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Blicke in den Spiegel: Geschichten wie gemalt
Blicke in den Spiegel: Geschichten wie gemalt
Blicke in den Spiegel: Geschichten wie gemalt
eBook163 Seiten1 Stunde

Blicke in den Spiegel: Geschichten wie gemalt

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Über dieses E-Book

Fünfundzwanzig Geschichten aus dem Alltag, aber nicht alltäglich, laden ein zum Schmunzeln, wundern und innehalten.

Da bestaunt ein junger Mann ein Naturschauspiel und eine vermeintlich misslungene Hochzeitsnacht findet ein versöhnliches Ende.

Oft sehen wir nur die Fassade, wo wir in die Herzen der Menschen blicken sollten.

Kinder stellen Fragen und weisen uns zuweilen den Weg.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Jan. 2020
ISBN9783750271456
Blicke in den Spiegel: Geschichten wie gemalt
Autor

Michael Kress

Seitdem er lesen kann, hat Michael Kress auch geschrieben. Immer wieder denkt er sich aufs Neue Geschichten aus oder greift Erlebnisse aus dem wahren Leben auf. Geboren und aufgewachsen in Stuttgart, lebt er seit vielen Jahren zusammen mit seiner Familie in Nürnberg.

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    Buchvorschau

    Blicke in den Spiegel - Michael Kress

    I Ungeheuerliches

    Die Sinne

    Die Sinne

    vergraben

    Unter einem Rausch von

    Müssen

    Sollen

    Das Leben

    Sparflamme

    Andere haben zugegriffen

    Ziehen

    Reißen

    Die Zukunft

    vergangen

    Vom Nebel verschlungen

    verpufft

    zerplatzt

    Hier sein

    Besetzt

    Dem Ellenbogen geschuldet

    schattenhaft

    vergriffen

    Der Gitarrenspieler

    Der Mann drängte durch die dicht beieinanderstehenden Körper. Gleich einem Raubtier auf der Jagd, suchten seine Augen die Flohmarktstände links und rechts ab. Ihn trieben weder Hunger noch Durst, aber aus Erfahrung wusste er, dass manchmal ein Schnäppchen zu machen war. Wie der dicke Wollmantel, der zehn Euro gekostet und ihm im Winter treue Dienste erwiesen hatte. Heute betrug sein Vermögen sechs Euro. Und anstelle des Wollmantels, der ihm im Hochsommer lästig wäre, trug er eine verblichene Jeansjacke. Die hatte er aus einem Altkleidersack genommen. Ohne Reue, denn seiner Meinung nach hatte er der Kleiderspende einen Umweg durch die Instanzen erspart.

    Wo gestresste Mütter Kinderwagen durch die Menge bugsierten, gab es Stau. Dennoch kam er am besten von allen vorwärts. Dank seiner fransigen Haare, seinem speckigen Vollbart und seiner löchrigen Leinenhose waren alle bemüht, ihm nicht zu nahe zu kommen. An manchen Stellen bildeten sie einen Korridor. Er erreichte den großen Brunnen, wo es mehr Platz gab. Manche Passanten ruhten sich auf den steinernen Umrahmungen des Brunnens aus, andere standen zusammen und sprachen miteinander, dankbar dafür, nicht ständig angerempelt zu werden.

    Horst Bohrmann blieb stehen. Leicht gebückt mit eingezogenen Schultern, immer auf der Hut. Wer ihn dastehen sah, erkannte in ihm sofort den Tippelbruder, auch wenn die obligatorische Plastiktüte fehlte. Und wenn man die Passanten fragen würde, wie alt er sei, würde ihn niemand unter sechzig schätzen. Dabei war er vierzig. Die zurückliegenden drei Jahre auf der Straße zählten eben vielfach.

    Ein Mann und ein kleines Mädchen mit lockigen Haaren kamen dicht an ihm vorbei.

    »Eine Gitarre! Eine Gitarre!«, rief das Kind. »Schau Papa, eine richtige Gitarre!«

    Horst Bohrmann folgte den Blicken des Kindes und richtig, gleich am nächsten Stand sah er sie. Inmitten alter, rostiger Türklinken und allerlei anderem, unnützen Tand lag eine Akustikgitarre. Er ging hin.

    Lange blickte er das Instrument an. Erinnerungen überkamen ihn, und die Welt, die ihn umgab, trat in den Hintergrund. Da war nur noch die Gitarre. Alle Saiten waren aufgezogen, und außer abgegriffenen Stellen am Gehäuse sah sie passabel aus. Hinter dem Tapeziertisch stand ein junger Mann. Die Nebel verschwanden und er sah den argwöhnischen Blick des Händlers.

    »Was soll die kosten?«, fragte Bohrmann.

    »Kannst dir eh nicht leisten«, gab der junge Mann mürrisch zur Antwort.

    Inzwischen hatte er die Gitarre umgehängt und ein paar Akkorde angeschlagen.

    »Fuffzig«, sagte nun der junge Mann. »Verstehen Sie was von Gitarren?«

    »Gut in Schuss«, lobte Bohrmann und legte die Gitarre sorgfältig zurück an ihren Platz. Dann kramte er einige Zeit in seinen Taschen. Zunächst legte er drei Zwei-Euro-Stücke auf den Tisch, dazu ein verbeultes Taschenmesser, immerhin ein Schweizer Taschenmesser, und einen verbogenen Schlüsselanhänger. Am Ende stülpte er seine Taschen nach außen und lächelte verlegen.

    »Mehr habe ich nicht.«

    Der junge Mann schüttelte belustigt den Kopf.

    »Hier ist kein Tauschmarkt«, sagte er und wiederholte den Preis: »Fuffzig.«

    Er zuckte resigniert mit den Schultern und packte seine Habseligkeiten ein. Dann griff er nach der Gitarre, schaute in die Runde.

    »Ist nicht«, sagte der junge Mann warnend und legte seine Hand schützend auf die Gitarre.

    Bohrmann sah ihn an. »Bis dort«, sagte er ernst und zeigte zum Brunnen. »Eine halbe Stunde.«

    Der Mann verstand nicht, zog irritiert seine Hand zurück und starrte ihm nach, wie er erneut die Gitarre aufnahm und zum Brunnen ging. Zunächst zupfte er planlos an den Saiten. Ein paar Griffe gingen daneben, bis mit einem Male eine richtige Melodie erklang.

    Der Händler fuhr zusammen, als eine Frau ihn von hinten überraschte und ihre Hände um seine Schultern legte. Wohl seine Freundin, dachte Bohrmann. Sie trug einen großen, schwarzen Filzhut. Die beiden sprachen miteinander. Er konnte sie nicht verstehen, sah nur, wie der Händler mit den Schultern zuckte und den Kopf schüttelte.

    Inzwischen waren einige Passanten stehen geblieben und sahen zu. Er spielte nochmals die gleiche Melodie, und zunächst unsicher, mit kehliger Stimme, begann er zu singen: Country roads, take me home …

    »Mensch Klasse!«, rief die junge Frau beim Händler. Sie klatschte in ihre Hände, riss ihren Hut herunter und lief zu den Passanten. Die ersten Münzen landeten im Hut. Bohrmann spielte unbeeindruckt weiter. Einen Klassiker nach dem anderen. Auf Hearts Of Gold folgte While My Guitar Gently Weeps, weitere Lieder von Cat Stevens und den Beatles. Einige klatschten begeistert im Rhythmus der Melodien mit.

    Bohrmann traten Tränen in die Augen. Das Singen fiel ihm schwerer und schwerer. Mit größter Anstrengung brachte er Streets of London hin, bevor er beim nächsten Lied abrupt abbrach. Er verbeugte sich, als stünde er auf einer Theaterbühne, und nahm den Applaus entgegen. Langsam ging er zu dem Händler. Ihm dicht auf den Fersen folgte die Frau, die immer noch Münzen einsammelte.

    Am Stand zählte sie das Geld.

    »Fast hundert Euro«, verkündigte sie freudestrahlend.

    Bohrmann stand erschöpft daneben und nahm das Geld entgegen.

    »Die gehören ihm«, sagte sie an den Händler gewandt.

    »Ich schenke ihm die Gitarre«, sagte der.

    Bohrmann schüttelte unmerklich seinen Kopf.

    »Danke. Das Geld nehme ich. Die Gitarre …« Er hielt inne. »Wohin sollte einer wie ich damit?«

    »Mit Ihrem Talent«, klagte die Frau.

    Horst Bohrmann hörte dies nicht mehr, war wieder mit der Masse eins geworden. Er trottete ein paar Meter entfernt durch die Gassen. Er spürte das Gewicht des Geldes und es machte ihn nicht froh. Vorhin, beim Spielen und Singen, da war er fast glücklich gewesen. Einen Moment lang.

    Die Hochzeitsnacht

    Die Braut lag im roten Negligé auf dem breiten Doppelbett und wartete mit geschlossenen Augen. Vor fünfzehn Minuten waren sie hochgekommen. Beide müde, beschwipst und in freudiger Erwartung. Das war ihre Hochzeitsnacht! Sie sollte schön werden.

    Frank hatte gleich die Kerzen angezündet, die in einem dreiteiligen Ständer standen und den Kronleuchter angeknipst. Im Dämmerlicht wirkte alles verträumt. In den Glaskristallen des Leuchters spiegelten sich die Kerzen. Die Rosen in der Vase, dunkle Schatten, dufteten herrlich frisch. Die lindgrüne Seidenbettwäsche versprach romantische Momente. Der Vollmond, der hoch am Himmel stand, tat sein Übriges dazu. Das Romantik-Hotel machte seinem Namen alle Ehre.

    Langsam hatten sie einander ausgezogen. Ihr Kleid war auf den Boden gefallen. Sie erkundeten den Körper des anderen und hielten inne. Sandra trug noch ihr Höschen und ihren BH, Frank nur seine Unterhose.

    »Heute keinen Quickie«, sagte sie leise. Frank nickte. So war sie ins Bad getippelt und in ihr rotes Negligé geschlüpft. Das aus Satin, mit den Rüschen, das mehr freigab als verhüllte, bei dem sie es liebte, wenn er es Stück für Stück nach oben schob, dabei ihren Körper mit Küssen erforschte.

    »Ich erwarte dich«, hatte sie geflüstert, als sie einander an der Badtür begegneten.

    Sie wartete. Ein Windhauch strich sanft über ihren Hals. Bald würden dort Franks Lippen zaubern. Sie öffnete die Augen. Die Vorhänge wogten im Wind.

    Die große Standuhr, eine Nachbildung des Big Ben in London, tickte unaufhörlich. Was machte Frank so lange im Bad? Ihr Körper war gespannt wie ein Bogen, bereit und offen für seine zärtlichen Liebkosungen. Nichts geschah. Durch das schräg stehende Fenster hörte sie gedämpft das Lachen der Hochzeitsgäste, die unten auf der Terrasse weiter feierten. Dort waren sie auf die übrig gebliebenen Gäste der anderen Hochzeit getroffen, die gleichzeitig im Haus stattfand. Braut und Bräutigam waren da längst verschwunden. Und sie hatten es dem Paar gleichgetan. Natürlich gab es zum Abschied einige anzügliche Bemerkungen.

    Sie stand auf und lief zum Bad. Als sie die Tür erreichte, kam Frank heraus. Er trug seine feuerroten Boxershorts.

    »Gleich«, hauchte sie und schob sich an ihm vorbei. Kurz den Mund ausspülen, dachte sie. Als sie zurückkam, blieb sie wie angewurzelt stehen. Frank lag seitlich auf dem Bett und schlief.

    Sie war wütend. Das sollte ihre Hochzeitsnacht sein? Ein betrunkener Bräutigam. Was war das? Schnarchte er?

    Mit erhobener Hand ging sie auf ihn zu, wollte ihm einen kräftigen Stoß geben, ließ sie unverrichteter Dinge sinken. Nein, mit einem solchen Langweiler wollte sie kein Wort wechseln, geschweige denn intime Zweisamkeit erleben. Wie Hohn klangen ihr die plumpen Späße im Ohr, die ihnen seine Freunde auf den Weg nach oben mitgegeben hatten. Wenn die sehen würden, wie Frank seine Hochzeitsnacht verschlief.

    Von Mal zu Mal wurde sein Schnarchen lauter. Sie tippte ihn an.

    Keine Reaktion!

    Das fehlte noch, dass andere ihre Schmach mitbekamen! Sandra ging erneut ins Bad und betrachtete ihr enttäuschtes Gesicht im Spiegel. Sie könnte den Zahnputzbecher mit Wasser füllen und ihm mitten … Sie brach den Gedankengang ab. Mit dem Zeigefinger strich sie ihre Wangen, den Hals entlang, bis hinunter zwischen ihre Brüste.

    Sie spürte, wie ihre Erregung anstieg.

    »Na toll, wo soll ich jetzt damit hin?«, murmelte sie, während sie dem Schnarchen ihres Angetrauten lauschte.

    Wie wohl das andere Paar seine Hochzeitsnacht verbrachte? Sie war neugierig, zwinkerte ihrem Spiegelbild zu und flüsterte: »Ich will ja nicht spannen.« Andererseits wäre das allemal besser als jetzt den Fernseher anzuschalten und irgendwelche wilden Sexorgien anzuschauen. Männer machten so was. Frank machte das.

    Sie huschte zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Schwach leuchtete ein Licht oberhalb der Fluchttür, die ins Treppenhaus führte. Sonst war es ruhig. Langsam schlich sie an den Wänden entlang. Ihr Negligé schmiegte sich an ihren Körper. Die nächste Zimmertür stand halb offen.

    Es sah unbewohnt aus. Das französische Bett war

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