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Von Heinz Nigg
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Heinz Nigg
Heinz Nigg (born 23 August 1949) is a anthropologist and community artist living in Zurich, Switzerland
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Buchvorschau
Video - Heinz Nigg
»Ich las das Buch mit mancherlei Staunen und freute mich über die Begegnung mit diesem Lebensgang.«
Peter von Matt, Germanist und Schriftsteller
»Alles in allem kann der Autor von sich behaupten, die Start phase des Mediums Video wesentlich mitgeprägt zu haben. Das ist spannender Lesestoff, zumal er mit interessanten biografischen und zeitgeschichtlichen Informationen angereichert ist.«
Barbara Lukesch, Journalistin und Buchautorin
»Heinz Nigg lässt in seiner vielfältigen Collage auch kritische Fragen zu. Widersprüche gehören für ihn unabdingbar zum Leben. Er nimmt sie als permanente Herausforderung an. Heinz Nigg tut dies couragiert, engagiert und reflektiert. Sein Werk als Videopionier und forschender Beobachter zeugt davon.«
Ueli Mäder, Soziologe
Inhaltsverzeichnis
Aufbruch
Heranwachsen
Amerika
Wieder in Zürich
Reisetagebuch New York
Ankommen in London
Fotowerkstatt in Waterloo
Video in Notting Hill
Feldnotizen
Jugendunruhen in der Schweiz
Video für alle
Familie und Nachbarschaft
»Geben Sie jemand die Chance zu fabulieren, zu erzählen, was er sich vorstellen kann, seine Erfindungen erscheinen vorerst beliebig, ihre Mannigfaltigkeit unabsehbar; je länger wir ihm zuhören, umso erkennbarer wird das Erlebnismuster, das er umschreibt, und zwar unbewusst, denn er selbst kennt es nicht, bevor er fabuliert.«
Max Frisch
Aufbruch
Winter 1969/70. An der Uni Zürich bin ich für Geschichte eingeschrieben. Unruhig sitze ich im Kaffeehaus Odeon. Hier trifft sich Zürichs Kulturszene, linke Studis, der neue Zürcher Untergrund. Ich will weg von zu Hause, frei und unabhängig leben, studieren. In einer Zeitung sehe ich das Inserat für ein Zimmer in der Zürcher Altstadt. Wenig später ziehe ich mit meinen Habseligkeiten ein. Ein Bett, ein Schrank, ein winziger Tisch und ein gusseiserner Ofen: Das ist mein Mobiliar. In der nahen Universität verpflege ich mich. Ich mag die große Mensa mit den weiten Fenstern, mit Blick auf einen kleinen Park. Am Morgen ist es hier angenehm ruhig zum Frühstücken und Zeitunglesen. Auch am Mittag esse ich hier, oft zusammen mit anderen Studierenden, und am Abend gibts einen günstigen Mensa-Imbiss. Ich fühle mich privilegiert zu studieren, was ich will, meine Zeit nach Lust und Laune einzuteilen, auf dem Bett zu liegen und Hegels Phänomenologie des Geistes zu lesen. »Das kapiere ich schon«, denke ich. Scheitere, bin betrübt, raffe mich auf: Neues ausprobieren, mir leichtere Lektüre vornehmen. Mit Freunden und Kollegen diskutieren. Meine Neigungen, Fähigkeiten und Wünsche im Gleichgewicht halten. Fast jeden Abend bin ich in der Disco Polyfoyer. Tanzen. Freunde, Bekannte treffen. Wir wachsen zu einer Clique zusammen, machen Ausflüge, schwimmen und grillen am Katzensee. Dabei ist auch die 17-jährige Trix. Sie macht das Seminar für Lehrer*innen. Wir verlieben uns. Die erste Nacht mit einer Frau. Ich höre die Glocken des nahen Kirchturms schlagen, jede Viertelstunde. Ein Freund schenkt mir eine Portion Cannabis. Ich rauche, lege mich aufs Bett. Aus dem kleinen Kassetten-Tonbandgerät ertönt Suzanne von Leonard Cohen. Das mechanische Geräusch des Spulengeräts ist gleich intensiv wahrzunehmen wie die Musik. Ich schließe die Augen und sehe weiße Schafe auf einer Wiese weiden. Am Himmel ziehen schwarze Musiknoten vorbei. Ich öffne die Augen, betrachte den kleinen Gussofen mit seinen Rundungen. Mit Musik im Ohr und Glücksgefühlen im Bauch gehe ich in die Nacht hinaus. Die Häuser schimmern blau-rötlich. Ich spaziere zum Central-Platz, bleibe vor einer Telefonkabine stehen, öffne die Tür, greife zum Hörer, telefoniere mit Trix. Aufgeregt erzähle ich ihr von meinen neuen Wahrnehmungen und Empfindungen. Sie ist besorgt: »Das ist gefährlich!« Meine Antwort: »Es ist einfach wunderbar!« Ich lege auf, überquere den Platz, kehre zurück in die Kabine und telefoniere wieder mit Trix: »Alles okay!« Wir beenden unser Gespräch. Hellwach schlendere ich durch die Altstadt nach Hause. Im Winter trägt Trix einen bordeauxroten Mantel. Sie fährt einen kleinen Ciao-Töff, später eine Vespa. Zusammen machen wir an Pfingsten einen Ausflug zu unseren Hippie-Freunden im Tessin. Auf der Hinfahrt regnet es in Strömen. Wir übernachten in Maienfeld, Graubünden, bei Nana, meiner Großmutter. Anderntags fahren wir durch den langen San-Bernardino-Tunnel, nein, wir schweben! Mir gefällt die unkomplizierte Art von Trix, ihre Ausstrahlung, das schelmische Lachen, der liebevolle Blick. Sie ist überall dabei. Wir leben schnell, die Beziehung verändert sich, wird zu einem Auf und Ab. Nach wenigen Monaten trennen wir uns. Ich finde in Norwegen eine neue Liebe. Mache mit ihr eine Reise nach Tunesien. Diese Liebe verläuft im Sand. Ich kehre zurück. Wieder in Zürich. Wieder mit Trix. Wieder ein Paar.
Neben dem Studium male ich, für mich allein und zusammen mit einer Gruppe junger Kunstbegeisterter. In einem feuchten Keller arbeiten wir an großen Gemeinschaftsbildern auf Papier. Für unsere Malsessions erfinden wir einfache Kompositionsregeln. Wir malen bis tief in die Nacht. Im Raum nebenan übt eine Rock-Band – The Toy for Juliette. Eines Tages taucht ein junger Hippie bei uns auf. Es ist ein Malaysier chinesischer Herkunft, der über Land von Kuala Lumpur nach Europa gereist ist. Wir nehmen ihn auf, organisieren eine Unterkunft. Der Beginn einer langen Freundschaft. Ein dichtes Jahr. Ich verkehre in der Zürcher Jugendbewegung, die aus dem Globuskrawall 1968 entstanden ist, und in der Kunstszene.
Seit der Mittelschule begeistert mich die Kunst. Ich male, stelle aus, besuche Vernissagen, beteilige mich an Happenings. Uns alle beschäftigt nach 1968 eine wichtige Frage: Was ist Kunst und für wen machen wir sie? Der Einstieg ins Geschichtsstudium fällt mir leicht. Unter linken Studentinnen und Studenten ist die Arbeiterbewegung zentrales Thema. Hans-Jürg Fehr (später Nationalrat und Präsident der SP Schweiz) ist ein Mitstudent und sagt über die Stimmung am Historischen Seminar der Uni Zürich: »In der Basisgruppe Geschichte setzen wir uns als Ziel, die verkalkten Strukturen des Historischen Seminars der Uni Zürich aufzubrechen. Die Professoren langweilen uns. Wir wollen auf Inhalt und Methoden unseres Studiums Einfluss nehmen. Wir fordern die Schaffung von Tutorenstellen, sodass ältere Studierende eine Lehrfunktion für uns jüngere übernehmen können. Wir wollen die Geschichte der Arbeiter zum Thema von Forschung und Lehre machen.« So festgehalten in meinem Buch über die 68er. Über die Geschichte der Arbeiterbewegung in der Schweiz weiß ich schon einiges von Neni, meinem Großvater väterlicherseits. Er war Schlosser und ging nach der Lehre als Geselle auf Wanderschaft. In Köln kam er in linke Kreise, wurde Sozialist. Zurück in der Schweiz arbeitete er für die Rhätische Bahn in der Werkstatt in Landquart, Graubünden. Er war Gewerkschafter, Mitglied der SP und der »Naturfreunde«. Es heißt, er habe vermittelt beim Generalstreik von 1918 und so Schießereien in Landquart verhindert. Ich bin stolz auf die Arbeiterbewegung und ihre Kampftradition. Der Landesstreik von 1918 beweist: Die Arbeiterbewegung kann ihre Interessen wirksam verteidigen. Ich bin Mitglied einer autonomen Lesegruppe um Peter Niggli, den ich durch die Progressiven Mittelschüler (PMZ) kennengelernt habe. Wir treffen uns außerhalb der Uni, studieren den Band 1 von Das Kapital von Karl Marx. Wir erarbeiten uns die Grundbegriffe Produktivkraft, Produktionsverhältnisse, Mehrwert, Unter- und Überbau und beschäftigen uns mit Wirtschaftsgeschichte. Wir wollen den politischen und kulturellen Wandel in unserer Gesellschaft besser verstehen. Ich lerne, Forschungsfragen zu stellen und selbstständig zu bearbeiten. Und ich begegne Elisabeth Joris, Adrian Knöpfli, Heiner Spiess und anderen, die sich ebenfalls für wirtschaftshistorische Fragestellungen und das Studium von sozialen Bewegungen interessieren.
Heinz Nigg, Zürich 1970
Heranwachsen
Meine Mutter Anni Bernhard ist in einer ländlichen Umgebung aufgewachsen. Von ihrem Vater, einem Weinbauern in Maienfeld, Graubünden, hat sie den Blick für schöne Landschaften. Wenn wir am Sonntag als Familie rund um Zürich durch Wälder und Wiesen streifen, beschreibt sie, was sich ihr als schön, hässlich oder bemerkenswert präsentiert. Ein kleiner Hügel, der unerwartet aus herbstlichem Nebel auftaucht, kann ihr ein »Oh!« entlocken. Sie hält kurze Vorträge über Wind, Licht und Schatten. Sie mag es, wenn wir ihre Beobachtungen kommentieren. Mein Vater Max ist Sohn des bereits erwähnten Schlossers. Wir besuchen die Großeltern jeweils in den Ferien in Maienfeld. Neni ist oft in seiner Werkstatt anzutreffen, repariert alles Mögliche, ist erfinderisch. Mein Vater war das erste Kind im Dorf mit einer modernen Skibindung mit Zugspannung. Von meinem Neni entwickelt. Wenn Neni sich vor dem Spiegel in der Küche nass rasiert, singt er alte Lieder. Er ist Dirigent eines gemischten Chors und hat eine hohe, helle Stimme. Wieder zu Hause in Zürich, wenn ich in heißen Sommernächten den Schlaf nicht finde, singe ich laut vor mich hin: »Olé, olé, kauft Ananas / Olé, olé, aus Caracas« von Vico Torriani und von Caterina Valente: »Tipitipitipso, beim Calypso sind dann alle wieder froh – im schönen Mexiko!«
Mein Vater kann wunderbar dirigieren – wie einer, der Luftgitarre spielt. Wenn im Radio Orchestermusik läuft, lädt er uns Kinder zum Konzert ein. Mein ein Jahr älterer Bruder Ernst und ich sitzen auf dem Boden. Wir warten gespannt, bis Vater den Musikern das Zeichen zum Einsatz gibt. Vater trägt sein Haar mit Brillantine nach hinten gekämmt. Während des Dirigierens geraten sie ihm wild durcheinander, sodass er sie mit der jeweils frei werdenden Hand zu bändigen sucht.
Interessant ist die Herkunftsgeschichte der Familie meiner Mutter, der Familie Bernhard. Die Bernhards waren Religionsflüchtlinge aus dem katholischen Tirol in Österreich. Sie wollten sich 1727 im Städtchen Maienfeld niederlassen. Ihrem Gesuch wurde gegen ein Entgelt von 240 Gulden entsprochen. Sie konnten nun nicht mehr aus Maienfeld vertrieben werden. Von den meisten Bürgerrechten blieben sie jedoch ausgeschlossen. 1817 wird einem Bernhard endlich das volle Bürgerrecht zugesprochen. Dieser muss 1848, im Jahr der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, auch noch seinen Sohn einbürgern lassen. Dieser Sohn heißt Christian und ist mein Urgroßvater. Die Bernhards waren Bauern. Sie waren auch als Werkmeister für das Städtchen Maienfeld tätig und an der Begradigung des Rheins beteiligt.
Meine Mutter, ältestes Kind einer elfköpfigen Bauernfamilie, ist 20, als sie meinen Vater heiratet und mit ihm nach Zürich zieht, wo er als kaufmännischer Angestellter Arbeit gefunden hat. In ihrem neuen Zuhause ist sie nicht nur für die Buben und den Haushalt verantwortlich. Als gelernte Schneiderin arbeitet sie auch für verschiedene Modehäuser. Es ist Heimarbeit. Sie näht Damenkleider im Akkord. Sie werden ihr bereits zugeschnitten in Kartonschachteln nach Hause geliefert. Diese Arbeit verlangt Konzentration. Wenn Mutter an der Nähmaschine sitzt, klettern wir Knirpse auf den großen Nähhocker, umklammern ihre Achseln von hinten und schauen über ihre Schultern gebeugt zu, wie ihre Finger flink und geschickt den Stoff unter der Nadel mit dem Faden hin und her bewegen. Wir Buben stellen nach der Schule mit unserer Zeit an, was wir wollen. Wir streifen mit anderen Kindern in der Nachbarschaft herum, bauen Hütten im Wald, treiben Unfug. Einmal klingelt ein Polizist bei uns zu Hause an der Türe. Er ermahnt unsere Mutter, besser auf ihre Kinder aufzupassen. Wir hatten Streit mit einem Knaben aus der Nachbarschaft und im Zorn seinen Schlitten über einen Zaun geschmissen. Die Arbeit meines Vaters ist für uns Kinder weniger einsehbar. Er arbeitet als Vermieter bei einer Stiftung für preisgünstiges Wohnen. Dauernd läutet bei uns zu Hause das Telefon – auch während der Mittagszeit und dem Abendessen. Vater nimmt Wohnanfragen entgegen, spricht Kündigungen aus, sucht neue Mieter, lässt in Absprache mit seinem Chef und dem Architekten der Stiftung Wohnungen renovieren. Er ist auch für den Hausfrieden in den vielen Mehrfamilienhäusern der Stiftung besorgt.
Familie Nigg-Bernhard: Mutter Anni, Silvia, Heinz und Ernst
Vater Max, Ernst und Heinz
Frühjahr 1956. Mein erster Schultag. Vor uns steht die Lehrerin: Fräulein Weiss. In violetten Stöckelschuhen, in violettem Kleid, mit violetter Handtasche. »Zeichnet euren Schulweg«, ist die erste Aufgabe, die sie uns stellt. Anstatt des Schulwegs zeichne ich meine Mutter, wie sie mir aus der Wohnung nachwinkt. Das Spielen zu Hause in der Umgebung unseres Mehrfamilienhauses und in unserer Nachbarschaft mit Bäumen und Buschwerk zwischen den Blöcken interessiert mich mehr als die Schule. Mit meinem Trottinett (Tretroller) drehe ich endlos Runden in unserem Hinterhof. Ich bin mit Maxli zusammen, der im Haus vis-à-vis auch wie wir im vierten Stock wohnt. Wir bauen eine Seilbahn und schicken uns Post von Balkon zu Balkon. Manchmal besuche ich ihn. Maxli besitzt ein Terrarium mit Spinnen und zwei Blindschleichen, die er mir auf den Arm legt: »Nur keine Scheu!« Maxli ist handwerklich begabt. Ich entwickle die Ideen und er setzt sie mit mir um. Beim Bau einer Hütte gelingt es ihm, das Fenster so zu montieren, dass wir die Ankommenden – Freund und Feind – frühzeitig sehen und entsprechend begrüßen oder vertreiben können. Im nahe gelegenen bewaldeten Bachtobel erkunden wir eine alte Fabrik mit Sägedach. In der Fabrik werden Limonadegetränke hergestellt und in Flaschen mit bunten Etiketten abgefüllt. Im Auskunftsschalter in der Einfahrt zur Fabrik ist das Klirren der Flaschen auf dem Förderband zu hören. Die Luft ist erfüllt vom Duft des süßen Getränks. Die nette Empfangsdame schenkt uns Schirmmützen aus Karton mit dem Aufdruck des Logos der Firma: AGIS. Gleich um die Ecke der Fabrik geht es zur Bildhauerei Schoop. Der Künstler ist alt, dünn, drahtig und fröhlich. Die Eltern von Maxli kennen ihn. Im Vorhof der AGIS-Fabrik besitzt der Künstler am Rand einer Baumgruppe ein Freiluftatelier. Bei schönem Wetter arbeitet er hier an seinen Skulpturen. Aus Stein gehauene Tiere, Menschen, abstrakt-geometrische Formen. Er zeigt uns, wie man Steine schleift. Er gibt uns Aufträge. Stundenlang sitzen wir zu zweit an der nassen und dann wieder staubigen Arbeit. Künstler Schoop stellt auch Tonfiguren her und schenkt mir zwei kleine rot gebrannte laufende Entlein. Maxli ist mein liebster Freund. Später verlieren wir uns aus den Augen. Er wird Tierpräparator, lebt lange in Afrika und findet eine Anstellung im Zürcher Zoo. Mit der Holdener-Bande, benannt nach zwei Brüdern in unserer Nachbarschaft, richten wir im Keller eines Abbruchhauses eine Geisterbahn ein. Gegen Entgelt schieben wir unsere Kundschaft im selbstgebauten Wagen mit Kugelkopfrädern durch mehrere Kellergänge. Bis in den stockfinsteren Kühlraum der ehemaligen Metzgerei. Mit Getöse lassen wir die schwere Türe ins Schloss fallen, brechen in Höllengeschrei aus. Wir verdienen uns ein Vermögen! Wir vagabundieren am Ufer des Zürichsees, schlüpfen durch einen Gitterzaun auf das private Areal einer Kies- und Sandtransportfirma, vergnügen uns auf einem vertäuten Ruderboot, bringen es kräftig zum Schaukeln. Niemand kann schwimmen.
Ich wünsche mir sehnlichst, im Wald eine richtige Hütte zu bauen, abschließbar. Mein Vater sagt, dass ich dafür eine Bewilligung vom Forstamt brauche. Mutig gehe ich aufs städtische Amt. Frage mich zur zuständigen Person durch. Ich fülle ein Formular aus. Nach monatelangem Warten erhalte ich die Erlaubnis. Inzwischen habe ich mich neuen Abenteuern zugewandt.
In der dritten Klasse gründe ich mit Freunden einen Indianerclub. Es gibt Krieger ersten und zweiten Grades, einen Häuptling und einen Medizinmann. Ich produziere eine Zeitung für unseren Club, für jeden der sieben Indianer – leider ist keine Squaw dabei – ein von Hand gefertigtes Unikat. Die Zeitung lädt ein zur nächsten Indianerversammlung mit Statuten. Das Wort bringt mir mein Vater bei. Logo des Clubs: Tomahawk und Friedenspfeife, gekreuzt und mit Federschmuck. Auf der hintersten Seite ein Witz-Comic aus der deutschen Jugendzeitschrift Rasselbande.
Ich lese Biografien von Indianerhäuptlingen. Der Jugendschriftsteller Ernie Hearting – Pseudonym für den Basler Ernst Herzig – verfasst jedes Jahr einen historischen Roman. Das Leben der Indianerhäuptlinge Nordamerikas, verfasst in verständlicher Sprache. Ich bin regelmäßiger Besucher der Stadtbibliothek in unserer Nachbarschaft. Ich leihe mir alle Bücher von Hearting aus. »Für die reife Jugend«, vermerkt der Autor im Vorwort. Sehnsüchtig warte ich auf den nächsten Band. Unvergesslich ist mir die Biografie von Rollender Donner. Als Häuptling der Nez Percés, die in den Rocky Mountains von Idaho und Montana lebten, erklärt er 1877 den Truppen der Vereinigten Staaten den Krieg. Die Weißen hatten alle Verträge gebrochen. Gegen die Übermacht der Blauröcke konnten die Nez