Der Mann, der aus dem Schatten kommt: Leibwächter mit Leidenschaft, Herz und Verstand
Von Rainer Schanz und Alexandra Huß
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Über dieses E-Book
Rainer Schanz
Rainer Schanz begann seine Karriere bei der Polizei, bevor er zeitnah in den Bereich des Staatsschutzes wechselte. Er stand weltweit als Leibwächter an der Seite zahlreicher Politiker und Prominenter. Heute genießt er seinen Ruhestand auf Mallorca.
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Buchvorschau
Der Mann, der aus dem Schatten kommt - Rainer Schanz
Rainer Schanz
mit Alexandra Huß
Der Mann, der aus dem Schatten kommt
Leibwächter mit Leidenschaft, Herz und Verstand
Logo_hansanord_pos_120über die Autoren
Autorenbild_1Rainer Schanz begann seine Karriere bei der Polizei, bevor er zeitnah in den Bereich des Staatsschutzes wechselte. Er stand weltweit als Leibwächter an der Seite zahlreicher Politiker und Prominenter. Heute genießt er seinen Ruhestand auf Mallorca.
AlexProfilbild_150Alexandra Huß studierte Creative Writing und absolvierte verschiedene Praktika in der Buchbranche.
Sie lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet und verfasst unter anderem Texte für Touristikportale.
Auf Mallorca, ihrer zweiten Heimat, tankt sie Energie für neue Projekte.
IMPRESSUM
1. Auflage 2021
© 2021 by hansanord Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages nicht zulässig und daher strafbar. Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN E-Book: 978-3-947145-53-9
ISBN Buch: 978-3-941745-52-2
Cover | Umschlag: Marc-Torben Fischer
Coverfoto: Fotostudio Urbschal Berlin
Lektorat: Ute Wielandt
Für Fragen und Anregungen: info@hansanord-verlag.de
Fordern Sie unser Verlagsprogramm an: vp@hansanord-verlag.de
hansanord Verlag
Johann-Biersack-Strasse 9
D 82340 Feldafing
Tel. +49 (0) 8157 9266 280
FAX: +49 (0) 8157 9266 282
info@hansanord-verlag.de
www.hansanord-verlag.de
Logo_hansanord_pos_120Widmung an meinen Vater
Ich widme dieses Buch dem wunderbarsten und großartigsten Menschen,
den ich kennenlernen und lieben durfte, meinem Vater.
Danke für alles,
dein Sohn.
1mein Vater Werner Schanz
Inhaltsverzeichnis
Widmung an meinen Vater
Vorwort Walter Momper
Vorwort
Erinnerungen
Tag der Deutschen Einheit/Managua 1990
Der Anschlag in Kabul 2007
Mein beruflicher Werdegang oder wie alles begann
Operation Afghanistan
Beim Papst
Werner Sonne
Bilderberg-Konferenz
Agentenaustausch
Willy Brandt
Die Akte meines Großvaters
Israel
Christian
Mit Angela Merkel in Grönland
Oktober 2006 – Merkel feat. Erdoğan
Bier und Wodka für die Chinesen
Mein VFL Bochum 1848
Meine Zeit mit Gerhard Schröder
Otto Schily
Dustin – Vater und Sohn, ein persönlicher Brief
Nachwort
Danksagung
Bilder
Vorwort Walter Momper
»Herr Schanz war in all den Jahren, die er mich als Personenschützer begleitet hat, ein angenehmer und unterhaltsamer Weggefährte. Natürlich passte er hauptsächlich auf mich auf, damit mir nichts geschah und keiner mir zu nahe kam. Da hat es schon ein paar Gelegenheiten in den Jahren gegeben. Darüber hinaus war er stets humorvoll und witzig, konnte sich auch selbstkritisch sehen. Er hat stets mehr geleistet, als es seine Dienstpflichtvon ihm verlangte. Gerade das Menschliche, Witzige und Angenehme hat ihn zu einem netten Begleiter in all den Jahren gemacht.
Walter Momper.«
Vorwort
Dieses Buch ist der Spiegel meiner Seele. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, der ich mich mit Herz, Verstand und Leidenschaft verschrieben habe.
Willkommen auf der Bühne, die wesentliche Bereiche und Kapitel aus meinem Leben darstellt.
Vorhang auf!
Rainer Schanz
Erinnerungen
Ein spanischer Morgen von vielen.
Vor dem Fenster zeigte sich der Herbst von seiner schönsten Seite, nach dem langen, trockenen Sommer blühte die Insel Mallorca auf. Der Wind wehte mild über die Ebene, auf der ein paar Olivenbäume standen, und die Wolken, die aus Nordosten heranzogen, kündigten die ersehnten Regenfälle an.
In der Küche lief die zweite Ladung Kaffee durch die Maschine, meine Frau duschte, am Tisch saß meine Tochter Viktoria über den Hausaufgaben,die sie schon gestern fertigstellen sollte.
»Ich hab keinen Bock mehr auf Schule«, schimpfte sie und kaute auf einem Bleistift herum, »die Aufgabe ist doof. Wir haben in Politik Fragen ausgelost. Aber du müsstest sie eigentlich beantworten können.«
Viktoria besuchte die internationale Waldorfschule, und eigentlich ging sie sehr gerne dorthin.
Sie sah mich auffordernd an.
»Es sind deine Hausaufgaben«, sagte ich matt, warf aber dennoch einen Blick in das Schulheft.
Was bedeutet Staatsschutz im Zusammenhang mit Polizeiarbeit?
Ich runzelte die Stirn, zog den Stuhl hervor und setzte mich zu ihr. Fast mein ganzes Leben hatte ich mich dem Wort mit zwölf Buchstaben(Staatsschutz) gewidmet, erst als Polizeibeamter im Dienst der Einsatzbereitschaft, dann beim polizeilichen Staatsschutz in Berlin. Es folgte der Personenschutz für die Botschafter der deutschen Vertretungen in Nicaragua und der Türkei. Nach den Auslandseinsätzen wechselte ich zeitnah vom mittleren in den gehobenen Polizeidienst und zu guter Letzt verschlug es mich zum Bundesnachrichtendienst. Ich nahm meiner Tochter den Stift aus dem Mund und drückte ihn ihr in die Hand.
»Dann schreib mit und höre genau zu. Die Hauptfunktion der Behörden, die dem Staatsschutz dienen, besteht darin, Bestand, Institutionen, Symbole und Werte der Bundesrepublik Deutschland vor zerstörerischen Einwirkungen, also beispielsweise vor bestimmten Delikten des Strafrechts, zu schützen. Verstehst du, was ich meine?« Viktoria nickte halbherzig und ich stupste sie an.
»Dabei gilt es, Bedrohungen, die von innen oder außen auf den Staatskörper einwirken, frühzeitig zu erkennen und effektiv zu bekämpfen.« Der Stift krakelte über das Schreibheft, ihre Zunge schaute ein Stück weit aus dem Mund. Ich trank einen Schluck Kaffee und fuhr fort.
»In Deutschland ist der Staatsschutz in einem Vier-Säulen-System aufgebaut, das folgende Elemente in sich vereint. Säule eins ist der Verfassungsschutz.
Die zuständige Behörde zur Kontrolle dieses Bereiches ist das Bundesamt für Verfassungsschutz, das mit den Landesämtern für Verfassungsschutz zusammenarbeitet. Auf Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes werden Informationen über links- oder rechtsextreme sowie islamistische oder terroristische Bestrebungen, welche die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Souveränität von Bund und Ländern unterlaufen, gesammelt.«
»Du plapperst ihr jetzt nicht die Hausaufgaben vor, die sie gestern erledigen sollte?« Meine Frau stand im Türrahmen, ihre nassen Haare versteckten sich unter einem roten Frotteehandtuch. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sie muss gleich los«, sagte ich und zeigte auf die Uhr an der Wand, »ist fast halb acht.« Wir ernteten ein Kopfschütteln und machten weiter.
Ebenso wird diese Institution unter der Schirmherrschaft vom Staatsschutz tätig, wenn auswärtige Angelegenheiten durch Gewalthandlungen gefährdet sind oder das friedliche Zusammenleben der Völker gestört werden soll. Zudem wirkt sie im Rahmen der Spionagebekämpfung mit und unterstützt den Geheim- und Sabotageschutz.
Die Informationen werden dabei mehrheitlich aus öffentlich zugänglichen Quellen gewonnen, wie etwa Zeitungsartikeln, Programmen, Flugblättern und Ähnlichem.
Säule zwei ist der Bundesnachrichtendienst, kurz BND.
Hierbei handelt es sich um den deutschen Geheimdienst, der als Instrument des Staatsschutzes belastbare Informationen bereitstellt. Insbesondere stehen dabei geplante staatlich relevante Straftaten, militärische Aspekte sowie wirtschaftlich oder technische Errungenschaften im Mittelpunkt.
Die dritte Säule ist der militärische Abschirmdienst.
Dieser deutsche Nachrichtendienst auf Bundesebene unterstützt das Bundesministerium für Verteidigung bei Belangen, die den Staatsschutz betreffen. Der MAD wird in diesem Rahmen als Verfassungsschutzbehörde tätig und dient dem Erhalt der militärischen Sicherheitsfunktion sowie der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.
Und zuletzt Säule vier, der polizeiliche Staatsschutz.
Während die ersten drei Säulen von Nachrichtendiensten besetzt werden, die vornehmlich Informationen einholen und überprüfen, um politisch motivierte Kriminalität im Voraus zu verhindern, ist sogenannter polizeilicher Staatsschutz immer dann gefragt, wenn derartige Delikte aktiv bekämpft werden sollen«, sagte ich zum Abschluss, denn damit müsste die für ein Kind schwierige Frage beantwortet sein. Sie klappte das Heft erleichtert zu, schnappte sich ihren Ranzen und verschwand im Hausflur.
»Danke, Papa«, rief sie und während Max und Lucy ihr hinterher bellten, ging ich ins Wohnzimmer.
Tag der Deutschen Einheit/Managua 1990
Alte Geschichten tauchten in meinem Kopf auf, nicht alle sind gut verlaufen.
Und während meine Frau sich fürs Büro fertig machte, legte ich
mich auf die Couch und kramte in Erinnerungen.
Es war der dritte Oktober neunzehnhundertneunzig.
Anlässlich dieses historischen Datums und der Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung
beider deutscher Staaten veranstaltete die Botschaft Managua
in Nicaragua einen Empfang der Extraklasse.
Nicaragua ist ein Staat in Zentralamerika. Er grenzt im Norden an
Honduras und im Süden an Costa Rica sowie im Westen an den Pazifik
und im Osten an die Karibik. Dort war ich als Sicherheitsbeamter zum
Auslandseinsatz an der deutschen Botschaft in Managua abgeordnet.
Der deutsche Botschafter Georg Boomgaarden lud wie gesagt zum Festakt
in das Centro Augusto Silva ein.
Vor zweitausend geladenen Gästen, wie dem gesamten diplomatischen
Corps verschiedenster Nationen, Regierungsmitgliedern, Personen des öffentlichen
Lebens und vor allem der Präsidentin Nicaraguas, Violetta Chamorro,
sollte es eine Veranstaltung werden, wie es der deutschen Geschichte
angemessen und würdig erschien.
Leider ist es anders verlaufen, als es Programm und Protokoll vorsahen.
Tage zuvor waren alle Mitarbeiter innerhalb der Botschaft mit den Vorbereitungen
zum Festakt beschäftigt, auch die, die für die Sicherheit der
deutschen Vertretung und deren Leiters verantwortlich waren.
Die Probeläufe liefen insgesamt gut und wir erhielten von verschiedensten
Quellen und Behörden alle sicherheitsrelevanten Erkenntnisse für die
Veranstaltung. Wir recherchierten auch selbst, um auf diesen Tag so professionell
wie möglich vorbereitet zu sein.
Bei einer gemeinsamen Sicherheitsbesprechung entschlossen wir uns,
dass alle Beamten des BKA und der Bundespolizei Dienst zu versehen hatten.
Genau diese Entscheidung sollte sich später als richtig erweisen.
Der Kanzler erster Klasse, der Leiter der Verwaltung, Herr Rainer Appelrath,
wurde über unser dienstliches Vorhaben in Kenntnis gesetzt.
Ich stand auf und öffnete die Schublade meines Sekretärs, in ihm befanden
sich Unterlagen aus der damaligen Zeit.
»Da habe ich dich«, sagte ich und musste lachen, denn in letzter Zeit
sprach ich öfter mit Dingen, die nicht antworten konnten.
Es war ein abgewetzter Brief, der nach dem Angriff von mir verfasst und
vom Botschafter Georg Boomgaarden unterzeichnet worden war. Ich bekam
Gänsehaut, denn die Sache hätte richtig schiefgehen können. Zudem
schnappte ich mir die dazugehörigen Zeitungsausschnitte und warf mich
wieder auf das Sofa.
Brief
Managua, 10.10.1990
Botschaft
der Bundesrepublik Deutschland
Managua
Betr.: Störung des Festaktes und des Empfanges zum Tag der Deutschen
Einheit am 03.10.1990 in Managua
Zu Beginn der Veranstaltung am 05.10.1990 gegen 19.30 Uhr konnte
bereits festgestellt werden, dass sich zwölf Personen vor dem Eingangsbereich
des Veranstaltungsortes Centro Augusto Silva aufhielten.
Die Personen konnten der linken Szene zugerechnet werden.
Da die Deutsche Botschaft mit Protestaktionen rechnen konnte, wurde
zuvor die örtl. Polizei benachrichtigt, um durch ihre Präsenz mögliche Aktionen
zu verhindern.
Es musste allerdings festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt keine
Polizei anwesend war.
Als dann ab 19.50 Uhr der Besucherandrang zunahm, wurden vor dem
Eingangsbereich Transparente ausgerollt. Diese hatten folgende Aufschrift:
Vereintes Deutschland-doppelte Ausbeutung der Dritten Welt und das Dritte
Reich eroberte mit Waffen, das vereinte Deutschland mit der Hungerwaffe.
Ferner war auch das Hakenkreuz deutlich zu erkennen.
Anzumerken sei außerdem, dass sich unter den zwölf Personen am Eingangsbereich
auch vier Nicaraguaner befanden.
Da, wie bereits erwähnt, solche Vorfälle für die Botschaft nicht ganz
unerwartet kamen, bat uns der Botschafter zuvor, gelassen zu reagieren
und nicht-gewaltsame Aktionen zu ignorieren. Während dieser Aktionen
konnte zur gleichen Zeit festgestellt werden, dass die Zufahrt zum Veranstaltungsort (2–3 km)durch eine Unzahl von brennenden Autoreifen sehr
erschwert wurde. Das stellte natürlich eine erhebliche Gefahr für die anfahrenden
Gäste da, unter anderem auch für die Präsidentin Chamorro
und weitere Regierungsmitglieder.
Gegen 21:15 Uhr waren dann ohne größere Zwischenfälle etwa 2000
Gäste im Festsaal anwesend. Unter ihnen konnten von uns vierzig weitere
Personen beobachtet werden, die ebenfalls dem oberen Personenkreis zuzurechnen
waren. Sie standen als Gruppe im vorderen Bereich zum Podium
hin.
Als dann das Abspielen unserer Nationalhymne erfolgte, störten die genannten
Personen durch das Absingen sandinistischer Lieder.
Im Anschluss daran zogen sie ihre Jacken aus und es kamen T-Shirts mit
folgender Aufschrift zur Geltung:
Deutschland muss sterben, damit wir überleben können.
Als gegen 21.20 Uhr Botschafter Boomgaarden am Rednerpult stand
und seine Rede hielt, stürmte eine Frau (Dorothea S.) auf das Podium. Sie
versuchte, den Botschafter tätlich anzugreifen und ihn vom Rednerpult zu
drängen. Daraufhin überwältigte der BKA-Beamte R. Schanz die weibliche
Person und verbrachte sie in einen Nebenraum.
Als die weibliche Person von Regierungshauptsekretär Schanz überwältigt
wurde, versuchte eine männliche Person auf das Podium zu gelangen,
dieser wurde jedoch vom HOD-Beamten (Hausordnungsdienst) Günter
B. daran gehindert und abgedrängt. Der Botschafter blieb unverletzt und
seine Ansprache sowie die Rede der Präsidentin Chamorro konnten fortgesetzt
werden. Der Zwischenfall dauerte nur wenige Sekunden und ein
weiterer reibungsloser Verlauf konnte gewährleistet werden.
Während des Zwischenfalls waren folgende Personen auf dem Podium
anwesend:
• Präsidentin Chamorro
• Botschafter Boomgaarden und Ehefrau
• StV. Heinrich Haupt
• Nic. stellvertretender Außenminister
Im Anschluss an diese Aktion verständigte der anwesende Innenminister
persönlich die Polizei und ließ einige Personen außerhalb des Veranstaltungsraumes
festnehmen.
Wie zu erfahren war, hat die Regierung aufgrund eines Kabinettsbeschlusses
(auf Drängen der Präsidentin) die Festnahme bzw. Ausweisung
der Personen erwirkt. Die Begründung lautete: Störung der öffentlichen
Ordnung. Ferner wertete die Regierung das Verhalten als Affront gegen
das Staatsoberhaupt des Gastlandes. Frau Dorothea S. und Frau Marietta
Vervest wurden am 07.10.1990 nach Panama ausgewiesen. Die Herren
Schongart und Jung sind dagegen noch in Nicaragua, da sie beide eine
Nicaragua-Residenzerlaubnis besitzen und über ihren Verbleib noch entschieden
wird. Anzumerken sei ferner, dass die Personen nach Überwältigung
der Frau Dorothea S. lautstark Folgendes äußerten:
Dafür werden wir uns rächen, ihr werdet schon sehen wie.
Die wenig zuverlässige Presse bezeichnete diese Leute als der Anarcho-Szene zugehörig. Anschließend sollte erwähnt werden, dass es bekannt
sein dürfte, dass es in Nicaragua immer noch deutsche Extremisten bis hin
zu RAF- Sympathisanten gibt, deren Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen
ist. Bitte um Überprüfung, inwieweit die genannten Personen der Szene
in der Bundesrepublik, vor allem in Berlin, zuzurechnen sind.
Pressemitteilung taz 1990
Turbulente Einheitsfeierlichkeiten
Dorothea Schulze war bei der großen Wiedervereinigungsfeier in der deutschen
Botschaft am 3. Oktober nach der Ansprache des Botschafters auf das
Podest gesprungen und hatte versucht, eine Protestbotschaft ins Mikrophon
zu brüllen. Die Niederländerin, die im Pressezentrum der Regierung in aller
Form akkreditiert ist, hatte die turbulenten Szenen fotografiert, Otmar Jung
hatte im Saal Flugblätter verteilt, Harald Schöngart hatte sich lediglich im
Umkreis einer Gruppe von Demonstranten aufgehalten, die vor dem Eingang
mit Transparenten Aufstellung genommen hatte. Beide waren bereits
auf dem Heimweg, als sich der nicht verabredete Zwischenfall ereignete. Sie
wurden zusammen mit der 25-jährigen Nicaraguanerin Enriqueta Jiron
von der Polizei aufgegriffen. Innenminister Hurtado ließ die polizeiliche
Untersuchung der Vorgänge abbrechen und erklärte die Ruhestörung zur
Staatsangelegenheit.
Ich legte den Brief zur Seite und fand mich an diesem Veranstaltungsort
wieder. Es waren keine Waffen im Spiel, doch die Sache hätte auch anders
ausgehen können.
Als die besagten Personen auf die Bühne stürmten und eine Aktivistin
versuchte, den Botschafter, der sich zu dieser Zeit am Rednerpult befand,
anzugreifen, erkannte ich die Lage sofort. Ich nahm die angreifende Person
in den Würgegriff, um die Sauerstoffzufuhr zu unterbinden, damit jede
anderweitige Aktion von ihr unterblieb.
Um die Situation im Überblick zu behalten, versuchte ich sie vom Podium
zu bringen, um so dem Fokus der Presse sowie der geladenen Gäste
zu entkommen. An der Rückseite der Bühne befand sich eine Tür, ich
öffnete sie und erschrak. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass
der Raum bei dieser Veranstaltung als Umkleidekabine für die Tanzgruppe
des Abends diente. Da standen sie nun alle vor mir, ich mit der Person im
Würgegriff, die natürlich weiterhin versuchte zu schreien und sich zu wehren,
die halb nackten Mädels, die ebenfalls schrien, weil ich sie nun beim
Umkleiden störte. Nun, ich wollte die Situation bereinigen und übergab
die Störerin kurze Zeit später der eintreffenden örtlichen Polizei. Im Anschluss
daran begab ich mich auf direktem Weg zum Botschafter, um mir
einen erneuten Überblick über die Sachlage zu verschaffen. Ich war voller
Adrenalin, es hätte passieren können, was wolle, ich wäre vorbereitet gewesen.
Originalwidmung Georg Boomgaarden
»Lieber Herr Schanz,
es waren unruhige Zeiten, als ich im November 1989 – kurz nach
dem Mauerfall – in Managua eintraf. In Nicaragua standen Wahlen
bevor. Ob es wirklich freie Wahlen wurden, war noch nicht ganz klar.
In dieser unsicheren Lage war ein guter Personenschutz viel wert –
und ich hatte sofort Vertrauen in Rainer Schanz gefasst, der meine
Familie und mich gemeinsam mit dem ständigen Vertreter mit einem
gepanzerten Mercedes am Flughafen abholte. Wir hatten in der folgenden
Zeit täglich miteinander zu tun. Keiner meiner Schritte blieb
unbewacht. Allerdings kam es schon vor, dass ich mich einfach mal
aus dem Staub machte und spontan ohne Personenschutz an die
schöne Pazifikküste fuhr. Doch am Tag der Deutschen Einheit am
3. Oktober 1990 zeigte sich, dass es gute Gründe für den Schutz gab.
Aber darüber wird Rainer Schanz selbst berichten.«
Beste Grüße,
Ihr Georg Boomgaarden
PS:
Dazu aus meiner Sicht interessant: Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro
war für unsere Feier extra vorzeitig von der Vollversammlung der
Vereinten Nationen aus New York zurückgekehrt. Vier Extremisten (offenbar aus dem weiteren Sympathisanten-Umfeld der RAF) hatten sich
vor der Feier in der Küche des Centro Augusto Silva eingeschlichen. Eine
Frau (Niederländerin) stürzte auf die Bühne. Ich sah, wie meine Tochter
im Publikum unten blass wurde. Auf der Bühne saßen außer meiner Frau
und mir auch die Präsidentin, der Präsidialminister Lacayo und der Innenminister
(evtl. auch Vizepräsident Godoy?). Rainer Schanz bereinigte die
Lage. Die Frau in seinem festen Griff fing an zu kreischen. Kardinal Obando
y Bravo wandte sich an die junge Blaskapelle, die daraufhin einen Tusch
spielte. Hinter der Bühne machten sich junge Mädchen für ein Lambada-
Ballett fertig. Als Rainer Schanz die Tür öffnete, gab es dort ein erschrecktes
Kreischen. Die »Policía Sandinista« (wie sie immer noch hieß) war abwesend,
weil sie zur Trauerfeier des gerade verstorbenen Comandante
Núñez abkommandiert war. Als sie später kam, richtete sie nicht viel aus.
Dengue-Fieber
Dieser versuchte Angriff auf den Botschafter hatte zur Folge, dass unser Verhältnis
noch freundschaftlicher wurde. So kam es dazu, dass ich eine für
europäische Verhältnisse ziemlich ungewöhnliche Behandlungsmethode einer
ernsthaften Erkrankung kennenlernen durfte … aber der Reihe nach.
Im Januar 1991 befand sich der deutsche Botschafter mit seiner Familie
für einen längeren Zeitraum nicht in Nicaragua. Er bat mich, dass ich
während seiner Abwesenheit in der Residenz einzog, um sicherzustellen,
dass sich die Liegenschaft in guten Händen befand. Es war für mich eine
Selbstverständlichkeit und ich hätte niemals gewagt es abzulehnen. So zog
ich also im Januar 91 vorübergehend in die Residenz des Botschafters. Das
Haus war natürlich dem Titel und der Position des deutschen Vertreters
angemessen und repräsentativ sowie für viele Empfänge und Besuche bestens
geeignet. Ich fühlte mich sichtlich wohl und genoss es auch den ganzen Tag, dass zwei Hausdamen alles in Ordnung hielten und mich zudem
kulinarisch verwöhnten.
Es war Mitte Januar, als der zweite Golfkrieg ausbrach, und genau an
diesem Tag bekam ich sehr hohes Fieber. Ich sah noch die ersten Live-Bilder
auf CNN, aber es wurde immer schlimmer, sodass ich noch in derselben
Nacht nach den Hausdamen rief. Die Symptome, die ich zeigte, deuteten
die Frauen sofort als Dengue-Fieber. Das Dengue-Fieber ist eine
hochfieberhafte Viruserkrankung. Die Viren werden durch Stechmücken
auf den Menschen übertragen. Hauptverbreitungsgebiete sind die Tropen
und Subtropen, die Erkrankung kommt jedoch auch in anderen Regionen
vor und betraf jährlich rund 50 Millionen Menschen.
Da lag er nun, der große starke Rainer, ein wenig wimmernd und ich
hatte den Eindruck, dass sich die Hausdamen überhaupt keine Gedanken
machten, es war für sie wohl das Normalste auf der Welt. Sie versorgten
mich mit kühlen Wickeln für den Kopf und die Unterarme, es gab Wadenwickel
und sie sagten beiläufig, entweder überlebst du das oder nicht.
Wunderbar, dachte ich. Super. Ich konnte mich nicht mehr bewegen und
bekam es nun mit der Angst zu tun. Die Therapie der Damen war recht
simpel, ich musste drei Mal am Tag eine anderthalb Liter große Glaskaraffe
mit purem Limettensaft austrinken. Einige Tage später ging es mir
durchaus besser und ich kam wieder zu Kräften. Meine heutige Abneigung
gegenüber Zitronen und Limetten ist somit erklärbar und nicht zu hinterfragen.
Ich danke noch heute dem Ehepaar Boomgaarden, dass ich diese Ȋrztliche
Therapie« der einheimischen Hausdamen in ihrem Ehebett erfahren
durfte und wieder ganz gesund wurde.
Das blieb aber nicht das einzige Mal in Nicaragua, dass ich für ein paar
Momente um mein Überleben fürchten musste …
Skorpi
Vor meiner Ausreise nach Nicaragua und innerhalb der gesamten Vorbereitung
für diesen Auslandsaufenthalt hatte ich mich selbstverständlich
auch über die Tierwelt Mittelamerikas informiert. Mir