Ingolstadt: Kleine Stadtgeschichte
Von Gerd Treffer
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Buchvorschau
Ingolstadt - Gerd Treffer
Fußnote
Zum Buch
Ingolstadt hat eine bewegte Geschichte hinter sich: 806 erstmals in einer Urkunde Karls des Großen erwähnt, wurde es zu einem wichtigen strategischen Ort an der Donau und erlebte eine besondere Zeit als souveränes Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt (1392–1447) und Sitz der ersten und einzigen Bayerischen Landesuniversität (1472–1800). Zugleich war Ingolstadt immer auch Festungsstadt, ab 1828 ausgebaut zur Bayerischen Landesfestung. Heute präsentiert es sich als moderne Wirtschaftsstadt, die überdies wieder an ihre universitäre Tradition anknüpfen konnte.
Wie diese Entwicklung vor sich ging, erzählt Gerd Treffer in seiner kompakten, fundierten Darstellung ebenso einprägsam wie unterhaltsam.
Zum Autor
Gerd Treffer,
Dr. phil Dr. jur., war fast 40 Jahre lang Pressesprecher der Stadt Ingolstadt. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Hörbilder zu historischen Themen allgemein und zur Ingolstädter Stadtgeschichte im Besonderen.
Gerd Treffer
Ingolstadt
Kleine Stadtgeschichte
VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
eISBN 978-3-7917-6134-3 (epub)
© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Einbandgestaltung: Martin Veicht, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2967-1
Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de
Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de
Vorwort: Der Daumenabdruck der Ingolstädter Geschichte
Im Jahr 2000 hat Ingolstadt sein 750-jähriges Bestehen »als Stadt« gefeiert und 2006 ein 1200-Jahr-Fest aus Anlaß seiner ersten urkundlichen Erwähnung. Als Signet für die 750-Jahr-Feier hatte die Stadt einen Fingerabdruck – das Symbol für Erkennbarkeit und Individualität – gewählt, der sich an einen stilisierten Flusslauf anlehnt: Ingolstadt, die Stadt an der Donau mit ihrem unverwechselbaren, eigenständigen Charakter.
Ingolstadt hat aufgrund seiner geographischen Lage am Fluss (in einer militärisch-strategisch wichtigen Position und im Fadenkreuz überregionaler Handelsachsen), aber auch wegen der in die Stadt verlegten, landesweit bedeutsamen Einrichtungen eine Rolle gespielt, die es unter den anderen bayerischen Städten auszeichnete. Als bayerische Militärstadt schlechthin, und spätere bayerische Landesfestung, war Ingolstadt ein traditioneller Dreh- und Angelpunkt der Landesverteidigung. Als Universitätsstadt, Sitz der ersten und lange Zeit einzigen Bayerischen Landesuniversität, hat es drei Jahrhunderte lang eine Sonderrolle erfüllt, die ihm über die bloße Stadtgeschichte hinaus Bedeutung in der Landes- und gelegentlich in der europäischen Universitäts- und Geistesgeschichte einbrachte.
In der frühen Geschichte war das Donaubecken um Ingolstadt ein zentraler Siedlungsraum. Das »Land um Ingolstadt« zählt heute zu den bedeutendsten archäologischen Fundregionen in Deutschland. Das Oppidum Manching stellte einen keltischen Siedlungsschwerpunkt dar; in römischer Zeit war die Region Grenzland des Römischen Reiches und wurde dann Kernland der bajuwarischen Stammesbildung. 806 wird Ingolstadt erstmalig in einer Urkunde Karls des Großen erwähnt und wuchs unter den Wittelsbacher Herzögen zu einem respektablen städtischen Gemeinwesen heran.
In der Folge der Wittelsbacher Landesteilung von 1392 wird Ingolstadt zum souveränen Fürstentum. Die Tochter des Ingolstädter Landesherrn wurde als Isabeau de Bavière Königin von Frankreich. Ihr Bruder, Ludwig der Gebartete (der lange Jahre an ihrem Hof gelebt hatte), errichtete in Ingolstadt ein Neues Schloss und begann den Bau einer gewaltigen Kathedrale – städtebauliche Akzente, die bis heute das Stadtbild prägen.
Nach dem Aussterben der Ingolstädter Herzogslinie beginnt für Ingolstadt eine zweite große Epoche. 1472 gründeten die neuen Landshuter Landesherrn in Ingolstadt die Hohe Schule, die neben Wien und Prag zu einer der bedeutendsten Universitäten im deutschsprachigen Raum heranwuchs, zu einem Zentrum des Humanismus und zu einem Bollwerk des Katholizismus in der Zeit der Gegenreformation: Hier erhielten spätere Kaiser und Kurfürsten ihre Prägung. Hierher berief der bayerische Kurfürst die Jesuiten. Hier lehrten nach Johannes Eck ein Petrus Canisius, ein Gregor von Valencia.
Ingolstadt hat zwei Berufungen, die sich so einfach nicht verbinden lassen: Es ist Ort der Wissenschaft und Platz der Landesverteidigung. Ingolstadt war nämlich auch immer Stadt der Soldaten, eine Festung, die nie vom Feind genommen wurde. Ein ums andere Mal zogen fremde Heere heran, aber auch, unverrichteter Dinge, wieder fort. Hinter den Festungsmauern wurde Ingolstadt dann zu einem Ort der Aufklärung, der medizinischen Forschung und Lehre, der Reform des Lehrbetriebs, gar zum Hort radikaler aufklärerischer Umtriebe, der Illuminaten.
1800 ist das schwarze Jahr der Ingolstädter Geschichte. Die Festung wird geschleift, die Universität (über Landshut nach München) verlegt. Die Stadt verliert gleichzeitig ihre beiden traditionellen Standbeine, ist damit in Gefahr, zu einer unbedeutenden Provinzstadt abzusinken. Sie verdankt ihr Überleben der Besinnung auf die Rolle als Militärstadt.
Von 1828 an wird Ingolstadt zur Bayerischen Landesfestung ausgebaut. Ein Vierteljahrhundert lang ist es die größte Staatsbaustelle in Bayern; bis zu 20 000 Mann sind damit beschäftigt die Kavaliere, Kasernen, Kasematten zu erstellen, die Schanzarbeiten auszuführen. Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden die Festungswerke ergänzt; immer neue Vorwerke und Forts ummanteln die Stadt: dann ist Ingolstadt von einem phänomenalen Gürtel (von marathonischem Umgriff: 42 km) von kolossalen Außenforts umgeben. An dieser fast ausschließlich militärisch geprägten Stadt gehen die industriellen Gründerjahre weitgehend vorbei. Das liberale bürgerliche Unternehmertum kann sich mit einer Stadt, in der der Festungsgouverneur mehr zu sagen hat als der Bürgermeister, nicht anfreunden. So sind die ersten »Industriebetriebe« Ingolstadts auch Geschütz- und Kanonenfabriken.
Abb. 1: Blick über Ingolstadt mit Neuem Schloss, Altem Rathaus, Moritzkirche und »Pfeifturm«.
Im Ersten Weltkrieg ist Ingolstadt zunächst Rüstungsfabrikant, doch auch, mit seinen riesigen, weitab der Front liegenden Militärbauten ein großes Kriegsgefangenenlager – und das wichtigste Offiziersgefangenenlager im Deutschen Reich. Der Versailler Friedensvertrag, der die Zahl der Soldaten beschränkt und Rüstungsbetriebe unter Kontrolle stellt, muss eine traditionelle Militärstadt wie Ingolstadt ins Mark treffen. Die Zeit der Weimarer Republik gestaltet sich eher trist. Marieluise Fleißer aus Ingolstadt wird allerdings zu einem Begriff für das Theaterleben der Weimarer Zeit.
Der Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg ist mühselig, aber vielversprechend: Ingolstadt wird in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zum Motor der bayerischen Industrie, zum süddeutschen Raffineriezentrum und nimmt damit wieder eine Sonderrolle für Bayern ein (im Wandel vom vorwiegend agrarisch geprägten zum modernen Industriestaat). Wichtig für die Stadt ist aber auch, dass sie 1989 mit der Einrichtung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Kath. Universität Eichstätt und 1994 mit der Errichtung der Fachhochschule wieder an ihre Tradition als Universitätsstandort anknüpft.
Seit 2003 bezeichneten überregionale Zeitungen Ingolstadt als »Boom-Town«. Im Prognos-Zukunftatlas 2010 rangierte Ingolstadt unter allen bundesdeutschen Städten und Kreisen auf Platz 8 und damit unter denjenigen mit »Top-Zukunftschancen« und im Wirtschaftsranking von Focus-Money auf Platz 4. Ingolstadt ist 2011 bundesweit die Großstadt mit der geringsten Arbeitslosenquote und unter den großen bayerischen Städten auch die mit der geringsten Prokopf-Verschuldung. Sicher: In historischer Perspektive sind solche Momentaufnahmen nur von geringer Aussagekraft. Sie zeigen aber Tendenzen auf. Sie sind Belege für die Vitalität einer Stadt – in ihrer jahrhundertelangen Geschichte hat die Stadt Ingolstadt Rückschläge hinnehmen müssen und können. Ihre Beschreibung ist eine spannende Lektüre: Ingolstadt hat einen unverwechselbaren Daumenabdruck hinterlassen, der auch zeigt, dass die Stadt sich für die Herausforderungen der nächsten Jahrhunderte gerüstet fühlen darf.
Von frühen Fürsten, Kelten, Römern und Germanen [*]
Die Zeit der Jäger und Sammler hat im Raum Ingolstadt, besonders in den Tälern der Altmühlalb mit ihren Höhlen und im südlich anschließenden Ingolstädter Becken zahlreiche Funde hinterlassen. Besonders bekannt sind die Ausgrabungen in den Höhlen bei Mauern und im Hohlen Stein bei Schambach, die bedeutende Aufschlüsse über die Altsteinzeit lieferten. Die größte Freilandstation dieses Zeitalters in Bayern wurde in den 1960er-Jahren am Speckberg bei Nassenfels im Schuttertal ausgegraben. Die ältesten Steingeräte sollen aus der Zeit des Homo erectus vor ca. 500 000 Jahren stammen. Sie wurden bei Attenfeld nahe Neuburg entdeckt und wären landesweit die frühesten Zeugnisse für die Anwesenheit des Menschen. Die ältesten Funde vom Ingolstädter Stadtgebiet sind mehrere Faustkeile von Irgertsheim aus der Zeit des Homo steinheimensis. Für das Mesolithikum verdichtet sich die Verteilung der Fundplätze, wobei das Donaumoos seit langer Zeit und das Tertiäre Hügelland erst in den letzten Jahren als Lebensraum des Menschen bekannt geworden sind.
Handel in der Steinzeit
Der Lage an der Donau ist es zu verdanken, dass der Raum Ingolstadt bereits Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. von den umwälzenden Neuerungen erfasst wurde, die, aus Südosteuropa kommend, zu Recht als die »Neolithische Revolution« bezeichnet werden. Die Ausbreitung der neuen, bäuerlichen Lebensweise in festen Siedlungen mit Ackerbau und Tierhaltung in ganz Mitteleuropa nahm auch von hier aus ihren Ausgang. Denn die Fruchtbarkeit der Böden und der Wasserreichtum des Albvorlandes bis zur Donau boten ideale Voraussetzungen. Bald kam es hier zu einer flächendeckenden Aufsiedlung, während das alte Südufer der Donau um die heutigen Ortschaften Weichering, Zuchering oder Manching noch für lange Zeit landwirtschaftlich ungenutzt blieb.
Die reichen Vorkommen des als »Stahl der Steinzeit« bekannten Feuersteins (Silex) führten zusammen mit der verkehrsgünstigen Lage des Raumes Ingolstadt schon früh zu einem wirtschaftlichen und wohl auch kulturellen Austausch mit weiter entfernten Siedlungsgebieten. Eine bekannte Fundstelle der beginnenden Jungsteinzeit liegt beim Gradhof nahe Kösching. Mit Gräben umfriedete Kult-, Versammlungs- oder Handelsplätze des Mittelneolithikums konnten bei Buxheim, Eitensheim, Bergheim und Oberstimm erforscht werden. Ganz am Ende dieser Epoche stehen die reich ausgestatteten Gräber von Großmehring, unter deren Beigaben das goldene Haubenband einer hochgestellten Dame besondere Beachtung verdient.
HINTERGRUND
Abb. 2: Fast 3000 Bernsteinperlen bilden das prächtige Ingolstädter Collier, das im 2. Jahrtausend v. Chr. in einem Tongefäß am Ufer des Augraben, einem Bach nördlich von Ingolstadt, in den Boden versenkt wurde. – Stadtmuseum Ingolstadt.
Siedlungen in der Bronzezeit
In der Bronzezeit ist der Raum Ingolstadt bis auf die Donauauen und das Donaumoos komplett aufgesiedelt. Erstmals lassen sich Menschen im Gebiet der späteren Ingolstädter Altstadt nieder, wie drei Gräber im Alten Schloss belegen. Im Süden des Stadtgebiets entsteht im 13. Jahrhundert v. Chr. bei Zuchering einer der ausgedehntesten Friedhöfe seiner Zeit zwischen Ostfrankreich und Böhmen. Die Menschen, die hier etwa vier Jahrhunderte lang bestattet wurden, gehörten zum Teil der damaligen Oberschicht an, wie zahlreiche Waffen, Pferdezaumzeug und Teile aufwändig konstruierter Zeremonialwagen zeigen. Ihre Grabausstattungen nehmen viele Elemente der späteren keltischen Prunkgräber vorweg, von denen das des Keltenfürsten von Hochdorf wohl das berühmteste ist. Eine direkte Brücke zur Eisenzeit