Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services
Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services
Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services
eBook422 Seiten3 Stunden

Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Shared Service Organisationen (SSOs), die in vielen Unternehmen deren interne Geschäftsprozesse (z. B. Rechnungswesen/Finanzen, Personal, Beschaffung, IT) bündeln und als Dienstleistungen für operative und funktionale Einheiten anbieten, werden durch die Digitalisierung nachhaltig verändert. Dies erfordert eine Neubewertung der Shared Service-Strategie und ermöglicht es, die Stärken von SSOs hinsichtlich ihrer Kosten- und Qualitätsvorteile weiter auszubauen. Gleichzeitig können sich SSOs durch die Bündelung von Fach-, IT- und Prozesskompetenzen sowie ihre stark ausgeprägten dynamischen Fähigkeiten zum Wegbereiter der digitalen Transformation für die Geschäftsprozesse im Konzern entwickeln. Neue digitale Geschäftsmodelle im Bereich intelligenter Automatisierungsplattformen und Business Analytics bieten den SSOs zusätzliche Optionen zur Erzielung von nachhaltigen Wertbeiträgen für ihre Kunden und den gesamten Konzern. Der vorliegende Sammelband zeigt anhand zahlreicher aktueller Beispiele von SSOs namhafter Unternehmen die wesentlichen Schritte für eine erfolgreiche digitale Transformation. Gleichzeitig werden die Erfolgspotenziale verdeutlicht, die von SSOs als Promotoren der digitalen Transformation im Konzern realisiert werden können.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum30. Sept. 2020
ISBN9783658304843
Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services

Ähnlich wie Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Management für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared Services - Thomas M. Fischer

    © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    T. M. Fischer, K.-E. Lueg (Hrsg.)Erfolgreiche Digitale Transformation von Shared ServicesZfbF-Sonderheft74/20https://doi.org/10.1007/978-3-658-30484-3_1

    1. Herausforderungen der digitalen Transformation von Shared Services und Shared Service Organisationen

    Thomas M. Fischer¹  , Kai-Eberhard Lueg², Lorenz Schneck³ und Rolf Brühl⁴

    (1)

    Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Rechnungswesen und Controlling, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland

    (2)

    Chief Operating Officer - Global Business Services, Siemens AG, München, Deutschland

    (3)

    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland

    (4)

    ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin, Berlin, Deutschland

    Thomas M. Fischer

    Email: wiso-controlling@fau.de

    Zusammenfassung

    Infolge der Digitalisierung müssen Unternehmen ihre Fähigkeiten anpassen, um digitale Technologien, Daten und Wissen in vorhandenen und neuen Geschäftsmodellen wertsteigernd einsetzen zu können. Die Auswirkungen der Digitalisierung führen auch zu Veränderungen bei der Shared Service Organisation (SSO), die in vielen Konzernen Unterstützungsaktivitäten bündelt und als Dienstleistungen den operativen Einheiten im Konzern anbietet. Die Anforderungen aus der Digitalisierung sowie die aus den Stärken der SSO entstehenden Potenziale machen eine Neubewertung der Shared Service-Strategie im Vergleich zu anderen strategischen Handlungsoptionen notwendig. Darüber hinaus bieten neue digitale Geschäftsmodelle der SSO im Bereich Automatisierung und Business Analytics zusätzliche Optionen zu einer nachhaltigen Wertschaffung für die Kunden der SSO. Zur Unterstützung der Realisierung dieser Erfolgspotenziale sollte für die SSO gegenüber den Stakeholdern ein neues Rollenbild als Promotor der digitalen Transformation im Konzern entwickelt werden.

    Die durch die Digitalisierung eröffneten Chancen und Risiken für Unternehmen erfordern eine Neubewertung der Shared Service-Strategie, relativ zur Durchführung der Aktivitäten dezentral innerhalb der Geschäftseinheiten oder zum Outsourcing der Dienstleistung an sog. Business Process Outsourcing (BPO)-Anbieter. Um die erfolgreiche Umsetzung der durch die Digitalisierung entstehenden Potenziale von Shared Services und der Shared Service Organisation (SSO), die in diesem Sonderheft beschrieben werden, zu unterstützen, entwickeln wir für die SSO ein innovatives Rollenbild als Promotor der digitalen Transformation im Konzern.

    Obgleich Shared Services eine für die Unternehmenspraxis relevante Strategie darstellen, ist der Themenbereich sowohl in der Organisationsforschung als auch in den funktionsspezifischen Forschungsgebieten stark unterrepräsentiert. Dies betrifft besonders wissenschaftliche Erkenntnisse aus empirisch-quantitativen Studien (vgl. Richter und Brühl 2017, S. 32). Durch die Shared Service-Forschung werden Fragestellungen aus verschiedenen Funktionsbereichen, z. B. Rechnungswesen, Finanzen, Personal, Beschaffung und Logistik oder Wirtschaftsinformatik, mit Aspekten der Organisations- und Managementforschung verknüpft. Nicht zuletzt aus dieser Positionierung der Shared Service-Forschung als Schnittstelle unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Disziplinen ergeben sich große Potenziale für relevante Forschungsergebnisse.

    Die nachfolgend in diesem Sonderheft der Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF) dargestellten Entwicklungen zur digitalen Transformation von Shared Services und der SSO basieren auf empirisch-qualitativen Befunden im Arbeitskreis (AK) Shared Services und in den jeweiligen Mitgliedsunternehmen, die von den Unternehmensvertretern erstellt und unter wissenschaftlicher Leitung der akademischen Vertreter des Arbeitskreises gesammelt, synthetisiert und in einen konzeptionellen Rahmen eingebunden werden.

    Das Kap. 1 dieses Sonderhefts ist wie folgt aufgebaut: Im Abschn. 1.1 beschreiben wir die Auswirkungen der Digitalisierung auf Unternehmen und Unterstützungsfunktionen, die zu einer Veränderung der internen und externen Anforderungen an die SSO führen. Sodann führen wir in Abschn. 1.2 in die Neubewertung der Shared Service-Strategie relativ zu alternativen Organisationsformen ein, die angesichts der Verbindung der geschilderten Anforderungen mit neu entstehenden Erfolgspotenzialen der SSO erforderlich wird. In den Unterabschnitten werden die Stärken, auf denen die Erfolgspotenziale beruhen, aus konzeptioneller Sicht nach Ertragsmechanismen des Unternehmens aufgeschlüsselt und damit zusammenhängende Chancen und Herausforderungen erläutert. Hierbei verweisen wir jeweils auf die folgenden Kapitel des Sonderhefts, in denen Chancen und Herausforderungen im Detail erläutert werden. Das Kapitel schließt in Abschn. 1.3 mit einer Zusammenfassung sowie der Motivation eines neuen Rollenbilds der SSO als Promotor der digitalen Transformation im Konzern.

    1.1 Auswirkung der digitalen Transformation auf Unternehmen und Unterstützungsfunktionen

    Digitale Geschäftsmodelle sind neben einer verteilten Wertschaffung und einer kontinuierlichen Evaluation, z. B. auf Basis digitaler Plattformen und den Möglichkeiten von Big Data, durch eine starke Zentrierung auf Kunden gekennzeichnet (vgl. El Sawy und Pereira 2013, S. 10). Diese wird beispielsweise deutlich in (s. zur Geschäftsmodellterminologie Teece 2010, S. 172)

    der Kombination von Individualität und Standardisierung in der Wertschöpfung, z. B. die „Massenproduktion" individualisierter Services unter Einsatz von digitalen Plattformen und künstlicher Intelligenz (KI);

    ganzheitlichen Formen der Wertübertragung an die Kunden, z. B. Bereitstellung von Dienstleistungen über digitale Plattformen;

    und präziseren Arten der Wertsicherung durch die Unternehmen, z. B. Gain Sharing-Modelle.¹

    Angesichts dieser Merkmale und der schnellen Skalierbarkeit digitaler Geschäftsmodelle sind die lange Zeit erfolgreichen Geschäftsmodelle marktführender Unternehmen von Disruption bedroht. Die neuen Wettbewerber sind oftmals Digitalkonzerne oder Start-up-Unternehmen. Sie verfügen im Vergleich zu klassischen Industrieunternehmen über wenig kostenintensives Sachanlagevermögen, aber weisen häufig eine hohe Liquiditätsausstattung, Toleranz gegenüber Anlaufverlusten sowie Risikoakzeptanz auf und können durch schnelle Entscheidungsprozesse agil über Branchengrenzen hinweg operieren. Durch eine digitale Transformation soll einer, den Fortbestand der Unternehmen bedrohenden Disruption oder der Entstehung neuer Wettbewerber durch die Nutzung sich bietender Chancen mit eigenen disruptiven Geschäftsideen vorgebeugt werden.

    Definition: Digitale Transformation

    (vgl. Brynjolfsson und McAfee 2012, S. 56; Hess et al. 2016, S. 124; El Sawy et al. 2016, S. 142)

    Bei der digitalen Transformation handelt es sich um die kontinuierliche Anpassung von Fähigkeiten bezüglich des Einsatzes digitaler Technologien, Daten und Wissen im Unternehmen, um

    die Effektivität, Effizienz und Transparenz von Prozessen zu verbessern,

    innovative Güter und Dienstleistungen anzubieten,

    Geschäftsmodelle kundenzentriert auszurichten und hierdurch

    Wettbewerbsvorteile zu erzielen und zu erhalten, die eine Steigerung des Unternehmenswerts ermöglichen.

    Die durch die Digitalisierung ausgelösten Dynamiken beschränken sich nicht auf die Primärfunktionen der Unternehmung. Auch die Unterstützungsfunktionen müssen sich anpassen, um dem Management und den operativen Einheiten die Konzentration auf ihre Kernaufgaben zu ermöglichen. Dies beginnt beim Reporting und geht über kaufmännische und zunehmend auch technische Dienstleistungen bis hin zur Durchführung komplexer Mergers und Acquisitions (M&A). Gleichzeitig verändern sich Anforderungen an die Unterstützungsfunktionen über die gesamte Wertkette.

    Beispiele hierfür sind:

    Im Rechnungswesen und Reporting müssen Big-Data-Eigenschaften (5 Vs) erfüllt werden, d. h. es müssen größere Datenmengen („volume") aus unterschiedlichen Quellen („variety") einbezogen und mit höherer Aktualität („velocity") sowie Zuverlässigkeit („veracity") abgebildet werden, um eine wertsteigernde Entscheidung („value") zu ermöglichen. Auch steigt die Anforderung an die Flexibilität, mit der Erfolgswirkungen von Änderungen im operativen Geschäft abgebildet werden können (vgl. AKEU 2018, S. 302 ff.).

    An die Informationstechnologie (IT) stellen Manager bezüglich beruflich eingesetzter Anwendungen zunehmend höhere Anforderungen im Hinblick auf Mobilität, Bedienkomfort, Integration und individuelle Konfigurierbarkeit (vgl. AK Digital Finance 2018, S. 248 ff.).

    In Einkaufsprozessen bieten E-Procurement-Technologien das Potenzial für hohe Effizienz- und Effektivitätssteigerungen (vgl. AK Einkauf und Logistik 2018, S. 106 f.).

    Bei Human Resource (HR) spielt eine innovative Außendarstellung des Unternehmens sowie die Ansprache und Betreuung von (potenziellen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über sämtliche digitale Kommunikationskanäle eine entscheidende Rolle, besonders im Hinblick auf hochqualifizierte Fachkräfte. Darüber hinaus sind neue Arbeitsformen, wie virtuelle Teams oder agile Methoden, zu unterstützen.

    1.2 Neubewertung der Shared Service-Strategie

    In vielen großen Unternehmen und Konzernen werden Unterstützungsprozesse nicht mehr dezentral, d. h. fragmentiert in operativen Einheiten, Divisionen und Ländergesellschaften, durchgeführt, sondern in Form eines internen Outsourcings in der SSO zentralisiert und als Shared Services durch ein Shared Service Center (SSC) an die operativen Einheiten geliefert.

    Definition: Shared Services

    (aufbauend auf Brühl et al. 2017, S. 16) Shared Services sind transaktions- und wissensbasierte Dienstleistungen, die im Konzern gebündelt von einer Organisationseinheit (i. d. R. SSO) an mehrere interne Geschäftseinheiten, aber auch externe Kunden erbracht werden, mit dem Ziel der Effizienz-, Effektivitäts- und Flexibilitätssteigerung sowie zusätzlichen Wertschaffung in innovativen Geschäftsmodellen.

    Shared Services konkurrieren mit zwei alternativen Organisationsmodellen: erstens die dezentrale Durchführung in den operativen Einheiten oder zweitens das Outsourcing der Dienstleistung an einen externen BPO-Anbieter. Wird die SSO als Tochterunternehmen des Konzerns, aber unabhängig von den operativen Einheiten positioniert, kann sie die Stärken beider Alternativen verbinden (vgl. Kajüter et al. 2017, S. 32 ff.).

    Eine funktionierende SSO ist Grundlage für die Realisation beträchtlicher Erfolgspotenziale im Konzern. In Tab. 1.1 werden Stärken dargestellt, die mit der Umsetzung einer Shared Service-Strategie assoziiert werden.

    Tab. 1.1

    Stärken des Shared Service-Modells gegenüber alternativen Strategien (vgl. AK Shared Services 2018; Brühl et al. 2017; Janssen und Joha 2006; Minnaar und Vosselman 2013; Richter und Brühl 2017)

    Die Implementierung und das Wachstum einer SSO erfolgen typischerweise in drei Entwicklungsphasen (vgl. Lueg 2013, S. 9 ff.): Die Lift-and-Drop-Phase beginnt mit der Entscheidung zur Umsetzung der Shared Service-Strategie und besteht aus der Übertragung ausgewählter Aktivitäten bzw. Teilprozesse aus den Geschäftseinheiten („lift) in die neue Shared Service-Umgebung („drop). In der anschließenden Change-Phase beginnt die SSO mit der Optimierung der übernommenen Prozesse im Hinblick auf die in Service Level Agreements mit den internen Kunden festgehaltenen Ziele der Kostensenkung und Qualitätssteigerung der Aktivitäten. Die Phase geht einher mit neuen Anforderungen an das Qualifikationsprofil von Management und Mitarbeitern der SSO. Wurden die Prozessausführung in der SSO stabilisiert und die Möglichkeiten zur Optimierung umfassend ausgeschöpft, bietet sich für die SSO der Eintritt in die fortschrittlichste Entwicklungsphase „Enhance and Innovate" an. Wie im Folgenden gezeigt wird, ergeben sich in der letzten Stufe mit den Möglichkeiten der Digitalisierung die höchsten Synergiepotenziale.

    Die Möglichkeiten der Digitalisierung erfordern eine Neubewertung der Strategiealternativen, Durchführung in den Geschäftseinheiten, Shared Services oder Outsourcing: Für einzelne Stärken der SSO, besonders hinsichtlich der manuellen Ausführung von Aktivitäten, lässt sich ein gradueller Bedeutungsrückgang über die nächsten Dekaden prognostizieren (vgl. Frey und Osborne 2017). Andere bestehende Stärken, wie transaktionale Vorteile und die in der Organisationsform angelegten dynamischen Fähigkeiten, werden jedoch zum fundamentalen Wegbereiter der digitalen Transformation im Konzern. Darüber hinaus schaffen neue Geschäftsmodelle der SSO Potenziale für zusätzliche Wertbeiträge.

    In den folgenden beiden Abschnitten werden einzelne Stärken von Shared Services im Zusammenhang mit den ihnen zugrunde liegenden Theorieperspektiven und Ertragsmechanismen erläutert.² Dabei werden, ausgehend von den bisherigen Bedingungen, die Potenziale der Stärken in der digitalen Transformation dargestellt, die Herausforderungen bei der Realisierung der Potenziale diskutiert sowie die Auswirkung auf die Bewertung der Shared Service-Strategie und die Rolle der SSO im Konzern erörtert.

    1.2.1 Höhere transaktionale Effizienz und Effektivität

    Zur Begründung von Stärken der SSO im Hinblick auf transaktionale Effizienz und Effektivität überwiegen zwei Theorieperspektiven.³ Kompetenzorientierte Theorien, z. B. die ressourcenbasierte Theorie (vgl. Penrose 1959; Wernerfelt 1984; Barney 1991), leiten Unterschiede in der Wertschaffung zwischen Wettbewerbern aus einer abweichenden Ressourcenausstattung oder unterschiedlichen Fähigkeiten, diese auszuschöpfen, ab (vgl. Drnevich und Croson 2013, S. 487). In den Governance-orientierten Theorien, insbesondere der Transaktionskostentheorie (vgl. Williamson 1981) ergeben sich Stärken des Unternehmens aus einer im Vergleich zu den Wettbewerbern vorteilhafteren Allokation von für die Steigerung des Unternehmenswerts relevanten Ressourcen (vgl. Drnevich und Croson 2013, S. 487). Beide Theorieperspektiven unterscheiden sich dadurch, dass die Transaktionskostentheorie Antworten auf die Frage sucht, inwieweit sich Eigenschaften der Transaktionen auf die Organisationsgestaltung (Vertragsgestaltung) auswirken (vgl. Williamson 1985). Sie hilft somit bei den konstitutiven Entscheidungen, wie der Frage der Organisation von SSOs oder ob Unterstützungsaktivitäten an einen BPO-Anbieter vergeben werden (vgl. Kajüter et al. 2017, S. 32 ff.). Insbesondere für die standardisierten, transaktionalen Unterstützungsaktivitäten bietet sich eine Marktlösung an (vgl. Minnaar und Vosselman 2013).

    Transaktionale Vorteile durch marktorientierte Steuerung

    Grundsätzlich unabhängig von der digitalen Transformation können sich aus einer Shared Service-Strategie transaktionale Vorteile ergeben, wenn die horizontale Beziehung zwischen Geschäftseinheiten und SSO durch die Etablierung von Marktmechanismen innerhalb des Konzerns („hierarchical arm’s length control", Speklé 2001, S. 430) gesteuert wird (vgl. Minnaar und Vosselman 2013; Speklé 2001).⁴ Besteht für operative Einheiten die Möglichkeit des externen Bezugs von standardisierten Unterstützungsdienstleistungen und erweisen sich die mit der SSO ausgehandelten Konditionen bezüglich einer Kosten-Qualität-Kombination als nachhaltig schlechter im Vergleich zu externen Alternativen, droht ein potenzieller Ausstieg der operativen Einheiten aus der Shared Service-Strategie (sog. „exit threat", Minnaar und Vosselman 2013). Aus dieser Steuerungsform ergeben sich angesichts des Innovationsdrucks auf die Unterstützungsaktivitäten durch die Digitalisierung besondere Vorteile: Aufgrund der hohen Unsicherheit, mit der entsprechende Innovationen a priori behaftet sind, ist es effektiver und effizienter, Experten mit Detailkenntnissen zu den Unterstützungsprozessen mit der Erkennung des Innovationsbedarfs und der Auswahl geeigneter Ansätze zu betrauen. Der Erfolg der Innovation offenbart sich oftmals erst bei Abbau der bestehenden Informationsasymmetrie im Zeitverlauf nach der Implementierung. Bei der beschriebenen Steuerungsform wird der Innovationsprozess durch Marktanreize getrieben, wobei gleichzeitig, im Gegensatz zum Outsourcing, ein Abfluss von Wissen und Know-how außerhalb des Konzerns vermieden wird (vgl. Speklé 2001). Für die SSO bestehen somit starke Anreize für digitale Service- und Prozessinnovationen, um ein bezüglich Qualität, Kosten und Diversifikation vergleichbares Dienstleistungsportfolio anzubieten wie digitalisierte externe Anbieter. Durch die betriebliche Nähe und hohe Durchlässigkeit zwischen SSO und Konzern wird der aus der Marktorientierung entstehende positive Innovationsdruck auf Funktionen im gesamten Konzern übertragen. Der beschriebene Mechanismus kann seine Wirkung nur dann vollständig entfalten, wenn ein möglicherweise während der Implementierung einer Shared Service-Strategie eingeführter Kontrahierungszwang, d. h. die Verpflichtung der operativen Einheiten, Dienstleistungen vorranging von der SSO zu beziehen, aufgehoben wird.

    Verbesserte Effizienz und Effektivität bei transaktionalen Prozessen

    Durch die Digitalisierung ergeben sich für die SSO zahlreiche Möglichkeiten, die internen Dienstleistungen einerseits kostengünstiger und in höherer Qualität anzubieten und andererseits das Leistungsportfolio der SSO, sowohl bezüglich des Inhalts der Dienstleistung als auch deren Individualisierungsgrad, zu erweitern. Durch die Automatisierung in Enterprise Resource Planning (ERP)-Systemen oder Business Process Management (BPM)-Plattformen, Robotic Process Automation (RPA) bzw. Robotic Desktop Automation (RDA) und KI (z. B. Chat Bots) können transaktionale Aktivitäten zunehmend mit weniger oder ganz ohne menschliche Arbeitskräfte ausgeführt werden (vgl. AK Shared Services 2018). Darüber hinaus lassen sich Unterstützungsaktivitäten im Konzern über den gesamten Prozessverlauf in der sog. End-to-End (E2E)⁵-Perspektive (vgl. Davenport und Short 1990) automatisieren. Der Konzern kann von den durch die Automatisierung realisierten Einsparungen bzw. den durch Service- und Prozessinnovationen erzielten Überschüssen, wie bisher bei Größen-, Verbund- und Lohnkostenvorteilen, ohne Abzug der Marge eines externen Anbieters, profitieren.

    Derzeit sind Unterstützungsprozesse noch nicht vollständig automatisierbar, da auch in transaktionalen Aktivitäten Ausnahmen auftreten, die einen menschlichen Entscheider notwendig machen und eine automatisierte Umsetzung gegenwärtig nicht rentabel machen würden. Mit zunehmendem technischen Fortschritt kann ein gradueller Rückgang des Anteils dieser Ausnahmen prognostiziert werden. Damit einhergehend sinkt die Bedeutung von Labor Arbitrage⁶ für transaktionale Tätigkeiten. Dies zeichnet sich auch in Reshoring-Tendenzen ab (vgl. Benstead et al. 2017). Eine gegenläufige Tendenz zeigt sich bei expertisebasierten Aktivitäten. Hier werden zunehmend anspruchsvolle und komplexe Tätigkeiten, die sich in absehbarer Zeit noch nicht automatisieren lassen, in sog. Centers of Expertise (CoE)⁷ gebündelt (vgl. Harritz 2018). Bei Verfügbarkeit entsprechender Kompetenzen in Near- oder Offshore-Regionen können in der SSO weiterhin signifikante Vorteile aus Lohnkostendifferenzen realisiert werden.

    1.2.2 Dynamische Fähigkeiten in der digitalen Transformation

    Ressourcenorientierte Ansätze geben Antworten auf die Frage, wie sich Ressourcenkonfigurationen auf die Wertschaffung auswirken. Da in diesem Sonderheft die digitale Transformation und somit die Wandlung von SSOs aufgrund innovativer Technologien und neuer Organisationsansätze analysiert werden, ist die Weiterentwicklung der ressourcenorientierten Ansätze durch fähigkeitsorientierte Ansätze für die Analyse erfolgversprechend.

    Mittels der ressourcenorientierten Ansätze („resource-based view", RBV) werden Unternehmen als Bündel unterschiedlicher Ressourcen betrachtet, wobei ein sehr weiter Ressourcenbegriff verwendet wird. es wird zwischen materiellen Vermögenswerten wie Produktionsstätten oder Maschinen und immateriellen Vermögenswerten wie Organisationsstrukturen oder einer Organisationskultur unterschieden (vgl. Barney 1991; Wernerfelt 1984). Eine zentrale Annahme des RBV ist, dass die Wertschaffung eines Unternehmens durch seine Ressourcen bestimmt wird, weil diese das Unternehmen in die Lage versetzen, Dienstleistungen oder Produkte zu erstellen und zu vertreiben (vgl. Barney 1991). Um einen Wettbewerbsvorteil⁸ aufgrund einer vorteilhaften Ressourcenbasis zu erlangen, müssen die sog. VRIN-Eigenschaften⁹ vorliegen (vgl. Barney 1991), die in der ressourcenbasierten Theorie beschrieben werden. Während Werthaltigkeit und Seltenheit von den meisten, z. B. in Abschn. 1.2.1 genannten Technologien erfüllt werden, sind die Nichtimitierbarkeit und Nichtsubstituierbarkeit zumindest bei käuflich zu erwerbenden Technologien i. d. R. nicht gegeben (vgl. El Sawy und Pereira 2013). Diese entfalten ihr Erfolgspotenzial erst dann, wenn VRIN-Eigenschaften durch den komplementären Einsatz mit anderen Ressourcen begründet werden, z. B. in Abläufen der SSO, mit denen die nachgefragten Leistungsangebote erstellt werden. Eine folgerichtige Weiterentwicklung der Theorie betont, dass Unternehmen ihre Ressourcenbasis effektiv und effizient nutzen müssen, um erfolgreich zu sein (vgl. Newbert 2007). Daher argumentiert der fähigkeitsorientierte Ansatz („capability-based view", CBV), dass Unternehmen hierfür bestimmte Fähigkeiten benötigen (vgl. Helfat et al. 2007). Durch das Konstrukt der Fähigkeit („capability") einer Organisation wird die Eigenschaft erfasst, eine Aufgabe, wie z. B. die Erstellung oder den Vertrieb einer Dienstleistung, zu beherrschen (vgl. Helfat et al. 2007). Während sich sog. operative Fähigkeiten („operational capabilities") auf Aufgaben der Organisation im Tagesgeschäft beziehen, zielen die in den nächsten Abschnitten beschriebenen dynamischen Fähigkeiten („dynamic capabilities") auf die Schaffung, Veränderung oder Erweiterung der Ressourcenbasis ab (vgl. Helfat et al. 2007; Leih et al. 2015) und sichern die strategische Flexibilität für den langfristigen Wandel (vgl. Winter 2003). Sie spiegeln somit die Fähigkeit eines Unternehmens wider, innovative Strukturen umzusetzen (vgl. Teece et al. 1997). Wesentliche Treiber von dynamischen Fähigkeiten sind beispielsweise die Qualitäten und Werte des Managements (vgl. Hoffmann und Meusburger 2018), die Organisationsstruktur (vgl. Eisenhardt et al. 2010) sowie die Mitarbeiterfähigkeiten und die Flexibilität (vgl. Bhattacharya et al. 2005).

    Um die Vielfalt der Mechanismen zu beschreiben, die dynamischen Fähigkeiten zugrunde liegen, bietet sich die Kategorisierung von dynamischen Fähigkeiten nach Teece (2007, 2014) an. Dieser unterteilt dynamische Fähigkeiten in die Dimensionen Wahrnehmen von Chancen („sensing") und Gestalten des Unternehmensumfelds („shaping"), Ergreifen von Chancen („seizing") sowie die Rekonfiguration von Unternehmensressourcen („reconfiguring/transforming"). Naturgemäß liegt der Schwerpunkt der SSO auf Maßnahmen der Rekonfiguration von Ressourcen, insbesondere durch Organisationsgestaltung und Einsatz neuer Technologien.

    Im Folgenden wird zunächst beschrieben, welche konkreten dynamischen Fähigkeiten in der SSO entstehen können und warum diese besonders im Zusammenhang mit der digitalen Transformation bedeutsam sind. Sodann werden Treiber von dynamischen Fähigkeiten in der SSO vorgestellt, d. h. Charakteristika der Organisationsform, die die Entstehung von dynamischen Fähigkeiten begünstigen.

    Fähigkeiten zur Rekonfiguration von Ressourcen

    Fähigkeiten zur Rekonfiguration von Ressourcen, die die SSO entwickeln kann, umfassen u. a. die kontinuierliche Optimierung, die schnelle Skalierung und Individualisierung von Unterstützungsprozessen sowie die Bündelung von Wissensressourcen im Konzern.

    Eine bereits in anderen Zusammenhängen identifizierte dynamische Fähigkeit stellt die kontinuierliche Optimierung dar (vgl. Anand et al. 2009; Camisón und Puig-Denia 2016). Hierunter versteht man das systematische Vorgehen zur Identifizierung und Implementierung von Ansätzen zur Innovation von Arbeitsabläufen bzw. die Umsetzung regelmäßiger Initiativen zur Prozessverbesserung (vgl. Anand et al. 2009, S. 444). Zumindest ab der zweiten Entwicklungsphase von Shared Services (s. zuvor unter Abschn. 1.2) sind Vorgaben in Bezug auf Prozess- und Serviceverbesserungen regelmäßig zentrale Bestandteile des SSO-Zielsystems (vgl. Wendland 2013, S. 171 ff.) und werden u. a. mit Unterstützung von Prozessmanagementverfahren wie Total Quality Management, Six Sigma oder ISO 9000 verfolgt. Wie im Abschnitt zur verbesserten Effizienz und Effektivität bei transaktionalen Prozessen in Abschn. 1.2.1 beschrieben, können im Rahmen der Digitalisierung zusätzlich zur Ablaufgestaltung zahlreiche digitale Prozessanalyse- und Automatisierungstechnologien eingesetzt werden. Chancen und Herausforderungen der Prozessautomatisierung für Shared Services werden nachfolgend in Kap. 2 (Implementierung digitaler Prozesse) erläutert.

    Eine weitere Fähigkeit zur Rekonfiguration der SSO ist die schnelle Skalierung und Individualisierung von Unterstützungsprozessen (vgl. z. B. „scaling and stretching" bei den Hertog et al. 2010, S. 503 ff. oder Flexibilitätsvorteile in der Supply Chain bei Eckstein et al. 2015). Die im Rahmen einer Shared Service-Strategie in den operativen Einheiten verbleibenden Funktionen („retained organizations") werden von Routinetätigkeiten entlastet und können sich stärker auf die Anforderungen im Wertschöpfungsprozess der operativen Einheiten ausrichten, d. h. besser differenzieren (vgl. Felin und Powell 2016, S. 82). Durch die digitale Transformation kann selbst die SSO-Plattform ihr Leistungsportfolio differenzieren und ihren Kunden die Dienstleistungen zunehmend kostengünstiger, im Sinn einer individuellen Massenproduktion, anbieten. Zugleich verhindert die flexible Strukturierung, dass für vergleichbare Anforderungen in verschiedenen operativen Einheiten die für deren Erfüllung notwendigen Ressourcen mehrfach aufgebaut werden, wodurch neben Ineffizienzen zusätzlich Inkompatibilitäten vermieden und die langfristige Wartbarkeit und damit die Funktionsfähigkeit unterstützt werden. Im Rahmen der Digitalisierung betrifft dies besonders den Einsatz neuer Technologien, wie RPA, BPM oder KI, zu deren erfolgreicher Einführung und nachhaltigem Betrieb sowohl grundlegende Programmierkenntnisse, Fähigkeiten in Projektmanagement und Anwendungsentwicklung als auch detaillierte Erfahrungen hinsichtlich des zu automatisierenden Geschäftsprozesses notwendig sind (vgl. AK Shared Services 2018, S. 34 f.). Flexible Infrastrukturen von Unterstützungsprozessen für die schnelle Skalierung entwickeln ihr Potenzial auch bei der Restrukturierung des Konzerns, der Neuausrichtung von Geschäftsbereichen sowie bei Ausgründungen und Akquisitionen (vgl. AK Shared Services 2017). Bei konzerninternen Projekten mit hohen Anforderungen an Personenzahl und Know-how können Shared Services Vorteile generieren (vgl. AK Shared Services 2019), beispielsweise bei der Vereinheitlichung und Erneuerung von ERP-Systemen auf der Basis von In-Memory-Datenverarbeitung sowie der Entwicklung und Implementierung innovativer digitaler Plattformen.

    Eine wichtige Fähigkeit der Rekonfiguration ist die Bündelung von Wissen bzw. Expertise zur Verbesserung

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1