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Produktionsmanagement: Handbuch Produktion und Management 5
Produktionsmanagement: Handbuch Produktion und Management 5
Produktionsmanagement: Handbuch Produktion und Management 5
eBook753 Seiten5 Stunden

Produktionsmanagement: Handbuch Produktion und Management 5

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Über dieses E-Book

Das mehrbändige Handbuch Produktion und Management richtet sich an Fach- und Führungskräfte technologieorientierter Unternehmen, die nach methodischer Unterstützung suchen, ebenso wie an Wissenschaftler und Studierende der Ingenieurwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre.

Das Produktionsmanagement beinhaltet sämtliche Aufgaben zur Gestaltung, Planung, Überwachung und Steuerung eines Produktionssystems sowie der betrieblichen Ressourcen Mensch, Maschine, Material und Information. Dieser 5. Band ordnet die Kernprozesse der Produktionsprogrammplanung, des Auftragsmanagements, der Produktionsbedarfsplanung, der Eigenfertigungs- sowie der Fremdbezugsplanung und -steuerung in den Gesamtzusammenhang des Produktionsmanagements ein. Dabei wird der Gestaltungsspielraum innerhalb dieser fünf Kernprozesse aus den Perspektiven der Aufgaben, Methoden und Verfahren sowie aus Sicht der fertigungstypbezogen differenzierten Prozesse detailliert betrachtet.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum25. Sept. 2014
ISBN9783642542886
Produktionsmanagement: Handbuch Produktion und Management 5

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    Buchvorschau

    Produktionsmanagement - Günther Schuh

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    G. Schuh, C. Schmidt (Hrsg.)ProduktionsmanagementVDI-Buchhttps://doi.org/10.1007/978-3-642-54288-6_1

    1. Grundlagen des Produktionsmanagements

    Günther Schuh¹   und Carsten Schmidt²  

    (1)

    52074 Aachen, Deutschland

    (2)

    FIR an der RWTH Aachen, 52074 Aachen, Deutschland

    Günther Schuh (Korrespondenzautor)

    Email: Guenther.Schuh@fir.rwth-aachen.de

    Carsten Schmidt

    Email: Carsten.Schmidt@fir.rwth-aachen.de

    Kurzüberblick

    Das Produktionsmanagement beinhaltet sämtliche Aufgaben zur Gestaltung, Planung, Überwachung und Steuerung eines Produktionssystems und der betrieblichen Ressourcen Mensch, Maschine, Material und Information [1, 2]. Die strategische Perspektive des Produktionsmanagements antizipiert relevante Veränderungstreiber, stößt die Anpassung der Organisation an veränderte (Umwelt-)Bedingungen an und gestaltet somit die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf Basis der auf der normativen Ebene definierten Ziele, Prinzipien und Normen [3–5]. Damit spannt das strategische Produktionsmanagement gleichzeitig den Gestaltungsrahmen für die operative Ebene auf. Das operative Produktionsmanagement verfolgt das Ziel, die Produkte und (Dienst-) Leistungen eines Unternehmens in der erforderlichen Menge und Qualität zu einem festgelegten Termin und unter Einsatz des geringstmöglichen Kostenaufwands zu erstellen [6–8]. Kernaufgaben des operativen Produktionsmanagements sind die Produktionsprogrammplanung, das Auftragsmanagement, die Produktionsbedarfsplanung , die Eigenfertigungs- sowie die Fremdbezugsplanung und -steuerung.

    In diesem Kapitel werden zunächst die zentralen Begriffe definiert und der diesem Band zugrundeliegende Ordnungsrahmen des Produktionsmanagements aufgespannt (s. Kap. 1.1). Danach werden die Aufgaben und Prinzipien des strategischen (s. Kap. 1) sowie die wesentlichen Ziele des operativen Produktionsmanagements vorgestellt (s. Kap. 1.3). Die Kernprozesse des Produktionsmanagements unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausprägung in Abhängigkeit vom unternehmensspezifisch vorliegenden Fertigungstyp. Daher werden im Anschluss die vier grundsätzlichen Fertigungstypen der Auftrags-, Rahmenauftrags-, Varianten- und Lagerfertigung definiert und gegeneinander abgegrenzt (s. Kap. 1.4). Abschließend werden die wesentlichen Daten, Datenarten und -strukturen (s. Kap. 1.4) erläutert, die zusammen mit den aus ihnen abgeleiteten Informationen die Basis für jegliche Aktivität im Rahmen des Produktionsmanagements bilden.

    1.1 Einführung und Ordnungsrahmen Produktionsmanagement

    Ein ständig wachsender Preisdruck und immer individuellere Kundenaufträge sind nur zwei Kennzeichen der industriellen Produktion im europäischen Wirtschaftsraum. Gerade in Deutschland ansässige Produktionsunternehmen können im internationalen Wettbewerb in den wenigsten Fällen allein aufgrund des Produktpreises konkurrenzfähig bleiben. Vielmehr bauen diese Unternehmen ihre Wettbewerbsvorteile durch eine konsequente Kundenorientierung, hohe Logistikleistung oder besondere Prozessbeherrschung aus [1, 9–12]. Zur Wahrung und zum Ausbau dieser Wettbewerbsposition spielt das Produktionsmanagement eine entscheidende Rolle. So plant, überwacht und steuert das Produktionsmanagement sämtliche betrieblichen Ressourcen mit dem Ziel, die Produkte und (Dienst-)Leistungen eines Unternehmens in der erforderlichen Menge und Qualität zu einem festgelegten Zeitpunkt und unter Einsatz eines geringstmöglichen Kosten- und Kapitalaufwands zu erstellen. Dem Produktionsmanagement als Management- und Wissenschaftsdisziplin widmet sich dieser 5. Band der Schriftenreihe „Handbuch Produktion und Management".

    In den folgenden Abschnitten werden einleitend die zentralen Begrifflichkeiten definiert und der diesem Band zugrundeliegende Ordnungsrahmen des Produktionsmanagements aufgespannt.

    1.1.1 Produktion

    Im Sinne eines betrieblichen Wertschöpfungsprozesses bezeichnet der Begriff „Produktion " die Transformation von Materialien, Diensten, Rechten und Informationen [2, 7, 13]. Wertschöpfung wird hierbei dadurch erzielt, dass auf dem Beschaffungsmarkt erworbene Produktionsfaktoren (Inputfaktoren) zu höherwertigeren, auf dem Absatzmarkt nachgefragten Outputfaktoren transformiert werden [14]. Historische Grundlage dieses Verständnisses von Produktion ist die Definition nach Gutenberg [6]. Gutenberg definiert Produktionsfaktoren, die sich in die Elementarfaktoren Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werkstoffe unterteilen und mithilfe der Betriebsleistung produktiv kombiniert werden (Produktiv-Faktoren). Darüber hinaus werden dispositive Faktoren wie Planung und Organisation von dem Bereich der Betriebsleistung abgegrenzt. Produktion ist somit als Kombination der Elementarfaktoren Arbeit, Material und Maschinen zum Zwecke der Leistungserstellung anzusehen. Eine derartige Wertschöpfung erstreckt sich über die Bereitstellung materieller Güter (Sachgüter, Sachleistungen) sowie immaterieller Güter (Dienste und Dienstleistungen) und umfasst somit sämtliche wertschöpfenden Vorgänge eines Unternehmens [6, 13, 15].

    1.1.2 Produktionssystem

    Die Produktion ist definitionsgemäß durch ein Produktionssystem organisiert, welches verschiedene oder auch gleichartige Transformationsprozesse, die nicht zwangsläufig an einem Produktionsstandort durchgeführt werden müssen, umfasst [5, 16]. So finden Transformationsprozesse innerhalb eines produzierenden Unternehmens auf verschiedenen Ebenen statt, die selbst wiederum eine mehr oder minder komplexe Struktur besitzen und zusammen ein Produktionssystem aufspannen.

    Um die im Rahmen der Produktion erforderlichen Material- und Informationsflüsse sicherzustellen, muss eine geeignete Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Elemente dieser Infrastruktur sind Subsysteme wie beispielsweise Werke, Fertigungs- bzw. Montagebereiche oder Arbeitsplätze (s. Abb. 1.1). Eingebettet ist ein solches Produktionssystem in seine Umwelt, die durch wirtschaftliche, technische, rechtliche, soziokulturelle, politische und ökologische Rahmenbedingungen geprägt ist [5, 13]. Zudem wird ein Produktionssystem als eine umfassende Produktionsorganisation charakterisiert, deren Inhalt die Darstellung aller Konzepte, Methoden und Werkzeuge ist, welche auf die Effektivität und die Effizienz des Produktentstehungsprozesses von der Gestaltung der Produktionseinrichtung über die Arbeitsvorbereitung , die Zeitwirtschaft und die Materialbereitstellung bis hin zur Fertigung und Montage wirken [17, 18].

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    Abb. 1.1

    Elemente eines Produktionssystems

    Das Produktionssystem repräsentiert somit ein ganzheitliches Organisationskonzept, in dem die Prozesse, die Infrastruktur und das Umfeld der Produktion abgebildet werden und Werkzeuge in Form von Produktionsfaktoren sowie Konzepte und Methoden hinterlegt sind. Dabei besteht ein Produktionssystem aus zwei konzeptionell verschiedenen, jedoch eng miteinander verknüpften Instanzen (s. Abb. 1.1). In der Ausführungsinstanz läuft der eigentliche Transformationsprozess der Produktion ab. Der Ausführungsinstanz übergeordnet ist das Produktionsmanagement als Lenkungsinstanz der Produktion [7, 16].

    1.1.3 Produktionsmanagement

    Die Aufgabe des Produktionsmanagements besteht in der zielkonformen Gestaltung und Lenkung der Transformationsprozesse. Dies beinhaltet die Planung, Überwachung und Steuerung der betrieblichen Ressourcen (Mensch, Maschine, Material, Information), sodass Produkte und Dienste als Resultat dieses Wirkens in der erforderlichen Menge und Qualität zum festgelegten Zeitpunkt unter geringstem Kosten- und Kapitalaufwand erstellt werden können [2, 6–8, 19].

    Auf Grundlage der zum Verständnis von Produktion eingeführten Produktionsfaktoren umfasst das Produktionsmanagement die Aufgabenfelder der dispositiven Produktionsfaktoren im Sinne der Leitungs- und Führungsaufgaben [6]. Das Produktionsmanagement als Lenkungsinstanz regelt durch die Vorgabe von Stellgrößen das Produktionssystem und ermittelt etwaige Eingriffe in ein solches durch Soll-Ist-Vergleiche mit den Regelgrößen, die zurückgemeldet werden (s. Abb. 1.2).

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    Abb. 1.2

    Produktionsmanagement als Lenkungsinstanz eines Produktionssystems [5]

    Diese Form der Steuerung und Kontrolle eines Produktionssystems kann als Regelkreis modelliert werden, bei dem ein Produktionssystem aus der Lenkungsinstanz zur Planung und Steuerung (Produktionsmanagement ) und aus der Ausführungsinstanz (Transformation) für die Wertschöpfungsprozesse besteht [16, 20]. In diesem Regelkreismodell gibt die Lenkungsinstanz der Ausführungsinstanz sogenannte Soll- bzw. Stellgrößen vor. Diese Stellgrößen definieren die quantitativen und qualitativen Vorgaben für die Ausführungsinstanz, welche wiederum von ökonomischen und weiteren Zielgrößen beeinflusst wird. Durch äußere Störgrößen wie beispielsweise Lieferengpässe, Mitarbeiter- oder Maschinenausfälle weicht das tatsächliche Ist-Ergebnis (Regelgrößen) der Produktion von den vorgegebenen Stellgrößen regelmäßig ab. Diese Abweichung wird mithilfe weiterer Informationen von außen wie der Entwicklung von Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie unter Hinzunahme von globalen Zielen des Unternehmens (z. B. Erzielung eines maximalen Deckungsbeitrags oder Gewinns) analysiert und das Ergebnis auf die zukünftigen Stellgrößen übertragen.

    Das St. Galler Management-Konzept (s. Band 1 dieser Schriftenreihe „Handbuch Produktion und Management") unterscheidet zwischen den drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements. Während das normative und das strategische Management im Wesentlichen Gestaltungs- und Entwicklungsfunktionen wahrnehmen, kommt dem operativen Management die eigentliche Lenkungsfunktion zu [21–23]. Die drei Managementebenen werden in vertikaler Betrachtungsweise unter Aktivitäts-, Struktur- und Verhaltensaspekten strukturiert, sodass sich der Bezugsrahmen des St. Galler Management-Konzepts in neun Betrachtungsfelder gliedert. Die systemtheoretische Ausrichtung des St. Galler Management-Konzepts erlaubt die rekursive Übertragung des generellen Managementansatzes auf einzelne Subsysteme, wie beispielsweise Unternehmenstypen, -bereiche oder -funktionen, und damit auch auf das Management der Produktion und deren Systemelemente (s. Abb. 1.3).

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    Abb. 1.3

    Produktionsmanagement im St. Galler Management-Konzept [3]

    Im Rahmen des normativen Produktionsmanagements werden für ein Unternehmen die Ziele, Prinzipien, Normen sowie die Unternehmenskultur festgelegt, welche die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens sicherstellen sollen. Das übergeordnete Unternehmensziel eines produzierenden Unternehmens ist typischerweise die erfolgreiche Existenzsicherung, ausgerichtet auf Gewinnmaximierung, die ausgewogene Erfüllung der Bedürfnisse der verschiedenen Anspruchsgruppen (z. B. Systemlieferanten, Kunden, Anteilseigner und Mitarbeiter), die Gewinnung oder Festigung der Marktposition in einer Branche bzw. Technologie (z. B. Lasertechnologie, Herstellungsverfahren für Spezialglas) oder die Konzentration auf die Prozesse größter Wertschöpfung unabhängig von den traditionellen Stärken des Unternehmens zwecks Erhaltung der Unternehmensstandorte und Unternehmensgröße.

    Auf Grundlage der zuvor beschriebenen Ziele des normativen Produktionsmanagements ist es die Aufgabe des strategischen Produktionsmanagements, mögliche Zukunftsszenarien zu antizipieren, die Anpassung der Organisation auf die dynamische Umwelt anzustoßen und dadurch die strategische Ausrichtung des Produktionssystems derart zu gestalten, dass bestehende Erfolgspotenziale gewahrt und weitere Potenziale erschlossen werden [3, 21, 22]. Die Ausgestaltung einer differenzierten Produktionsstrategie kann mithilfe der Verbindung der Unternehmens- und Marketingstrategie entstehen. Die Kopplung erfolgt über die Betrachtung von Qualifizierungs- und Differenzierungsmerkmalen der Erzeugnisse [24]. Insgesamt zählen zu den Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements die Gestaltung der Aufbau- und Ablaufstrukturen, die Erstellung von Programmen zur Gestaltung von Leistungssystemen und Geschäftsprozessen sowie die Schaffung eines Zeit-, Kosten- und Qualitätsbewusstseins im Unternehmen (s. Abb. 1.3). Eine weitergehende Beschreibung der Aufgaben und Prinzipien des strategischen Produktionsmanagements findet sich in Kap. 1.2.

    Das operative Produktionsmanagement repräsentiert diejenige Ebene im St. Galler Management-Konzept, die sich im Wesentlichen auf die Lenkung des Produktionssystems konzentriert (s. Abb. 1.3). Dabei setzt das operative Produktionsmanagement auf den im Rahmen des strategischen Produktionsmanagement determinierten Strategien auf und konkretisiert diese zu Operationen. Insbesondere sind dies die zuvor entwickelten Produktprogramm -, Wettbewerbs-, Aktivitäts- und Ressourcenstrategien. Das operative Produktionsmanagement umfasst somit die Planung, Steuerung und die Verbesserung der leistungs-, finanz- und informationswirtschaftlichen Prozesse eines Unternehmens [4, 5]. Ergänzend kommt die Aufgabe hinzu, das Leistungs- und Kooperationsverhalten der Mitarbeiter zu fördern, um so die verhaltensseitigen Voraussetzungen zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie zu schaffen. Dies kann beispielsweise durch Einbezug in den Zielfindungsprozess, qualifizierende Arbeitsplatzgestaltung und Aufgabenübertragung, Aus- und Weiterbildung sowie die Schaffung einer konstruktiven Feedbackkultur erfolgen [22, 25]. Eine detaillierte Beschreibung der Ziele des operativen Produktionsmanagements findet sich in Kap. 1.3.

    1.1.4 Ordnungsrahmen und Struktur dieses Bandes

    Das neue St. Galler Management-Modell [22] bildet die Basis für einen Ordnungsrahmen, welcher der gesamten Schriftenreihe „Handbuch Produktion und Management als Grundlage dient. Auch für diesen 5. Band „Produktionsmanagement wurde in Anlehnung an das neue St. Galler Management-Modell ein spezifischer Ordnungsrahmen entwickelt, der die allgemeinen Strukturelemente eines Unternehmens, die grundsätzlichen Optionen zur Unternehmensentwicklung sowie die zentralen Unternehmensprozesse des Produktionsmanagements zusammenführt und unternehmensinterne wie -externe Einflussbereiche, mit denen das Produktionsmanagement in wechselseitiger Beziehung steht, erfasst (s. Abb. 1.4).

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    Abb. 1.4

    Ordnungsrahmen Produktionsmanagement

    Strukturen stellen das Basiselement einer Unternehmung dar und die Aufbauorganisation repräsentiert den Grad der Spezialisierung eines Unternehmens. Sie bildet den strukturellen Rahmen für arbeitsteilige Planungs- und Lenkungsprozesse und beantwortet beispielweise die Frage, wer im Unternehmen was und mit welchen Befugnissen plant oder steuert. Zu den allgemeinen Strukturelementen eines Unternehmens zählen insbesondere auch die betrieblichen Ressourcen (z. B. Mensch, Maschine, Material, Information) als Subjekte bzw. Objekte der eigentlichen Transformation. Betriebliche Daten und die daraus abgeleiteten Informationen bilden die Grundlage für jegliche Aktivität und jeden Prozess im Rahmen des Produktionsmanagements. Kap. 1.5 gibt einen Überblick über die wesentlichen Datenarten und Datenstrukturen im Produktionsmanagement .

    Eine Strategie bildet die Grundlage für die Unternehmensentwicklung, von der sich zukünftige Handlungsfelder in den Dimensionen Betrieb, Verbesserung und Erneuerung ableiten lassen (s. Abb. 1.4). Grundlegende Strategien bzw. Prinzipien des Produktionsmanagements sind beispielsweise die Wert- und Flussorientierung gemäß der Lean-Philosophie oder die Steuerung nach dem Push- bzw. Pull-Prinzip (s. auch Band 1 „Strategie und Management produzierender Unternehmen der Schriftenreihe „Handbuch Produktion und Management).

    Das strategische Produktionsmanagement (s. Kap. 1.2) beobachtet die Umwelt des Produktionssystems, antizipiert relevante Veränderungstreiber, stößt die Anpassung der Organisation auf veränderte (Umwelt-)Rahmenbedingungen an und gestaltet somit die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf Basis der im normativen Produktionsmanagement definierten Ziele, Prinzipien und Normen. Damit spannt das strategische Produktionsmanagement gleichzeitig den Gestaltungsrahmen für das operative Produktionsmanagement auf.

    Entscheidungen und Aktionen des operativen Produktionsmanagements sind idealerweise Konkretisierungen der festgelegten strategischen Programme. Innerhalb des operativen Produktionsmanagements werden strategische Vorgaben in operativ durchsetzbare Maßnahmen überführt (s. Kap. 1.3). Die Aufgaben des operativen Produktionsmanagements bestehen somit aus den willensbildenden und durchsetzenden Tätigkeiten, die mit der Lenkung der Produktion sowie der Informationsversorgung verbunden sind [4, 20]. Als zentrale Unternehmensprozesse (s. Abb. 1.4) des operativen Produktionsmanagements gelten die Prozesse der Produktionsplanung und -steuerung (PPS ). Der „moderne" PPS-Begriff wurde Anfang der 1980er Jahre geprägt, um die Material- und Zeitwirtschaft in der produzierenden Industrie unter einem übergreifenden Konzept zusammenzufassen. Seither hat sich dieser Begriff sowohl in der unternehmerischen Praxis als auch in der akademischen Forschung sukzessive etabliert und ist heute als verbindendes Element zwischen beiden Bereichen nicht mehr wegzudenken [2, 11, 18, 26]. Erstmals hatte Hackstein für den Begriff der PPS in seinem gleichnamigen Buch eine breit akzeptierte Definition geliefert [27]. Zielobjekt der PPS war demnach die gesamte Produktion inklusive der indirekt beteiligten Bereiche wie etwa der Konstruktion. In der Folge wurde der PPS-Begriff ständig erweitert. Nach dem erweiterten Verständnis wurde die PPS nach Luczak wie folgt definiert: Die PPS umfasst die gesamte technische Auftragsabwicklung von der Angebotsbearbeitung bis hin zum Versand des fertigen Erzeugnisses. Ihre Planungs- und Steuerungsaufgaben berühren dabei die betrieblichen Funktionsbereiche Vertrieb, Konstruktion, Einkauf, Fertigung und Montage sowie Versand und Inbetriebnahme [28].

    Auch wenn heute vielfach die Begriffe Enterprise-Resource-Planning (ERP) oder Advanced Planning verwendet werden, behält das Kürzel „PPS seine prägende Bedeutung. Dabei ist ERP ebenso wie das Supply-Chain-Management (SCM) eher ein logischer Schritt auf dem Evolutionspfad von der klassischen Mengen- und Kapazitätsplanung in der Fertigung über die Einbeziehung der vor- und nachgelagerten Bereiche wie Beschaffung oder Vertrieb bis hin zur Planung und Steuerung der verteilten Produktion in Logistiknetzwerken. Die zuletzt genannten überbetrieblichen Aspekte der Produktion in logistischen Netzwerken werden aufbauend auf den Aufgaben und Methoden des Produktionsmanagements im Band 6 „Logistikmanagement dieser Schriftenreihe „Handbuch Produktion und Management" adressiert. Das Logistikmanagement gestaltet hiernach die Strukturen und Logistikprozesse zur Steuerung der Material- und Informationsflüsse entlang des gesamten Wertstroms vom Lieferanten des Lieferanten bis zum Kunden des Kunden. Hauptbestandteil dieses Buches ist zunächst die Darstellung der Planungs- und Steuerungsprozesse der Produktion aus Sicht eines Unternehmens.

    Die Kernprozesse des Produktionsmanagements unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausprägung in Abhängigkeit vom unternehmensspezifisch vorliegenden Fertigungstyp. Vor diesem Hintergrund werden in Kap. 1.4 vier grundsätzliche Fertigungstypen (Auftrags-, Rahmenauftrags-, Varianten- und Lagerfertigung ) definiert und gegeneinander abgegrenzt.

    Den Schwerpunkt dieses 5. Bandes bildet die Darstellung der zentralen Unternehmensprozesse innerhalb des Produktionsmanagements. Der Ordnungsrahmen „Produktionsmanagement " (s. Abb. 1.4) ordnet die fünf im Folgenden vorgestellten Kernprozesse in den Gesamtzusammenhang des Produktionsmanagements ein. Dabei wird der Gestaltungsspielraum innerhalb der jeweiligen Kernprozesse aus den Perspektiven der Aufgaben, Methoden und Verfahren sowie aus Sicht der fertigungstypenbezogen differenzierten Prozesse detailliert betrachtet.

    In der Produktionsprogrammplanung (s. Kap. 2) werden die herzustellenden Erzeugnisse nach Art, Menge und Termin für einen definierten Planungszeitraum festgelegt [27, 29, 30]. Die Planung des Produktionsprogramms ist eng mit der Absatzplanung verbunden, da sich die geplanten Absatzzahlen nur dann realisieren lassen, wenn die Erzeugnisse auch in den jeweils erforderlichen Mengen produziert werden können. Ergebnisse der Produktionsprogrammplanung sind einerseits Produktionspläne für ausgewiesene Primärbedarfe und andererseits Rahmenbeschaffungspläne für den Einkauf.

    Das Auftragsmanagement (s. Kap. 3) ist in sämtlichen Bereichen des Produktionsmanagements von besonderer Bedeutung. Es beinhaltet die Aufgaben der Auftragsplanung, -steuerung und -überwachung, die aus auftragsbezogener Sichtweise zur Erfüllung des Kundenwunsches notwendig sind [1, 31, 32]. Eine prozessorientierte, bereichsübergreifende Grobplanung der Auftragsdurchläufe und die permanente Auftragssteuerung und -überwachung erfolgen mit dem Ziel, die Transparenz der Auftragsabwicklung zu erhöhen und die Flexibilität bei der Reaktion auf unternehmensinterne wie externe Störgrößen zu verbessern. Alle wesentlichen, den Auftragsablauf betreffenden Informationen müssen vollständig erfasst und an die richtigen Stellen weitergeleitet werden. Die Wahrnehmung der Aufgaben im Bereich des Auftragsmanagements erfolgt fertigungstypenspezifisch mit unterschiedlicher Intensität. So entfällt beispielsweise bei einer kundenanonymen Lagerproduktion der Aufwand für die Angebotsbearbeitung , da die Erzeugnisse kataloggemäß geführt und vertrieben werden, während genau diese Aufgabe bei einem Auftragsfertiger von besonderer Relevanz ist.

    Die Produktionsbedarfsplanung (s. Kap. 4) hat die Aufgabe, ausgehend von einem einerseits auftragsneutral zu realisierenden Produktionsprogramm und andererseits auf Basis konkreter Kundenaufträge, die hierzu mittelfristig erforderlichen Ressourcen zu planen [1, 30, 33]. Die Produktionsbedarfsplanung erhält als Eingangsinformation den zu realisierenden Produktionsplan aus der Produktionsprogrammplanung und die bereits vorliegenden Kundenaufträge aus dem Auftragsmanagement . Dort sind, bezogen auf Produkte bzw. Aufträge oder Produktbereiche, beispielsweise monatlich zu produzierende Mengen vorgegeben. Die hierbei betrachteten Ressourcen sind Betriebsmittel, Materialien auf Sekundärbedarfsebene, Personal, Transportmittel etc. Die ermittelten Bruttosekundärbedarfe sind den Beständen gegenüberzustellen. Weiterhin ist die Zuordnung von Teilebedarfen zur korrekten Beschaffungsart (Fremdbezug/Eigenfertigung) vorzunehmen. Schließlich folgen die Durchlaufterminierung und die Kapazitätsplanung , welches klassische Aufgaben der Zeitwirtschaft sind. Die Durchlaufterminierung stellt den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Produktions- und den Beschaffungsaufträgen her. Ergebnis der Durchlaufterminierung sind Ecktermine, bezogen auf Kapazitäten bzw. Kapazitätsgruppen, unter der Annahme von unbegrenzt zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Im letzten Schritt der Kapazitätsabstimmung wird der Kapazitätsbedarf dem Kapazitätsangebot gegenübergestellt. Im Gegensatz zur Durchlaufterminierung wird hierbei die tatsächliche Belastung der Kapazitäten berücksichtigt.

    Die im Rahmen der Produktionsbedarfsplanung gebildeten Fertigungsaufträge sind so eingeplant, dass dem Planungsergebnis zufolge die Ressourcenverfügbarkeit gesichert ist. In der Eigenfertigungsplanung und -steuerung (s. Kap. 5) erhalten die eingeplanten Fertigungsaufträge Arbeitsgänge, die in einem oder mehreren Fertigungsbereichen abzuarbeiten sind [30, 33]. Die Fertigungsaufträge des Eigenfertigungsprogramms können je nach Fertigungsstruktur die komplette Fertigung eines Enderzeugnisses, einer Baugruppe oder einzelne Arbeitsgangfolgen enthalten. Die Arbeitsinhalte sind mit Mengen und spätesten Endterminen vorgegeben. In der Eigenfertigungsplanung und -steuerung werden die Planvorgaben im Rahmen des zur Verfügung stehenden Dispositionsspielraums detailliert und deren Umsetzung kontrolliert. Die wesentlichen Aufgaben innerhalb der Eigenfertigungsplanung und -steuerung lassen sich in Losgrößenrechnung , Feinterminierung, Ressourcenfeinplanung , Reihenfolgeplanung sowie Verfügbarkeitsprüfung aufteilen. Die Auftragsfreigabe erfolgt unter Beachtung der Ergebnisse der Feinterminierung und der Ressourcenfeinplanung.

    Das Beschaffungsprogramm als Ergebnis der Produktionsbedarfsplanung gliedert sich auf in ein Eigenfertigungs- und ein Fremdbezugsprogramm. Letzteres ist die Eingangsinformation für die Fremdbezugsplanung und -steuerung (s. Kap. 6). Im Fremdbezugsprogramm ist festgelegt, welche Teile, Baugruppen und Erzeugnisse bezüglich Menge und Termin extern zu beschaffen sind [30–32]. Der Trend geht in Produktionsunternehmen zu einer geringeren Fertigungstiefe, sodass immer größere Teile des Leistungserstellungsprozesses ausgelagert werden und der Fremdbezugsplanung eine zunehmend hohe Bedeutung zukommt. Die Aufgaben der Fremdbezugsplanung lassen sich in die Bestellrechnung, die Angebotseinholung und -bewertung sowie die Lieferantenauswahl untergliedern. Die abschließende Aufgabe der Bestellfreigabe löst, basierend auf den Ergebnissen der vorgelagerten Arbeitsschritte, die Bestellungen an die Lieferanten aus.

    Die Kernaufgaben des Produktionsmanagements in den direkten und indirekten Bereichen eines Produktionsunternehmens sind typischerweise als IT-Funktionalitäten in betrieblichen Informations- bzw. Anwendungssystemen umgesetzt. Dabei hat die informationstechnische Durchdringung dieser betrieblichen Prozesse seit Beginn der achtziger Jahre derart zugenommen, dass mittlerweile die meisten produzierenden Unternehmen ein entsprechendes Informationssystem einsetzen [31, 34, 35]. Als Informationssysteme für das Produktionsmanagement (s. Kap. 7) kommen insbesondere Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme) bzw. Systeme für die IT-gestützte Produktionsplanung und -steuerung (PPS -Systeme) zum Einsatz. Diese unterstützen beispielsweise die Verwaltung und Bereitstellung von Informationen, die Erstellung von Plänen, die Koordination von Abteilungen oder die Überwachung und Steuerung von Prozessen.

    1.2 Strategisches Produktionsmanagement

    In enger Anlehnung an das St. Galler Management-Konzept unterscheidet dieser 5. Band der Schriftenreihe „Produktion und Managament" zwischen den drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Produktionsmanagements. In den folgenden Abschnitten werden die Aufgaben und Prinzipien des strategischen Produktionsmanagements vorgestellt.

    1.2.1 Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements

    Das strategische Produktionsmanagement beobachtet die Umwelt des Produktionssystems, antizipiert relevante Veränderungstreiber, stößt die Anpassung der Organisation auf veränderte (Umwelt-)Rahmenbedingungen an und gestaltet somit die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf Basis der im normativen Produktionsmanagement definierten Ziele, Prinzipien und Normen [3, 21, 22]. Die Ausgestaltung einer differenzierten Produktionsstrategie kann mithilfe der Verbindung der Unternehmens- und Marketingstrategie entstehen. Diese Kopplung erfolgt über die Betrachtung von Qualifizierungs- und Differenzierungsmerkmalen der Erzeugnisse [24]. Insgesamt zählen zu den Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements die kontinuierliche Beobachtung und Bewertung von Umweltveränderungen, die Gestaltung der Aufbau- und Ablaufstrukturen, die Erstellung von strategischen Programmen zur Gestaltung von Leistungssystemen und Geschäftsprozessen sowie die Schaffung eines Zeit-, Kosten- und Qualitätsbewusstseins im Unternehmen (s. Abb. 1.5).

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    Abb. 1.5

    Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements

    Initiale Aufgabe des strategischen Produktionsmanagements ist die kontinuierliche Überwachung der Umwelt des Produktionssystems, um daraus Informationen über Entwicklungen oder Veränderungen zu sammeln und zu interpretieren [4, 21, 36]. Diese Beobachtungen beziehen sich einerseits auf die bekannten Teile der Umwelt, wie beispielsweise Lieferanten, Kunden, Technologiepartner, Aktionäre oder Eigentümer. Andererseits werden Informationen über noch unbekannte Umwelteinflüsse oder zu antiziperende Umweltentwicklungen erfasst und ausgewertet. Hierzu zählen beispielsweise neu zu erschließende Märkte, Marktsegmente oder einzelne Kunden, innovative Produktionstechnologien, Informations- und Kommunikationstechnologien oder Materialien [22, 37]. Der technisch-wissenschaftliche Fortschritt lässt sich als ein beständiges Wechselspiel zwischen Bedürfnissen und Erkenntnissen beschreiben. So entstehen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse beispielsweise neue Produktionsverfahren, -techniken und Produkte. Gleichzeitig beeinflussen die Anforderungen und Bedürfnisse eines Produktionssystems an ein Produkt bzw. an eine Dienstleistung die Forschung und ziehen so einen Erkenntniszuwachs nach sich [38, 39]. Eindeutig den treibenden Kräften im zuvor erläuterten Sinne zuzuordnen ist die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik [35, 40]. Hinsichtlich ihrer Tragweite gehört sie zu den Basisinnovationen der Industriegeschichte. Die automatisierte Informationsverarbeitung im Unternehmen hat nicht zuletzt deshalb so schnell Verbreitung gefunden, weil sie der Forderung nach zunehmender Flexibilisierung entgegenkam und auch dem Trend zur Dezentralisierung zu folgen vermochte bzw. diesen prägte. Die Fähigkeit, den Anforderungen des Marktes flexibel folgen zu können, ist für weite Teile der Industrie zu einer grundlegenden Anforderung geworden. So existiert eine Massenproduktion im wörtlichen Sinne nur noch in sehr beschränktem Maße. Die Anpassung der Produkte an die speziellen Bedürfnisse der Kunden führte innerhalb der letzten Jahrzehnte zu einer hohen Variantenvielfalt, stark schwankenden Produktionsprogrammen hinsichtlich der Zusammensetzung und Produktionsmenge sowie zu immer kürzeren Produktlebenszyklen. Gegenwärtig ist das Bestreben zu beobachten, neue Fertigungsverfahren so einzusetzen, dass das Produktionssystem als Ganzes eine harmonische Lösung darstellt. Der steten Entwicklung innovativer Produktionstechnologien wird daher auch in Zukunft eine große Bedeutung für die Standortsicherung zukommen [40].

    Die aus der Beobachtung der Umwelt geschaffene Informationsbasis kann nun zum Aufbau einer differenzierten Produktionsstrategie genutzt werden. In Übereinstimmung mit den Zielen, Prinzipien und Normen des normativen Produktionsmanagements werden zunächst die grundsätzlichen Erfolgspotenziale auf Basis der Kernkompetenzen definiert [21–23]. Erfolgspotenziale sind produkt- und marktspezifische Voraussetzungen für die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen. Dies sind beispielsweise tiefgreifende Erfahrungen mit bestimmten Technologien und Märkten oder besondere Fähigkeiten, beispielsweise im Umgang von Kooperationen. Eine „strategische Erfolgsposition" (SEP) erweitert den Begriff der Erfolgspotenziale über die markt- und produktspezifischen Aspekte hinaus um wesentliche wettbewerbsrelevante Aspekte [41]. Bestehende Erfolgspotenziale schlagen sich in realisierten strategischen Erfolgspositionen am Markt relativ zu den Wettbewerbern nieder, während neue Erfolgspotenziale auf die Entwicklung von zukünftigen Wettbewerbsvorteilen abzielen. Dauerhafte Erfolgspotenziale basieren üblicherweise auf Kernkompetenzen, deren Aufbau oft langer Vorlaufzeiten bedarf. Kernkompetenzen erhalten und verstärken sich durch ihre aktive Nutzung. Die Nutzung bestehender Kernkompetenzen für den Aufbau von strategischen Erfolgspositionen schafft Wettbewerbsvorteile, indem bekannte Kundenbedürfnisse besser erfüllt und neue Kundenbedürfnisse erkannt und (erstmals) befriedigt werden.

    Überdurchschnittliche Leistungen am Markt sind typischerweise auf die zwei grundsätzlichen Wettbewerbsvorteile „niedrige Kosten oder „differenzierender Kundennutzen zurückzuführen [42, 43]. Daraus ergeben sich in der Auseinandersetzung mit den Wettbewerbskräften drei generische Strategietypen, die die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherstellen können:

    Kostenführerschaft,

    Differenzierung und

    Konzentration auf Schwerpunkte.

    Der Strategietyp Kostenführerschaft setzt die Optimierung der Wertschöpfung voraus und zielt darauf ab, gleiche Marktleistungen kostengünstiger als die Konkurrenz anbieten zu können. Voraussetzungen für die Erreichung der Kostenführerschaft sind große Stückzahlen und Losgrößen, um durch hohe Wiederholhäufigkeit in den verschiedenen Prozessen die Skaleneffekte (Economies-of-Scale) optimal zu nutzen. Mit dem Strategietyp Differenzierung generiert ein Unternehmen einen besonderen, z. T. einzigartigen Kundennutzen im Vergleich zu den Wettbewerbern. Der Strategietyp Konzentration auf Schwerpunkte bedeutet eine Konzentration auf Marktnischen bzw. Abnehmergruppen, auf bestimmte Teile des Produktprogramms oder auf geographisch abgegrenzte Märkte. Aufgrund der veränderten Markt- und Wettbewerbssituation ist die Wahl eines generischen Strategietyps jedoch keine Entscheidung auf lange Dauer mehr [44, 45].

    Fallbeispiele

    Kostenführerschaft: Die japanische Motorradindustrie (z. B. Kawasaki, Suzuki, Honda, Yamaha etc.) galt jahrzehntelang als Paradebeispiel für die erfolgreiche Umsetzung des Strategietyps Kostenführerschaft. Einerseits wurde in hochmoderne Fertigungsressourcen und -methoden investiert und dabei andererseits die Steigerung der Umsatzzahlen konsequent fokussiert, um Kostenvorteile durch höhere Stückzahlen (Economies-of-Scale) zu generieren. So erschlossen die japanischen Motorradhersteller immer mehr Märkte und Marktanteile [43]. Aus diesem Wachstum der Marktanteile resultierte wiederum eine deutliche Erhöhung der Stückzahlen, wodurch schlussendlich eine überaus vorteilhafte Kostenstruktur realisiert werden konnte. Diese Kostenvorteile wurden im Wettbewerb gezielt eingesetzt, um etablierten und eher differenziert positionierten Herstellern wie beispielsweise Harley Davidson oder Ducati mittels eines (vordergründig) unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnisses weitere Marktanteile abzunehmen.

    Differenzierung: Der dänische Elektronikhersteller Bang & Olufsen verfolgte in seiner Rolle als Premiumanbieter eine klassische Differenzierungsstrategie [43]. Ohne die technischen Basisfunktionalitäten aus den Augen zu verlieren, differenzierte sich Bang & Olufsen erfolgreich über das Produktdesign und die eigene Marke. Über diese „Einzigartigkeit der Produkte" gelang es Bang & Olufsen, am Markt teilweise deutlich höhere Preise als der Wettbewerb zu realisieren. So konnte Bang & Olufsen trotz einer nicht bedingungslos optimalen Kostenstruktur dennoch vorteilhafte Margen auch mit kleineren Stückzahlen erzielen.

    Konzentration auf Schwerpunkte: Die Automobiltuningindustrie konzentriert sich seit jeher auf die Bedürfniserfüllung für eine eng abgegrenzte Zielgruppe. Viele Tuning-Unternehmen verfolgten daher das Ziel, mit ihren individuellen Lösungen eine ganz bestimmte Käufergruppe anzusprechen, die vergleichbare Produkte bzw. Tuninglösungen bei den Serienherstellern nicht beziehen kann [43]. So wurden beispielsweise vor einigen Jahren Flügeltürumbauten für diverse Großserienfahrzeuge angeboten, die auf rege Nachfrage stießen. Eine besonders günstige Kostenstruktur war hierbei sicherlich nicht vorzufinden, da sie allein aufgrund der niedrigen Stückzahlen kaum zu realisieren war.

    Um den unternehmensspezifisch richtigen Strategietyp auszuarbeiten, ist zunächst die Abgrenzung der Leistungen und Märkte erforderlich. Dafür stehen die klassischen Instrumente der Marktanalyse und Marktforschung zur Verfügung [46, 47]. Dies sind beispielsweise:

    Kundendiagnosen,

    Leistungsdiagnosen,

    Konkurrenzanalysen und Benchmarking im Vergleich zu den weltbesten Anbietern oder

    Analogien zu anderen Branchen.

    Unternehmen bieten nicht nur ihre „nackten" Produkte und zahlreiche Serviceleistungen an, sondern entwickeln integrierte Lösungen für spezifische Kundengruppen. Dabei werden innovative Leistungs-Markt-Kombinationen entwickelt, mit denen der Anbieter Vorteile für seine Kunden schafft und sich wirksam gegenüber der Konkurrenz profilieren kann. Oft wird dabei die Arbeitsteilung zwischen Anbieter und Abnehmer neu bestimmt und die Wertschöpfung des Anbieters erheblich gesteigert [46, 47]. Diese Leistungssysteme gelten als Antwort auf eine Entwicklung, in deren Folge die Produkte verschiedener Hersteller weniger differenzierbar waren, wichtige Kunden zunehmend höhere Ansprüche stellten und auf vielen Märkten eine intensivere Konkurrenz mit einseitigem Preiswettbewerb bestand. Leistungssysteme zielen darauf ab, den Trend hin zum Angebot von stark ausdifferenzierten Einzelleistungen, der sich in einem undurchsichtigen Markt verschiedenster Leistungsangebote niederschlägt, durch eine bewusste Gestaltung von Leistung und Qualität entgegenzuwirken [47]. Die Unternehmen sollten in diesem Sinne nicht reaktiv auf marktseitige Impulse reagieren, sondern aktiv Leistungsangebote initiieren. Dabei gilt es, dem Kunden die beanspruchten Leistungen entsprechend zu verrechnen und nicht mehr zum gleichen Preis anzubieten.

    Auf der Ebene des strategischen Produktionsmanagements, dessen Hauptaufgabe die Identifikation und Nutzung von Erfolgspotenzialen ist, werden die Ziele und Normen des normativen Produktionsmanagements in Programme zur Gestaltung von Leistungssystemen und Geschäftsprozessen umgesetzt (s. auch Band 1 dieser Schriftenreihe „Handbuch Produktion und Management"). Die Umsetzung der Programme wird unterstützt durch geeignete Organisationsstrukturen (z. B. Aufbau- und Ablauforganisation ) sowie durch (IT-unterstützte) Managementsysteme. Die strategischen Aufgaben zur Förderung des Zeit-, Qualitäts- und Kostenbewusstseins schaffen gleichzeitig die verhaltensseitigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Programme [21, 48].

    1.2.2 Prinzipien des strategischen Produktionsmanagements

    Die zuvor dargestellten Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements sind nach bestimmten Prinzipien zu gestalten bzw. auszulegen. In den folgenden Abschnitten werden als typische Beispiele dieser Gestaltungsprinzipien die Wertorientierung , die Nachhaltigkeit und die Wandlungsfähigkeit erläutert.

    1.2.2.1 Wertorientierung

    Nach dem klassischen Leitbild der Wertorientierung (Shareholder-Value-Ansatz) hat die Unternehmensführung unternehmerische Entscheidungen ausschließlich derart zu treffen, dass ein maximaler Nutzen für die Anteilseigner generiert wird. Der Nutzen der Anteilseigner ist dabei vor allem in der Steigerung des Unternehmenswertes zu sehen [49–51]. So muss beispielsweise die Unternehmensführung einer Aktiengesellschaft eine Maximierung der Marktkapitalisierung anstreben. Begründet wird diese eindimensionale Ausrichtung auf die Interessen der Eigenkapitalgeber vor allem mit den vertraglichen Verpflichtungen der Unternehmensleitung gegenüber diesen [52]. Durch eine kontinuierliche und konsequente Steigerung des Unternehmenswertes werden die Ziele aller Eigenkapitalgeber, unabhängig von ihren individuellen Risiko- und Zeitpräferenzen, verfolgt.

    Der wertorientierten Unternehmensführung stehen verschiedene Methoden und Instrumente zur Ermittlung des Shareholder-Values zur Verfügung, insbesondere vor dem Hintergrund der Nutzung des Shareholder-Values als Instrument zur strategischen Ausrichtung oder zur Bewertung eines Unternehmens. In den USA und zunehmend auch im deutschsprachigen Raum hat sich die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode) als gängiges Verfahren etabliert [53, 54]. Die DCF-Methode ermittelt den Shareholder-Value in Anlehnung an die Kapitalmarktmethode über die Diskontierung zukünftiger Zahlungsüberschüsse. Der Shareholder-Value ist demnach mit dem Gegenwartswert des zukünftigen Free-Cash-Flows unter Berücksichtigung einer marktüblichen Risikoprämie gleichzusetzen [55].

    1.2.2.2 Nachhaltigkeit

    In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Forderung nach einem nachhaltigen Wirtschaften und ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein in der Gesellschaft fest etabliert [56–58]. So hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit beispielsweise auch in gesetzlichen Vorschriften sowie ökonomischen als auch ökologischen Restriktionen derart manifestiert, dass eine Berücksichtigung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auch im Rahmen des strategischen Produktionsmanagements nahezu unumgänglich ist. Diese Entwicklung birgt verschiedene wirtschaftliche Möglichkeiten und Potenziale [59–61]. Seinen etymologischen Ursprung findet der Begriff Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts. Dort bedeutete Nachhaltigkeit, dass regenerierbare Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden dürfen, wie Bestände natürlich nachwachsen können [62, 63]. Das heutige Leitbild der Nachhaltigkeit ist stark durch den 1987 erschienenen „Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen geprägt, in dem eine nachhaltige Entwicklung als dauerhafte Entwicklung definiert wurde, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können [62, 63]. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auf die Entnahmegrenzen der Umwelt als Kernkonzept verwiesen, welche bereits 1972 im Bericht des „Clubs of Rome identifiziert wurden [64–66]. Auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 konnte die Nachhaltigkeit im Rahmen der „Agenda 21" schließlich als gesellschaftspolitisches Leitbild etabliert werden. Demnach können wirtschaftliche Entwicklungen nur dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn sie auf der Sicherung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen sowie der sozialen Systeme beruhen. Folglich basiert Nachhaltigkeit auf einem Gleichgewicht aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten [67].

    Dem „Brundtland-Bericht" folgend, stellt die Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen das primäre Ziel einer nachhaltigen Entwicklung dar. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf die heutige Generation. Demzufolge kann Nachhaltigkeit als das Streben nach einer generationsübergreifenden und intragenerationalen Gerechtigkeit definiert werden. Unter generationsübergreifender Gerechtigkeit wird die Forderung verstanden, dass heutiger Wohlstand nicht auf Kosten zukünftiger Generationen entstehen darf. Hingegen zielt

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