet sich die Stadt am Inn aus. Die Gunst der geografischen Lage hat sie hier entstehen lassen.
Diese Tatsache hat Innsbruck zur Residenz eines Fürsten, zum Regierungssitz, zum Verwaltungszentrum werden lassen, zum Mittelpunkt des Landes, das einstmals weit über die Grenzen des heutigen Tirol hinausreichte, bis an den Rand der oberitalienischen Tiefebene, bis an den Rhein. Die Besonderheit der geografischen Lage und die Anwesenheit eines kunstsinnigen und prunkliebenden Fürstenhofes machten die Stadt auch zu einer Vermittlerin zwischen den Kulturräumen und zu einem kulturellen Sammelpunkt. Für das Kunstschaffen in Innsbruck, das Zeiten großer Blüte erlebte, waren meist die Einflüsse von außen maßgebend. Nord und Süd, Ost und West haben Anteil an dem, was in Innsbruck in dieser Hinsicht geleistet worden ist, Anteil an den heute mit Sorgfalt und berechtigtem Stolz gehüteten Kunstschätzen.
Die wirtschaftlichen Grundlagen Innsbrucks sind durch Jahrhunderte hindurch dieselben geblieben, sie haben sich nur ausgeweitet und modifiziert. Die Brennerstraße mit ihrem Waren- und Personenverkehr war für das älteste Innsbruck der einzige Lebensnerv. In jüngster Zeit machte die günstige Verkehrslage in Verbindung mit der prachtvollen Gebirgslandschaft Innsbruck auch zu einem Zentrum des Tourismus und des Sports, zu einem Mekka der Bergsteiger und Wintersportler. Nicht minder wichtig als Handel, Verkehr und Tourismus war seit der Mitte des 15. Jahrhunderts und ist bis heute die Funktion als Landeshauptstadt – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Dagegen spielt die Industrie –wenn man von reinen Versorgungsbetrieben absieht – eine untergeordnete Rolle. Beamtendienst und Gewerbefleiß führten Innsbruck zur Blüte, ließen die Bevölkerungszahl steigen, das Stadtgebiet anwachsen.
Die im Jahr 1180 gegründete und kurz darauf ummauerte Stadt am südlichen Innufer – gegenüber der älteren Häuserzeile am Berghang – war bald zu klein geworden. So entstanden entlang der wichtigsten Straßen mehrere Vorstädte: die Neustadt, seit 1873 Maria-Theresien-Straße; die Silbergasse, heute Universitätsstraße, mit der weiter entfernten Kohlstatt, heute Dreiheiligen; der Innrain, als jüngste der Vorstädte, mit der abschließenden Johanneskirche. Am Umfang des verbauten Raumes änderte sich durch Jahrhunderte sehr wenig. Bis 1840 war Innsbruck eine kleine Stadt inmitten üppiger Gärten, Äcker und Wiesen. Dann erst begann die Verbauung der freien Flächen zwischen den Vorstädten. Allmählich wuchs die Stadt mit den Nachbardörfern zusammen, die zunehmend verstädterten. Eingemeindungen waren die logische Folge. Diese Entwicklung war 1942 abgeschlossen, die rege Bautätigkeit ging weiter, denn nach wie vor wirkte Innsbruck als Bevölkerungsmagnet. In den 1960er Jahren wurde die Hunderttausend-Einwohner-Grenze überschritten. Am 31. Dezember 1972 waren 117.747 Personen in Innsbruck ansässig, knapp 50 Jahre später (Ende 2019) waren es – nach neuen Kriterien gezählt – ca. 120.000 mit erstem und dazu etwas über 20.000 mit zweitem Wohnsitz.
IllustrationInnsbruck um 1840: ein hübsches Städtchen inmitten von Feldern, Wiesen und Gärten (Aquatinta-Radierung von Frederic Martens)
Flächenmäßig hat Innsbruck durch die Einbeziehung der alten Dorfgemeinden eine überdurchschnittliche Größe erreicht: Über 10.489 Hektar umfasst das Stadtgebiet, davon sind allerdings nicht viel mehr als 10 Prozent verbaut. Die mittlere Meereshöhe des eigentlichen Siedlungsgebietes liegt bei 579 m; der höchste Punkt Innsbrucks ist die westliche Praxmarerkarspitze im Karwendel (2642 m).
Das Bild einer Stadt
»Ynßprugg ist die fürstliche Residenzstadt, liegt im Inntal, hat vor den Häusern porticos, darunter man gehet, als wie zu Padua und Bologna, gar schöne Vorstädt, welche schöner, frischer und lebendiger sein, als die innere Stadt.« So einfach war es früher, Innsbruck zu schildern. Der zitierten Beschreibung Innsbrucks durch den Augsburger Kunstagenten Philipp Hainhofer aus dem Jahr 1628 ähneln viele Reiseschilderungen der folgenden Jahrhunderte. Meist wird die besondere landschaftliche Lage der Stadt hervorgehoben, die Berge, der Fluss und das Tal mit seiner üppigen Vegetation. Selbst Goethe, der nur mehr Italien im Sinn hatte und 1786 kaum Zeit fand, in Innsbruck zu rasten, vergaß eine diesbezügliche Notiz nicht: »Innsbruck liegt herrlich in einem breiten, reichen Tale, zwischen hohen Felsen und Gebirgen.«
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Stadtbild mit dem Beginn der baulichen Erweiterung differenzierter. 1846 schreibt Matthias Koch in seiner »Reise in Tirol«: »Beim Herabsteigen vom Schönberg wird […] zuerst die Abtei Wilten gesehen, deren Gebäude und Kirchen einen vortheilhaften scenischen Vordergrund bilden. Die Stadt breitet sich in dem grünenden Thal gefällig aus, und obgleich eine regelmäßige Anlage vermißt wird, wirkt die verschiedenartige Verteilung der Häusergruppen doch nicht störend. Zu dem freundlichen Eindruck, den ihr Anblick von dieser Seite hervorbringt, trägt der Umstand wesentlich bei, daß sie nicht, wie man vermuthen könnte, aus einer Mehrzahl von alterthümlichen, sondern im Gegenteil von neueren Gebäuden besteht.«
Im Gegensatz zu unserer heutigen Ansicht hielt man damals von der eigentlichen Altstadt nicht viel, hatte für ihren künstlerischen und kulturhistorischen Wert kein Verständnis. Selbst das »Goldene Dachl« fand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht bei allen Besuchern der Stadt entsprechende Würdigung. Der Reiseschriftsteller August Lewald nennt es in seinem 1839 erschienenen Tirol-Führer eine »unbedeutende Kleinigkeit«, an anderer Stelle erwähnt er es bei Aufzählung der Sehenswürdigkeiten Innsbrucks überhaupt nicht. Und der Dichter August Kotzebue gefällt sich 1805 darin, dem nicht minder berühmten Grabmal Maximilians in der Hofkirche jedwede künstlerische Bedeutung abzusprechen.
Heinrich Heine fährt im August 1828 von München nach Italien und nennt Innsbruck in seinen zwei Jahre später erschienenen Reisebildern ohne nähere Begründung eine »unwohnliche, blöde Stadt«, wogegen sich Hans Christian Andersen, der zwischen 1828 und 1842 mehrmals und länger in Innsbruck war, um eine liebevolle Schilderung bemüht: »Soll ich Innsbruck zeichnen? Da kommt zuerst ein brausender Strom mit vielen Balkenflößen, von zwei oder drei Männern gesteuert; ich muß starke hölzerne Brücken, schiefe Straßen mit Läden in den wuchtigen Bogengängen andeuten, aber eine Straße muß ansehnlich und breit sein […] Leben und Treiben müssen angedeutet werden. […] So hätten wir ein Bild von der Stadt. Aber der sie umgebende Rahmen ist großartiger, er gibt dem Bild Relief; eingerahmt ist es von den hohen Bergen, die wie drohende Gewitterwolken scheinen, die über uns hinwegziehen.«
Heute ist es nicht mehr leicht, ein treffendes Bild der Stadt zu zeichnen. Das sprunghafte Wachstum der letzten hundertsiebzig Jahre, die Einbeziehung bäuerlichen Siedlungsraumes, Verkehrsanlagen, Hochhäuser und Satellitenstädte der neuesten Zeit verwischen früher vorherrschende Eindrücke. Andere sind dazugekommen. Der »Rahmen« ist geblieben und wird immer bleiben. Die im Hintergrund der Maria-Theresien-Straße aufragende Mauer der Nordkette ist genauso berühmt und viel besungen wie der Blick von den Anhöhen im Süden und Norden auf die im Tal wie in einem Amphitheater ausgebreitete Stadt.
IllustrationDie Berge immer dabei: Die Nordkette und ein Miethaus der Gründerzeit spiegeln sich in der Glasfassade moderner Hotelarchitektur.
Stadt im Gebirge – wenige Städte verdienen diese Bezeichnung so uneingeschränkt wie Innsbruck: »Solche Städte gibt es viele im alten Europa, und prächtigere – aber keine, die so sehr von hohen Bergen umhegt wäre. Aus der Altstadt ist es nur eine halbe Stunde in die Waldeinsamkeit und eine Stunde (mit der Seilbahn) auf die Höhe der Nordkette, in die Felswildnis des Karwendelgebirges. Von oben schaut man auf die Vierecke der Häuserblocks wie aus dem Flugzeug oder von einem 2000 Meter hohen Eiffelturm, und dort unten gibt es keinen Winkel, wo nicht eine der Felszinnen und -kuppen zwischen zwei gotischen Giebeln oder neben einer Gründerzeitfassade hervorlugt. Und die meiste Zeit des Jahres gleißt dazu ein Fleck Schnee irgendwo oben in der Sonne. In den modernistischen Fassaden aus neuester Zeit spiegelt sich dann alles gemeinsam – Geologie, Geschichte und Gegenwart auf eine Ebene gebracht.«
Das schrieb der Innsbrucker Autor Walter Klier 2004 in seinem Innsbruck-Porträt für die Zeitschrift Merian. Für die Einheimischen ist diese Nähe der Berge normal, vielfach ist sie ihnen gar nicht bewusst. Anders der Gast, der Zugezogene, der sich an ihre dominierende Stellung erst gewöhnen muss. Der Wiener Hans Weigel brachte es auf diesen Nenner: »Wo immer man sich in Innsbruck befindet, wie städtisch immer die Stadt sein mag: die Berge sind mit dabei – ragend, dräuend, schirmend, mauernd, wie man’s auffassen mag, vor allem aber: überall.«
Bodenfunde erzählen von frühen Siedlern
Urgeschichte, Römerzeit und frühes Mittelalter • Das Geheimnis des Riesen Haymon
Ob in den Wärmeperioden zwischen den Eiszeiten schon einmal Menschen in unsere Alpentäler gekommen sind, weiß man nicht. Ihre Spuren wären von den wieder vorstoßenden Eismassen und anderen landschaftsformenden Kräften beseitigt worden. Nicht mehr als etwa 24.000 Jahre ist es her, dass zum letzten Mal eine ca. 1600 m mächtige Eisdecke über dem mittleren Inntal lag. Eine kräftige Klimaerwärmung ließ sie in weniger als 10.000 Jahren gänzlich abschmelzen. Inntal- und Wipptalgletscher zogen sich zurück, nur um die höchsten Gipfel konnte sich das Eis länger halten. Seine Vorstöße während der immer wieder auftretenden Kälteperioden erreichten die Haupttäler von da an nicht mehr. Etwa 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung waren die Gletscher auf neuzeitliche Ausmaße zusammengeschrumpft. An den Hängen des Inntals hatte sich längst wieder Humus gebildet, niedrige Vegetation, bald auch Sträucher und Bäume breiteten sich aus, die Tiere folgten.
Die ersten Menschen, die bald nach dem Jahr 10.000 v. Chr. in den Raum des heutigen Innsbruck vorstießen – also in einer Epoche, die die Forscher Mittlere Steinzeit nennen –, waren Jäger aus dem Alpenvorland, die Streifzügen ins Gebirge unternahmen. An der Nordseite der Arzler Scharte und am Issboden oberhalb der Sistranser Alm wurden Pfeilspitzen aus behautem Stein und andere Überbleibsel von Jagdlagern gefunden. Wann es erstmals zu dauernden Niederlassungen gekommen ist, kann man nicht genau sagen. Sicher war dies in der Jüngeren Steinzeit (5000 bis 1800 v. Chr.) der Fall, wie immer zahlreichere Einzelfunde von Steinwerkzeugen, Knochen und Bruchstücke von Gefäßen aus Keramik belegen.
Demnach müssen auf der Hungerburg, auf den Abhängen der Nordkette bis zum Inn herab, am Bergisel und am südlichen Mittelgebirge kleine Ansiedlungen bestanden haben. Die Menschen lebten damals nicht mehr allein von der Jagd, sondern züchteten Ziegen, Schafe, Rinder und Schweine und betrieben Ackerbau. Durch Brandrodungen entstanden die dafür nötigen Kulturflächen. Gräber aus dieser frühen Zeit hat man im Innsbrucker Stadtgebiet (noch) nicht gefunden. Als Ersatz kann man guten Gewissens die Brandgräber vom Kiechlberg in Thaur gelten lassen, wo den Toten mitgegebene Ketten aus mediterranen Schneckengehäusen weitreichende Handelsbeziehungen beweisen, oder Gräber in Ampass mit jungsteinzeitlicher Keramik.
Bronze löst erste Blütezeit aus
Es besteht also kein Zweifel, dass es hier bereits im vierten vorchristlichen Jahrtausend Dauersiedlungen gab. Ihre Zahl scheint in der folgenden Epoche zugenommen zu haben, als Fortschritte in Ackerbau und Viehzucht das Leben erleichterten und mit der Bronze ein neuer Werkstoff für Waffen und Geräte des täglichen Gebrauchs zur Verfügung stand. Aber auch für Kleiderspangen und Schmuck eignete sich das neue Material vorzüglich. Das zur Herstellung der Bronze benötigte Kupfer wurde im Unterinntal und im Großraum Kitzbühel abgebaut und in die Nachbarregionen exportiert. Die Einmündung der Brennerfurche ins Inntal bot urzeitlichen Händlern deshalb einen günstigen Standplatz. Vieles lässt die Forscher vermuten, dass auch der im Mittelalter intensiv betriebene Bergbau an der Nordkette damals schon in Gang kam und ebenfalls einen Zuzug von Menschen auslöste. Der Abbau von Erzen und deren Verarbeitung zu Metall erforderte einschlägige Spezialisten und Betreiber von Hilfsgewerben wie Zimmerer und Köhler, die von der bäuerlichen Bevölkerung mit ernährt werden mussten, eine arbeitsteilige Gesellschaft war im Entstehen.
Diese Entwicklung erreichte in der späten Bronzezeit (ab ca. 1300 v. Chr.) ihren Höhepunkt, aus der im heutigen Stadtgebiet mehrere Gräberfelder entdeckt wurden: zwei im Zentrum von Hötting, eines bei den Allerheiligenhöfen, eines in Mühlau, zwei in Wilten und eines im Ambraser Schlosspark. Die dazugehörigen Wohnstätten kann man schwer lokalisieren. Von ihnen blieb nicht mehr viel übrig, nur da und dort einige Tongefäßscherben, Mahlsteine, Tierknochen, Kleingegenstände aus Metall oder Bein, Lehmbrocken vom Wandverputz mit Abdrücken von Pfosten oder Flechtwerk und Aschenreste der Feuerstellen. Während man die Toten am unteren Rand der Schuttkegel oder am Fuß der Abhänge bestattete, standen die Hütten – einzeln oder in kleinen Weilern – etwas höher: am Bergisel, an den reich gegliederten Abhängen des Mittelgebirges und auf den Hügeln im Höttinger und Mühlauer Bereich. Damit war ein gewisser Schutz gegeben, auch eignete sich die häufig überschwemmte Talsohle weniger gut zur Besiedlung.
IllustrationVerzierter Henkeltopf aus gebranntem Ton und zwei Armreife aus Bronze aus dem »Grab 19« in Amras (Bronzezeit, ab ca. 13. Jahrhundert v. Chr.)
IllustrationGrabungsfoto aus dem Höttinger Gräberfeld: Urne in einer Steinsetzung, auf der Urne ein Deckstein (Bronzezeit, ab ca. 13. Jahrhundert v. Chr.)
Der größte Friedhof wurde am Fuß des Bergisels aufgedeckt. Direkt neben dem Kloster fand man über 150 Grabstellen. Die Asche der Toten wurde manchmal in eine mit Steinen ausgekleidete Grube geschüttet, meist jedoch wurde sie in Tonurnen oder Bronzeeimern beigesetzt. In die Urnen hinein oder daneben legten die Angehörigen des Toten Gegenstände des täglichen Lebens wie Töpfe, Beile, Messer und auch den üblichen Schmuck wie Kettchen, Armreifen, Knöpfe, Glasperlen oder anderes. Der Verstorbene sollte auch im Jenseits nicht darauf verzichten müssen. Auch zwei kleine Tongefäße, ein Schälchen und ein Krug, wurden mitgegeben, wohl zur Aufnahme einer Wegzehrung für die Wanderung ins Jenseits.
Alle Gegenstände in diesen Urnengräbern sind reich verziert und ausgewogen in der Form; sie zeugen von hohem Kunst- und Schönheitssinn. Die geometrischen Ornamente sind in den Ton geritzt, Glasur und Bemalung kannte man noch nicht. Die meisten Gebrauchsgegenstände wurden in unserem Raum erzeugt. Die Technik der Töpferei war noch primitiv. Es gab keine Drehscheibe, die Gefäße sind aus der Hand geformt. Einige Gräber sind wie »Steinkisten« gestaltet und deuten die ältere Form der Körperbestattung an. Sie fallen auch durch besonders kostbare Beigaben – etwa Goldschmuck bei Frauen – aus dem üblichen Rahmen. Die Forscher nehmen an, dass sie von Sippen stammen, die aus dem Voralpenraum zugewandert sind. Ihre Spezialkenntnisse der Metallverarbeitung oder der überregionale Handel könnte sie reich gemacht haben.
Gewähren die Gräber ein wenig Einblick in die Jenseitsvorstellungen der bronzezeitlichen Menschen, so weiß man über ihre Kulte so gut wie nichts. Es wurden auch nur spärliche Hinweise auf Opferplätze gefunden. Demnach ist es möglich, dass der inzwischen verlandete Viller See in vorgeschichtlichen Zeiten ein heiliger Ort war, oder der Übergang über die Sill beim späteren Bartholomäuskirchlein hinter dem Stift Wilten. Die dort gefundenen Bronzegegenstände, darunter ein gut erhaltenes prächtiges Schwert, können als Weihegaben gedeutet werden, die im Moor (Vill) oder im flussnahen Bereich (Wilten) vergraben wurden. An einigen markanten Punkten der Landschaft vermutet man aufgrund von Brandspuren und einzelnen Fundstücken spätbronzezeitliche Opferplätze. Ein solches Heiligtum dürfte es damals bereits auf der Kuppe des Bergisels gegeben haben.
Eindeutig älter ist ein inzwischen gut erforschtes Heiligtum am Goldbichl oberhalb von Igls (wo östlich des Grünwalder Hofes die Straße nach Igls von der Straße Patsch– Lans abzweigt). Auf dieser markanten Kuppe haben die Menschen schon seit der frühen Bronzezeit den Göttern Sach- und Tieropfer dargebracht, wofür nicht nur die natürlichen Gegebenheiten genutzt wurden. Eindeutig lassen sich künstliche Veränderungen des Geländes nachweisen. Innerhalb des ummauerten »heiligen Hains« fand man das Grab einer jungen Frau mit keramischen Gefäßen und einem offenbar absichtlich zerschlagenen Webstuhlgewicht. Dass sie eine Priesterin gewesen sein könnte, wurde von manchen Forschern wegen des bevorzugten Begräbnisplatzes und des aus der griechischen Mythologie bekannten Symbolgehalts des Spinnens und Webens vermutet. Dem Kultpersonal, Pilgern und vielleicht auch Kranken standen rund um die eigentliche Opferstätte zahlreiche Hütten und Häuser zur Verfügung. Nicht verbrannte Teile der geopferten Tiere wurden, auch dies lässt sich mit großer Sicherheit sagen, von den Teilnehmern am Ritus sozusagen zeremoniell verzehrt.
Das Heiligtum am Goldbichl wurde in der mittleren Bronzezeit (wahrscheinlich zwischen 1700 und 1600 v. Chr.) ziemlich aufwändig ausgebaut, bald darauf aber – irgendwann nach der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. – absichtlich zerstört. Der Grund ist völlig unklar. In der späten Bronzezeit, aus der die vielen Gräber im mittleren Inntal stammen, wurde am Goldbichl jedenfalls nicht mehr gebetet und geopfert. Hat man das Heiligtum auf die Kuppe des Bergisels verlegt, um näher an den Wohn- und Begräbnisstätten der anwachsenden Bevölkerung zu sein?
Da Brandgräber aus der späten Bronzezeit nicht nur in Innsbruck, sondern in ganz Nordtirol gefunden wurden, spricht man von einer »Nordtiroler Urnenfelderkultur« (1300 bis ca. 800 v. Chr.), wobei der Begriff Kultur in der Urgeschichte bedeutet, dass in einem bestimmten Raum ähnliche Formen und Verzierungen von Gebrauchsgegenständen und ähnliche Grabausstattungen üblich sind. Die gegenseitige Beeinflussung der Stämme und ihrer »Kulturen« über den Alpenhauptkamm hinweg wurde zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends immer stärker, sodass es während der frühen Eisenzeit bzw. während der nach dem Hauptfundort dieser Epoche benannten Hallstattzeit (ca. 750 bis 400 v. Chr.) zu einer Verschmelzung des heutigen Tirol und angrenzender Gebiete zu einem eigenständigen Kulturgebiet kam. In Tirol folgt nicht die keltische La-Tène-Kultur; es setzt sich vielmehr die Hallstattkultur in ihrer tirolisch-alpenländischen Form fort, nach den Hauptfundorten in Nordtirol und im Trentino »Fritzens-Sanzeno-Kultur« genannt.
Dunkle Jahrhunderte
Die Belegung der bronzezeitlichen Urnenfelder im Stadtbereich des heutigen Innsbruck bricht mit Beginn der Eisenzeit (ca. 800 v. Chr.) ab. Wurde eine neue Bestattungsform üblich, von der bisher keine Spuren gefunden wurden? Wohl kaum. Oder wurden die dazugehörigen Siedlungen verlassen, ging die Bevölkerung drastisch zurück? So muss es gewesen sein. Die einzig mögliche Erklärung dafür sehen die Archäologen darin, dass der Bergsegen in den Tiroler Revieren zu Ende ging und deshalb Erzverarbeitung und Metallhandel keine große Rolle mehr spielte. Viele von Bergbau, Handel und Gewerbe lebende Sippen dürften abgewandert sein.
Dennoch belegen Grab-, Siedlungs- und Einzelfunde von Webstuhlgewichten über Küchengeräte bis zu bloßen Abfällen des Alltagslebens, dass in Einzelhöfen und Weilern auf den Abhängen und Hügeln nördlich und südlich des späteren Innsbruck weiterhin Menschen wohnten, und zwar eine vorwiegend bäuerliche Bevölkerung, die der Fritzens-Sanzeno-Kultur zuzurechnen ist. Einzelne Hinweise gibt es darauf, dass auch der Talboden an seinen Rändern bereits genutzt wurde: Sie stammen aus Wilten und vom Bereich des Adolf-Pichler-Platzes, wo im Zuge von dessen Neugestaltung bei der Untersuchung des alten Stadtfriedhofs eisenzeitliche Gegenstände aus Keramik und Metall gefunden wurden. Ganz in der Nähe kam 1877 bei einem Grundaushub ein Bronzehelm ans Tageslicht.
Die bedeutendsten Erkenntnisse für die Jahrhunderte vor der Zeitenwende brachten die unter Zeitdruck durchgeführten Grabungen im Bereich der Sprungschanze am Bergisel mit Bauten auf künstlich angelegten Terrassen und dem bereits erwähnten Kultplatz sowie die am Goambichl bei Vill entdeckten Häuser, deren Grundriss und Bauweise genau rekonstruiert werden konnten. Sie gleichen den Gebäuden, die im sogenannten Himmelreich bei Wattens ausgegraben wurden und an unsere teils gemauerten, teils in Blockbauweise errichteten Bauernhäuser erinnern. Sowohl das bewohnte Kellergeschoß als auch das ebenerdige Obergeschoß war durch je eine Blockwand in zwei Räume geteilt, was auf gehobene Wohnansprüche schließen lässt.
IllustrationEiner der schönsten Innsbrucker Funde: Der 1877 in der Fallmerayerstraße ausgegrabene Bronzehelm aus der Zeit des dritten bis ersten vorchristlichen Jahrhunderts befindet sich heute in einem Berliner Museum. Dieser Helmtypus wurde jahrhundertelang in breonischen Werkstätten hergestellt.
Die Breonen
Welcher großen Sprach- und Volksgruppe die Träger der Fritzens-Sanzeno-Kultur angehörten, lässt sich weder durch Grabungsfunde noch durch die Orts- und Flurnamenforschung eindeutig feststellen. Doch tritt unser Raum dank erster schriftlicher Quellen ins Licht der Geschichte. Der Zug der Kimbern und anderer Germanenstämme gegen Süden war für römische und griechische Autoren Anlass, sich mit den Verhältnissen in den Alpen zu befassen. So erfahren wir den Namen jenes Stammes, der in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten im mittleren Inntal und an der Sill siedelte: Es sind die Breonen. Bei ihrer Einordnung in größere Zusammenhänge waren sich die antiken Autoren nicht einig. Man verwendete verschiedene Sammelnamen, von denen sich die Bezeichnung Räter durchsetzte.
Die rätischen Breonen zählten nach dem Zeugnis der Antike zu den bedeutendsten Alpenstämmen. Dennoch war ein Widerstand gegen die im Sommer des Jahres 15 v. Chr. unter Führung des Feldherrn Drusus über den Brenner vorrückenden römischen Legionen von vornherein aussichtslos. Die Einheimischen waren weder kampfgeschult noch ausreichend bewaffnet. Dass es trotzdem zu Kämpfen gekommen ist, berichten uns römische Autoren. Nach der Unterwerfung des Breonenstammes zogen die römischen Truppen größtenteils über den Seefelder Sattel weiter ins Alpenvorland.
Die Breonen, als Stamm wohl geschwächt, blieben in ihrem angestammten Gebiet, mussten aber von nun an Steuern zahlen und im römischen Heer dienen. Die Lebensweise der Breonen hat sich durch die intensiven Kontakte mit der römischen Besatzungsmacht, durch Militärdienst, Handel, neue Wirtschafts- und Verwaltungsformen, durch römisches Rechtswesen und besonders durch die spätere Missionierung allmählich verändert. Durch all die Einflüsse kam es zu einer weitgehenden, wenn auch oberflächlichen Romanisierung der Urbevölkerung. Ihre uns nicht bekannte Sprache entwickelte sich zum »Rätoromanischen« bzw. »Alpenromanischen«, das in alpinen Rückzugsgebieten – in Südtirol als das »Ladinische« – bis heute erhalten geblieben ist.
Veldidena und die Römerzeit
Die Römer fassten das zentrale Alpen- und Voralpengebiet zur Provinz Rätien mit der Hauptstadt Augusta Vindelicorum (Augsburg) zusammen. Das heutige Nordtirol war für sie hauptsächlich als Durchzugsgebiet zur germanischen Grenze von Bedeutung. Dementsprechend lag ihr Hauptaugenmerk auf guten Straßen für den Nachschub und auf deren Sicherung durch befestigte Lager. Händler, Kuriere, Reisende fanden Unterkunft, Möglichkeiten zum Pferdewechsel und andere Hilfen in den zahlreichen »stationes«. Dass der in antiken Straßenverzeichnissen und in anderen Quellen aufscheinende römische Ort Veldidena im Gebiet des heutigen Wilten zu suchen ist, hat bereits der Innsbrucker Historiker Anton Roschmann (1694–1760) erkannt. Frühere Funde und in den 1920er Jahren ausgegrabene Mauerreste bewiesen eine römische Niederlassung. Veldidena war keine bedeutende Stadt, aber auch – wie Ausgrabungen zwischen 1953 und 1957 zeigten – keine völlig unbedeutende Raststätte.
Wo der Brennerweg das Inntal erreichte, hatten die Römer zunächst einmal ein befestigtes Lager und eine Straßenstation errichtet. Diese benannten sie wahrscheinlich nach einem nahen Dorf der einheimischen Bevölkerung. Der Name Veldidena ist nämlich vorrömischen Ursprungs. Rund herum bildete sich bald ein kleiner Ort: Rasthäuser, Tavernen, Läden, Werkstätten und Wohnhäuser. Die Brennerstraße wurde unter Septimius Severus zu Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. erstmals großzügig ausgebaut. Im Talboden war sie 5,5 m breit, die festgefahrene Pflasterung aus Bachsteinen ruhte auf einem 30 bis 40 cm dicken Unterbau. Damals waren die Nachschublinien von besonderer Wichtigkeit, da der germanische Stamm der Alemannen die römische Grenze bedrängte.
IllustrationAusgrabungen aus dem römischen Veldidena nahe der Wiltener Basilika auf einem Foto aus dem Grabungsbericht von 1954
IllustrationRekonstruktionsmodell des römischen Kastells Veldidena
Als Ende des dritten Jahrhunderts die Zeiten unsicherer und die Einfälle germanischer Stämme häufiger wurden, gingen die Römer daran, einen zweiten Verteidigungsgürtel im Inneren der Alpen zu errichten. Damals wurde das Lager von Veldidena zu einem mächtigen Kastell ausgebaut. Es lag unmittelbar nördlich des heutigen Stiftes Wilten. Seine 2,6 m dicken, sorgfältig gefügten Mauern umfassten ein Rechteck von 60 mal 70 m. Zwischen vier Ecktürmen von mehr als 8 m Seitenlänge verstärkten kleinere Türme die zinnenbewehrten Mauern. Zwei dreischiffige Pfeilerhallen konnten sowohl als Truppenunterkünfte als auch als Nachschubhallen und Ställe verwendet werden. Eine dritte Halle im Süden wurde nicht in die Ummauerung einbezogen.
Die zunehmende Bedeutung der Militärstation Veldidena brachte auch ein Anwachsen der dazugehörigen Ortschaft mit sich. Eine Garnison verheißt ein gutes Geschäft: Händler, Wirte, Handwerker ließen sich um das römische Fort nieder. Mancher Offizier wird hier seiner Familie ein Haus gebaut haben, vielleicht auch eine Villa am Sonnenhang nördlich des Inn. Mehrere römische Funde aus Hötting lassen dies jedenfalls vermuten. In der näheren und weiteren Umgebung sind auch befestigte Wach- und Beobachtungsposten an günstigen Punkten des Geländes denkbar, etwa am Kalvarienberg in Arzl, wo dafür entsprechende archäologische Belege ergraben werden konnten, außerdem kleine Anwesen römischer Veteranen. Auch die allmählich romanisierten Breonen in den umliegenden Dörfern profitierten von der Besatzungsmacht, fanden sie doch als Lieferanten und Handwerker für Kastell und Zivilsiedlung gute Verdienstmöglichkeiten.
Die Toten wurden in Veldidena ursprünglich verbrannt, die Asche in Urnen bestattet. Interessant ist, dass offenbar von Einheimischen gefertigte Tonurnen noch deutliche Verwandtschaft zu den tausend Jahre älteren Urnen des nahen bronzezeitlichen Friedhofs zeigen. Daneben wurden zur Bestattung des Leichenbrandes aber auch wertvollere Importgefäße aus Glas und aus roter »terra sigillata« verwendet, die mit kleinen Reliefdarstellungen nach römischkaiserzeitlicher Mode geschmückt sind. Die Körperbestattung setzte sich erst im Lauf des 4. Jahrhunderts durch. Da man die Toten immer außerhalb des Ortsbereiches beisetzte, zeigen die Urnen- und Skelettgräber deutlich, dass der eigentliche Ortsbereich von Veldidena sehr eng war. Das Zentrum bildete der Raum des heutigen Stiftes und der Basilika.
Veldidena hatte sicher auch eine Kultstätte. Wahrscheinlich wurde der bei den römischen Soldaten so beliebte Licht- und Sonnengott Mithras verehrt. Allmählich setzte sich der christliche Glaube durch. Man weiß heute mit Gewissheit, dass schon im spätrömischen Veldidena eine Kirche stand, die dem heiligen Laurentius, dem Patron der späteren Stiftskirche geweiht war. Die letzten Grabungen haben eine diesbezügliche, bisher nicht von allen Forschern auf Veldidena bezogene Notiz des römischen Dichters Venantius Fortunatus zweifelsfrei bestätigt, der 565 auf seiner Wallfahrt zum Grab des heiligen Martin in Tours über den Brenner gekommen war.
Wann Veldidena von den Römern verlassen wurde, wissen wir nicht. Im Kastell lagen im 5. und 6. Jahrhundert sicher nur mehr schwache einheimische Milizmannschaften. Manche Forscher nehmen an, dass dagegen die Bedeutung der Zivilsiedlung durch Zuwanderung romanischer Bevölkerung, die aus dem von Alemannen besetzten Alpenvorland gegen Süden strömte, gewachsen ist. Nach einer Theorie hatte in dieser Zeit sogar der rätische Zivilstatthalter in Veldidena seinen Sitz.
Immer wieder wurde die Vermutung aufgestellt, Veldidena könnte einmal sogar Bischofssitz gewesen sein, zumindest zeitweise. Während die Historiker davon nichts wissen wollen, haben die Archäologen inzwischen zumindest bewiesen, dass es im Veldidena des 5. Jahrhunderts nicht nur eine, sondern gleich zwei Kirchen von ansehnlichen Ausmaßen gab, eine unter der heutigen Stiftskirche, die andere am Platz der heutigen Pfarrkirche (Basilika). Kann man die eine als Bischofskirche, die andere als Gemeindekirche deuten?
Franken und Bajuwaren
Die Bindung auch des inneralpinen Rätien an das Weströmische Reich und die germanischen Nachfolgestaaten eines Odoaker oder Theoderich wurde immer schwächer und schließlich ganz beendet, indem der vom Kaiser in Ostrom bzw. Byzanz schwer bedrängte Ostgotenkönig Witigis große Teile der beiden rätischen Provinzen an das Königreich der Franken abtrat, die ihren Einfluss bald bis nach Noricum hinein ausdehnen konnten. Wie unsicher man damals lebte, lässt ein Schatz erahnen, der 1991 in einem Wald bei Aldrans gefunden wurde. Ein Einheimischer oder ein Durchreisender hatte in höchster Gefahr Hunderte langobardische Münzen vergraben und keine Gelegenheit mehr, sie später zu bergen.
In dieser Zeit, von der wir wenig wissen, tauchen plötzlich die Bajuwaren oder Bayern auf, ein Stamm, über dessen Herkunft oder Entstehung sich die Forscher bis heute nicht einig sind. Er ist seit dem frühen 6. Jahrhundert im Alpenvorland feststellbar und wurde von Herzögen militärisch organisiert und angeführt, die aus der fränkischen Adelsfamilie der Agilolfinger stammten. Schon um 600 waren die Bajuwaren südlich des Brenners aktiv, ein Herzog Tassilo I. und sein Sohn Garibald kämpften im Pustertal gegen die drauaufwärts vordringenden Slawen. Diese und andere militärischen Operationen könnten im Auftrag der Frankenkönige erfolgt sein, die im Inntal vielleicht sogar eigene Amtsträger für die zivile Verwaltung eingesetzt hatten. Wie stark die Verbindung des Breonenlandes – so wird das mittlere Inntal damals oft bezeichnet – mit dem fränkischen Königreich in der Praxis war, wissen wir nicht. Dank zahlreicher Grabfunde gesichert ist das Vordringen bajuwarische Siedler ab dem 7. Jahrhundert aus dem Alpenvorland ins Inntal.
Politisch wurde das Inntal und das Wipptal spätestens ab der Mitte des 8. Jahrhunderts zum Herzogtum Bayern gerechnet. Herzog Tassilo III. gelang es, den Einfluss der Franken immer mehr zurückzudrängen, sodass sein Herzogtum nur mehr formell zum fränkischen Machtbereich gehörte. Was Frankenkönig Karl, der bald Kaiser Karl der Große werden sollte, nicht dulden konnte. Um einer Abspaltung zuvorzukommen, setzte er Herzog Tassilo III. ab und verleibte das bayerische Stammesherzogtum 788 straff und zentralistisch verwaltet dem Frankenreich ein. Dem Kaiser treu ergebene Adelige übernahmen die einzelnen Grafschaften als unterste Verwaltungsbezirke.
Wie sich die zuwandernden Bajuwaren der einheimischen Bevölkerung gegenüber verhalten haben, ist nur zu vermuten. Da und dort kann es wohl zu bewaffneten Konflikten gekommen sein. In der Regel wird man jedoch eine friedliche Landnahme bzw. eine kampflose Unterwerfung der schwächeren Breonen annehmen dürfen. Oft errichteten die Neuankömmlinge ihre Anwesen neben den Höfen der Einheimischen, nahmen entweder bereits fruchtbaren Boden in Besitz oder gewannen neue Nutzflächen durch Rodung und andere Kolonisationswerke. Sicher musste sich so mancher Breone von den neuen Herren allerhand gefallen lassen, einige verloren wohl auch ihre persönliche Freiheit und wurden zu »Hörigen« gemacht. Jedoch konnten sich viele Rätoromanen durchaus in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Stellung behaupten. Allmählich begann sich der Stammesunterschied zu verwischen. Die germanische Sprache der neuen Herren verdrängte das Rätoromanische, ein Prozess, der mehrere Jahrhunderte dauerte.
Wer gründete Hötting?
Im 9. und 10. Jahrhundert dürfte die Germanisierung durch Aufgehen des alpenromanischen Elements in der in immer neuen Wellen zugewanderten bajuwarischen Bevölkerung vollendet gewesen sein. Durch Rodung und sinnvolle Bodennutzung (Dreifelderwirtschaft) konnte das Land eine größere Anzahl von Menschen ernähren. In dieser Zeit bestanden – zumindest in Ansätzen – schon alle jene Dörfer, die im Laufe der Jahrhunderte