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Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo
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Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo
eBook1.312 Seiten10 Stunden

Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo

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Über dieses E-Book

Dieses vollständig überarbeitete Praxisbuch für Psychotherapeuten, Psychodynamiker, Psychotherapeuten in Ausbildung macht die Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo (IS-TDP) für Psychotherapeuten nutzbar – eine Therapiemethode für alle neurotischen Symptom- und Persönlichkeitsstörungen einschließlich früher Störungen und Traumatisierungen. Die Arbeit erfolgt emotions- und übertragungsfokussiert und kann im Stundenkontingent einer Kassenpraxis für tiefenpsychologisch fundierte ebenso wie für Verhaltenstherapie eingesetzt werden. 

Auf neurologisch definierten Bahnen werden bisher verdrängte kindliche Gefühle von Wut, Schuld und Trauer bewusst erlebt und systematisch durchgearbeitet. Dadurch verändert sich die dazugehörende destruktive Organisation für unbewusste Abwehr- und Beziehungsmuster. Die Methode basiert auf 50 Jahren audiovisueller empirischer Forschung; die Ergebnisforschung belegt die nachhaltige Wirksamkeit. 

Aus dem Inhalt: 

Einführung in die Theorie der Technik – Viele Beispiele, die die spezifischen technischen Interventionen der IS-TDP aufzeigen –  Anwendung der IS-TDP bei verschiedenen Störungsbildern anhand von kommentierten Transkripten aus Erstinterviews, Therapieverläufen und Katamnesen. 

Die Herausgeberinnen:

Dr. med. Gerda Gottwik, FÄ für Psychiatrie und Psychotherapie, niedergelassen in Nürnberg. Dr. med. Ingrid Orbes, FÄ für Psychiatrie und Psychotherapie in Erlangen. Beide sind in Fortbildung und Supervision zur Methode tätig.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum27. Nov. 2019
ISBN9783662590362
Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo

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    Buchvorschau

    Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo - Gerda Gottwik

    Psychotherapie: Praxis

    Die Reihe Psychotherapie: Praxis unterstützt Sie in Ihrer täglichen Arbeit – praxisorientiert, gut lesbar, mit klarem Konzept und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand.

    Weitere Bände in der Reihe http://​www.​springer.​com/​series/​13540

    Hrsg.

    Gerda Gottwik und Ingrid Orbes

    Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo

    2. Aufl. 2020

    ../images/184277_2_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Gerda Gottwik

    Nürnberg, Deutschland

    Ingrid Orbes

    Erlangen, Deutschland

    ISSN 2570-3285e-ISSN 2570-3293

    Psychotherapie: Praxis

    ISBN 978-3-662-59035-5e-ISBN 978-3-662-59036-2

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-59036-2

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2009, 2020

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Fotonachweis Umschlag: © Jan Will/stock.adobe.com

    Verantwortlich im Verlag: Monika Radecki

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Geleitwort zur 2., überarbeiteten Auflage

    In dieser 2. Auflage haben die Autoren das Lehrbuch von 2009 nach weiteren 10 Jahren Erfahrung mit der IS-TDP überarbeitet und um das Kapitel „Vergangenheit und Zukunft der IS-TDP und das Kapitel „Wirksamkeits- und Prozessforschung erweitert.

    In den letzten Jahren haben sich sowohl tiefenpsychologische und psychodynamische wie auch verhaltenstherapeutische Schulen zunehmend für die Arbeit mit Emotionen geöffnet. Die Therapeut-Patient-Beziehung, Übertragung und Gegenübertragung sind mehr in den Fokus gerückt. Therapie-Prozesse werden dadurch lebendiger, Therapeuten werden jedoch auch persönlich mehr gefordert.

    Das vorliegende Werk weckt Interesse an der Emotions- und Übertragungs-fokussierten Arbeit mit Patienten und ermutigt, sich als Therapeut*in den Widerständen der Patienten und ihren archaischen Gefühlen zu stellen und sie auf dem Weg zu Befreiung, Versöhnung und multidimensionalen Strukturveränderungen zu begleiten.

    Prof. Dr. med.Peter Joraschky

    Dresden

    September 2010

    Vorwort zur 2. Auflage

    Davanloos Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie beruht seit über 50 Jahren auf Details, welche heute in dynamischen und anderen Psychotherapien selbstverständlich sind. Dazu gehören: Der Fokus auf der Übertragungsbeziehung, auf emotionalen statt kognitiven Prozessen, das wachsende Verständnis für neurobiologische Zusammenhänge, der Fokus auf frühe Bindungserfahrungen für die psychische Entwicklung und damit die Introjekte und die transgenerationale Trauma-Weitergabe.

    Diese Themen waren bereits bei der Erstauflage dieses Buches integraler Bestandteil von Davanloos System der Intensiven psychodynamischen Kurzzeittherapien und sind bis heute gültig. Ebenso gehört dazu die Videodokumentation jeder Sitzung als Basis für klinische Arbeit, Lehre und Forschung.

    Während einige dieser Elemente vor 10 Jahren noch mit Skepsis oder Befremden betrachtet wurden, ist die Akzeptanz für die IS-TDP nach Davanloo in ihrer Komplexität gewachsen.

    Davanloo ist persönlich weiter in seiner empirischen Forschung aktiv und hat in Zusammenarbeit mit Kollegen die Präzision und Effizienz seiner Technik weiter entwickelt. Kap.  1 und 2 enthalten Hinweise zu neuen Entwicklungen und zu aktuellen Veröffentlichungen (Beeber, Hickey, Ostertag, Schmitt).

    Ergänzt wurde die 2. Auflage durch das Kapitel „Vergangenheit und Gegenwart" (Kap.  1 , Ostertag), das einen erweiterten Rückblick auf die Entwicklung von psychodynamischen Kurzzeittherapien und die Einbindung der IS-TDP in die Landschaft der aktuellen dynamischen Psychotherapien gibt.

    Neu ist auch Kap.  7 (Brehm, Gottwik), das einleitend einen Überblick über den aktuellen Stand der Psychotherapieforschung im Hinblick auf die IS-TDP gibt. Schwerpunkt des Kapitels ist die Beschreibung der Forschungsaktivitäten der Deutschen Gesellschaft für IS-TDP nach Davanloo. Instrumente wurden entwickelt zur Beschreibung und Evaluation von Prozessen. Diese wurden zur Analyse und Replikation von Davanloos Metapsychologie und Technik und zur Beschreibung und Untersuchung von Therapieverläufen eingesetzt. Die Instrumente erscheinen geeignet zum Lernen der Methode, zu deren Lehre und zur Beurteilung der Arbeit der Therapeuten und der Therapieergebnisse, sowie als Grundlage für weitere Forschungsansätze. Insbesondere haben hier M. Brehm, Y. Hänsch, K. Korall, S. Krumnow, S. Landsberg, W. Malin, H. Posininsky und I. Sprenger mitgewirkt.

    Doktor Davanloo danken wir dafür, dass er uns über die letzten 30 Jahre in einem strukturierten Curriculum, bestehend aus Metapsychologiekursen, Seminaren und Live Supervisionen unterrichtet hat. Auch in den letzten 10 Jahren konnten wir an den neuesten Entwicklungen seiner Arbeit teilhaben. Während der gesamten Zeit motivierte er uns, die Ergebnisse unserer Arbeit zu publizieren. Nicht zuletzt dadurch verfügen wir über eine manualisierte Methode und sind in der Lage, diese an die nächste Generation weiterzugeben.

    Wir danken unseren Patienten für die Einwilligung zur Verwendung von Therapiesitzungen für Qualitätskontrolle, Lehre und Forschung.

    Monika Radecki, Senior Editor, und Hiltrud Wilbertz, Projektmanagerin im Springer-Verlag danken wir für die Ermöglichung und Gestaltung dieser 2. Auflage und dafür, dass sie jederzeit für unsere Fragen ansprechbar und unterstützend waren.

    Gerda Gottwik

    Ingrid Orbes

    Vorwort

    Die Autoren dieses Buches sind praktizierende ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, die seit Jahren mit großem Gewinn für ihre Patienten und sich selbst mit der intensiven psychodynamischen Kurzzeittherapie (IS-TDP) nach Davanloo arbeiten.

    Die IS-TDP ist geeignet, neurotische Symptomstörungen innerhalb weniger Sitzungen zu beseitigen und bleibende tiefgreifende strukturelle Veränderungen im Rahmen einer Therapie von bis zu 40 h zu erzielen. Dies ist möglich auf der Grundlage von Davanloos revolutionärer Entdeckung der Überwindung des Widerstandes und dem damit verbundenen Erschließen des Unbewussten im Erstinterview. Diese Entdeckung machte Davanloo bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts auf der Basis von Mikroanalysen audiovisuell aufgezeichneter Therapeut-Patienten-Interaktionen.

    Hierbei stellt sich heraus, dass die Mobilisierung der Widerstände in der Übertragung („Mobilization of Transference Resistance") komplexe Übertragungsgefühle aktiviert. Durch spezifische Interventionen wird der Widerstand in der Übertragung so lange mobilisiert, bis er sich erschöpft. Gleichzeitig werden die neurobiologischen Bahnen für unbewusste infantile Wut- und Schuldgefühle aktiviert. Zunächst tritt in der Regel kindliche mörderische Wut dem Therapeuten gegenüber zutage, die sich als Wut gegen frühe Bezugspersonen entpuppt. Anschließend werden Schuld- und Trauergefühle sowie liebevolle Gefühle gegenüber den Bezugspersonen körperlich erlebt.

    Dieses Erschließen des Unbewussten („Unlocking the Unconcious) im Erstinterview stellt die Basis für die weitere Arbeit dar. Die erste Entlastung von unerledigten Gefühlen, die große Nähe zum Therapeuten und das Erleben der eigenen Fähigkeiten fördert die therapeutische Allianz. Davanloo entdeckte, dass neben der bewussten eine unbewusste therapeutische Allianz („Unconscious Therapeutic Alliance) entsteht und wächst, die eine wesentliche Voraussetzung für das weitere Durcharbeiten des pathogenen Reservoirs des Unbewussten darstellt. Bleibende Veränderungen erfordern die Integration des intensiv Erlebten, die durch wiederholte Analyse der Übertragung und des Prozesses erreicht wird.

    Über die Jahrzehnte hat Davanloo die Technik weiterentwickelt, so dass auch Patienten mit schweren Symptom- und Persönlichkeitsstörungen und einem komplexen Unbewussten behandelt werden können. Als Ergebnis seiner Forschungsarbeit hat er eine „Neue Metapsychologie des Unbewussten („New Metapsychology of the Unconcious) konzeptualisiert.

    Davanloo hat seine revolutionäre Therapiemethode erstmals 1968 beim First Canadian Audiovisual Symposium vorgestellt, dann 1974 beim First International Audiovisual Symposium and Workshops der McGill Universität, 1975 beim 2. Symposium der McGill sowie der Harvard Universität, beide in Montreal, sowie 1977 beim 3. Internationalen Kongress, veranstaltet von der McGill, der Harvard und der University of Southern California in Los Angeles. Seither zeigt Davanloo seine Arbeit auf Workshops in vielen Ländern Nordamerikas und Europas.

    In wissenschaftlicher Anbindung an Davanloo’s International Institute for Teaching and Research sind in Amerika und auch in Europa (in den Niederlanden, der Schweiz, Deutschland, Italien, Österreich, Dänemark und Schweden) eigene wissenschaftliche Institute gegründet worden. Die Deutsche Gesellschaft und das Deutsche Institut für Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo wurden 1997 gegründet.

    Die IS-TDP wird in diesem Buch anschaulich anhand von kommentierten Erstinterviews und Therapieverläufen dargestellt. Fast alle dieser Erstinterviews haben mit direkter Closed-Circuit LiveSupervision durch Dr. Davanloo stattgefunden. Das Setting wird ausführlich geschildert.

    Dies Buch soll Kollegen, die an der Anwendung der intensiven psychodynamischen Kurzzeittherapie und Kurzzeitanalyse nach Davanloo interessiert sind, systematisch Grundlagen und Technik der Methode nahebringen.

    Darüber hinaus kann das Buch all denjenigen, die daran interessiert sind, Einblick in die tieferen Zusammenhänge zwischen dem Unbewussten und daraus resultierenden Verhaltensstörungen geben. Anschaulich wird die Vorgehensweise der IS-TDP bei der Auflösung des daraus entstandenen Leidens, der persönlichen Einschränkungen und der zwischenmenschlichen Destruktivität dargestellt.

    Ein Glossar für die von Davanloo eingeführten Fachausdrücke ist angehängt. Innerhalb der einzelnen Kapitel des Buches wurden die englischen Begriffe noch einmal im Anschluss an die deutsche Übersetzung angefügt. Manche der Begriffe sind englisch belassen, weil kein ähnlich treffender Ausdruck in der deutschen Sprache gefunden wurde (z. B. Head-on-Collision, Perpetrator of the Unconscious).

    Die Autoren haben an vielen Kursen mit Dr. Davanloo teilgenommen und deshalb viel von dem in diesem Buch wiedergegebenen Wissen aus diesen Kursen gewonnen. Deshalb wurden zusätzlich zum Literaturverzeichnis die wichtigsten dieser Weiterbildungen in einem separaten Verzeichnis zusammengestellt (A2Persönliche Aufzeichnungen ). Im Text sind die Jahreszahlen dieser Quellen kursiv gedruckt.

    Nach einer Einführung in die Metapsychologie und die Besonderheiten der Technik der IS-TDP werden im 2.–5. Kapitel technische Interventionen anhand von Fallbeispielen dargestellt. Ein Teil II des Buches wird mit kommentierten Dialogen von beispielhaften Patienten die Anwendung bei verschiedenen neurotischen Störungen veranschaulichen.

    Teil III und IV sind diversen Themen beim Prozess fortlaufender Therapien und der Katamnese gewidmet.

    Gerda Gottwik

    Nürnberg

    im März 2009

    Inhaltsverzeichnis

    1 Vergangenheit und Gegenwart der IS-TDP 1

    Irene Ostertag

    I Einführung in Metapsychologie und Technik der IS-TDP nach Davanloo

    2 Theoretische Grundlagen 17

    Gerda Gottwik

    3 Phase des Drucks 47

    Irene Ostertag und Martha Weiß

    4 Phase der Herausforderung 57

    Ursula Sporer, Frieder Tressel und Ernst Höfler

    5 Einstieg in die Übertragung 69

    G. Wagner und A. Scherer

    6 Head-on-Collision mit dem Widerstand 85

    Ingrid Orbes und Harald Posininsky

    II Forschungsprojekte

    7 Wirksamkeits- und Prozessforschung​ in der IS-TDP 105

    M. Brehm und G. Gottwik

    III Anwendung der IS-TDP bei speziellen neurotischen Krankheitsbildern

    8 Anwendung der IS-TDP bei Panik und generalisierter Angst mit somatoformen Störungen 135

    I. Orbes

    9 Anwendung der IS-TDP bei Somatisierungsst​örung mit Ohnmachtsanfälle​n und anderen neurotischen Störungen 155

    I. Ostertag

    10 Anwendung der IS-TDP bei Depression und Somatisierungsst​örung 171

    Martha Weiß

    11 Anwendung der IS-TDP bei Patienten mit Dysthymia und depressiver Episode 189

    Gerda Gottwik

    12 Anwendung der IS-TDP bei pathologischer Trauer 209

    Ursula Sporer

    13 Anwendung der IS-TDP bei Suizidalität 221

    Ingrid Orbes

    14 Anwendung der IS-TDP bei Bulimie 233

    Ursula Sporer

    15 Anwendung der IS-TDP bei posttraumatische​r Belastungsstörun​g 245

    Waltraud Malin

    16 Anwendung der IS-TDP bei somatoformen Störungen, depressiver Symptomatik und Beziehungsstörun​gen nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit 267

    F. Tressel

    17 Anwendung der IS-TDP bei generationenüber​greifendem sexuellem Missbrauch 291

    Waltraud Malin

    18 Anwendung der IS-TDP bei Beziehungsstörun​gen 309

    Gerhild Wagner

    IV Anwendung der IS-TDP im Therapieprozess

    19 Technische Besonderheiten der IS-TDP im Therapieprozess 331

    Gerda Gottwik und Ruth Sailer

    20 Therapieverlauf bei Beziehungsstörun​gen 353

    Gerhild Wagner

    V Katamnese in der IS-TDP nach Davanloo

    21 Katamnese in der IS-TDP nach Davanloo 377

    Gerda Gottwik

    Serviceteil ##

    Glossar – 2019 390

    Stichwortverzeic​hnis 395

    Autorenverzeichnis

    Michelle Brehm

    Berlin, Deutschland

    mbrehm@zedat.fu-berlin.de

    Gerda Gottwik

    Nürnberg, Deutschland

    gerda.gottwik@gmx.de

    Ernst Höfler

    Lauf, Deutschland

    ernst.hoefler@franken-online.de

    Waltraud Malin

    Würzburg, Deutschland

    w.malin@gsmc.de

    Ingrid Orbes

    Erlangen, Deutschland

    orbes@t-online.de

    Irene Ostertag

    Nürnberg, Deutschland

    irostertag@aol.com

    Harald Posininsky

    Stuttgart, Deutschland

    praxis-goehlich-posininsky@t-online.de

    Ruth Sailer

    Nürnberg, Deutschland

    Sailer.ruth@web.de

    Amaryll Scherer

    Berlin, Deutschland

    Ursula Sporer

    Regensburg, Deutschland

    Frieder Tressel

    Nürnberg, Deutschland

    praxis@dr-tressel.deinfo@dr-tressel.de

    Gerhild Wagner

    Eching, Deutschland

    wagnergerhild@gmx.de

    Martha Weiß

    Nürnberg, Deutschland

    martha.weiss@t-online.de

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    G. Gottwik, I. Orbes (Hrsg.)Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach DavanlooPsychotherapie: Praxishttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59036-2_1

    1. Vergangenheit und Gegenwart der IS-TDP

    Irene Ostertag¹  

    (1)

    Nürnberg, Deutschland

    Irene Ostertag

    Email: irostertag@aol.com

    1.1 Vergangenheit

    1.1.1 Davanloo’s Arbeit in den 1960er und 1970er Jahren

    1.1.2 Davanloo’s Arbeit in den 1980er und 1990er Jahren

    1.2 Gegenwart

    Literatur

    Trailer

    Seit den 1960er Jahren entwickelt, forscht und lehrt Habib Davanloo die Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie. Er gilt als einer der Pioniere für die Entwicklung von psychodynamischer Kurzzeittherapie. Davanloo nutzte von Beginn an audiovisuelle Aufnahmen, um die Interaktionen zwischen Therapeut und Patient genau zu analysieren und zu verstehen. Seine Konzepte basieren auf psychoanalytischem Wissen und sind erweitert und verändert durch seine „Metapsychologie des Unbewussten mit dem „Erschließen des Unbewussten. Die therapeutische Herangehensweise stellt die affektive über die kognitive Arbeit, konzentriert sich auf die Übertragungsbeziehung, fokussiert auf die Überwindung der Widerstände und ermöglicht den Patienten das Erleben der unbewussten gemischten Gefühle mit dem Ziel einer inneren Versöhnung mit den frühen Bezugspersonen.

    Das Kapitel bietet – ausgehend von den Wurzeln der dynamischen Kurzzeittherapien – eine Einführung in die Geschichte der IS-TDP und ermöglicht einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen.

    Der Anfang der IS-TDP liegt mehr als 50 Jahre zurück: Habib Davanloo begann in den 1960er Jahren zunächst in Boston, dann in Montreal psychotherapeutisch zu arbeiten und auf der Basis gefilmter therapeutischer Interaktionen zu forschen.

    So wie andere psychoanalytisch orientierte Kurzzeittherapien entwickelte sich die IS-TDP von Beginn an in dem Spannungsfeld, Erkenntnisse der Psychoanalyse in einem zeitlich begrenzten Therapieprozess für möglichst viele Patienten erfolgreich umzusetzen. Kurz, kosteneffektiv und erfolgreich sollten und sollen psychotherapeutische Behandlungen sein – früher und heute. Der Zeitgeist begünstigt die Entwicklung von therapeutischen Kurzzeitstrategien und treibt sie voran (Hennig 1996).

    Es ist ein Spannungsfeld entstanden, in dem viele Fragen auftauchen.

    Wie ist Kurzzeittherapie (KZT) zu definieren? Inwieweit ist eine psychodynamische Kurzzeittherapiemethode wie die IS-TDP psychoanalytisch? Wenn ja: welche Grundprinzipien der Psychoanalyse sollten implementiert werden, weil sie nachweislich wichtig und unabdingbar für eine – auch langfristig – erfolgreiche KZT sind? Um welche Stundenzahl geht es? Wie lässt sich eine KZT-Methode lehren? Und wie lässt sich eine KZT wie die IS-TDP in die moderne Psychotherapielandschaft einordnen? Auch die Frage der Störungsspezifität einer Methode hat die Entwicklung der KZT von Beginn an begleitet: Benötigen verschiedene Krankheitsformen unterschiedliche Therapiemethoden oder modifizierte Behandlungstechniken einer Therapieform? Fosha schrieb über die Geschichte der Entwicklung der psychodynamischen KZT als einer „Geschichte des schrittweisen Tabubruchs" (Levenson 2011, S. 21).

    Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Das gilt auch für Therapiemethoden wie die IS-TDP.

    Ein geschichtlicher Rückblick kann uns vielleicht die eine oder andere Antwort auf die Fragen ermöglichen und ich hoffe, dass wir auf dieser Zeitreise auch Verständnis für die Kontroversen bekommen, die die Entwicklung der psychodynamischen KZT prägen.

    1.1 Vergangenheit

    In den 1920er Jahren waren Sandor Ferenczi und Otto Rank die wichtigsten Vertreter der ersten Generation der Kurzzeittherapeuten (Einteilung der KZT in „Generationen" s. Levenson 2011, S. 21 ff.).

    Ferenczi, ein aktiv sich einbringender Analytiker, und Rank, der als erster Analytiker mit der Technik der Zeitlimitierung arbeitete, untersuchten Kriterien für eine Verkürzung von psychoanalytischen Behandlungen. Sie stellten fest, dass für eine wirksame Therapie die Fokussierung auf die Gefühle des Patienten im Hier und Jetzt der Beziehung zum Therapeuten bedeutsam sei. Der Therapeut solle aktiver in der Übertragung arbeiten. Die Bedeutung der therapeutischen Beziehung und des Willens des Patienten wurde besonders betont (Leuzinger-Bohleber 1985).

    Bereits Freud hatte die Länge seiner Behandlungen variiert, wie z. B. im Fall von Katharina (Freud 1892-1899). Er hielt es für möglich, bei psychisch stabileren Patienten die Therapien zu verkürzen (Freud 1905). Eine aktive Haltung des Analytikers lehnte er jedoch ab und kritisierte Ferenczi für sein Vorgehen (Leuzinger-Bohleber 1985).

    Franz Alexander und Thomas French arbeiteten in Chicago und entwickelten Konzepte, um die Psychoanalyse ökonomischer und flexibler zu machen. 1942 stellten sie die Ergebnisse ihrer 7-jährigen Forschungsarbeit auf dem ersten Kongress für Kurzzeittherapie vor (Malan 1965) und veröffentlichten ihre Arbeit 1946 in ihrem Buch „Psychoanalytic Therapy". Von beiden Analytikern wurde die Bedeutung von langer Behandlungsdauer, hoher Stundenfrequenz und Regression für einen guten und anhaltenden Therapieerfolg infrage gestellt (Leuzinger-Bohleber 1985).

    Alexander entwickelte das Konzept der korrigierenden emotionalen Erfahrung. Er schrieb: „Das Geheimnis jedes Heilerfolges ist das Wiedererleben des alten ungelösten Konflikts, jedoch mit einem anderen Ausgang. Nur das wirkliche Erleben einer neuen Lösung in der Übertragungssituation oder im Alltagsleben gibt dem Pat die Überzeugung, dass eine neue Lösung möglich ist und veranlasst ihn, alte neurotische Verhaltensweisen aufzugeben" (Malan 1965, S. 53).

    Eine weitere für Alexander wichtige methodische Frage betraf die Übertragungsneurose, die sich – da sie auch gelöst werden sollte – als der wesentlichste verlängernde Faktor für eine Therapie herausstellte: Kann bzw. soll bzw. darf eine Übertragungsneurose vermieden werden? Alexander und French mahnten vor der Gefahr einer Abhängigkeit des Patienten vom Therapeuten und experimentierten mit Behandlungsunterbrechungen und unterschiedlicher Frequenz der Sitzungen.

    Freud definierte übrigens das Ende einer Therapie nicht – auch nicht als Punkt, an dem die Übertragungsneurose aufgelöst ist. Wenn der analytische Prozess ein unendlicher ist, wann ist dann der Zeitpunkt der Beendigung? (Klüwer 1985).

    Alexanders Vorschläge, wie die Länge der Therapien zu verkürzen sei, und seine These, dass das Entstehen und Durcharbeiten einer Übertragungsneurose nicht notwendig sei für lang anhaltende gute Therapieresultate, stießen auf feindselige Ablehnung in der damaligen psychoanalytischen Gemeinschaft (Strupp und Binder 1984, S. 11). Ernest Jones kritisierte in seiner Buchrezension, das Wort ‚Unbewusst‘ sei in Alexanders Buch von 1946 nicht zu finden (Ernest Jones in International Journal of Psychoanalysis 1946, zit. nach Malan und Osimo 1992, S. 12). Eissler schrieb über eben dieses Buch im Journal of General Psychology 1950 (ebd., S. 12), die Methode, die Alexander eingeführt habe, sei magisch und außerhalb der Grenzen der Psychoanalyse. Grotjahn hat dazu folgerichtig geschrieben, Freud habe den Schlaf der Welt und Alexander den Schlaf der Psychiater und Psychoanalytiker gestört (zit. nach Levenson 2011, S. 25).

    Es wird sichtbar, dass die Probleme und Kontroversen, die die Entwicklung der KZT begleiten, hier ihre Ursprünge haben (Leuzinger-Bohleber 1985).

    Die konsequente und kontinuierliche Entwicklung der psychoanalytischen KZT begann in den 1950er und 1960er Jahren zunächst unabhängig voneinander in den USA und in England durch die 2. Generation der Kurzzeittherapeuten.

    Zu diesen gehört Habib Davanloo. Nach seinem Medizinstudium in Teheran und einer allgemeinärztlichen Tätigkeit ging er zur Ausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie nach Boston an ein Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School, einer damaligen Hochburg der Psychoanalyse.

    Die Situation an den psychiatrischen Institutionen beschrieb Davanloo:

    „Eine meiner Beobachtungen, als ich als Assistenzarzt in der Psychiatrie arbeitete, war, dass ein kleiner Prozentsatz der Patienten in langjähriger Psychoanalyse war und ein großer Prozentsatz der Patienten auf der Warteliste" (Davanloo 1978, Übersetzung IO).

    Hinzu kam, dass die Nachfrage nach psychoanalytischer Therapie, auch bedingt durch die Folgen des 2. Weltkriegs, gestiegen war und sich die Behandlungsdauer in den Jahrzehnten zuvor kontinuierlich verlängert hatte.

    Auch die Kurzzeittherapeuten der 2. Generation entwickelten ihre neuen Konzepte und Methoden im Spannungsfeld ihrer eigenen Ausbildungsinstitute, an denen ihre Lehranalytiker oder Lehranalytikerinnen arbeiteten und lehrten (Leuzinger-Bohleber 1985). Weiterhin wurden viele Fragen kontrovers diskutiert. Es ging nun auch um die Frage der Identität eines Analytikers. Beland schrieb, die Identität eines Psychoanalytikers werde immer im Zusammenhang mit der Gruppe, also der Ausbildungs-, Forschungs- und Interpretationsgemeinschaft gesehen (Beland 1983).

    Für die Psychotherapieausbildung kamen auch Zweifel auf, ob die neuen Techniken, wie sie z. B. Davanloo entwickelte, zu sehr personengebunden (nämlich an den Begründer der Technik) und somit nicht vermittelbar und lehrbar seien (Leuzinger-Bohleber 1985).

    Ein Sprung von USA nach Großbritannien sei erlaubt, bevor wir uns weiter der IS-TDP zuwenden: An der Tavistock-Klinik in London arbeitete Michael Balint ab den 1950er Jahren an der Entwicklung einer psychoanalytischen KZT. Balint meinte, Psychoanalyse sei wirksam, aber im Vergleich zum neurotischen Elend auf der Welt wie ein Tropfen auf dem heißen Stein (Malan 1965). 1955 gründete er Workshops für Kurzzeitpsychotherapie (Malan und Osimo 1992). Er wollte eine begrenzte Zielsetzung verfolgen (Klüwer 1985) und versuchte, analytisches Wissen in kürzeren Therapieformaten anzuwenden. Die klassische Psychoanalyse hat er nie infrage gestellt.

    Es ist interessant, dass zeitgleich Bowlby an der Kinderabteilung der Tavistock-Klinik begonnen hatte, die ersten Objektbeziehungen des Kindes, v. a. die frühe Mutter-Kind-Bindung, zu untersuchen – der Beginn der Bindungstheorie. Er konstatierte Meinungsverschiedenheiten bei den Analytikern, denn „über die Natur und Dynamik dieser Beziehung besteht noch keine Übereinstimmung" (Bowlby 1959, S. 415).

    Balint arbeitete traditionsgemäß mit Patienten mehrstündig, hatte aber – aus Zeitmangel! – mit einem Patienten, der auf Therapie drängte, nur eine Wochenstunde. Dieser Mr. Baker wurde der 1. Patient, der mit KZT, später „Fokaltherapie" benannt, behandelt (Klüwer 2009). Ein Patient bietet Material an, das den Therapeuten befähigt, in der ersten Stunde oder den ersten Stunden einen Fokus zu formulieren. An diesem Fokus wird gearbeitet. Ein begrenzter therapeutischer Fokus, eine begrenzte Stundenzahl und begrenzte therapeutische Ziele wurden zu wichtigen Faktoren dieser Therapietechnik.

    Genutzt wurden für die therapeutische Arbeit – auch von Davanloo – zwei psychodynamische Konzepte (Menninger 1958; Ezriel 1992), die die Interpretationsarbeit des Therapeuten unterstützen: das Konflikt- und das Personendreieck.

    Das Konfliktdreieck besagt, dass die Abwehren, die letztlich zur Neurose führen, aufgebaut werden, um die durch die vermiedenen Gefühle und Impulse erzeugte Angst abzuwehren.

    Das Personendreieck reflektiert die universelle Beobachtung in der psychodynamischen Therapie, dass überschießende reaktive Gefühle den frühen Bezugspersonen gegenüber verdrängt wurden und im späteren Leben durch bestimmte Situationen reaktiviert werden. Dieses Phänomen wird in der Übertragungsbeziehung mit dem Therapeuten genutzt.

    1963 veröffentlichte Malan, ein Mitglied der Arbeitsgruppe von Balint, eine Sammlung von 20 Fallberichten (Malan 1963, dt. 1965). Die Therapiedauer war 10–40 h. Es fanden intensive wöchentliche Supervisionsgruppen statt.

    Wichtig für den Behandlungserfolg – so Malan (1963, dt. 1965) – sei die Arbeit in der Übertragung mit Deutung der Übertragung, besonders die Deutung der negativen Übertragung sowie das Aufgreifen der Abwehren. Es stellte sich außerdem heraus, dass ein gutes Arbeitsbündnis zwischen Patient und Therapeut die Prognose für einen guten Therapieerfolg verbesserte. „Die Prognose ist dann am günstigsten, wenn bei beiden Partnern der Wille besteht, sich in die Wechselbeziehung tief einzulassen und die (in Balints Worten) daraus entstehende Spannung zu ertragen" (Malan 1963, dt. 1965). Ergänzt wurde diese Arbeit von Malan durch seine Arbeit mit Fallberichten von 18 Patienten 10 Jahre später (Malan 1976) und durch seine Auswertung von 24 Patienten, die mit KZT von Auszubildenden unter Supervision behandelt worden waren (Malan und Osimo 1992).

    Unsere Zeitreise führt uns von London nach Boston, wo Peter Sifneos und James Mann arbeiteten.

    Sifneos entwickelte an der Harvard Medical School zusammen mit seinen Kollegen die Short-term Anxiety-provoking Psychotherapy. Er publizierte 1972 seine Arbeit mit 450 Patienten aus der Zeit 1960–1964 und machte folgende Schlussfolgerungen: Erfolgreiche KZT ist möglich, wenn die Patienten hoch motiviert sind, eine stabile Ich-Funktion haben und unter einem umschriebenen Konflikt leiden (Leuzinger-Bohleber 1985). Ein psychodynamischer Fokus steht dabei im Mittelpunkt der Therapie.

    Mann (1973, dt. 1978) von der Boston University School of Medicine begrenzte die Therapiedauer auf 12 Sitzungen. Diese feste Zeitstruktur ermöglichte besonders die Bearbeitung von Trennungsängsten.

    1.1.1 Davanloo’s Arbeit in den 1960er und 1970er Jahren

    Davanloo hatte inzwischen seit 1963 an der McGill University und am Montreal General Hospital als Leiter der psychiatrisch-psychotherapeutischen Poliklinik systematische Forschung auf dem Gebiet einer psychoanalytischen KZT durchgeführt. Er hatte sich entschieden, die traditionelle Psychoanalyse zu verlassen. Das hatte viele Gründe:

    Er war – wie andere Kurzzeittherapeuten – nicht von der therapeutischen Notwendigkeit und Wirksamkeit der Übertragungsneurose überzeugt. Die Übertragungsneurose kann in Abhängigkeit führen. Der Analytiker kann in das neurotische System des Patienten verwickelt werden und umgekehrt. Für Davanloo kann die Übertragungsneurose am besten beschrieben werden als „eine Situation, in der der Patient seinen gesamten Charakterwiderstand und die darunter liegenden komplexen neurotischen Gefühle auf den Therapeuten überträgt, während er alle diese neurotischen Kräfte gleichzeitig tief im Unbewussten zurückhält. Wenn dieser Zustand einmal erreicht ist, dann ist es sehr schwer oder sogar unmöglich, an diese dynamischen Kräfte heranzukommen, die für das neurotische Leiden des Patienten verantwortlich sind. Der Therapeut ist zu einer Figur aus der Vergangenheit des Patienten geworden, was sein Bedürfnis nach Destruktivität befriedigt. Warum sollte der Patient dies aufgeben?" (Davanloo 2009, Übersetzung IO).

    An der positiven Wirksamkeit der freien Assoziation und der Deutung zweifelte er, können sie doch Intellektualisierung und Rationalisierung fördern und die Verdrängung von Gefühlen verstärken.

    Auch bei der Frage der Therapiemotivation des Patienten, die als Bedingung für KZT galt, hatte Davanloo Zweifel. Eine fehlende Therapiemotivation ist häufig Teil der Störung des Patienten und sollte durch geeignete Interventionen überwunden werden. Die Motivation des Patienten kann durch Einschätzung, Empathie und Gegenübertragung des Therapeuten beeinflusst werden. Diese Einflüsse tragen zur Entscheidung bei, ob ein Patient in Therapie genommen wird oder nicht (Davanloo 1978).

    Ein wesentliches Thema, das Davanloo beschäftigte, beschrieb Freud als die „negativen therapeutischen Reaktionen. Besonders zu fürchten seien die negativen therapeutischen Reaktionen, die durch das unbewusste Schuldgefühl begründet sind. „Das unbewusste Schuldgefühl repräsentiert den Widerstand des Über-Ichs, es ist der mächtigste und von uns gefürchtetste Faktor (Freud 1926a, S. 254). Dieser Widerstand ist „der zuletzt erkannte, dunkelste, aber nicht immer schwächste, scheint dem Schuldbewusstsein oder Strafbedürfnis zu entstammen; er widersetzt sich jedem Erfolg und demnach auch der Genesung durch die Analyse (Freud 1926b, S. 193). 1937 äußerte Freud deutliche Skepsis an der therapeutischen Beeinflussbarkeit des überstrengen Über-Ichs und schrieb zusammenfassend: „Es gibt keinen stärkeren Eindruck von den Widerständen während der analytischen Arbeit als den von einer Kraft, die sich mit allen Mitteln gegen die Genesung wehrt und durchaus an Krankheit und Leiden festhalten will. Ein Anteil dieser Kraft haben wir, sicherlich mit Recht, als Schuldbewusstsein und Strafbedürfnis agnosziert und im Verhältnis des Ichs zum Über-Ich lokalisiert (Freud 1937, S. 88).

    „Vorläufig beugen wir uns vor der Übermacht der Gewalten, an der wir unsere Bemühungen scheitern sehen. Schon die psychische Beeinflussung des einfachen Masochismus stellt unser Können auf eine harte Probe" (Freud 1937, S. 89).

    Diese Über-Ich-Widerstände galt es zu überwinden. Diesen Anspruch hatte auch Davanloo, als er seine Therapiemethode entwickelte:

    Wie können unbewusste Schuldgefühle erlebt und durchgearbeitet werden, um eine befreiende Wiedergutmachung und Versöhnung mit den wichtigen Bezugspersonen zu ermöglichen?

    Von Beginn an hatte Davanloo die Therapiesitzungen audiovisuell aufgezeichnet und minutiös – im wahrsten Sinn des Wortes – den Verlauf des therapeutischen Dialogs, die Auswirkungen der therapeutischen Interventionen auf den Patienten und die Veränderungen von Mimik und Körperbewegungen analysiert und ausgewertet.

    Dies war für die damalige Zeit eine bahnbrechende Neuerung – und ist es teilweise bis heute geblieben.

    Mit der genauen Analyse der audiovisuellen Aufnahmen war es ihm möglich, verschiedene Formen von Abwehrmechanismen, von Angst und anderen Gefühlen phänomenologisch zu beschreiben. In Zusammenarbeit mit dem Patienten konnte er die beobachteten Phänomene klären und bewusst machen. Auf empirischer Grundlage entwickelte er seine Methode, nicht aufgrund reiner Theorie oder Intuition (Davanloo 2001).

    Die audiovisuellen Aufnahmen der Therapiesitzungen sind in der IS-TDP ein unverzichtbarer Teil der therapeutischen Arbeit und werden auch für Forschung und Lehre genutzt. Dies wird mit den Patienten beim Beginn der Therapie ausführlich besprochen und sein schriftliches Einverständnis dazu eingeholt. Die Videotechnologie bietet ein einmaliges Instrument, die Methode auf praktische und anschauliche Art zu lernen. So können z. B. die sorgfältige Arbeit am Widerstand und die gezeigten Gefühlsregungen nachvollzogen werden.

    Die intensive Arbeit mit Patienten zeigte, dass der Erfolg der Arbeit unter anderem abhängig ist vom Ausmaß, in dem der Patient seine komplexen Übertragungsgefühle direkt in der Beziehung zum Therapeuten erlebt. Dies hatten auch die früheren Kurzzeittherapeuten als bedeutsam beschrieben (Ferenczi, Alexander, Malan). Dafür ist es unabdingbar, dass der Patient seine Widerstände überwindet.

    Davanloo war aufgrund seiner intensiven Forschungsarbeit überzeugt, dass für eine spezielle Gruppe von Patienten mit einer kürzeren Form der psychoanalytischen Behandlung eine erfolgreiche Therapie möglich ist.

    1973 traf er Sifneos und ein Jahr später Malan und konnte sich über die neuen Entwicklungen mit ihnen austauschen. 1975 fand in Montreal das 1. Internationale Symposium über dynamische Kurzzeitpsychotherapie statt. Davanloos Buch „Basic Principles and Techniques in Short-term Dynamic Psychotherapy" (1978) basiert auf den Tagungsbeiträgen. Neben Davanloo stellten Sifneos, Malan, Strupp, Mann u. a. vor 600 Teilnehmern ihre Arbeit vor. Die Vorträge wurden ergänzt durch die Präsentation von Videoaufnahmen der Therapiesitzungen – eine für die Zuhörerschaft sicher sehr aufwühlende Tagung.

    Auf diesem Symposium stellte Davanloo die Ergebnisse seines von 1963–1974 dauernden Forschungsprojekts mit 575 Patienten vor. Er hatte wichtige Kriterien für die Auswahl der Patienten für seine spezifische Psychotherapiemethode definiert. 130 Patienten erfüllten diese Kriterien und von diesen konnten 115 erfolgreich mit KZT behandelt werden – mit durchschnittlich 20 Sitzungen (Davanloo 1978).

    Die Auswahlkriterien beinhalteten neben der Diagnose mit klinischen, dynamischen und genetischen Gesichtspunkten eine psychotherapeutische Evaluation, die die Ich-Funktion, die Struktur von Es und Über-Ich, die Übertragung und die Gegenübertragung einschließt. Die Psychodynamik des Problems solle identifiziert und verstanden werden.

    Bereits damals war es Davanloo gelungen, durch konsequente Arbeit an den Widerständen in der Übertragung die therapeutische Allianz auch im Unbewussten zu fördern und das Unbewusste des Patienten zu erschließen, d. h. einen Durchbruch ins Unbewusste zu erreichen. Nach einem Durchbruch war – mit dem Patienten zusammen – eine ausführliche Beschreibung der bewussten und unbewussten Strukturen und der Dynamik der Störungen möglich. Davanloo konnte zeigen, dass bereits im Erstinterview ein weitgehendes Bild der psychischen Landschaft und der Strukturen aufgedeckt werden kann.

    Es ergab sich ein ermutigendes Resümee und zugleich ein revolutionärer Neubeginn für die Kurzzeittherapie: Davanloo konnte nachweisen, dass auch Patienten mit schweren neurotischen Störungen (mit Phobien, Zwängen, Angst- und Panikerkrankung und Depression) und tief verwurzelten neurotischen Verhaltensweisen mit IS-TDP erfolgreich behandelt werden können.

    Mit neu definierten Kriterien formulierte Davanloo in den 1980er Jahren das „Spektrum der psychoneurotischen Störungen" mit 5 Gruppen, die sich v. a. durch das unterschiedliche Ausmaß von Charakter- und Symptomstörungen und unterschiedlich starker Ausprägung von Widerständen unterscheiden (Davanloo 2001) (s. Kap. 2).

    Patienten mit Kontraindikationen wie z. B. mit schweren psychosomatischen Erkrankungen im akuten Stadium (z. B. akuter Schub einer Colitis ulcerosa, akut exazerbiertes Asthma bronchiale), Psychosen, Psychopathie und Drogenabhängigkeit wurden von der Behandlung mit IS-TDP ausgeschlossen.

    Auf zahlreichen internationalen Kongressen stellte Davanloo seine Methode vor (u. a. Montreal 1976, Los Angeles 1977). Malan war beeindruckt von der Methode und meinte: „Freud entdeckte das Unbewusste. Davanloo entdeckte, wie es therapeutisch zu nutzen ist (New York Times, 21.11.1982). Malan äußerte sich auch Jahre später über Davanloos Arbeit: „Die Effektivität der Methode, ausgeführt von Davanloo selbst, steht außer Frage. (Malan und Osimo 1992, S. 17, Übersetzung IO), führte aber auch seine Zweifel an: „Seine Technik erfordert sehr intensives Training und Supervision, die idealerweise nur von Davanloo selbst gemacht werden kann, und die Verbreitung der Methode in der Welt ist ein langsamer Prozeß" (ebd. S. 326, Übersetzung IO). Diese Aussagen geben ein Bild davon wieder, wie die Methode, ihr Begründer und die Verbreitung beurteilt werden – mit Enthusiasmus und Skepsis.

    Weitere Veröffentlichungen folgten. „Short-term Psychodynamic Psychotherapy" mit Darstellungen seiner Arbeit mit Patienten mit komplexer Charakterpathologie und hohem Widerstand erschien 1980 (Davanloo 1980). „Unlocking the Unconscious erschien 1990 (Davanloo 1990, dt. 1995) mit ausführlichen Fallbeispielen, die durch Verbatimprotokolle den Therapieverlauf genau verfolgen lassen. Es werden therapeutische Schwerpunkte und Therapieschritte beschrieben: die Bedeutung von Übertragungsgefühlen und Widerstand (der sog „Zwillingsfaktor), die Bedeutung der therapeutischen, v. a. der unbewussten therapeutischen Allianz, die Genauigkeit bei der Diagnostik der Angststruktur (reife oder unreife Angstabfuhren), die wichtigen Interventionen, wie ‚pressure‘ (Druck), ‚challenge‘ (Herausforderung) und ‚head-on Collision‘, die im Rahmen der „Zentraldynamischen Sequenz" genutzt werden, um dem Patienten den Zugang zu seinem Unbewussten zu ermöglichen (s. Kap. 2).

    In zahlreichen Artikeln der 1986–2000 erscheinenden Zeitschrift „International Journal of Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy" wurden von Davanloo und vielen IS-TDP-Therapeuten interessante Fallberichte veröffentlicht.

    Eine umfassende Übersichtsarbeit über die IS-TDP mit zahlreichen Fallvignetten erschien 2005 im Psychiatrie-Fachbuch von Kaplan und Sadock (Davanloo 2005).

    Weitere kurzzeittherapeutische psychodynamische Behandlungskonzepte wurden ab den 1980er Jahren entwickelt, in der nunmehr dritten Generation der KZT.

    Statt der intrapsychischen Prozesse rückten nun immer mehr die interpersonalen Aspekte der Therapie in den Vordergrund (Levenson 2011, S. 29).

    In Deutschland waren es die Arbeiten von Klüwer (Frankfurt) Thomä (Ulm), Meyer (Hamburg) und Dührssen (Berlin), in der Schweiz von Beck (Basel), die die begonnenen Entwicklungen fortsetzten und modifizierten (Leuzinger-Bohleber 1985). Lester Luborsky, University of Pennsylvania, entwickelte ein Manual zur supportiv-expressiven PT (1984), in dem ausgehend von der Bedeutung und Definition des Zentralen Beziehungskonflikts die psychoanalytische Arbeit dargestellt wird. Hans Strupp, Vanderbuilt University, entwickelte sein Konzept einer zeitbegrenzten dynamischen PT (Strupp und Binder 1984) und betonte, die Entwicklungen auf dem Gebiet der KZT hätten dazu eingeladen, in Beurteilung der Langzeitpsychotherapie inklusive der Psychoanalyse „einen skeptischeren Blick auf die traditionelle Sichtweise (S. 4, Übersetzung IO) zu haben. Kritisch merkt Strupp in einer Fußnote an: „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keine eindeutige Evidenz um zu zeigen, dass es eine verlässliche Beziehung gibt zwischen der Länge einer Analyse und dem Ausmaß an Änderung durch die Therapie (S. 9, Übersetzung IO).

    Die Forschung von Strupp zeigte wiederum, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen die Bühne darstellen, auf der intrapsychische Konflikte zum Ausdruck kommen, die dann erkannt und verändert werden können (zit. nach Levenson 2011).

    Weiss und Sampson (1986) in San Francisco entwickelten die Control-Mastery-Therapy, die die Untersuchung, Klärung und Bearbeitung der Beziehungsschemata des Patienten in der Übertragung mit dem Therapeuten in den Mittelpunkt stellt.

    1.1.2 Davanloo’s Arbeit in den 1980er und 1990er Jahren

    In den 1980er und 1990er Jahren modifizierte Davanloo die Methode für die Arbeit mit fragilen Patienten, die u. a. eine niedrige Affekttoleranz und eine beeinträchtigte unbewusste Abwehrorganisation haben, und definierte ein Spektrum der fragilen Störungen. Er entwickelte seine ursprüngliche Kurzzeittherapie – nun von ihm Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie genannt – zu einer Methode weiter, die zu ‚multidimensionalen unbewussten Strukturveränderungen‘ bei Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen führt: die ‚neue Metapsychologie des Unbewussten‘ (Davanloo 2005). Auch diese Weiterentwicklung basierte auf den Erkenntnissen, die er durch das intensive Erforschen der audiovisuellen Aufnahmen seiner Patienten gewann: die Arbeit an den Widerständen, v. a. dem Widerstand gegen emotionale Nähe, die Arbeit in der Übertragung und die Bedeutung des Durchbruchs in das Unbewusste des Patienten. Eine gute Gesamtübersicht der Methodendifferenzierung findet sich bei Beeber (2018).

    Seit 1980 fanden in Montreal jährlich audiovisuelle internationale Symposien unter der Leitung von Davanloo statt mit audiovisueller Präsentation von einer Vielzahl von Patienten. In kontinuierlichen Weiterbildungskursen und Supervisionsgruppen lehrte Davanloo seine Methode seit den 1990er Jahren auch außerhalb von Kanada und USA (z. B. in den Niederlanden, der Schweiz, Italien und Deutschland). Ein neues Ausbildungssetting (Closed-Circuit Training Workshops) wurde entwickelt: die Therapiesitzung wurde per Video aufgezeichnet, zeitgleich von Davanloo (in einem anderen Raum) verfolgt und in den Pausen von ihm supervidiert – eine enorm gewinnbringende Erfahrung für alle Beteiligten! Zusätzlich wurden Möglichkeiten zur Blocktherapie für Therapeuten, v. a. aus Europa und Nordamerika, unter seiner Leitung initiiert, die ein intensives Lernen mit Selbsterfahrung ermöglichten. Es wurden Gesellschaften für IS-TDP nach Davanloo gegründet (in der Schweiz 1984, in Deutschland 1996, in Italien 1997). In deutschsprachigen Publikationen wurde die IS-TDP dargestellt (z. B. Gottwik 1996; Sporer 2005; Martius 2018).

    Die IS-TDP ist auf psychoanalytischem Boden gewachsen. Die grundlegende Beachtung von Widerstand und Übertragung gehört zum basalen Konzept. Das Konzept ist erweitert, verändert und ergänzt worden. Psychodynamische Grundkonzepte, die sich wiederfinden, sind die Bedeutung der Kindheitsgeschichte und der Entwicklung eines Menschen, die Bedeutung des Unbewussten, die Arbeit in der Übertragung, die Arbeit an den Widerständen, die Beachtung und Förderung eines tragfähigen guten therapeutischen Bündnisses. Wenig Beachtung finden die psychosexuellen Entwicklungsphasen und der Ödipuskomplex, nicht gefördert werden freie Assoziation und Regression, vermieden wird die Übertragungsneurose.

    Wesentlich ist die Betonung der Ressourcen des Patienten und der therapeutischen Allianz. Der Therapeut ist aktiv am Prozess beteiligt, indem er z. B. den Patienten mit den Folgen seiner Widerstände – in seinem Leben und in der Therapie – konfrontiert. Dabei ist der Respekt vor dem Patienten hoch, nicht jedoch der Respekt gegenüber den Widerständen des Patienten. Die Arbeit ist sehr emotionsfokussiert.

    1.2 Gegenwart

    Inzwischen gibt es die 4. Generation von psychodynamisch arbeitenden Kurzzeittherapeuten (zusammengefasst von Levenson 2011). Bei den neueren Therapieansätzen werden oft unterschiedliche Theorien integriert. Viele dieser Methoden integrieren auch Bestandteile der IS-TDP in ihre Konzepte. Ein Schwerpunkt der therapeutischen Verfahren liegt auf experientiellen, erlebnisorientierten Herangehensweisen. Affektive Komponenten stehen mehr im Vordergrund als kognitive Einsichten. Dies ist ein zentraler Baustein der Metapsychologie von Davanloos IS-TDP.

    An neueren Konzepten sind zu nennen:

    Levenson (1995) Time-limited Dynamic Psychotherapy (Zeitbegrenzte Dynamische Psychotherapie)

    Mccullough Vaillant (1997) Short-term anxiety regulating Psychotherapy (Angstregulierende KZT)

    Magnavita (1997) Personality-guided relational Psychotherapy

    Fosha (2000) Accelerated Experiential Dynamic Psychotherapy (Beschleunigte dynamisch-experientielle Therapie)

    Safran und Muran (2000) Brief Relational Therapy (Relationale KZT).

    Die Verbreitung der IS-TDP hat in den letzten Jahren bei einigen Psychotherapeuten zu modifizierten Anwendungen für eine Vielzahl von Patienten geführt. In der Folge gibt es inzwischen verschiedene IS-TDP-Ausformungen. So wird die IS-TDP an einer psychiatrischen Klinik in Halifax (Kanada) auch bei schwerkranken Patienten v. a. mit der Arbeit an der Angststruktur eingesetzt und auch in Studien ausgewertet (Abbass 2012). Die Anwendung der modifizierten Methode mit 7 Fallbeispielen wurde von Malan und Coughlin Della Selva (2007) beschrieben. Eine ausführliche Methodendarstellung mit Fallbeispielen findet sich bei Ten-Have de Labije und Neborsky (2012).

    In der S3-Leitlinie zur unipolaren Depression ist die IS-TDP als effektive Therapiemethode gelistet (S3-Leitlinie Depression 2015, S. 104).

    Auf nationalen und internationalen Kongressen wird von Dozenten und Dozentinnen der Deutschen Gesellschaft die IS-TDP nach Davanloo in Workshops mit audiovisuellen Präsentationen vorgestellt (z. B. DGPM-Tagungen, Lindauer Psychotherapiewochen, Erfurter Psychotherapietage, Lübecker Psychotherapietage, Congress of the European Association of Psychosomatic Medicine).

    In der deutschen Arbeitsgruppe werden wissenschaftliche Auswertungen der Arbeit mit IS-TDP erarbeitet und veröffentlicht, z. B. in einer Dissertation (Kässer 2002) und in einer Masterarbeit an der Internationalen Psychoanalytischen Universität in Berlin (Vortisch 2016) (s. Kap.7).

    Was haben nun die 4. Generation der psychodynamisch orientierten KZT und die IS-TDP gemeinsam? Erstaunlicherweise mehr als zu erwarten war: Die experientielle affektive Bezogenheit in vielen Therapiemethoden macht die IS-TDP hochaktuell, denn hier ist das affektive Erleben über neurobiologische Bahnen besonders wichtig. Die Arbeit in der IS-TDP ist charakterisiert durch eine genaue Definition von Gefühlen und den besonderen Stellenwert der Schuldgefühle.

    Davanloo ist weiterhin aktiv und hat 2007 in Montreal ein Weiterbildungsprogramm begonnen, das für Therapeuten die Möglichkeit eröffnet, sich in den Montreal Closed-Circuit Experiential Training Workshops einer vertieften Mobilisierung ihres eigenen unbewussten Systems zu öffnen. Diese Workshops finden unter seiner Supervision statt. Dabei hat sich das Konzept der IS-TDP nochmals erweitert, verfeinert und verändert. Die intensive Arbeit spiegelt sich wider in den neuen Begriffen der ausgedehnten Mobilisierung des Unbewussten (Major Mobilization of the Unconscious), dem totalen Beseitigen des Widerstands (Total Removal of the Resistance) und den multidimensionalen Strukturveränderungen – Begriffe, die auch die praktische Bedeutung der Schwerpunkte der therapeutischen Arbeit in den Mittelpunkt stellen. Es handelt sich um „work in progress", in der von Davanloo viele Erkenntnisse aus den letzten Jahrzehnten implementiert werden. Auch die Behandlung von jungen Patienten mit IS-TDP ist möglich: Schmitt et al. beschreibt die IS-TDP-Behandlung einer jugendlichen Patientin (Schmitt 2018; Hickey 2018).

    Hickey (2017) beschreibt ausführlich die neu gewonnenen Erkenntnisse und Konzepte Davanloos aus den letzten 10 Jahren, die in diesen Workshops erarbeitet werden. Dabei sind das Erkennen und die Bedeutung der Vermeidung einer Übertragungsneurose wesentliche therapeutische Schwerpunkte (Beeber 2016b; Ostertag und Firouz-Petermann 2016). Die Bedeutung der Übertragung wird nochmals stärker betont, v. a. der Widerstand in der Übertragung, der als Übertragungskomponente des Widerstands bezeichnet wird (Transference Component of the Resistance). Projektive Ängste, auch aufseiten der Therapeuten, und die Vermischung von unbewussten Wut- und Schuldgefühlen beim Patienten, die den Boden bereiten für seine Störungen und Probleme, werden in der Arbeit besonders beachtet. Die destruktiven Kräfte von Übertragungsneurosen und von transgenerational weitergegebenen Neurosen und/oder Traumata sind zentrale Themen in der Arbeit.

    In der Einteilung der psychischen Störungen wird heute der Zeitpunkt der Traumatisierung (vor und nach dem 4. Lebensjahr) als wichtiger Hinweis für den Schweregrad der Störung gesehen und hervorgehoben (Davanloo 2012) – mit daraus abzuleitenden Konsequenzen für das therapeutische Vorgehen. Erfolgte die Traumatisierung vor dem 4. Lebensjahr, ist der Therapieprozess komplizierter durch eine starke Fusion von Wut- und Schuldgefühlen, durch eine strukturelle Schädigung des Abwehrsystems (mit malignen Abwehren) und durch einen hohen Widerstand in der Übertragung, besonders dann, wenn eine Übertragungsneurose vorliegt. Für die Therapie bedeutet dies, dass ein hoher Anstieg der Übertragungskomponente des Widerstands und umfangreiche multidimensionale Strukturveränderungen erreicht werden sollten, um erfolgreich mit dem Patienten zu arbeiten (Beeber 2018).

    Forschungsergebnisse der letzten Jahre, z. B. der Bindungsforschung und der Neurobiologie, passen zu dieser Einteilung der Störungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Traumata. Je früher eine Traumatisierung stattgefunden hat oder bereits transgenerational weitergegeben wurde, umso schwerwiegender sind die Folgen, da die Entwicklung der neurobiologischen Strukturen und damit die Regulation von Gefühlen und Verhaltensmustern beeinflusst werden durch die frühe emotionale, sehr verletzliche Bindung des Kindes an die Bezugspersonen (Bowlby 1976). Auch die Weitergabe von Bindungsmustern über Generationen hinweg ist untersucht (Benoit und Parker, zit. nach Roth und Strüber 2014).

    Die Akzeptanz der psychodynamischen Kurzzeittherapien für die Behandlung eines breiten Spektrums von psychischen Störungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Die IS-TDP zeichnet sich durch eine Metapsychologie aus, die in einer sehr übertragungs- und emotionsfokussierten Herangehensweise die intensive Arbeit am Unbewussten in den Mittelpunkt stellt, wie im nächsten Kapitel beschrieben wird.

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    S3 Leitlinie Unipolare Depression, Langfassung. 2. Aufl. 2015. AWMF-Register-Nr. nvl-005. www.​awmf.​org/​uploads/​tx_​szleitlinien/​nvl-005l_​S3_​Unipolare_​Depression_​2017-05.​pdf. Zugegriffen: 12. Januar 2019

    Safran JD, Muran JC (2000) Negotiating the therapeutic alliance – a relational treatment guide. Guildford Publications, New York

    Schmitt A, Clarke J, Hickey C (2018) Davanlooʼs techniques in the case of a 17-year-old with anorexia nervosa and a complex unconscious part I. Curr Psychiatry Rev 14(3): 141–145. Schardscha, Bentham Science Publishers. www.​awmf.​org/​uploads/​tx_​szleitlinien/​nvl-005l_​S3_​Unipolare_​Depression_​2017-05.​pdf

    Sporer U (2005) Videoanalyse körperlicher Signale von Gefühlen und Gefühlsvermeidungen bei der Intensiven Psychodynamischen Kurzzeittherapie nach Davanloo. In: Sulz S, Schrenker L, Schricker C (Hrsg) Die Psychotherapie entdeckt den Körper, CIP Medien, München, S. 217–232

    Strupp H, Binder J (1984) Psychotherapy in a new key. A guide to time-limited dynamic psychotherapy. Basic Books, New York

    ten Have-de Labije J, Neborsky RJ (2012) Mastering intensive short-term dynamic psychotherapy. Karnac, London

    Vortisch D (2016) Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo aus Klientensicht. Masterarbeit an der International Psychoanalytic University Berlin

    Weiss J, Sampson H (1986) The psychoanalytic process. Theory, clinical observation and empirical research. Guilford Press, New York

    Teil IEinführung in Metapsychologie und Technik der IS-TDP nach Davanloo

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 2 Theoretische Grundlagen17

    Gerda Gottwik

    Kapitel 3 Phase des Drucks47

    Irene Ostertag und Martha Weiß

    Kapitel 4 Phase der Herausforderung57

    Ursula Sporer, Frieder Tressel und Ernst Höfler

    Kapitel 5 Einstieg in die Übertragung69

    Gerhild Wagner und Amaryll Scherer

    Kapitel 6 Head-on-Collision mit dem Widerstand85

    Ingrid Orbes und Harald Posininsky

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    G. Gottwik, I. Orbes (Hrsg.)Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach DavanlooPsychotherapie: Praxishttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59036-2_2

    2. Theoretische Grundlagen

    Gerda Gottwik¹  

    (1)

    Nürnberg, Deutschland

    Gerda Gottwik

    Email: gerda.gottwik@gmx.de

    2.1 Entwicklung der IS-TDP und aktuelle Themen der Psychotherapie

    2.2 Videotechnologie

    2.3 Davanloos frühe Entdeckungen

    2.4 Davanloos „neue Metapsychologie"

    2.4.1 Struktur der Neurose

    2.5 Der Traumabegriff in der IS-TDP

    2.6 Neurotische Kernstruktur

    2.7 Schichtung des pathogenen Reservoirs des Unbewussten nach Davanloo

    2.8 Phänomenologie unbewusster psychischer Reaktionen – Psychodynamische Zusammenhänge

    2.9 Angst

    2.10 Abwehrmechanismen

    2.11 Gefühle, der „Motor" der Neurose

    2.12 Spektrum der Störungen

    2.12.1 Spektrum neurotischer Störungen nach Davanloo

    2.12.2 Spektrum fragiler Charakterstrukturen nach Davanloo

    2.13 Indikationen und Kontraindikationen

    2.14 Technik der IS-TDP

    2.15 Weitere Entwicklungen

    2.16 Übertragung–Gegenübertragung

    2.17 Zentraldynamische Sequenz („Central Dynamic Sequence")

    2.18 Ausmaß des Erschließens

    2.19 Funktionen des Erstinterviews

    2.20 Therapieprozess – Durcharbeiten des pathogenen Reservoirs

    2.21 Katamnese

    2.22 Ziele der IS-TDP

    2.23 Ethik in der IS-TDP

    2.24 Weiterbildung

    Literatur

    Trailer

    Diese Übersicht über Metapsychologie und Technik von Davanloos Intensiver Psychodynamischer Kurzzeittherapie („Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy; „IS-TDP) soll als theoretische Grundlage des Lehrbuchs dienen (1978, 1990, 2005, 2007b). Der Nutzen der Videoanalyse, die phänomenologische Diagnostik von Angst, Abwehr und verdrängten Gefühlen und die Zentraldynamische Sequenz sowie Fragen zur Weiterbildung werden dargelegt. Die Weiterentwicklung der IS-TDP in den letzten Jahren wird kurz skizziert.

    Die folgenden vier Kapitel behandeln spezifische Techniken der IS-TDP ausführlich: Druck, Herausforderung, Head-on-Collision sowie der Umgang mit der Übertragung, unterlegt von zahlreichen Fallbeispielen.

    2.1 Entwicklung der IS-TDP und aktuelle Themen der Psychotherapie

    Die Entwicklung der IS-TDP nach Davanloo von ihren Anfängen bis heute lässt sich im Zusammenhang mit der Psychoanalyse, mit Bindungstheorien, Emotionsforschung und mit neueren Erkenntnissen der Neurobiologie verstehen. Hierzu wird auf das Kap. 1 „Vergangenheit und Gegenwart" von Ostertag verwiesen.

    Aktuelle Themen der Psychotherapie

    Die moderne Psychotherapie schöpft aus einem reichhaltigen wissenschaftlichen Fundus von Grundlagenforschung und innovativen Behandlungstechniken.

    Die Videoanalyse verhilft zu verfeinerter Wahrnehmung von therapeutischen Interaktionen und Therapieprozessen.

    Die Neurowissenschaften bringen laufend neue Erkenntnisse über Anatomie und Funktion des ZNS, die das Verständnis auch für unbewusste psychische Vorgänge enorm erweitern.

    Das limbisches System dominiert über kognitive und exekutive Funktionen. Die Hervorhebung des Affektiven und Körperlichen im therapeutischen Prozess gegenüber dem Kognitiven wird somit zum entscheidenden Wirkfaktor der Psychotherapie.

    Psychoanalytische und tiefenpsychologische Therapien nutzen die operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD) und beurteilen damit Beziehungsmuster, innere Konflikte und Strukturniveaus des Patienten im Hier und Jetzt des therapeutischen Gesprächs.

    Durch Nutzung von Übertragungsphänomenen werden neurotische Konfliktsituationen reaktiviert und im Hier und Jetzt durchgearbeitet.

    Aus der Bindungsforschung ergeben sich detaillierte Erkenntnisse über die seelische Entwicklung auf dem Boden der frühen Eltern-Kind-Interaktionen.

    In den Therapien von Angsterkrankungen kommt den Expositionsbehandlungen ein besonderer Stellenwert zu.

    Seit langer Zeit hat sich eine ressourcenorientierte Haltung etabliert, in der der Patient als autonomer, erwachsener Partner gesehen und darin unterstützt wird, seine eigenen Stärken kennen und nutzen zu lernen.

    Die Psychoedukation dient der kognitiven Verarbeitung und Integration unbewusster Prozesse und damit der Erweiterung von Kompetenzen.

    Das Postulat des „mündigen Patienten" hat inzwischen in verschiedenen Bereichen der Medizin Einzug gehalten.

    All diese Aspekte werden in der IS-TDP in hohem Maße genutzt.

    2.2 Videotechnologie

    Anfang der 1960er Jahre begann Davanloo systematisch, Arzt-Patienten-Interaktionen audiovisuell aufzuzeichnen und das Filmmaterial detailliert zu analysieren.

    Die Videodokumentation und nachträgliche wissenschaftliche Auswertung der Therapeuten-Patienten-Interaktionen stellte eine bahnbrechende Neuerung für die Entwicklung der Psychotherapie dar. So konnten der Zustand, die Reaktion und die Belastbarkeit eines Patienten im Hier und Jetzt der therapeutischen Situation mit großer Präzision und Differenziertheit erkannt und benannt werden. Daraus entwickelte Davanloo technische Interventionen, die bereits im Erstinterview eine Überwindung der Widerstände bewirken. So ist es möglich, in kurzer Zeit die Beseitigung neurotischer Symptome zu erzielen und bei Defiziten in der Persönlichkeitsstruktur zunächst einen Strukturaufbau zu erreichen. Aktuell werden Videos regelmäßig mit Patienten gemeinsam analysiert. Es zeigt sich, dass damit die therapeutische Allianz und die Autonomie des Patienten gestärkt, Einsichten in die Dynamik bei Patient und Therapeut vertieft werden und dass es verstärkt zu multidimensionalen Strukturveränderungen kommt.

    2.3 Davanloos frühe Entdeckungen

    Zunächst bemerkte Davanloo, dass seine durch Videoanalyse geschulte erhöhte Aufmerksamkeit und Präzision sich intensivierend auf die Beziehung auswirkte. Die Übertragung wurde auf tiefer Ebene emotional gefördert. Dadurch tauchten laufend neue Widerstände in der therapeutischen Beziehung auf. Für den engen Zusammenhang zwischen Übertragung und Widerstand prägte Davanloo die Bezeichnung „Twinfactor":

    Twinfaktor: Übertragung/Widerstand

    Die therapeutische Beziehung mobilisiert Übertragungsgefühle, die unbewusst Angst machen und zu vermehrten Widerständen führen (Davanloo 1986).

    Triplefaktor: Übertragung/Widerstand/unbewusste therapeutische Allianz

    Persistierender Druck auf Übertragungsgefühle und auf die Übertragungskomponente des Widerstandes bringt schließlich die Widerstände zur Erschöpfung. Daraufhin kommt es zum Erleben intensiver Übertragungsgefühle, was wiederum mithilfe der unbewussten therapeutischen Allianz („Unconscious Therapeutic Alliance"; Davanloo 1987d, 1989a, 2001) zum Erschließen des Unbewussten („Unlocking of the Unconscious") (Davanloo 1975, 1990, 2005) führt.

    Das Ausmaß des Erschließens, ob „First Breakthrough, Partial, Major" oder „Extended Major Unlocking of the Unconscious" wird vom Kräfteverhältnis zwischen unbewusster therapeutischer Allianz und Widerständen bestimmt. Je mehr Anteile der Charakterabwehr als Widerstand auf den Therapeuten gerichtet werden, umso breiter wird der Zugang zum Unbewussten.

    Davanloo stellte 1975, 1976 und 1978 diese Arbeit auf drei internationalen Tagungen der Fachwelt vor.

    Davanloos intensive psychodynamische Kurzzeittherapie

    Als Ergebnis des Erschließens und des anschließenden Durcharbeitens des Unbewussten verschwanden neurotische Symptome nach einer oder nach wenigen Sitzungen. Auch Charakterstörungen weichten auf und konnten im Rahmen einer Kurzzeittherapie bis zu 40 h verändert werden. Bei hochgradigen, eingefahrenen Persönlichkeitsstörungen mit strukturellen Defiziten (mangelnde Ich-Stärke, Fragilität) verlängert sich die Dauer der Therapie in Richtung einer Art Kurzzeitanalyse auf 80‒100 oder mehr Stunden.

    „Extended Major Mobilization and Block Therapy".

    Die intensivste Form für hochgradig komplex beladene Strukturen ist die „Extended Major Mobilization of the Unconscious".

    In „Closed-Circuit Training Workshops" (CCTW) arbeiten Kollegen miteinander unter direkter Supervision von Davanloo an einer Form der Methode, durch welche Zugang zu unbewussten Strukturen und das Durcharbeiten verdrängter Gefühle noch effizienter möglich werden. Die wiederholte gemeinsame Videoanalyse ist integraler Teil dieser Arbeit (Beeber 2018, Hickey et al. 2018, Ostertag und Firouz-Petermann 2016).

    2.4 Davanloos „neue Metapsychologie"

    2.4.1 Struktur der Neurose

    Aus Davanloos Forschungsarbeit ergab sich folgendes Modell neurotischer Entwicklungen (Abb. 2.1) Struktur der pathogenen Organisation des Unbewussten nach Davanloo:

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    Abb.2.1

    Struktur der pathogenen Organisation des Unbewussten nach Davanloo (1991). (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Dr. H. Davanloo)

    Der Mensch wird geboren mit Bindung an die Mutter, die gefühlsmäßig aufgeladen ist mit zärtlicher Zuneigung, Wärme, Gehaltenwerden. Weitere wichtige Bezugspersonen der ersten Jahre kommen hinzu, verbunden auch mit anderen positiven Gefühlen, insbesondere von Anerkennung oder Bewunderung (der „Glanz im Auge der Mutter", Kohut 1971) sowie mit erotischen Liebesgefühlen.

    Verletzungen der Bindung lösen schmerzliche und wütende Gefühle aus. Bei starker und früher Verletzung haben die wütenden Gefühle primitiv-mörderische Qualität und ziehen Schuldgefühle nach sich. Wenn eine schützende und haltende Umgebung in der traumatischen Situation fehlt, können Gefühle nicht geäußert werden, sondern unterliegen der Verdrängung und bleiben demnach lebenslang gespeichert. Aus Angst vor neuen Verletzungen sowie Angst vor einer Aktivierung dieser starken, schuldbeladenen Gefühle werden verschiedene Abwehrmechanismen gebildet. Die wütenden, aber auch alle anderen Affekte lagern sich im Unbewussten ab und werden mehr und mehr von einem Panzer der Charakterabwehr in der Verdrängung gehalten. Die äußerste Schicht dieses Panzers bilden Widerstände gegen emotionale Nähe („Resistance against Emotional Closeness"; Davanloo 1990, 2005).

    2.5 Der Traumabegriff in der IS-TDP

    Davanloo kam zu einem erweiterten Verständnis des seelischen Traumas:

    Schwere seelische Traumatisierung kann durch tatsächlichen brutalen Missbrauch körperlicher oder auch sexueller Natur in der frühen Kindheit verursacht werden bzw. durch frühe tatsächliche Verluste einer Bezugsperson (Tod, räumliche Trennung). Aber es gibt auch verdeckte Traumatisierung („covert trauma): die Atmosphäre von Gewalt, der erlebte „Verlust nach Geburt eines Geschwisters oder durch die depressive Erkrankung der Bezugsperson, seelische Grausamkeit gegen das Kind oder eine Atmosphäre von Gewalt zwischen den umgebenden Erwachsenen. Das Gleiche gilt für sexuelle Gewalt: frühe Verführung durch verdeckte Erweckung von erotischen Gefühlen im Kind ist kaum zu unterscheiden von tatsächlichem sexuellen Missbrauch. Ob eine Handlung ausgeführt oder beobachtet, erinnert oder selbst vorgestellt wird, im Gehirn werden dabei immer die gleichen Signalwege aktiviert, lediglich die Stärke der Aktivierung differiert.

    In der neurobiologischen Forschung wird die Existenz von Spiegelneuronen („Mirror Neurons") diskutiert und für dieses Phänomen verantwortlich gemacht (Rizzolatti 1996).

    Gerhard Roth sprach in seinem Seminar „Das limbische System – Sitz des Psychischen bei den 55. Lindauer Psychotherapiewochen im April 2005 über das Gedächtnis: Hippokampus und umliegende Rinde legen fest, in welche „Schubladen etwas abgespeichert wird in der riesigen Großhirnrinde. Das bedeutet, dass die Wahrnehmung, die wir mit unserer Großhirnrinde tun, der Ort unseres Gedächtnisses ist, also auch der Ort der Erinnerung und auch der Ort unserer Vorstellungen. Die gleichen Bahnen und Netzwerke werden für die bewusste Vorstellung und die bewusste Erinnerung benutzt. Allerdings sind die Netzwerke bei der Wahrnehmung am deutlichsten aktiviert, weshalb Wahrnehmungen am lebhaftesten sind. Erinnerungen und Vorstellung sind blasser, weil sie nur zum Teil die entsprechenden Netzwerke aktivieren (Roth 2001, 2005b).

    Theorien, dass frühe Erinnerungen im limbischen System, in der Amygdala gespeichert sind und bei sehr frühen Erfahrungen noch nicht zu höheren Zentren gelangen, weil den zuständigen Nerven die Myelinisierung fehlt, könnten erklären, warum sehr

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