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Körperbild und Persönlichkeit: Die klinische Evaluation des Körpererlebens mit der Körperbild-Liste
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eBook314 Seiten3 Stunden

Körperbild und Persönlichkeit: Die klinische Evaluation des Körpererlebens mit der Körperbild-Liste

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Über dieses E-Book

Das Praxismanual: Evaluation des Körpererlebens mit der Körperbild-Liste

Das Körpererleben besser zu erfassen ist für die Diagnostik und Behandlung vieler seelischer und körperlicher Störungen enorm wichtig. Dies gilt für die große, sowohl für den Allgemeinmediziner wie für den Psychiater wichtige Gruppe der somatoformen Störungen, darüber hinaus für ein breites Spektrum von medizinischen und psychiatrischen Krankheiten, bei denen eine psychosomatische oder psychotherapeutische Behandlung angezeigt ist.

Zugleich werden der Bezug zum eigenen Körper, die Freude an der eigenen Körperlichkeit, die körperliche Interaktion mit anderen etc. oft nur wenig im klinischen Alltag beachtet. Das hat gute Gründe:

  • Das Körpererleben ist für viele Menschen schwer artikulierbar.
  • Es ist auch in der Forschung nicht leicht erfassbar, weil es sehr subjektiv und daher schwer objektivierbar ist.

Professor Küchenhoff und Doktor Agarwalla schließen diese Lücke. Mit der „Körperbild-Liste“ (KB-L) stellen sie ein Rating-Verfahren vor, das es dem Diagnostiker und der Therapeutin erlaubt, das Körpererleben des Patienten angemessen zu beschreiben und therapeutisch zu nutzen.

Diagnose möglich: Die systematische Analyse des Körpererlebens im Fremdurteil

Grundlage der Körperbild-Liste ist die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD), mit der Persönlichkeitsstrukturen bzw. Strukturniveaus der Persönlichkeit einschätzbar werden. Aus der Strukturachse des OPD heraus wurde die Körperbild-Liste entwickelt.

Dieses Praxismanual dient der soliden fachlichen Arbeit mit dem Körpererleben von Patienten. Liste und Manual sind im Buch enthalten - geschrieben für Psychiater, psychosomatisch tätige Therapeuten und Ärzte, Körpertherapeuten, empirische Forscher.

Körperbild und Persönlichkeit – Konzept und Analyse für Fachleute

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum30. März 2012
ISBN9783642224720
Körperbild und Persönlichkeit: Die klinische Evaluation des Körpererlebens mit der Körperbild-Liste

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    Buchvorschau

    Körperbild und Persönlichkeit - Joachim Küchenhoff

    Teil 1

    Grundlagen

    Joachim Küchenhoff und Puspa AgarwallaKörperbild und PersönlichkeitDie klinische Evaluation des Körpererlebens mit der Körperbild-Liste10.1007/978-3-642-22472-0_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

    1. Begriffsklärungen

    Joachim Küchenhoff¹   und Puspa Agarwalla¹  

    (1)

    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrie Baselland, Bienentalstr. 7, 4410 Liestal, Schweiz

    Joachim Küchenhoff

    Email: Joachim.kuechenhoff@unibas.ch

    Puspa Agarwalla

    Email: Puspa.Agarwalla@kpd.ch

    Zusammenfassung

    Es ist dringend notwendig, am Anfang unserer Untersuchung Begriffe zu klären, die oftmals synonym, oftmals aber auch ganz unterschiedlich gebraucht werden. Die begriffl ichen Unschärfen liegen in der »Natur der Sache«, in der Komplexität des Gegenstandes »Körpererleben«. Sie beruhen aber auch darauf, dass die Umgangssprache einige Begriff e verwendet, die im Sprachgebrauch nicht trennscharf sind. Diese Alltagsbegriff e lassen sich nicht aus der wissenschaftlichen Darstellung verbannen. Die unangenehme Folge ist eine »babylonische Sprachverwirrung«, der wir entgegenarbeiten müssen.

    Es ist dringend notwendig, am Anfang unserer Untersuchung Begriffe zu klären, die oftmals synonym, oftmals aber auch ganz unterschiedlich gebraucht werden. Die begrifflichen Unschärfen liegen in der „Natur der Sache, in der Komplexität des Gegenstandes „Körpererleben. Sie beruhen aber auch darauf, dass die Umgangssprache einige Begriffe verwendet, die im Sprachgebrauch nicht trennscharf sind. Diese Alltagsbegriffe lassen sich nicht aus der wissenschaftlichen Darstellung verbannen. Die unangenehme Folge ist eine „babylonische Sprachverwirrung", der wir entgegenarbeiten müssen.

    1.1 Sprachverwirrung und Klärungsversuche

    Die deutsche Sprache, auf die wir uns im Folgenden beziehen, hält eine große Zahl von Begriffen bereit, um das Körpererleben zu charakterisieren. Es ist nicht einfach, vom Sprachgebrauch her einen Unterschied zwischen „Körpererleben, „Körperempfinden und „Körpererfahrung zu machen. Die anthropologische und phänomenologische Forschung hat sich bemüht zu klären, in welchen Situationen wir von „Leib und in welchen Situationen wir von „Körper" sprechen (▶ Abschn. 2.2.3). Gehen wir von der Umgangssprache auf die Fachsprache über, so wird das Begriffsfeld noch unübersichtlicher. Wir werden im Folgenden den Begriff Körperbild ins Zentrum rücken. Wie grenzt er sich vom scheinbar benachbarten Begriff Körperschema ab (▶ Abschn. 2.4.1)? Was ist ein „Körperselbst? Was sind „Körperrepräsentanzen, was ist mit „Körperbesetzung gemeint? Je nach zugrunde gelegtem Denkmodell werden die Begriffe unterschiedlich definiert. Folglich bezeichnen Thompson et al. (1999) den Versuch, das Körperbild zu definieren, als „heikel, da es so viele verschiedene Termini gebe, die benutzt würden, um die verschiedenen Komponenten des Körperbildes zu definieren; Forscher und Kliniker würden diese Begriffe mitunter benutzen, als seien sie austauschbar, obgleich sie dies besser nicht täten.

    Einen wertvollen Versuch zur begrifflichen Klärung haben Röhricht et al. (2005) in ihrem „Konsensuspapier zur terminologischen Abgrenzung von Teilaspekten des Körpererlebens in Forschung und Praxis gemacht. Sie lehnen eine direkte Übersetzung des Begriffs „body image ins Deutsche (Körperbild) und die Verwendung desselben als Oberbegriff angesichts des – ihrer Meinung nach – inflationären Gebrauchs ab. Sie schlagen vor, „Körpererleben und „Körpererfahrung als deutschsprachige Oberbegriffe zu benutzen, welche die einzelnen Teilaspekte (a) Körperschema, (b) Körperempfinden/Körperperzepte, (c) Körperkathexis (Besetzung des Körpers), (d) Körperbild und (e) Körper-Ich umfassen. In Anlehnung an Bielefeld (1986) weisen sie darauf hin, dass sich die Körpererfahrung vom Körpererleben insofern unterscheide, als in ihr bereits eine weitere Integrationsleistung stattgefunden habe und das Erlebte auf eine höhere Stufe gehoben worden sei.

    Diese Unterscheidung nimmt Röhricht (2009a,b) zum Anlass, dafür zu plädieren, den Begriff Körpererleben zu nutzen, wenn es um eine „beschreibende Erfassung von Teilaspekten der körperlichen Bezugnahme geht. Die Erfassung der Körpererfahrung könne seines Erachtens in einem weiteren Schritt erfolgen, würde aber andere Erfassungsmethoden bedingen, da hier eine höhere Stufe der begrifflichen Komplexität erreicht werde. Einen zweiten gewichtigen Grund dafür, den Begriff Körperbild nicht als Oberbegriff zu verwenden, sieht Röhricht darin, dass das Körperbild besser als Teilaspekt des Körpererlebens zu verstehen sei, der „sich erfahrungsgemäß individuell in enger Relation zur Sprachentwicklung kognitiv generiert und ausdifferenziert (Röhricht 2009a, S. 33). Mit dem Begriff Körpererleben hingegen würden auch alle jene Dimensionen des Selbsterlebens beschrieben, die nah an primärprozesshaftem Geschehen angesiedelt sind und damit einen erlebnisorientierten Charakter haben. Unter dem Begriff des Körperbildes fassen Röhricht et al. „die kognitiv bestimmten, den Körper betreffenden mehrdimensionalen Erfahrungs- und Bewertungsaspekte zusammen: das formale Wissen, die Fantasien/Gedanken/Einstellungen/Bewertungen (sprachlich repräsentiert und codiert bzw. symbolisiert) und die Bedeutungszuschreibungen (interpretative und motivationale)" (Röhricht et al. 2005, S. 188).

    Diesen Definitionen folgend, stünde das nicht versprachlichte Körpererleben ontogenetisch/in seiner Entwicklung vor der des Körperbildes, was durch bisherige Befunde aus der Entwicklungsforschung gestützt wird. So hält auch Küchenhoff (2009) in Anlehnung an Gaddini (1998) fest, dass die ersten und primordial seelischen Erfahrungsformen – längst vor der Entwicklung der Sprache – ganz am Körper gemacht werden (s. auch ▶ Abschn. 1.2.1). Er bezieht sich dabei auf den von Gaddini geprägten Begriff der „psychischen Basisorganisation " (organizazzione mentale di base), die vornehmlich aus sensorischen Erfahrungen entsteht. Die Körpererfahrung steht an der Wurzel von Fantasietätigkeiten, Raum- und Zeitvorstellungen. Physiologische, vorwiegend sensorisch ausgelöste Zustände werden psychisch repräsentiert und bilden einen ersten mentalen Raum, der noch keine Struktur aufweist, der sich aber allmählich zu größeren Zusammenhängen zusammenschließt, sodass Repräsentationszusammenhänge entstehen, die schließlich das Symbolische ausmachen.

    Es ist wichtig zu beachten, dass die von Röhricht et al. (2005) formulierte Unterscheidung, so interessant und sinnvoll sie auch erscheint, noch keinen deutlichen Niederschlag in der aktuellen Forschungstätigkeit im deutschsprachigen Raum gefunden hat. In vielen aktuellen (deutschsprachigen) Arbeiten wird auf diese Begriffe immer noch in sehr unterschiedlicher Weise Bezug genommen, z. T. werden die Begriffe nach wie vor benutzt, als wären sie austauschbar, der Gedanke der Hierarchisierung der Begrifflichkeiten fehlt teilweise ganz. So wird eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Arbeiten zum Körperbild oder Teilaspekten desselben weiterhin mit der Feststellung eingeleitet, dass es eine Vielfalt von Definitionen der Aspekte des Körpererlebens oder des Körperbildes selbst gebe, ohne dass die Verfasser ihren eigenen Modellansatz und/oder ihre eigene Definition relativieren oder in Bezug zu bereits bestehenden setzen würden. Dies sieht oder sah im englischsprachigen Raum wenig anders aus, obwohl der Begriff „body image" dort stärker als im deutschsprachigen verbreitet ist. So kritisier(t)en Pruzinsky und Cash (2002), dass es wenig Versuche gegeben habe, die verschiedenen Ideen(-ketten) in der Körperbildforschung zu integrieren. Sie verweisen dabei auf Fisher (1990), der diese mangelnden Integrationsbemühungen schon vor Jahrzehnten bedauerte:

    What particularly impresses me about the multiple branches of the current work dealing with body attitudes and feelings is how disconnected they are. These branches often thrive in „splendid isolation", as if the others did not exist. Cross-references by researchers in the different areas are, at best sparse. (Fisher 1990, S. 3)

    Zudem geben sie zu bedenken, dass sich ein Großteil der zeitgenössischen Forschung zum Körperbild und Körpererleben aus einer „Ein-Problem-Sicht entwickelt habe, d. h. aus spezifischen Fragestellungen heraus, vor allem wenn Frauen mit einer Essstörung oder anderen gewichtsbezogenen Belangen untersucht worden seien. Insgesamt überwögen Untersuchungen, die sich auf die Wahrnehmung des äußeren Erscheinungsbildes und diesbezüglicher Zufriedenheit bzw. Ängste beschränkten. Integrative Forschungsansätze bzw. Untersuchungen, die das subjektive Körpererleben umfassend erheben würden, fehlten jedoch weitgehend. Dieser Blickpunkt habe zwar viele nützliche Erkenntnisse hervorgebracht, aber die immense Vielfalt negativer und positiver Körperwahrnehmungen, die außerhalb dieses Blickfeldes lägen, könnten so nicht erfasst werden. Seither hat sich die Körperbildforschung zwar diversifiziert, aber dennoch sind viele substanzielle Themen zu Körperbild und Körpererleben noch nicht untersucht worden. So betonen auch Röhricht et al. (2005), dass auf den Körper als Untersuchungsgegenstand zwar ausgiebig Bezug genommen würde, dass die Ergebnisse phänomenologischer und neurowissenschaftlicher Forschung in der Regel jedoch nicht methodisch berücksichtigt würden. Bezüglich vieler psychischer Erkrankungen wie affektiven Störungen, Angsterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen sei „der derzeitige Erkenntnisstand noch als dünn zu bezeichnen (Röhricht, 2009b, S. 36), obwohl viele psychopathologische Symptome als körpernahe Symptome aufzufassen seien. Daher ist es kaum überraschend, jedoch mehr als bedauerlich, dass das subjektive Körpererleben immer noch vernachlässigt wird, wenn es darum geht, einen diagnostischen oder therapeutisch-verstehenden Zugang zu Patienten mit psychosomatischen oder psychischen Erkrankungen zu finden, wobei dies für Letztere wahrscheinlich im besonderen Maße gilt.

    Die Schwierigkeiten der Begriffsfindung bzw. terminologischen Abgrenzung der verschiedenen Teilaspekte des Körperbildes oder des Körpererlebens haben dazu beigetragen, dass das Körpererleben vernachlässigt wird. Doch kann die oben erwähnte Problematik u. E. nicht ausschließlich darauf zurückgeführt werden. Vielmehr dürfte ein wesentlicher Grund in der geringen Bereitschaft der Forschungsgemeinschaft liegen, neue oder wiederentdeckte Konzepte zu rezipieren und zu integrieren, was vielleicht angesichts der umfangreichen und sehr heterogenen Literatur auch eine Überforderung darstellen mag. Nicht zuletzt lässt sich die Rezeption und damit verbundene Integration neuer Konzepte ohnehin nur durchsetzen, wenn die Forschungsgemeinschaft grundsätzlich dazu bereit ist, umzudenken und kreativ mit neuen Ideen zu experimentieren. Dies lässt sich eindrucksvoll an der in der Psychotherapieforschung nur schleppend stattfindenden Verabschiedung vom Primat der Kognitionen, das sich im Zug der kognitiven Wende etablierte, zeigen. Diese Parallele zu ziehen erscheint uns insofern bedeutsam, als die Schwierigkeit der Befürworter verschiedener Schulen, unterschiedliche Therapieansätze und Denkmodelle in ihren Möglichkeiten zu verstehen, zu respektieren und zu würdigen, nicht nur direkte Implikationen für die Diskussion um die vermeintlich beste Therapie hat, sondern auch für die Bereitschaft, das Körpererleben als wichtigen Bestandteil des therapeutischen Prozesses zu begreifen.Denn der Körper spielt zweifellos eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen , von denen man bereits seit geraumer Zeit weiß, dass sie in der Phänomenologie unserer Wahrnehmungen sowie den psychotherapeutischen Restrukturierungsprozessen berücksichtigt werden müssen. Hilfreich ist dabei die Unterscheidung von Damasio (1999), der Emotionenals Körperzustände und Gefühleals bewusstes Wahrnehmen dieser Zustände bezeichnet.

    1.2 Dimensionen des Körpererlebens

    Die Schwierigkeiten, das Körpererleben auf den Begriff zu bringen, liegen, so haben wir gesagt, auch in der „Natur der Sache", in der Komplexität der Art und Weise, wie uns der eigene Körper im Erleben gegeben ist. Diese Komplexität gilt es nun zu beschreiben, ohne sogleich über die terminologischen Fallstricke zu stolpern. Zunächst also werden die Dimensionen des Körpererlebens aufgelistet. Sie werden hier definiert und beschrieben, allerdings erst in ▶ Kap. 2von ihrer entwicklungspsychologischen Basis her verständlich werden. Nach der Darstellung der Dimensionen des Körpererlebens soll abschließend (▶ Abschn. 1.3) ein Vorschlag zur Terminologie gemacht werden, der sich an das erwähnte Konsensuspapier (Röhricht et al. 2005) anlehnt, aber sich doch in einer wichtigen Dimension, nämlich der des Körperbildes, abgrenzt. Wir unterscheiden folgende Dimensionen des Körpererlebens:

    Unterschwelliges und bewusstes Körpererleben:Mit unserem Körper nehmen wir die Außenwelt wahr, unseren eigenen Körper können wir aber auch spüren. Diese Wahrnehmung des eigenen Körpers kann unterschwellig ablaufen, uns also gar nicht zu Bewusstsein kommen. Aber wir können uns andererseits Körperzustände und die Erscheinung unseres Körpers ins Bewusstsein rufen und darüber nachdenken; Körperlichkeit kann auch kognitiv repräsentiert sein. Hier ist nicht der Gegensatz von bewusst – unbewusst in einem psychodynamischen Sinn angesprochen, sondern die Schwelle in der Aufmerksamkeitszentrierung auf den Körper.

    Kognitiv und emotional repräsentiertes Körpererleben : Die soeben beschriebene kognitive Repräsentation ist aber nicht alles; Körperwahrnehmung ist sehr dicht mit Affekten und Emotionen verbunden. Das Körperbild wird wesentlich im Verlauf der frühkindlichen Entwicklung geprägt (▶ Kap. 2). Dabei kommt den Emotionen, die durch die Beziehung zu den (primären) Bezugspersonen vermittelt werden, eine zentrale Rolle zu. So hebt Dolto (1996, S.89) mit gutem Grund hervor: „Das Körperbild scheint aus der symbolischen Verarbeitung der emotionalen und nicht der sensorischen Beziehung zu beiden Eltern hervorzugehen. Sie begreift das Körperbild als „eine stets gegenwärtige, lebendige Synthese unserer emotionalen Erfahrungen (ebenda), das die fortschreitende Integration unseres Körpererlebens im Individuationsprozess zum Ausdruck bringt.

    Bewusstes und unbewusstes Körpererleben:Das Körpererleben umfasst unbewusste Anteile. Die Art und Weise, wie der eigene Körper differenziert erlebt oder in der eigenen Aufmerksamkeit vernachlässigt wird, die übermäßige Bedeutung einzelner Körperregionen unter Vernachlässigung von anderen, all das kann einerseits wichtige Konsequenzen haben, andererseits aber auch dem Bewusstsein unzugänglich sein – sedimentierte Erfahrung, die sich im Körper und nicht oder nicht mehr im Bewusstsein niedergeschrieben hat. Zu diesen unbewussten Anteilen des Körpererlebens gehören auch die unbewussten Bedeutungen, die Körperorgane oder Körperteile erhalten, z. B. wenn ein junges Mädchen mit Anorexia nervosa den eigenen Körper ablehnt, weil er dem der Mutter gleicht.

    Vorsprachliches/außersprachliches und sprachlich fassbares Körpererleben:In der frühen Entwicklung werden körperliche Erfahrungen gemacht, lange bevor sich die Fähigkeit zu sprachlichem Ausdruck bildet. Mit der Einführung in die Sprache werden diese vorsprachlichen Körpererfahrungen überformt. Die Diskrepanz zwischen Artikulierbarem und nicht sprachlich fassbarem Körperempfinden bleibt ein Leben lang erhalten. Nie gelingt es, Körpererleben ganz in Sprache zu überführen.

    Subjektives und intersubjektives Körpererleben:Wie in ▶ Kap. 2gezeigt wird, ist das Körpererleben, das uns höchst subjektiv und monadisch erscheint, eng an mitmenschliche Begegnung gebunden. Das Erleben des eigenen Körpers schält sich aus einer primären Ununterschiedenheit von eigenem und fremdem Körper in den frühesten Entwicklungsphasen heraus. Später in der Entwicklung wird das Erleben des eigenen Körpers von den Erfahrungen körperlicher Begegnung mit anderen geprägt sein. Im Erwachsenenalter bleiben die Spuren der Interaktionserfahrungen in den Körper (meist unbewusst) eingeschrieben.

    Partielles und ganzheitliches Körpererleben:Das Körpererleben kann sich auf einen einzelnen Wahrnehmungsaspekt isoliert beziehen, kann aber auch die Gesamtheit des körperlichen Selbstverhältnisses, ja auch der gesamten Identität umfassen. Auf diesen Unterschied zielt die bereits erwähnte Unterscheidung von „Leib und „Körper in der deutschen Sprache: Ich kann einen Körperteil betrachten, aber nicht einen Leibteil; das widerspricht zudem dem Sprachgefühl.

    1.3 Vorschlag zur Terminologie

    Wie lassen sich nun die verschiedenen Aspekte begrifflich abbilden? Es bieten sich zwei Lösungen an. Die eine besteht darin, den allgemeinen und am weitesten gefassten Begriff „Körpererleben als Ausgangspunkt zu nutzen und die Perspektive, die spezifisch gemeint ist, mit einem Adjektiv näher zu charakterisieren. Dann lässt sich vom „unterschwelligen Körpererleben, vom „ganzheitlichen Körpererleben" etc. sprechen. Genau dieses Vorgehen haben wir im letzten Abschnitt gewählt. Wir folgen Röhricht et al. (2005) insoweit, dass wir vom Körpererleben als demOberbegriff ausgehen. Allerdings wollen wir darunter nicht eine Ganzkörpererfahrung oder eine einheitliche Leiberfahrung verstehen. Für uns bildet der Oberbegriff nur den umfassendsten Ausdruck für all das, was sich unter dem subjektiven Zugang zum eigenen Körper verstehen lässt. Wir stimmen mit der terminologischen Charakterisierung der Teilaspekte überein, nämlich dass das Körperschema und die Körperperzepte die abgrenzbaren perzeptiven, also wahrnehmungsbedingten Erlebnisweisen bezeichnen, und dass Körperkathexis oder Körperbesetzung den emotionalen und affektiven Zugang zum Körpererleben charakterisiert. Dem Begriff Körperbild allerdings wollen wir einen etwas anderen Bedeutungsumfang geben. Wir stimmen überein, dass das Körperbild eine evaluative Komponente hat – ja, wir wollen diese noch betonen. Wir sind auch einverstanden mit der symbolischen Funktion, ohne die eine Evaluation, eine persönliche Stellungnahme, ein reflexiver Bezug auf die Erfahrungen nicht möglich ist. Aber es ergibt unseres Erachtens keinen Sinn, diese Funktion auf kognitive und sprachliche Erfahrungsdimensionen zu reduzieren. Denn damit würde verhindert, von unbewussten Körperbildernzu sprechen – und diese Konzeption ist für die psychodynamische Erhellung vieler Störungen tatsächlich wesentlich.

    Das unbewusste Körperbild von jungen Frauen

    Oft beschrieben worden ist das unbewusste Körperbildvon jungen Frauen, die an einer Anorexia nervosa leiden. Es ist einerseits dominiert von der Vorstellung, um keinen Preis in einem weiblichen Körper leben zu wollen, da alle weiblichen Geschlechtsmerkmale, die sich in der Pubertät entwickeln, verbunden sind mit äußerst ambivalenten Körpererfahrungen mit der Mutter. Andererseits ist die emotionale Besetzung des – wie früher in der anthropologischen Psychiatrie so bezeichneten – „Innenleibs" (Wulff 1958) ausgesprochen reduziert. Die Vorstellung von den Verdauungsorganen kann sich darauf reduzieren, dass es keine assimilierenden, aufnehmenden, ernährenden Darmanteile gibt, sondern dass die Speisen gleichsam durch die inneren Körperöffnungen fallen, ohne aufgefangen zu werden.

    Wir schließen uns stattdessen Dolto an und verstehen unter dem Körperbild eine integrative psychische Struktur, die sich inhaltlich wandelt, aber in jeder Entwicklungsperiode die Aufgabe hat, die Erfahrungsebenen körperlicher Reifung, körperlicher Interaktion und emotionaler Zustände zu integrieren und mit Fantasien, Wünschen und Gedanken zu verbinden.

    Das Körperbild ist also eine dynamische psychische Struktur, die die Teilaspekte des Körpererlebens immer neu zu einer Struktur des Erlebens verdichtet.Das Körperbild hat diese Funktion nicht nur auf der Stufe der sprachlichen und kognitiven Entwicklung, sondern auf jeder Stufe.

    Literatur

    Bielefeld J (1986) Körpererfahrung: Grundlagen menschlichen Bewegungshandelns. Hogrefe, Göttingen

    Damasio A (1999) The feeling of what happens: Body and emotion in the making of consciousness. Harcourt, Orlando (FL)

    Dolto F (1996) Über das Begehren: die Anfänge der menschlichen Kommunikation, 2. Aufl. Klett-Cotta, Stuttgart

    Fisher S (1990) The evolution of psychological concepts about the body. In: Cash TF, Pruzinsky T (Eds) Body images: Development, deviance and change. Guilford, New York, S 3–20

    Gaddini E (1998) Das Ich ist vor allem ein Körperliches. edition diskord, Tübingen

    Küchenhoff J (2009) Den Körper verstehen – psychoanalytische Konstruktionen. In : Küchenhoff J, Pfeiffer J (Hrsg) Körper. Konstruktionen. Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse 28: 21–33

    Pruzinsky T, Cash TF (2002) Understanding body images: Historical and contemporary perspectives. In: Cash TF, Pruzinsky T (Eds) Body images: A handbook of theory, research, and clinical practice. Guilford, New York, S 3–12

    Röhricht F, Seidler K P, Joraschky P, Borkenhagen A, Lausberg H, Lemche E, Loew T, Porsch U, Schreiber-Willnow K, Tritt K (2005) Konsensuspapier zur terminologischen Abgrenzung von Teilaspekten des Körpererlebens in Forschung und Praxis. Psychother Psych Med 55: 183–190CrossRef

    Röhricht F (2009a) Das Körperbild im Spannungsfeld von Sprache und Erleben – terminologische Überlegungen. In: Joraschky P, Loew T, Röhricht F (Hrsg) Körpererleben und Körperbild. Ein Handbuch zur Diagnostik. Schattauer, Stuttgart, S 25–34

    Röhricht F (2009b) Ansätze und Methoden zur Untersuchung des Körpererlebens – eine Übersicht. In: Joraschky P, Loew T, Röhricht F (Hrsg) Körpererleben und Körperbild. Ein Handbuch zur Diagnostik. Schattauer, Stuttgart, S 35–52

    Thompson

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