Einkauf und Supply Chain Management
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Rezensionen für Einkauf und Supply Chain Management
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Buchvorschau
Einkauf und Supply Chain Management - Ronald Bogaschewsky
Band 76/21
ZfbF-Sonderheft
Reihe herausgegeben von
Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswi
Schmalenbach-Gesellschaft, Köln, Deutschland
Die ZfbF-Sonderhefte sind aktuellen Themen aus allen Gebieten der Betriebswirtschaftslehre gewidmet. Sie enthalten entweder Monografien oder Sammelbände mit Aufsätzen zu dem jeweiligen Spezialthema, vor allem aus Rechnungswesen und Steuern, Finanzierung, Marketing sowie Organisation, Management und digitalen Märkten. Besonderes Kennzeichen ist die enge Verbindung von Theorie und Praxis.
Die Reihe der ZfbF-Sonderhefte wurde 1972 neben der Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF) etabliert. Bisher wurden pro Jahr ein bis zwei Sonderhefte zu einem breiten Spektrum von Themen der Betriebswirtschaftslehre veröffentlicht. Die Qualitätssicherung der ZfbF-Sonderhefte erfolgt durch die renommierten Herausgeber der ZfbF.
Die ZfbF ist die älteste und renommierteste betriebswirtschaftliche Fachzeitschrift im deutschsprachigen Raum. Sie wurde 1906 von Eugen Schmalenbach als Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung (ZfhF) gegründet und ab 1949 in neuer Folge geführt. 1963 erhielt sie den heutigen Namen. 2000 wurde ihre Schwesterzeitschrift in englischer Sprache, die Schmalenbach Business Review (SBR), ausgegliedert. Träger der ZfbF und der SBR ist die Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V.
Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
Schriftführender Herausgeber
Prof. Dr. Dr. h.c. Alfred Wagenhofer, Universität Graz, Österreich
Redaktion
Dr. Birgit Beinsen, Universität Graz, Österreich
Herausgeber
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser, Universität München, Deutschland
Prof. Dr. Marina Fiedler, Universität Passau, Deutschland
Prof. Dr. Karen Gedenk, Universität Hamburg, Deutschland
Prof. Dr. Martin Klarmann Karlsruher Institut für Technologie, Deutschland
Prof. Dr. Rainer Niemann, Universität Graz, Österreich
Prof. Dr. Tobias Kretschmer Universität München, Deutschland
Prof. Jörg Rocholl, PhD, European School of Management and Technology, Deutschland
Prof. Dr. Ulrich Schreiber, Universität Mannheim, Deutschland
Prof. Dr. Thorsten Sellhorn, Universität München, Deutschland
Prof. Dr. Martin Spann, Universität München, Deutschland
Prof. Dr. Erik Theissen, Universität Mannheim, Deutschland
Prof. Dr. Marliese Uhrig-Homburg, Karlsruher Institut für Technologie, Deutschland
Herausgeberrat
Prof Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser (Vorsitz) Universität München, Deutschland
WP StB Klaus Becker, KPMG AG,Deutschland
Ludger Becker, Bayer AG, Deutschland
Prof. Dr. Clemens Börsig, Deutschland
Prof. Dr. Mark Ebers,Universität zu Köln, Deutschland
Prof. Dr. Edgar Ernst, Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, Deutschland
WP StB Georg Graf Waldersee, Ernst &Young GmbH, Deutschland
Dr. Lars Grünert, Trumpf GmbH & Co. KG,Deutschland
Dr. Alan Hippe, F. Hoffmann-La Roche AG,Schweiz
Stefan Krause, Deutschland
Prof. Dr. Bernhard Pellens, Ruhr-Universität Bochum, Deutschland
WP StB Prof. Dr. Martin Plendl,Deloitte, Deutschland
Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane,Universität Paderborn, Deutschland
Dr. Markus Warncke,Villeroy & Boch AG, Deutschland
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15235
Hrsg.
Ronald Bogaschewsky
Einkauf und Supply Chain Management
1. Aufl. 2021
../images/500976_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngLogo of the publisher
Hrsg.
Ronald Bogaschewsky
University of Würzburg, Würzburg, Deutschland
ISSN 2567-1081e-ISSN 2749-3679
ZfbF-Sonderheft
ISBN 978-3-658-32894-8e-ISBN 978-3-658-32895-5
https://doi.org/10.1007/978-3-658-32895-5
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Planung/Lektorat: Lisa Woetzel
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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Die Zukunft der Beschaffungsfunktion gestalten – 50 Jahre Arbeitskreis Einkauf und Logistik der Schmalenbach-Gesellschaft
Kurz nach dem 75-jährigen Jubiläum hinsichtlich der Gründung der ersten Arbeitskreise der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. feiert nun einer der ältesten dieser Arbeitskreise sein 50-jähriges Bestehen. Die Tatsache, dass bereits 1951 der bis 1960 aktive Arbeitskreis „Der Einkauf im Industriebetrieb" als zweiter Arbeitskreis der Gesellschaft überhaupt gegründet wurde, macht deutlich, dass die Bedeutung des Themas Einkauf bereits früh erkannt wurde. Nach fünf Jahrzehnten darf man wohl von einem Dauerarbeitskreis sprechen und es stellt sich die Frage, was in den vielen Jahren geschafft wurde und ob dessen weitere Fortführung Sinn macht.
Der Arbeitskreis ist eine Gruppe von ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis, die dazu beitragen möchte, das komplexe Aufgabenfeld der Beschaffung, mit den – nicht einheitlich definierten – Bereichen Einkauf, Materialwirtschaft, Logistik und Supply Chain Management stetig weiterzuentwickeln, dessen Wertbeitrag für die Praxis permanent zu steigern sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den tangierten Fragestellungen zu fördern. Dass dies eine dauerhafte Aufgabe ist, versteht sich angesichts der dynamischen Umwelt, die stark auf diese Disziplin wirkt, eigentlich von selbst. Von besonderer Bedeutung mag auch sein, dass viele Unternehmen auf der obersten Führungsebene das sehr große Potenzial, dass in einer bestmöglichen Ausgestaltung und Umsetzung einer modernen Beschaffungsfunktion liegt, nach wie vor nicht vollends erkannt haben.
Dies stellt auch das Leitthema dieser Schrift dar. Hierzu haben einige Mitglieder des Arbeitskreises die im Folgenden skizzierten Beiträge verfasst. Dabei fokussieren die ersten beiden Beiträge Zukunftsszenarien für Wertschöpfungsnetzwerke bzw. für den Einkauf. Drei Artikel betrachten die strategische Transformation des Einkaufs hin zu einer stärker wertschöpfenden Funktion, wobei Fragen der fortschreitenden Digitalisierung sowie des Agilen Managements aufgegriffen werden. Zwei Beiträge widmen sich neuen Formen des Contracting vor dem Hintergrund moderner digitaler Technologien. Die letzten drei Artikel gehen auf konkrete Managementpraktiken und Steuerungsmechanismen im Themengebiet ein.
Ronald Bogaschewsky diskutiert die Frage, welche Auswirkungen die heutigen und erwarteten zukünftigen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns auf globale Wertschöpfungsketten haben und wie die Unternehmensführung hierauf reagieren sollte. Die Diskussion wird basierend auf sechs Kernfaktoren – Politik und Gesellschaft, Menschen und MitarbeiterInnen, Rohstoffe & Energie, Natürliche Umwelt, Ökonomie sowie Technologien – geführt, womit ein holistisch orientierter, multidisziplinärer Ansatz gewählt wird. Dies erscheint angesichts der Komplexität der realen Einflussfaktoren unternehmerischen Handelns und deren Vernetztheit untereinander sinnvoll. Eine resultierende Forderung ist eine deutlich stärkere Langfrist- und Nachhaltigkeitsorientierung und einer der hohen Komplexität besser gerecht werdenden Führung und Organisation des Unternehmens. Dies müsse sich auch stärker in der Managementlehre niederschlagen.
Marcell Vollmer, Christoph Bode und Davide Burkhart wagen in ihrem Beitrag eine Prognose, wie der Einkauf im Jahre 2030 aussehen könnte. Dabei werden insbesondere Einflüsse durch disruptive Technologien und weitere wesentliche Trends in die Analyse einbezogen. Das Fundament stellt hierbei eine international angelegte empirische Befragung unter EinkaufsleiterInnen und weiteren Führungskräften, die 564 TeilnehmerInnen verzeichnen konnte, dar. Adressiert werden Fragen zur Strategie und zum Wertbeitrag des Einkaufs, zu Prozessen, zur Organisation, zu eingesetzten Technologien sowie zu MitarbeiterInnen, die nachfolgend zu einem integrativ ausgerichteten Zukunftsbild zusammengefasst werden. Hierin zeigt sich insbesondere eine intensive Unterstützung durch digitale Systeme bei hohem Automatisierungsgrad operativer Prozesse sowie einer primär wertorientierten Funktion, deren Tätigkeitsschwerpunkte sowohl im Risiko- als auch im Innovationsmanagement hinsichtlich der Supply Chain liegen und die auf einen breiten und teilweise stark spezialisierten Talent Pool zurückgreift.
Elisabeth Fröhlich und Maximilian Nuyken fokussieren die strategische Transformation des Einkaufs mittels Digitalisierung. Ziel des Beitrags ist die Ableitung eines Handlungsrahmens, der Hinweise gibt, wie Unternehmen ihre Einkaufsfunktion weiterentwickeln können, um diese zukunftsfähig aufzustellen. Dabei stehen die problemfeldbezogenen Einsatzmöglichkeiten neuerer digitaler Technologien und Anwendungen und deren Beitrag zur Generierung eines erhöhten Wertbeitrags, insbesondere auch bei strategischen Aufgaben, im Vordergrund. Basierend auf zwei Szenarien, der vollständigen Automatisierung des Einkaufs mittels künstlicher Intelligenz und Robotics Process Automation einerseits und der Wandlung zu einer Servicefunktion unter massiver Nutzung von Big Data/Advanced Analytics andererseits, sowie mithilfe von ExpertInneninterviews werden die möglichen Handlungsfelder analysiert und Empfehlungen abgeleitet.
Michael Stietz, Jasmin Möller und Meike Westphal behandeln in ihrem Beitrag die Bedeutung von MitarbeiterInnen und der Unternehmenskultur bei der Transformation des Einkaufs hin zu einer zukunftsfähigen, wertschöpfenden Funktion. Ausgehend von der Evolution des Einkaufs hin zu einer strategisch bedeutsamen Unternehmensfunktion werden wesentlich Aspekte der Transformation im Zuge eines Change-Management-Prozesses dargelegt, wobei der Fokus neben der Strategieentwicklung auf dem Human Resources Management sowie kulturellen Herausforderungen und Fragen der adäquaten Kommunikation liegt. Auf die allgemein orientierte, literaturbasierte Diskussion folgt das – aus Umfangsgründen stark verkürzte – Fallbeispiel der Körber AG.
Heinz Schäffer beschäftigt sich in seinem Beitrag mit Fragen der Agilität im Einkauf. Im Rahmen der Dimension Beschaffungsstrategie wird beschrieben, wie Strategieentwicklungsprozesse auf effektive und effiziente Weise strukturiert werden können. Hierzu wird ein ABC-Modell eingeführt, das in mehreren Unternehmen bereits Einsatz fand. In der Dimension Organisationsstruktur wird u. a. mittels praktischer Beispiele dargelegt, welche Auswirkungen agile Methoden auf die Aufbaustruktur des Einkaufs haben können. Im Rahmen der Dimension Personal werden schließlich Aspekte angeführt, die für eine erfolgreiche Umsetzung agiler Methoden in der Praxis auf MitarbeiterInnenebene erforderlich sind.
Rainer Lasch und Lorenz Trautmann untersuchen in ihrem englischsprachigen Beitrag den Reifegrad Blockchain-basierter Smart Contracts im Beschaffungsbereich basierend auf einer Technology Readiness Level Analysis. Dabei wird die aktuelle relevante Literatur systematisch ausgewertet. Die potenzielle Bedeutung der Blockchain-Technologie im Beschaffungsbereich ist grundsätzlich als hoch einzuschätzen, wobei es zurzeit lediglich einige Anwendungen gibt, die wohl als fortgeschrittene Piloten anzusehen sind. So kommen die Autoren auch zu dem Ergebnis, dass bisher nur die ersten fünf Level hinsichtlich der Technology Readiness als gegeben anzusehen sind. Noch gäbe es technologische Unzulänglichkeiten (Level 6), insbesondere hinsichtlich der Skalierbarkeit, der Performance sowie des Energieverbrauchs, sowie juristische Unklarheiten (Level 7), u. a. angesichts fehlender international anerkannter Standards. Zuverlässig funktionierende und integrierte Beispielanwendungen (Level 8) sind angesichts weiterer Defizite bisher nicht vorhanden, die wiederum Voraussetzung für den höchsten Readiness-Level 9 sind. Nichtsdestotrotz dürfte die Weiterentwicklung dieser Technologie für den Beschaffungsbereich höchst interessante Anwendungsmöglichkeiten bieten.
Michael Eßig und Andreas Glas beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Performance-Based Contracting (PBC). Letzteres kommt in der Praxis häufig im Rahmen von Dienstleistungsverträgen mit Lieferanten bei komplexen und/oder innovationsintensiven Geschäftsbeziehungen zum Einsatz. Hierbei sind die Verträge in der Regel ergebnisorientiert und die Vergütungen leistungsabhängig gestaltet. Die in der Praxis beobachtete Leistungssteigerung, bspw. durch die Realisierung höherer Servicegrade, bei gleichzeitig attraktivem Kostenniveau hängt allerdings von der konkreten Problemsituation ab. Aufgrund der bereits heute gegebenen Möglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung kann sich die relative Vorteilhaftigkeit von PBC-Lösungen gegenüber alternativen Formen der Koordination (Markt oder Hierarchie) verschieben. Dies wird basierend auf der Transaktionskostentheorie analysiert. Um eine strukturierte Analyse vornehmen zu können, kann in Fokussierungs- und Verstärkungseffekte differenziert werden, wie zwei Fallbeispiele erläutern. Bei wenig spezifischen Leistungen, wie sie u. a. im Bereich der Güterbereitstellung zu beobachten sind, werde ein PBC angesichts der fortgeschrittenen Möglichkeiten der Digitalisierung tendenziell vergleichsweise weniger attraktiv. Das Gegenteil sei für spezifische Leistungen zu konstatieren.
Wolfgang Stölzle und Tim Brandl gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, welche Managementpraktiken zur Steuerung und Kontrolle von Contract Manufacturing-Dienstleistern in der Praxis der pharmazeutischen Industrie eingesetzt werden. Angesichts eines relativ hohen Anteils scheiternder Projekte in diesem Bereich erscheint es mehr als lohnend, mögliche Ursachen hierfür näher zu untersuchen. Aufgrund der sechs dargelegten Fallstudien weist die Untersuchung eine gute empirische Breite und der Beitrag einen entsprechenden Umfang auf. Der generierte Mehrwert dürfte einerseits in der Konzeption und Anwendung eines neuen Analyserahmens liegen und andererseits in der Erkenntnis, dass für die Ausgestaltung der Managementpraktiken bestimmte Kontextfaktoren verantwortlich sein dürften. Dieser Zusammenhang bedarf somit besonderer Beachtung für die Gestaltung von entsprechenden Steuerungs- und Kontrollmechanismen in der Praxis. Dabei versteht sich von selbst, dass die konkreten Beispiele nicht wegweisend für andere Branchen und Unternehmen sein müssen. Vielmehr dient der Beitrag einem besseren Verständnis für und einer strukturierten Herangehensweise an ein situatives Management von Contract Manufacturing-Dienstleistern. Der Beitrag fokussiert eine zentrale beschaffungsbezogene Aufgabe, auch wenn diese keinesfalls immer und primär von der Funktion Einkauf und Supply Chain Management verantwortet wird.
Der Beitrag von Götz Lauschke und Volker Arning geht der Frage nach, mit welchen Kennzahlen am besten komplexe und vernetzte Wertschöpfungsstrukturen abgebildet werden sollten. Das praktische Ausgangsproblem liegt in der Prozessindustrie und spezifisch in der Chemieindustrie, wo Kuppelproduktionen oftmals die Regel sind. Der Ausweis des Wertbeitrags eines Rohstoffs gestaltet sich dabei schwierig und die klassischen Schlüsselungsmethoden weisen Schwächen auf. So bedarf es einer reflektierten und strukturierten Ermittlung von Key Performance Indicators (KPIs), um den Wertbeitrag einzelner Rohstoffe adäquat abzubilden und beispielsweise in Engpasssituationen zielgerechte Prioritäten setzen zu können. Anhand stark vereinfachender Beispiele wird das Prinzip alternativer Vorgehensweisen erläutert und die potenziellen Auswirkungen des Einsatzes unterschiedlicher KPIs dargelegt. Damit wird gleichsam auf pragmatische Weise verdeutlicht, dass nicht nur strategische Weichenstellungen, sondern auch konkrete und detaillierte Steuerungsaufgaben für die Effektivität des Einkaufs mitentscheidend sind.
Hans-Christian Pfohl und Nikos Moraitakis widmen sich in ihrem englischsprachigen Beitrag der in der Theorie nach wie vor nicht abschließend geklärten und in der Praxis sehr bedeutenden Fragestellung, wie Einkauf und Logistik hinsichtlich der verfolgten Ziele und Maßnahmen besser abgestimmt und damit in gewisser Weise integriert werden können. Zudem wird untersucht, inwieweit eine solche Integration auch zu einer besseren Integration der Lieferanten mit dem beschaffenden Unternehmen führen kann. Hierzu wird das Instrument cross-funktionaler Anreize auf generelle Weise untersucht und damit die personelle Ebene fokussiert. Auf der Basis literaturbasierter Hypothesen wird eine explorative Studie unter 87 chinesischen Unternehmen durchgeführt. Die Daten werden mit der Partial-Least-Square-Methodik ausgewertet. Wie die Ergebnisse zeigen, können sich die betrachteten cross-funktionalen Incentives signifikant positiv auf die Integration von Einkauf und Logistik sowie der Lieferanten mit dem Unternehmen auswirken.
Aktuelle Informationen zum Arbeitskreis Einkauf und Logistik finden sich auf der Homepage der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. unter https://www.schmalenbach.org/.
Ronald Bogaschewsky
Würzburg
im November 2020
Inhaltsverzeichnis
Teil IZukunftsszenarien für Wertschöpfungsnetzwerke und den Einkauf
1 Globale Wertschöpfungsnetzwerke und Unternehmensführung unter neuen Rahmenbedingungen – Zeit für einen Paradigmenwechsel? 3
Ronald Bogaschewsky
1.1 Relevanz von Umfeldveränderungen für Unternehmen 3
1.1.1 Kernbereiche der Veränderungen 3
1.1.2 Kernfaktor: Menschen und MitarbeiterInnen 5
1.1.3 Kernfaktor: Politik und Gesellschaft 8
1.1.4 Kernfaktor: Rohstoffe und Energie 11
1.1.5 Kernfaktor: Natürliche Umwelt 13
1.1.6 Kernfaktor: Technologien 15
1.1.7 Kernfaktor: Ökonomie 17
1.2 Methodische und technologische Unterstützung bei der Gestaltung globaler Wertschöpfungsnetzwerke 19
1.3 Notwendige Schwerpunktverlagerungen im strategischen Management 24
1.4 Fazit 30
Literatur 31
2 Die Einkaufsfunktion 2030: Wie Trends und disruptive Technologien die Zukunft des Einkaufs verändern 37
Marcell Vollmer, Christoph Bode und Davide Burkhart
2.1 Aktuelle Herausforderungen für den Einkauf und Lieferketten 38
2.2 Status Quo und Folgen für den Einkauf 39
2.2.1 Strategie und Wertbeitrag des Einkaufs 40
2.2.2 Einkaufsprozesse 43
2.2.3 Einkaufsorganisation 44
2.2.4 Technologien im Einkauf 45
2.2.5 MitarbeiterInnen im Einkauf 48
2.3 Zusammenfassende Trends und Ausblick auf den Einkauf 2030 49
2.4 Synopse des Einkaufs 2020 und des Einkaufs 2030 55
Literatur 57
Teil IIStrategische Transformation des Einkaufs
3 Die strategische Transformation des Einkaufs: Wertbeitrag durch Digitalisierung? 61
Elisabeth Fröhlich und Maximilian Nuyken
3.1 Relevanz des Themas 61
3.1.1 Die Entwicklung der Beschaffung im digitalen Zeitalter 63
3.2 Digitalisierung als treibende Kraft für Procurement Excellence
68
3.2.1 Evolution versus Revolution: Ansätze des notwendigen Wandels im Einkauf 68
3.2.2 Methodisches Vorgehen 69
3.2.3 Ableitung der relevanten Szenarien 71
3.3 Disruptive Technologien als Enabler eines digitalen Beschaffungsverständnisses 75
3.3.1 Ein Handlungsrahmen für den digitalen Einkauf 75
3.3.2 Fazit: Digitalisierung als Katalysator für den Einkauf 78
Literatur 79
4 Humanressourcen und Unternehmenskultur als zentrale Stellgrößen der Transformation des Einkaufs 81
Michael Stietz, Jasmin Möller und Meike Westphal
4.1 Einkauf zwischen Status Quo und Vision 81
4.2 Dynamische Geschäftsumfelder und Evolution von Einkauf und Beschaffungsmanagement 84
4.3 Transformation der Einkaufsfunktion 86
4.3.1 Wandel gestalten mit Change Management und Organisationsentwicklung 86
4.3.2 Aufbau einer tragfähigen Einkaufsstrategie 89
4.3.3 MitarbeiterInnen im Transformationsprozess 92
4.3.4 Unternehmenskultur im Transformationsprozess gestalten 98
4.3.5 Kommunikation 100
4.4 Umsetzung im Körber-Konzern 103
4.4.1 Vorstellung Körber-Konzern 103
4.4.2 Einkauf bei Körber 104
4.4.3 Transformation der Einkaufsfunktion bei Körber 105
4.5 Fazit 108
Literatur 109
5 Dimensionen der Agilität und Unterstützung zur Ausgestaltung im Einkauf 113
Heinz Schäffer
5.1 Agilität im Einkauf: Bedeutung und Dimensionen 113
5.2 Dimension „Beschaffungsstrategie und Systeme" 117
5.3 Dimension „Organisationsstruktur" 121
5.4 Dimension „Personal" 126
5.5 Zusammenfassung 128
Literatur 129
Teil IIIAuswirkungen der Digitalisierung auf Contracting
6 Blockchain-based Smart Contracts in Procurement: A Technology Readiness Level Analysis 133
Lorenz Trautmann und Rainer Lasch
6.1 Introduction 133
6.2 Methodology and Structure 135
6.3 Technological Background 136
6.3.1 Blockchain Basics 136
6.3.2 Consensus Mechanisms 138
6.3.3 Smart Contract Technology and Platforms 140
6.4 Maturity Model 142
6.4.1 Technology Readiness Levels 142
6.4.2 Model Adaptation 143
6.5 Analysis of Smart Contract Technology in Procurement using Adapted TRL 146
6.5.1 TRL 1—Basic Smart Contract Technology Principles Reported 146
6.5.2 TRL 2—Possible Application Fields for Basic Technology Concept In Procurement Formulated 147
6.5.3 TRL 3—Critical Functions and Characteristics of Smart Contract Technology for Meaningful Implementation in Procurement Formulated 148
6.5.4 TRL 4—Smart contract algorithms tested in a controlled and monitored procurement environment 150
6.5.5 TRL 5—Smart Contract Projects Demonstrating Relevant Characteristics and Functions for Individual Activities in Procurement Practice 151
6.5.6 TRL 6—Smart Contract System Demonstration in Procurement without Technological Limitation 153
6.5.7 TRL 7—Smart Contract System Demonstration in Procurement without Legal Limitation 155
6.5.8 TRL 8—Smart Contract System Demonstration in Procurement without Functional Limitations and Qualified Through Test and Demonstration 159
6.5.9 TRL 9—Actual Smart Contract System Proven through Successful Operation 161
6.6 Conclusion 162
References 164
7 Digital Performance Based Contracting 171
Andreas H. Glas und Michael Eßig
7.1 Geschäftsmodellinnovationen als Ausgangspunkt 172
7.2 Konzeptionelle Grundlagen 173
7.2.1 Der Einfluss der Digitalisierung auf den Einkauf 173
7.2.2 Das Geschäftsmodell PBC 174
7.2.3 Ansatzpunkte für die Digitalisierung des PBC-Geschäftsmodells 177
7.3 Bewertung der Nutzung von Digital PBC mithilfe der Transaktionskostentheorie 180
7.4 Fallbeispiele: „Contracting 4.0" 183
7.4.1 Fokussierungseffekt: Smart Contracting 183
7.4.2 Verstärkungseffekt: Digital PBC 185
7.5 Implikationen und Diskussion Digital PBC 188
7.6 Zusammenfassung und Ausblick 190
Literatur 191
Teil IVSteuerungsmechanismen in Einkauf und Supply Chain Management
8 Praktiken zur Steuerung und Kontrolle von Contract-Manufacturing-Dienstleistern in der Supply Chain 197
Wolfgang Stölzle und Tim Brandl
8.1 Contract Manufacturing im Lichte des Supply Chain Managements 198
8.2 Wissenschaftliche Perspektive zum Management von Contract-Manufacturing-Dienstleistern 199
8.2.1 Forschungsströmungen und aktueller Forschungstand 199
8.2.2 Forschungslücken und künftiger Forschungsbedarf 201
8.3 Management von Contract-Manufacturing-Dienstleistern in der Praxis 201
8.3.1 Forschungsfragen und Denkrahmen 201
8.3.2 Fallstudien für das Management von Contract-Manufacturing-Dienstleistern in der Praxis 203
8.3.3 Cross-Case-Analyse der Fallstudien 212
8.4 Implikationen für das Management von Contract-Manufacturing-Dienstleistern in der Supply Chain 215
8.5 Limitationen und weiterer Forschungsbedarf 218
Literatur 219
9 Bessere Steuerung der Einkaufsaktivitäten durch Fokussierung auf die Wertschöpfung 223
Volker Arning und Götz Lauschke
9.1 Die Komplexität der Spezialchemie 224
9.2 Die Wichtigkeit des Einkaufs in der chemischen Industrie 225
9.3 Merkmale eines „erfolgreichen Einkaufs" in modernen Unternehmen 225
9.4 Beschreibung und Limitierung klassischer KPIs 228
9.4.1 Ausgabevolumen (Spend) 229
9.4.2 Einsparungen (Savings) 229
9.5 Verbesserte Steuerungsgrößen für den Einkauf 230
9.5.1 Ermittlung des Wertbeitrag eines Rohstoffs mit der Gesamtzuschlüsselungsmethode 232
9.5.2 Wertbeitrag eines Rohstoffs mit der Prozentschlüssel-Methode 233
9.5.3 Das Allokationsproblem 234
9.6 Vergleich der verschiedenen Bewertungsmethoden 235
9.7 Moderne Algorithmen und leistungsstarke IT-Systeme für die Analyse der Geschäftsprozesse 236
9.8 Nutzung wertgetriebener Kennzahlen und Auswirkung auf das Handeln 238
9.9 Ausblick 238
Literatur 239
10 Cross-functional Incentives for Purchasing-Logistics and Supplier Integration: With Evidence from China 241
Hans-Christian Pfohl und Nikos Moraitakis
10.1 Introduction 242
10.2 Literature Review and Hypothesis Development 243
10.2.1 Supplier Integration and Logistics Performance 243
10.2.2 Purchasing-Logistics Integration and Supplier Integration 244
10.2.3 Cross-functional Incentives and Purchasing-logistics Integration 246
10.3 Method 249
10.3.1 Data Collection and Sample 249
10.3.2 Measures 250
10.3.3 Common Method Bias 252
10.4 Data Analysis and Results 253
10.4.1 Partial Least Squares 253
10.4.2 Measurement Model 253
10.4.3 Structural Model 255
10.5 Discussion and Implications 256
10.6 Limitations and Future Research 257
References 258
Autorenverzeichnis
Volker Arning
Mühlheim an der Ruhr, Deutschland
Christoph Bode
Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland
Ronald Bogaschewsky
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
Tim Brandl
Universität St.Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz
Davide Burkhart
Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland
Michael Eßig
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg, Deutschland
Elisabeth Fröhlich
CBS International Business School, Köln, Deutschland
Andreas H. Glas
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg, Deutschland
Rainer Lasch
TU Dresden, Dresden, Deutschland
Götz Lauschke
Gelnhausen, Deutschland
Nikos Moraitakis
SCHOTT AG, Mainz, Deutschland
Jasmin Möller
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
Maximilian Nuyken
Köln, Deutschland
Hans-Christian Pfohl
TU Darmstadt, Darmstadt, Deutschland
Heinz Schäffer
Talheim, Deutschland
Michael Stietz
Körber AG, Hamburg, Deutschland
Wolfgang Stölzle
Universität St.Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz
Lorenz Trautmann
TU Dresden, Dresden, Deutschland
Marcell Vollmer
Boston Consulting Group, Frankfurt am Main, Deutschland
Meike Westphal
Körber AG, Hamburg, Deutschland
Teil IZukunftsszenarien für Wertschöpfungsnetzwerke und den Einkauf
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R. Bogaschewsky (Hrsg.)Einkauf und Supply Chain ManagementZfbF-Sonderheft76/21https://doi.org/10.1007/978-3-658-32895-5_1
1. Globale Wertschöpfungsnetzwerke und Unternehmensführung unter neuen Rahmenbedingungen – Zeit für einen Paradigmenwechsel?
Ronald Bogaschewsky¹
(1)
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
Ronald Bogaschewsky
Email: boga@uni-wuerzburg.de
Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden Auswirkungen wesentlicher Veränderungen im globalen Unternehmensumfeld aufgezeigt und hieraus Schlüsse für erforderliche Veränderungen im Management von Unternehmen, insbesondere hinsichtlich des (Re-)Designs und des Managements von globalen Wertschöpfungsnetzwerken gezogen. Es werden sechs Kernbereiche identifiziert, innerhalb derer kritische Veränderungen zu konstatieren sind. Erhebliche Einflüsse hieraus ergeben sich auf Fragen der Führung, der Unternehmenssteuerung, auf Form und Art der internen sowie externen Kommunikation und Kollaboration, auf Qualifikationsanforderungen an MitarbeiterInnen und Führungskräfte und damit auf Bedeutung und Rolle der Funktionsbereiche Einkauf und Supply Chain Management. Diese Veränderungen begründen die Notwendigkeit neuer Schwerpunktsetzungen und vielleicht sogar einen Paradigmenwechsel im strategischen Management.
1.1 Relevanz von Umfeldveränderungen für Unternehmen
1.1.1 Kernbereiche der Veränderungen
Nach dem Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs im Jahre 1989, der die scharfe Trennung der kapitalistisch orientierten westlichen Staaten von den planwirtschaftlich geleiteten, sozialistischen Staaten im Osten quasi aufhob, sowie der verstärkten Reform- und Öffnungspolitik der VR China ab den 1990er-Jahren durchlebte die Weltwirtschaft eine extreme Dynamisierung mit teilweise sehr hohen Wachstumsraten, insbesondere bedingt durch die Globalisierung im Rahmen eines weitgehend freien Handels. Diese Entwicklung verleitete viele PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und unternehmerische EntscheidungsträgerInnen zu der Aussage, dass nunmehr die Überlegenheit des kapitalistischen Systems ein für alle Mal bewiesen sei und zudem die Demokratie ihren weltweiten Siegeszug fortsetzen würde. Die Entwicklungen in den letzten Jahren stellen diese These allerdings zunehmend infrage,¹ sehen wir uns doch politischen Unruhen und Kriegen, daraus resultierenden, aber auch wirtschaftlicher Not geschuldeten, massiven Flüchtlingsbewegungen, Fremdenfeindlichkeit in Verbindung mit einem Erstarken extremer politischer Positionen und – insbesondere rechtsgerichteter – Parteien, populistischen Regierungen (siehe hierzu u. a. Fukuyama 2017), zunehmenden Handelsbarrieren sowie einem bisher wirtschaftlich sehr erfolgreichen, staatsgelenkten Wirtschaftsmodell mit marktwirtschaftlichen Elementen in der VR China gegenüber.²
Offensichtlich wird durch diese Entwicklungen, dass Ökonomie nicht isoliert von Politik gesehen werden darf und umgekehrt.³ Dies gilt keinesfalls nur für die Nationalökonomie, sondern auch für Unternehmen, die bis auf wenige Bereiche heute global agieren und dies – im Gegensatz zur Situation vor einigen Jahrzehnten – nicht nur im Vertrieb, sondern regelmäßig auch hinsichtlich Produktion und Beschaffung. Zudem deutet sich in jüngster Zeit ein Trend an zu einer Transition der Globalisierung, weg von einer andauernden Expansion basierend auf einem mehr oder weniger freien Wettbewerbsparadigma und hin zu einem stärker stabilitäts- und sicherheitsorientierten, kontrollierten globalen Engagement. Ursachen hierfür dürften neben den bereits angesprochenen global-politischen Herausforderungen durch populistisch geprägte und weniger demokratiefreundliche Systeme, vor allem die COVID-19-Pandemie, aber auch die sich immer stärker bemerkbar machende Klimakrise sein. Diese Transitionsbewegungen wurden in Bezug auf den weltweiten Handel und globale Wertschöpfungsketten bereits vor der Corona-Krise untersucht und beschrieben (siehe u. a. Busch et al. 2017; Lund et al. 2019), wobei die Diskussion krisenbedingt aktuell wieder verstärkt geführt wird (siehe hierzu u. a. Pinner et al. 2020).
Eine eingehendere Analyse der Situation sowie notwendiger Qualifikationen und Managementkonzepte hinsichtlich Führung, Planung und Steuerung global agierender Unternehmen muss damit unabdingbar interdisziplinär fundiert sein und kann sich nicht auf traditionelle (naive) ökonomische Konzepte reduzieren, die in der Regel von völlig anderen Ausgangsbedingungen ausgehen, als dies heute der Fall ist.
Im Folgenden soll zunächst eine Umfeldanalyse unter Identifizierung von sechs Kernfaktoren vorgenommen und jeweils Bezug zu Fragen der Führung und Steuerung von Unternehmen generell sowie hinsichtlich globaler Wertschöpfungsketten im Besonderen hergestellt werden.⁴ Dabei muss eine alle relevanten Aspekte in den einzelnen Bereichen abdeckende und detaillierte Diskussion aus Platzgründen unterbleiben. Die herangezogenen Kernfaktoren sind eng untereinander vernetzt, sodass eine klare Abgrenzung weder möglich, noch sinnvoll erscheint.⁵ Diese sind in Abb. 1.1 dargestellt.
../images/500976_1_De_1_Chapter/500976_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Sechs Kernfaktoren wesentlicher unternehmerischer Umfeldveränderungen.
(Quelle: Eigene Darstellung)
Mit diesen Kernfaktoren wurden die drei Nachhaltigkeitsfaktoren Menschen (People), Natur (Planet) und Wirtschaftlichkeit bzw. Profite (Profit) und damit das Triple-Bottom-Line- oder auch Drei-Säulen-Gerüst der Nachhaltigkeit, bestehend aus Ökonomie, Ökologie und Soziales (zum Triple-Bottom-Line-Ansatz vgl. Elkington 1997) in eine stärker differenzierte Struktur übertragen, die gleichsam über die Betrachtung unterschiedlicher Ebenen und verbindenden Elemente (Technologien) eine holistisch orientierte Sichtweise auf das Gesamtthema erlaubt. Eine andere, detailliertere Strukturierung nach den UN-Sustainable Development Goals (UN-SDGs) (siehe United Nations 2020) kann hier aus Platzgründen nicht erfolgen und würde auch nicht die beabsichtigte Fokussierung erlauben.
1.1.2 Kernfaktor: Menschen und MitarbeiterInnen
Es wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Weltpopulation von gut 7,8 Mrd. Menschen heute (siehe Countrymeters 2020) in den nächsten Jahrzehnten auf etwa 9 bis 12 Mrd. anwachsen und sich dann stabilisieren wird.⁶ Für eine aufschlussreiche Analyse ist die Verteilung der Weltbevölkerung von Relevanz, da sich hieraus nicht nur Bedarfsgrößen und damit verbundene Absatzmärkte, sondern auch Arbeitsmarktpotenziale ableiten lassen. Betrachtet man die Bevölkerungspyramiden unterschiedlicher Länder (siehe u. a. Laenderdaten 2020) und greift einige wesentliche geografische Regionen heraus, so werden die sehr unterschiedlichen Altersstrukturen der jeweiligen Bevölkerungen deutlich. Projiziert man diese Daten auf eine kaufkraftbezogen definierte „Mittelklasse", die entsprechende Konsumbedarfe mit sich bringt, lassen sich die Absatzmärkte der Zukunft für bestimmte Produktkategorien (z. B. Haushaltsgeräte und -einrichtungen, Kraftfahrzeuge) ableiten. Bei einer beispielhaften Definition eines verfügbaren Einkommens zwischen 10 und 100 US$ pro Person und Tag wird so die vergleichsweise Marginalisierung des US-amerikanischen und – in etwas geringem Ausmaß – des europäischen Marktes gegenüber Indien, China und Restasien in diesem Segment deutlich (Vgl. Kharas 2010, S. 28 f.).
Entsprechendes gilt für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Trotz der insgesamt gesehen häufig noch geringeren Qualifikation der Arbeitskräfte in Ländern wie China und Indien im Vergleich zu Industrieländern, erfolgt eine gewisse Kompensation dieses Nachteils u. a. durch die absolut gesehen erheblich größere Anzahl an Hochschulabsolventen.⁷ Angesichts des prognostizierten Erreichens des Maximums weltweit verfügbarer Arbeitskräfte im Jahre 2050 ergeben sich weitere Herausforderungen hinsichtlich der Realisierung eines quantitativen Wirtschaftswachstums (siehe hierzu Manyika et al. 2015). Eine Kompensation von Arbeitskraftverlusten durch höhere Produktivitäten, insbesondere durch technischen Fortschritt, ist grundsätzlich zwar möglich, jedoch existieren hierfür nach heutigem Kenntnisstand deutliche Grenzen (siehe hierzu auch Abschn. 1.1.6).
Unter Berücksichtigung von Absatz- und gleichzeitig Arbeitskräftepotenzialen ist von einer nachhaltigen Veränderung weltweiter Wertschöpfungsstrukturen auszugehen. Bereits seit einigen Jahren haben der Wirtschaftsboom in der VR China und die damit verbundenen Absatzpotenziale⁸ dazu geführt, dass zahlreiche Unternehmen vor Ort Produktionsstandorte aufgebaut und auch ihre Supply Chains für die Versorgung mit fremdbeschafften Gütern weitgehend lokalisiert haben. Viele global agierende Unternehmen erwirtschaften bereits heute einen großen Teil ihrer Umsätze außerhalb des jeweiligen Heimatlandes. Vor der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen, teils kritischen Versorgungsengpässen wurde davon ausgegangen, dass sich dieser Trend noch weiter verstärken wird, sodass in vielen etablierten Industriestaaten unter Umständen nur noch Know-how-intensive und strategisch bedeutende Bereiche wie Forschung und Entwicklung, Marketing und die zentrale Führung des Gesamtunternehmens in größeren Teilen verbleiben würden. Angesichts einer nunmehr stärker stabilitäts- und risikoorientierten Sichtweise scheint diese Vermutung allerdings keineswegs mehr gesichert. Zudem wird seit geraumer Zeit für viele dieser Länder ein Mangel an Fachkräften und Ingenieuren beklagt; es wird aber auch verstärkt die Notwendigkeit zur Entwicklung kultur- und landesspezifischer Produkte und adäquater Marketingstrategien erkannt.
Des Weiteren ist immer häufiger eine geografisch verteilte Führungsstruktur anzutreffen, sodass beispielsweise Mitglieder eines Konzernvorstands nicht mehr selbstverständlich sämtlich in der offiziellen Headquarters-Lokation angesiedelt sind. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, dürften aber häufig der zunehmend global ausgerichteten Arbeitsweise der Unternehmen und einer geforderten Nähe zu den jeweils wichtigsten Märkten geschuldet sein. Die hiermit einhergehenden Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen sind oftmals, jedoch nicht immer konform zu den veränderten Prioritäten und Karriereplänen der MitarbeiterInnen, worauf im Rahmen der Führung und Steuerung von Unternehmen entsprechend Rücksicht zu nehmen ist. Traditionelle Führungstheorien und -konzepte (siehe u. a. Lang und Rybnikova 2014; Bogaschewsky und Rollberg 1998, S. 25 ff.) scheinen auch nicht in ausreichender Weise die sich bereits im Wandel befindlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und die veränderten Prioritäten – zumindest aufseiten der Schul- und Hochschulabsolventen sowie jüngerer ArbeitnehmerInnen – abzubilden. Der bereits seit einigen Jahren beschworene Kampf um die besten Talente wird in vielen Industrieländern zudem häufig mehr verbal geführt als