Coburg: Kleine Stadtgeschichte
Von Hubertus Habel
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Über dieses E-Book
Mit der urkundlichen Erstnennung 1056 betritt Coburg offiziell die Bühne der Weltgeschichte. Geprägt wurde die Stadt vor allem durch die Herzöge von Sachsen-Coburg, die ihre Residenz zum Treffpunkt des europäischen Hochadels machten. Doch diese Kleine Stadtgeschichte schildert nicht nur das adelige Leben Coburgs, sondern ebenso die Entwicklung des Bürgertums. Dabei fehlen auch die dunklen Seiten, wie die Rolle der Stadt seit 1929 als "Experimentierfeld" der nationalsozialistischen "Machtergreifung", nicht. Heute ist Coburg eine weltoffene Stadt, ausgezeichnet mit dem Titel "Europastadt".
Diese kompakte, gut lesbare Stadtgeschichte Coburgs – nun in der zweiten, aktualisierten und erweiterten Auflage – enthält eine Fülle neuer Erkenntnisse zur Stadtgeschichte Coburgs und bietet einen spannenden, unterhaltsam erzählten Streifzug durch Vergangenheit und Gegenwart der Stadt!
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Buchvorschau
Coburg - Hubertus Habel
Hubertus Habel
Coburg
Kleine Stadtgeschichte
UMSCHLAGMOTIVE
Vorderseite: Josef Steingrübel: Stadtansicht Coburgs, um 1840.
(Foto: Stadtarchiv Coburg). Rückseite: Die Veste Coburg (Fotolia, Val Thoermer)
BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-7917-3020-2
© 2019 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Reihen-/Umschlaggestaltung und Layout: Martin Veicht, Regensburg
Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau
Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg
Printed in Germany 2019
eISBN 978-3-7917-6146-6 (epub)
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Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de
Inhalt
Stadt-Findung der Coburger Geschichte
Die Vorgeschichte der Stadt Coburg
Siedlungsentstehung an der Itz-Furt / Trufalistat / Der heilige Mauritius und Coburg
»Boom town« des 13. Jahrhunderts
Die »Neue Herrschaft« der Grafen von Henneberg / Großbaustelle Coburg / Coburg als himmlisches Jerusalem auf Erden / Handelsstadt mit ausgeprägter Sozialstruktur
Zentrum der sächsischen Ortlande in Franken seit 1353
Die Wettiner / Die »Große wettinische Landesteilung« 1485 / Bevölkerung und Stadtgesellschaft / Bürgerrechts- und Steuerverweigerer um 1487 / Wirtschaft / Schwarzer Tod und schwarzes Tuch / Arme in der Stadt / Ratsverfassung / Der »Mohrenkopf« als bürgerliches Stadtsymbol / Stadtverteidigung / Wo lebten die Coburger Spießbürger? / Modernisierung der wachsenden Stadt / Der Reichspatron Mauritius als »Eckstein« der neuen Kirche / Stadt »am Tropf« des Landes / Ernährung / Getränke / Hygiene / Der Abort und das »ewige Gedächtnis«
Zentrum der protestantischen Pflege Coburg im Zeitalter der Konfessionskriege
Martin Luther in Coburg / Ernestinische Katastrophen nach 1531 / Residenzstadt des Herzogs Johann Casimir von Sachsen-Coburg / Des Herzogs Rückkehr nach Coburg / Städtebauliche und kulturelle Blüte / Politische Architektur am Coburger Marktplatz / Das Casimirianum / Auch die Coburger Uhren gingen mit der Zeit / Coburgs Niedergang im Dreißigjährigen Krieg / »Wider alle Kriegsrecht…«: »Friedliche« Truppendurchzüge / Auf Seiten des Schwedenkönigs
Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha
Zankapfel der ernestinischen Brüder / Die sachsen-coburg-saalfeldische Residenz / Aufklärung in Coburg / Das »Museum« der städtischen Rüstkammer / Der Ruhm des »Prinzen Koburg« / Das Bratwurschtmännle / »Das Gestüt Europas« / Queen Victoria und ihr »zweites Zuhause« / Jean Paul in Coburg / Massenarmut nach Krieg und Missernten / Polizei-Inspektor Eberhardt: Freund und Helfer der Armen / Herzog Ernst I. und die »unruhigen« Coburger / Die Vereinigung Coburgs mit Gotha / Der Geist der Freiheit / Schinkel, der Planer der neogotischen Ehrenburg / Schwarz-rot-goldene Pfeifenköpfe / Herrschaftslegitimierung / Neugestaltung des Festungsberges / Zentrum des Liberalismus unter Herzog Ernst II. / Gustav Freytag und das Nationaldenkmal Veste Coburg / Der »deutsche Styl« prägt Coburgs Neogotik-Ring / Industrialisierung / In Coburg gehen die Uhren anders… / Engländer auf dem Coburger Thron / Oberbürgermeister Rudolf Muther / Jugendstil / Anna B. Eckstein und der Traum vom Frieden / Von der Hauptstadt des »Freistaates Coburg« zur bayerischen Kreisstadt 1919/20
Coburg als »Reagenzglas« der nationalsozialistischen Machtergreifung
Hitlers Premiere auf der Coburger Bühne im Oktober 1922 / NS-Kommunalpolitik in Coburg von 1929 bis 1933 / 23. Juni 1929: Coburg wird erste NS-Stadt / Symbolpolitik / Konrad Soergel: ein Opfer der Nazis / Judenverfolgung / Morgenthau: Vordenker der US-Außenpolitik
Vom Kriegsende in die Gegenwart
Explodierende Einwohnerzahlen um die »Stunde Null« / Politischer Neubeginn / Der Coburger Mauritius / Wirtschaft mit dem Rücken zum Eisernen Vorhang / Die HUK-Coburg / Bayerischthüringische Schnittstelle seit 1989
Anhang
Zeittafel / Stadtplan / Die Herzöge von Sachsen-Coburg / 1. Bürgermeister/Oberbürgermeister seit Mitte 19. Jh. / Internetadressen / Literatur / Register / Ortsregister (allgemein) / Ortsregister (Coburg) / Personenregister / Bildnachweis
Stadt-Findung der Coburger Geschichte
Coburg feierte 2006 den 950. Geburtstag seines Namens. 1056 meinte man jedoch mit der ersten Erwähnung Coburgs die Burganlage hoch über dem sanft ansteigenden Vorland des Thüringer Waldes und dem Tal der nach Süden abfließenden Itz. Zwar gab es seinerzeit bereits auch den Ort am Fuß des Festungsberges. Man nannte ihn jedoch noch ganz anders: Trufalistat – »Stätte des Dörfleins«. Rund hundert Jahre später übertrug man den Namen der Höhenburg Coburg auf den Talort. Nur wenige Jahrzehnte weiterer Entwicklung bedurfte es, bis aus Coburg eine frühe Stadt geworden war.
Die Literatur zur Coburger Geschichte ist in ihrer Reichhaltigkeit und ihrer Vielfalt kaum zu überblicken. Auffällig ist jedoch, dass sich viele der Autoren vorwiegend mit der Geschichte des Herzogshauses Sachsen-Coburg, dessen Schlössern, den weltweiten dynastischen Verwandtschaftsbeziehungen und der herrschaftlichen Kultur befasst haben. Veröffentlichungen zur bürgerlich-urbanen Geschichte und Kultur der Stadt Coburg sind demgegenüber vergleichsweise rar.
Die Marktsiedlung Trufalistat zwischen der Itz-Furt an der hochmittelalterlichen Nord-Süd-Fernstraße und der Kirche St. Mauritius sowie der Einfluss der klösterlichen Propstei in der Burg bildeten die Keimzellen des spätmittelalterlichen burgus bzw. der civitas Coburg. Kann man die Erstnennung der Burg-Anlage überlieferungsbedingt nur auf den Sommer des Jahres 1056 eingrenzen, so ist von der Ersterwähnung der Stadt Coburg sogar der Tag bekannt: Am 24. Mai 1217 wurden die Pfarrrechte im burgus, also in der Stadt Coburg festgelegt. Mit diesem zeittypischen Stadtbegriff verbunden ist der zeitgleich verwendete des burgaere, in dem die althochdeutsche Bedeutung des Stadtbewohners steckt. So wie das bürgerliche Coburg seit dem 13. Jahrhundert weitgehend unabhängig von der Burg gedieh, die man erst im 19. Jahrhundert wieder mit der Stadt verknüpfte, so richtet sich der Blick dieser nun in erheblich erweiterter Zweitauflage vorliegenden »Kleinen Coburger Stadt-Geschichte« vorrangig auf die Bürger-Gemeinde.
G. F. Rauscher (?): Das äußere Ketschentor, 1826. Noch heute ist dieses im frühen 14. Jahrhundert erbaute Stadttor die südliche „Pforte" zur Coburger Altstadt.
Da im Spätmittelalter wesentliche Strukturen der Stadt in topografischer, sozialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht entstanden, die Coburg zum Teil bis ins 20. Jahrhundert prägen sollten, wird diese Epoche intensiver als die nachfolgende dargestellt. Die Reformation brachte nicht nur Luther im Sommer 1530 hierher, die kulturellen, aber auch die politisch-militärischen Folgen der konfessionellen Spaltung Mitteleuropas bestimmten Schicksal, Bedeutung und Selbstverständnis der herzoglichen Residenzstadt, die Coburg mit Unterbrechungen von 1549 bis 1918 war, nachhaltig.
Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb man in der 1920 bayerisch gewordenen Stadt als »Reagenzglas« der nationalsozialistischen Machtergreifung das dunkelbraune Geschichtskapitel dieser ersten NS-beherrschten Stadt Deutschlands. In den Jahren nach der Katastrophe des Dritten Reiches hatte das unversehens im DDR-nahen Grenzland gelegene Coburg die gravierenden Folgen des Zweiten Weltkrieges mit Flüchtlingsintegration und wirtschaftlichem Neubeginn zu bewältigen, was angesichts der heutigen Situation bestens gelungen ist.
Den Besuchern und Einheimischen einen kompakten Einblick in die städtische Geschichte von den Anfängen bis heute zu geben, unternimmt dieses Buch. Begleitet wird der Gang durch die Stadtgeschichte von der kulturwissenschaftlich orientierten Auslotung der erkennbaren Aspekte Coburger Selbstverständnisses im Wandel der Jahrhunderte, für die seit dem Spätmittelalter insbesondere die zeittypischen Ansichten des städtischen »Mohrenkopf«-Wappens aussagekräftig sind.
Die Vorgeschichte der Stadt Coburg
Siedlungsentstehung an der Itz-Furt
Für die Entstehungszeit des Ortes Trufalistat sind zwei wesentliche Faktoren erkennbar, die die Entwicklung Coburgs über Jahrhunderte prägten. Bereits in dieser Zeit existierte eine Nord-Süd-Verbindungsstraße, die von Norditalien aus entlang der heutigen B 4 Mitteleuropa und Skandinavien miteinander verband. Aus Süden, dem Itzgrund folgend, erreichte die Straße das heutige Stadtgebiet. Etwa an der Stelle der heutigen Heiligkreuzbrücke, also unmittelbar oberhalb der Einmündungen von Lauter und Sulzbach in die Itz, kreuzte die Straße durch eine Furt die Itz, um weiter nach Norden über Rottenbach und Eisfeld den Thüringer Wald in Richtung Erfurt und Magdeburg zu queren. Jährlich wiederkehrende Hochwasser und die im Frühjahr und Herbst aufgeweichten Karrenwege des Gebirges zwangen die reisenden Kaufleute, Pilger und andere Gruppen zu mitunter wochenlangen Rasten auf dieser hochwasserfreien Terrasse im ansonsten recht sumpfigen Itztal an der »Coburger Pforte«. Es wären schlechte Händler gewesen, hätten sie nicht die Wartezeit zum Verkauf ihrer Waren an diesem zunächst geografisch bedingten Handelsplatz genutzt, der sich im Lauf der Zeit aus dieser ersten provisorischen Keimzelle zur Marktsiedlung entwickelt haben dürfte.
Schriftliche Quellen aus dieser frühen Zeit sind bislang vergeblich gesucht worden. Die Archäologen haben immerhin zwei Grabungsfunde zutage gefördert: eine Gefäßscherbe mit Rosettenstempel des 6./7. Jahrhunderts am Schlossplatz und einen karolingischen Schläfenring des 8. Jahrhunderts bei St. Moriz. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in Kombination mit der Namensstruktur von Trufalistat auf dessen frühmittelalterliche Entstehung hinweisen.
Die Grenzen der hochmittelalterlichen Siedlung können aufgrund archäologischer Befunde mosaikartig im Westen und im Südosten festgelegt werden. So war die heutige Marktplatzfläche bis ins 13. Jahrhundert weitgehend mit Häusern bebaut. Im Westen, entlang der Rosen- und Spitalgasse, befand sich eine Befestigungslinie aus Holzständerreihen, deren Zwischenräume mit Geröll und Erde zu einer wallartigen »Holz-Erde-Mauer« aufgeschüttet gewesen sein dürften. Ein großflächiger Brand ließ diese Bauwerke untergehen.
HINTERGRUND
TRUFALISTAT
Die Bedeutung des hochmittelalterlichen Namens von »Trufalistat« war bis vor wenigen Jahren ungeklärt. Die Quelle dieser vor 1182 verwendeten Bezeichnung ist die spätmittelalterliche Kopie der Urkunde vom 24. Mai 1217, in der erstmals Coburg als »Stadt« bezeichnet wird. Der Passus der lateinischen Urkunde lautet übersetzt: […] an der Kirche und der gesamten Stadt Choburg, die früher Trufalistat genannt wurde, also ihren Namen getauscht hat. Dank der sprachwissenschaftlichen Studie von Helga Oertel-Günther wissen wir nun, dass er »Stätte des Dörfleins« bedeutet. Die bislang von der lokalen Heimatforschung vertretene These von der »Stätte der Thüringer« ist ebenso wenig haltbar wie die Verortung im Bereich des Oberen Bürglaß, die sich daran orientiert, dass Coburg eine Kaufmannssiedlung vor den Toren Trufalistats gewesen sei. Die Struktur des Namens auf –stat lässt analog zu Gaustadt, Hallstadt etc. nach Dr. Wolfgang Janka als Entstehungszeit das frühe Mittelalter, die »Zeit vor dem slawisch-deutschen Sprachkontakt« im heutigen westoberfränkischen Raum, also das 6./7. Jahrhundert annehmen.
Coburg – wie der Ort seit ca. 1150 genannt wurde – gehört zu den frühen, im Mittelalter neu entstandenen Städten Mitteleuropas, deren massenweise Gründungen erst in der Mitte des 13. Jahrhunderts einsetzte. Der wirtschaftliche, rechtliche und religiöse Einfluss der klösterlichen Propstei auf dem nahe gelegenen Berg hatte sich bereits namenprägend niedergeschlagen. Die für burgi typische Lage an der den nahen Fluss querenden Straße war ebenfalls gegeben und stellte die Basis des Aufstiegs der Stadt dar.
Das Siedlungszentrum hat vermutlich weiter östlich, im Umfeld von Sankt Moriz gelegen. Ausgrabungen des Jahres 2001 im Bereich der Coburger Pfarrgasse deuten an, dass hier im 11. Jahrhundert ein klösterlicher Wirtschaftshof und eine erste Kirche bestanden haben. Die Funde lassen außerdem vermuten, dass es bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts um den »heiligen Ort« der Morizkirche eine Mauerumwehrung gab, die ihren Ersatz in der geräumigeren heutigen »inneren Stadtmauer« gefunden hat.
Die Annahme des Klosterhofes verweist auf die zweite Keimzelle der Stadt, die Burganlage hoch über dem Tal auf dem Festungsberg: Die Coburg gehörte ursprünglich zum Reichsgut der ottonischen Kaiser. Der Name wird vom altslawischen chov für Sicherung abgeleitet, demzufolge Coburg schlicht Sicherungsburg bedeutet. Sie mag als befestigter Sitz eines kaiserlichen Dienstmannes zum Schutz vor den