Teufelsbruch: Ein Berlin Thriller
Von Alexandra Huß
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Über dieses E-Book
Als kleiner Junge von der Mutter verlassen, macht er sich nun auf die Suche nach ihr. Sein Weg führt ihn in einen Seniorenstift, in dem er Lieselotte Rilke, eine ehemalige Kommissarin, trifft.
Die schusselige alte Dame nimmt sich seiner an, denn die beiden verbindet eine Geschichte, die besser im Verborgenen geblieben wäre.
Joshua und Liesel fliehen aus dem Johannesstift in Spandau und landen im Teufelsbruch, einem düsteren und unheilvollen Moorgebiet an der nordwestlichen Stadtgrenze zu Berlin.
Man sagt, dass niemals jemand von dort zurückgekehrt sei.
Typisches Berlin Flair, eindrucksvolle Kulisse und eine aufwühlende Story, in der man besser nicht herumgewühlt hätte.
Alexandra Huß
Alexandra Huß studierte Creative Writing und absolvierte verschiedene Praktika in der Buchbranche. Sie schreibt Kolumnen für eine spanische Zeitung. <br><br> Sie lebt mit ihrer Familie im schaurig-schönen Ruhrgebiet und verfasst unter anderem Texte für das Mallorca Magazin. In Spanien, ihrer zweiten Heimat, tankt sie Energie für neue Projekte.
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Teufelsbruch - Alexandra Huß
Alexandra Huß
Teufelsbruch
Ein Berlin-Thriller
über die Autorin
AlexProfilbild_200Alexandra Huß studierte Creative Writing und absolvierte verschiedene Praktika in der Buchbranche.
Sie lebt mit ihrer Familie im schaurig-schönen Ruhrgebiet und verfasst unter anderem Texte für Touristikportale oder Kolumnen für verschiedene Magazine.
Um Kraft für neue Projekte zu tanken, reist sie in ihre zweite Heimat Mallorca und genießt zwischen Elfen und Trollen mystische Tage auf Island.
Impressum
© 2020, hansanord Verlag
Alle Rechte für diese Ausgabe vorbehalten
Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrofilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen - nur nach Absprache und Freigabe durch den Herausgeber.
Buch ISBN: 978-3-947145-40-9
E-Book ISBN: 978-3-947145-41-6
Für Fragen und Anregungen: info@hansanord-verlag.de
Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer
Lektorat: Leonie Adam
hansanord Verlag
Johann-Biersack-Str. 9
D 82340 Feldafing
Tel.: +49 (0) 8157 9266 280
FAX: +49 (0) 8157 9266 282
info@hansanord-verlag.de
www.hansanord-verlag.de
Logo_hansanord_pos_120Die großen Flammen
So nehm’ ich denn die Finsternis und balle sie zusammen.
Und werfe sie, so weit ich kann, bis in die großen Flammen.
Die ich noch nicht gesehen habe. Und die doch da sind – irgendwo.
Lichterloh.
Paul Scheerbart
Inhalt
Prolog
Berlin-Kreuzberg, Flohmarkt am Maybachufer
Vergangenheit
Berlin-Kreuzberg, Flohmarkt am Maybachufer
Berlin-Spandau, Schönwalder Allee 26/Johannesstift
Berlin-Kreuzberg, Flohmarkt am Maybachufer
Berlin-Kreuzberg, Bergmannstraße 20
Berlin-Spandau, Schönwalder Allee 26/Johannesstift
Berlin-Kreuzberg, Bergmannstraße 20
Berlin-Spandau, Johannesstift
Erste Hinweise
Die Blumen des Bösen
Die Strategie
Die Blumen des Bösen
Bergmannstraße 20, Kreuzberg
Die Blumen des Bösen
Pinkernells Whisky Market
Die Blumen des Bösen
Die Verse
Die Blumen des Bösen
Die Verse/2
Die Blumen des Bösen
Die Verse/3
Die Blumen des Bösen
Pinkernells Whisky Market
Die Karten und der grüne Koffer
Joshua
Die Karten und der grüne Koffer/1
Der Knabe im Moor
Epilog
Prolog
Die stillen, aber sonderbaren Geräusche der Natur werden unterbrochen vom dumpfen Lärm einer Baustelle, die irgendwo in der Ferne sein muss. Ich stehe in einem Waldstück und es ist dunkel. Der Geruch ist übermächtig und während ich versuche zu begreifen, was hier los ist, halte ich mir ein Taschentuch vor die Nase.
Meine Augenlider beginnen zu zucken und ich weiß: Es passiert wieder. Ich verfalle in eine Art Trance, eine Trance, durchflutet von Erinnerungen. Langsam atme ich ein und aus, so, wie es mir mein Therapeut vermittelt hat. Ein, und wieder aus. Wie so oft sehe ich erst den weißen Schmetterling, dann das fliederfarbene Kleid meiner Mutter. Von hinten, denn sie steigt in einen Zug. Das Stimmengewirr ist unerträglich. Es ist viel zu laut auf dem Bahnsteig, laut und kühl. Viele Menschen drängen sich um mich, ich sehe lediglich ihre Beine und Bäuche. Es riecht sonderbar, nach Kohledampf und Petroleum. Mein Mund ist voller Wörter, die nicht rauskönnen. Ich drehe mich nur ganz kurz um, da ist es geschehen. Der Schmetterling ist verschwunden und meine Mutter auch. Ein Mann, den ich noch nie gesehen habe, zieht mich mit sich, einfach hinterher, so, dass ich stolpern muss. Jede meiner Poren verströmt den Geruch von Verlassenheit. Ihren Koffer, an den erinnere ich mich genau. Ein Meer an Illusionen in ihm.
Er ist grün und etwas heller.
Berlin-Kreuzberg, Flohmarkt am Maybachufer
Der Trödelmarkt am Maybachufer ist einer seiner Lieblingsorte. Wenn es ihm die Zeit erlaubt, verlässt Joshua seine Wohnung in Kreuzberg und schlendert entlang der dicht gedrängten Tische. Die bunte Mischung aus Mensch und Gegenstand fasziniert ihn jedes Mal aufs Neue. Einige Händler kennt er beim Namen, andere sind ihm fremd. An manchen Tagen lässt er sich einfach treiben und wenn er Geld übrig hat, kauft er etwas.
Eine Taschenuhr, ein altes Buch oder antike Dinge. Zunächst zählt für Josh der Geruch, anschließend die Beschaffenheit der Oberflächen. Davon weicht er nie ab, auch wenn die Verkäufer merkwürdig gucken, sobald er sich ein Buch an die Nase hält oder mit dem Finger der Maserung eines Möbelstücks folgt. Er nimmt es behutsam in Besitz und führt es in sein Leben ein, immer auf diese stets gleichbleibende Art und Weise.
Er reist in die abgegriffene Zeit der Erinnerung. Alte, verlorene Poesie.
In seiner Wohnung wimmelt es von Kuriositäten. Da ist zum Beispiel das Grammophon aus dem Jahr 1931, von dem der Verkäufer geschworen hat, es stamme aus einer verschuldeten Kaufmannsfamilie. Und tatsächlich riecht er sie, die Kaufmannshände, schwielig und grob, Hände, die zupacken, aber auch zärtlich sein können. Wie sie umsichtig eine Platte auflegen, Schellack, dick und schwarz. Der Herr des Hauses wird seine Ehefrau zum Tanz auffordern oder, bei zu viel Wein, der Melodie mit wässrigen Augen lauschen.
Es ist keine Sammelleidenschaft, nicht bei den Gegenständen. Die Fingerabdrücke. Die Abdrücke aus der Vergangenheit. Die hebt er auf, konserviert wie eine Fliege, über die ein Tropfen Harz gegossen wurde. Eine Wand in seiner Wohnung widmet er ihnen. Schwarz-weiße Daktylogramme, mit verschiedenen Methoden sichtbar gemacht, fotografiert, eingerahmt und an die Wand genagelt. Ein seltsames Hobby, sagt der Therapeut, nix Besonderes, findet Josh.
Er zieht seinen Jackenkragen hoch bis an die Ohren.
Heute regnet es und das wird laut Vorhersage in den nächsten Tagen so bleiben. Aus den Gullys steigt Dampf empor, Josh versucht, in keine Pfütze zu treten. Der Regenschirmhimmel nimmt ihm die Sicht auf die Angebote, er schlägt sich selber eine Pause vor. Am Kiosk von Ali bestellt er sich Kaffee und ein Brötchen dazu. Da die einzige überdachte Sitzbank hier von einer Gruppe Mädchen belagert wird, bleibt er stehen, zieht die Kapuze über den Kopf und beobachtet das Getümmel um sich herum. Die Wärme des Kaffeebechers tut gut, die Schrippe schmeckt labbrig und fad. Eine ältere Dame, die mit Henri diskutiert, gerät in sein Blickfeld. Henris Stand ist direkt gegenüber, er verkauft Neuware – Unterwäsche –, was leider auf Flohmärkten gang und gäbe geworden ist. Eben erklärt er ihr die Vorteile eines Mieders, woraufhin die Frau empört versucht, ihm auszuweichen. Doch nicht mit Henri, einem Gentleman par excellence: Er schildert ihr mit seinem französischen Akzent die Vorzüge, den harmonischen Gesamteindruck und die absolute Femininität des Kleidungsstücks. Und tatsächlich streicht die Frau sich mit geröteten Wangen durch ihr kurzes Haar und lächelt ihn verschmitzt, fast geheimnisvoll an.
Josh wendet sich wieder dem Kaffee zu, trinkt ihn aus und wirft den leeren Becher in den Müll. Plötzlich legt jemand die Hand auf seine Schulter.
»Hey Josh. Wie läuft’s?«
Nicolas, rotgesichtig und verpickelt. Er kann ihn nicht ausstehen, konnte er noch nie. Nic bestellt sich einen Tee und gesellt sich zu ihm. Josh schließt die Augen und beginnt mit den Atemübungen. Sieben Sekunden ein, drei Sekunden aus. Seelenruhig erzählt Nic ihm von seiner neuen Freundin.
»Erinnerst du dich an Lea?«, fragt er.
Lea. Die runde Lea, kommt es ihm in den Sinn. Die, die damals schon mit sämtlichen Jungen aus dem Heim in Dahlem gevögelt hat.
»Die ist so sweet«, grinst Nic und Josh sieht graue Lebensmittelreste zwischen seinen Zähnen. Es ist schade, dass er hier aufgetaucht ist. Sein Launepegel sinkt, er kriegt augenblicklich Bauchweh. Diese Alte-Heimkinder-Freunde-Scheiße kann Josh nicht gebrauchen, deshalb greift er zu einer Notlüge.
Höflich verabschiedet er sich mit der Information, einen Zahnarzttermin wahrnehmen zu müssen und dem Rat, Nicolas solle sich ebenfalls dringend einen besorgen.
Blöder Gesichtsausdruck. Augenbrauen, die nach oben schnellen, senken sich sofort wieder.
Mit einem Kopfnicken wendet er sich ab und verschwindet im Gedränge der Flohmarktbesucher.
Vergangenheit
Erst sehe ich den weißen Schmetterling, dann das fliederfarbene Kleid meiner Mutter. Von hinten, denn sie steigt in einen Zug. Das Stimmengewirr ist unerträglich. Es ist viel zu laut auf dem Bahnsteig, laut und kühl. Viele Menschen drängen sich um mich, ich sehe lediglich ihre Beine und Bäuche. Es riecht sonderbar, nach Kohledampf und Petroleum. Mein Mund ist voller Wörter, die nicht rauskönnen. Ich drehe mich nur ganz kurz um, da ist es geschehen: Der Schmetterling ist verschwunden und meine Mutter auch.
Ich habe vom ständigen Stolpern und Hinfallen aufgeratschte Knie. Der fremde Mann gibt mich an der Pforte zum Kinderheim ab. Gibt mich ab wie einen Hund im Tierheim. Sein fester Händedruck quetscht meine kleine Hand ein und ich sehe zu ihm auf.
Grauer, langer Bart. Er trägt einen schmuddeligen Hut und hat eine raue, harte Stimme.
Er beachtet mich gar nicht und redet eindringlich mit der Schwester. Es sind keine schönen Worte, sie klingen trotz des versuchten Flüsterns grob und beleidigend. Ob er Mutter damit meint, wenn er „die Verrückte" sagt? Dann fällt sein Blick auf mich, unfreundlich, lieblos, er lässt meine Hand los, dreht sich um und verschwindet im Großstadtdschungel. Nun stehe ich da, verlassen, ich friere, nicht bloß äußerlich. Ich schaue auf die blaugequetschten Finger, die blutige Verletzung am Ringfinger spüre ich kaum.
Ich finde mich in einem großen, kalten Saal wieder. Überall stehen aufgereihte Betten, es riecht nach Putzmittel und Essen. Mir wird eine Pritsche zugewiesen, die mit einem weißen Laken abgedeckt ist. Da ich überhaupt nichts bei mir habe, nichts, was mir persönlich gehört, drücke ich die zusammengequetschte Hand auf das Kopfkissen. Die schmerzenden Abdrücke von diesem Mann gehören mir. Die wird mir niemand nehmen. Ich brenne sie in den Bezug ein, mein Beweis, dass ich noch da bin. Blutige Schlieren, mein ganz eigenes Kunstwerk.
Berlin-Kreuzberg, Flohmarkt am Maybachufer
Joshua steuert auf die Kottbusser Brücke zu, den schmalen Landwehrkanal im Rücken und mit Blick auf das Paul-Lincke-Ufer. Die Stände der Verkäufer drängen sich hier dicht an dicht. Die Wolken über ihm werden immer dunkler, bloß eine Schar Vögel zersplittert das Grau des Himmels. Es sind Möwen und einige Raben, die dem Regen und dem Wind trotzen. Sehnsüchtig hält er eine Weile inne, nimmt die nasse Brille ab und schaut ihrem Flug nach. In diesem Moment hört Joshua eine vertraute Stimme nach ihm rufen, er versucht, sie einzuordnen. Sie muss von links kommen, denn auf der gegenüberliegenden Seite stehen bloß zig angekettete Fahrräder. Es wird immer voller hier, Mittagszeit, und er kommt nur schwerlich voran.
»Hey, Mister Harry Potter. Du kommen schnell zu mir. Ich habe Überraschung für dich.«
Josh dreht den Kopf in die vermutete Richtung.
Mustafa rudert aufgeregt mit beiden Armen und Josh quetscht sich durch die Menge bis an seinen Stand. Er trägt einen gelben Regenmantel und Gummistiefel, deren eigentlich weiße Farbe man nicht mehr erkennen kann. Sein schwarzes Haar ist nass, im Bart glitzern ein paar Regentropfen. Seine Waren: gebrauchtes Werkzeug und Handyhüllen. Er begrüßt den jungen Mann leidenschaftlich und klopft ihm auf die Brust. Dann brummt er seinem Gehilfen ein paar Worte zu und sieht Joshua strahlend an.
»Ich habe Überraschung. Du kommen mit«, sagt er und packt ihn am Arm. Sie schlängeln sich durch die Menschenmenge bis zum übernächsten Verkaufsstand.
Verwirrt lässt Joshua ihn machen, denn er hat keinen Plan, was sein Bekannter von ihm will. Er kennt Mustafa und seine Familie seit etwa drei Jahren; Mustafa besitzt den Handyshop in der Bergmannstraße, Josh hat damals ein neues Ladekabel gebraucht. Er also hin zu dem Geschäft und als er eben eintreten will, ruft jemand laut „Ausländer raus!", kurz darauf fliegt etwas Brennendes in das Schaufenster. Der Explosion folgt klirrendes Glas. Schreie. Rauch und ein fieser, senfartiger Geruch. Dann Stille. Ein raues Lachen irgendwo da draußen, Schritte, die sich eilig entfernen. Joshua reagiert intuitiv und rennt dem Geräusch hinterher. Er sieht eine schwarzgekleidete Gestalt und bekommt sie auf dem Friedrichswerderschen Friedhof zu fassen. Polizei, aus die Maus.
Das ist jetzt drei Jahre her, niemandem ist etwas Ernstes passiert, und seitdem gehört er zur Familie.
Mustafa begrüßt einen Mann am anderen Stand.
Die beiden besprechen einige Dinge auf Türkisch, dann wird Josh hinzugewunken.
»Das ist Mister Harry Potter«, witzelt Mustafa, und Josh gibt dem Fremden die Hand. Dieses Pseudonym hat er ihm wegen seines Äußeren gegeben, und auch Mustafas Töchter finden, er sehe diesem Potter-Typen unheimlich ähnlich.
Ohne dass Joshua ihm seinen Namen nennt, stellt sich sein Gegenüber mit Murat vor.
»Ihr setzen, bitte setzen hier«, sagt der Mann, der eine kleine Bank auseinanderklappt.
Mit einer Tasse süßen, türkischen Tees wartet Josh darauf, dass Mustafa nun endlich, mit was