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Martiniloben: oder Johnny und die Weinprobe seines Lebens
Martiniloben: oder Johnny und die Weinprobe seines Lebens
Martiniloben: oder Johnny und die Weinprobe seines Lebens
eBook401 Seiten5 Stunden

Martiniloben: oder Johnny und die Weinprobe seines Lebens

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Über dieses E-Book

Johnny Schnieglings Geburtstag steht unter keinem guten Stern: Stress in der Arbeit und eine Hiobsbotschaft am Abend lassen seine Welt an diesem Tag zusammenbrechen. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, nehmen ihn seine Freunde mit zum Martiniloben nach Österreich. Dort findet er nicht nur Abstand zu seinen Problemen, sondern auch wieder Lebensmut und eine neue Liebe. Dass er dabei neben amourösen Verwicklungen auch noch in einen mysteriösen Todesfall verwickelt wird, macht sein Abenteuer noch turbulenter! Wie gut, dass ihm seine Freunde zur Seite stehen, allen voran sein treuer Kumpel und Kollege Martin Stöcklein...
Eine unterhaltsame Geschichte mit Fränkischem und Burgenländischem Lokalkolorit und viel Wissenswertem über Wein!
SpracheDeutsch
HerausgeberSirenbooks
Erscheinungsdatum7. Jan. 2019
ISBN9783965443792
Martiniloben: oder Johnny und die Weinprobe seines Lebens

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    Buchvorschau

    Martiniloben - Kim Schmid

    Wein!

    Vorwort der Autorin

    Liebe Leserinnen und Leser,

    Ich hoffe, Sie haben viel Freude mit meiner Geschichte von Johnny und wie ein Kurzurlaub mit seinen Freunden sein Leben komplett verändert hat! Wenn Sie sich der (sprachlichen) Herausforderung gewachsen fühlen, lege ich Ihnen noch wärmstens das Vorwort von Martin Stöcklein zur Entstehungsgeschichte meines Romans ans Herz! Ansonsten überspringen Sie es einfach und starten gleich mit dem Prolog!

    Wer will, kann sich vorher noch die Übersetzungshilfen am Ende zu Gemüte führen: hier habe ich in loser Reihenfolge einige Fränkische, Österreichische und Ungarische Wörter erklärt.

    Und nun viel Vergnügen bei meiner literarischen Weinprobe!

    Ihre Kim Schmid an Martini 2018

    Vorwort von Martin Stöcklein

    Servus, zusammen,

    Wenn ich mich kurz vorstell'n derferd: Also, ich bin der Maddin. Mit hard'n „d" in der Midd'n. Gebürdiger Frange, Glubberer und wahrhafter Frauenverschdeher, aber davon schbäder mehr!

    Zuerschd amal möcherd ich euch nämlich a weng was verzähll'n, worum's in dem Büchla da geht, des wo ihr eddzerdla kafft habt und zu les'n oofangt's:

    Also, ich war neulich, also so vor a boor Johr... also damals, wo der Glubb noch in der 2. Liga g'spilld hat, ne, mit dem Dörgie  – des is' a Freind vo' mir – in dem seiner Schdammgneip'n in Nemberch, im Shiny coggdails, da wo mir ab und zu aff an so an bund'n Drink hiegenga, wenn mer uns abends nach 'm Geschäft no' dreff'n. (Also, mir däd a Seidla Bier aa reich'n, aber der Dörgie saaft halt ganz gern amal a so an coggdail, ne...) Auf jeden Fall, wie mir da so sitz'n, ne, kommt da so a Frau mit langa Hoar in die Gneip'n nei und setzt sich direkt neben uns an die Bar hie'. Der Ralf, des is' der Wirt, ne, freit sich g'scheid, weil der's anscheinend kennd, und stellt na derer Fraa aa so a grünes Gsöff hie. Ihr wisst scho': so anns mit n'erm leuchtend'n Strohhalm (deshalb hassd ja aa die Gneip'n Shiny coggdails!) und buntem G'müs am Glasrand, ne, damit's halt aa a weng schee ausschaugt, die Woar...

    Und dann redn's a weng miteinander, also der Ralf und die Fraa, dann ziechz' an läbb-dobb aus ihrer Dasch'n, stellt den vor sich hie und fängt oo, irgendwas da nei zu glopf'n. Aber nur kurz. Nach anner Weile seufz's und weiß augenscheinlich ned, was sie eddz da schreib'n soll und schaut a weng blejd in der Gegend rum. Zufällig schau'n mir aa a weng blejd, und so greuzen sich unsere Bligge wohl oder übel. Die Frau grinst a weng schief und brosted uns dann mit dem grüna Zeuch zu, des wo die drinkt. Der Dörgie - des is' a so a alter Schwerenöder – und iech brosd'n natürlich zurück und der Dörgie beugt sich glei' zu ihr 'nüber und fragt's, warum's so schaut und fängt a G'schbräch mit der oo, weil der muss ja a jede Frau anbaggern, die wo ned bei drei aff a'm Baum hoggd! A ganz a b'scheuerde Anmache ist des, aber der Dörgie kann's einfach ned lass'n, ne?

    Auf jeden Fall erfahren mir so, dass die Frau Kim heißt und an' Roman schreibt. Der Dörgie und iech finden des scho' irgendwie cool, ne? A so a Schriftschdellerin hamm mir nämlich beide no' ned kennag'lernt! Aber die Fraa, also die Kim, meint, so doll sei des eddzerdla aa wieder ned, weil' s' grad' irgendwie ka' Ahnung hat, was sie eigentlich genau schreib'n soll. Also, so ganz kongred, ne. Sie hätt da a weng a Schreibbloggade und des sei in dera Siduation dendentiell eher a weng subobdimal...

    Dörgie fragt's dann, an was sie so deng't hat, worüber s' schreib'n möchert. Also, so brinzibiell... Die Fraa überlegt a weng und meint, ihr Moo hätt g'meint, sie soll an Grimi schreib'n, weil der liest gern amal was Schbannendes, ne. Aber irgendwie moch's ned so wergli, weil mit Leich'n und Mord und Dodschlag und so hat se's eigentlich ned a so. ... A baar b'sonders G'scheide vo' ihre Freunde woll'n, dass s' was Indeleggduelles schreibt, weil' die was Ansbruchvolles les'n woll'n. Des will's aber aa ned so wergli, weil des Diefschürfende macht ihr halt aa ned so an Spaß, ne... A Freundin wollt' was mit ganz viel Lokalcolorid und a andre wollt ganz viel Dialoche, des wo die ander aber überhaupt's ned mooch... Und a g'scheide Schdorry däd ihr aa ned wergli einfall'n. Des hädd sie sich aa ned so schwer vorg'schdelld mit derer Schriftschdellerei, hat's g'sacht.

    Der Dörgie und ich überlegen uns a weng, was mer da dun könnerd'n, um dera Fraa, also der Kim, zu helfen. Weil, die is' scho ganz nedd und so und dud uns aa a weng leid! Und so b'schdell'n mir alle beim Ralf noch an so an bund'n Coggdail mit so leuchtende Strohhalme und dann noch an und noch an... aff jeden Fall wird der Abend immer lusdiger. Irgendwann kommt dann noch der Arno vorbei - des is' aa a Kumb'l vom Dörgie und mir - mit seiner karibischen Frau und der Ralf lässd a schöne Musik spiel'n und die Kim und die Marcharidda – also, des is' dem Arno sei' Frau – fanga oo zu danz'n. Und irgendwann danz'n mir dann alle, bis auf den Arno, weil der is' ned a so a geselliger Dyb, ne.

    Und nacherdla setz mer uns alle wieder hie an die Bar und der Arno fragt mich, ob ich was vom Johnny g'hörd hädd. Die Kim fragt, wer 'na dieser Johnny is'. Und ich erklär' ihr, dass des mei' bester Freind is'. Und dass der echd was erlebt hat, des kann man sich gar ned vorsschdell'n. Da stellt's aff aamol ihre Ohrwaschl'n auf und fragt, was denn dem so bassiert ist, dem Johnny. Und dann verzähll'n wir ihr des halt, wie des mit dem Johnny so war... Dass des a echt arme Sau war, weil den sei' Frau verlass'n hat, und weil er an sei'm Geboddsdoch so feddig mit die Nerven war, dass mir alle kurzerhand beschlossen hab'n, ihn aff an Kurz-Urlaub nach Österreich mitzunehma, zu dem Maddinilob'n, um ihn wieder aff andere Gedanken zu bringen, ne. Und was mir dorddn alles erlebt hab'n, ne! Des glaubt's ihr ned!

    Subber!, meint da die Kim. Des sei doch a gude Schdorry und genau des Richtige für ihren Roman. Eddzedla wissert's, was s' schreiben könnerd. Ob des für uns OK wär'. Na gloar, war des für uns OK!

    Und so is des dann g'wej'n: Die Kim hat a Büchla g'schrieben über den Johnny und unsere Reise ins Burchenland. Und wie des dann so alles war, und was mir da alles erlebt hamm...

    Also, eddzedla müsst ihr des Büchla nur noch les'n, dann wisst ihr aa Bescheid, ne!

    In diesem Sinne: immer schee sauber bleiben, ne, und

    Viel Schbaß beim Lesen!

    Euer Maddin

    Prolog

    Der Mann schlich in geduckter Haltung durch die Dunkelheit der Neumondnacht. Die wenigen Straßenlaternen warfen ein diffuses Licht auf die einsame und abgelegene Dorfstraße. Zusammen mit der dürftigen Beleuchtung beschwor der aufkommende Herbstnebel, der um diese Jahreszeit an windstillen Tagen über dem Seewinkel waberte, ein Bild gespenstischer Stille. Die Umrisse der niedrigen, umliegenden Häuser verwischten, und die reglos hängenden Äste der Weidenbäume am Straßenrand erzeugten eine beinahe unheimliche Stimmung. Wäre ihm dies nicht alles so vertraut gewesen, würde er sich direkt etwas gruseln, sinnierte der Mann. Aber eigentlich waren die Bedingungen für sein Vorhaben nahezu ideal: es war finster und noch dazu neblig! Er würde mit den Schatten verschmelzen!

    Eine Weile lang hörte er nur seinen Atem und das leise Schlurfen seines linken Beines, das er seit einem Reitunfall vor vielen Jahren immer ein wenig hinter sich her zog. Dann stutzte er. Hatte sich dort vorne etwas bewegt? Er hielt kurz inne und fokussierte seinen Blick auf die dunkle, vor ihm liegende Hausecke. Ein erstickter Schrei ließ ihn zusammenfahren. Der Mann erstarrte, doch dann entspannte er sich sogleich wieder, als er erkannte, dass nur die schwarzen Schemen einer Katze hinter einem Auto hervorgeschossen, und schon wieder in der Dunkelheit verschwunden waren. Er atmete erleichtert aus und grinste verlegen. Du lässt dich von einer Katz' ins Bockshorn jagen!, schimpfte er sich lautlos. Dann sah er sich um, vergewisserte sich, dass er weiterhin allein unterwegs war, und setzte seinen Weg durch die Dunkelheit fort.

    Von der Dorfmitte her wehten hin und wieder leise Fetzen entfernten Gelächters zu ihm herüber. Es war immer noch Saison, und auch zu später Stunde schlenderten vereinzelt Gäste die nächtliche Hauptstraße des beschaulichen Weinortes entlang, wo sich Weinkeller und Gastwirtschaften aneinander reihten. Aber diese Tatsache bereitete ihm kein Kopfzerbrechen, denn es war unwahrscheinlich, dass sich jemand um diese Zeit gerade hierhin, in die dunklen und abgelegenen Wege, verirren würde.

    Der Mann passierte die Wohnhäuser mit ihren heruntergelassenen Rollläden an den Fenstern, die neugierige Blicke in ihr Inneres trutzig verhinderten; als ob sie sich vom touristischen Trubel der ausgehenden Saison endlich erholen wollten. Dann bog er bei der nächsten Kreuzung in einen holprigen und ungeteerten Güterweg ein und schritt vorsichtig auf ein modernes Zweck-Gebäude zu, das gegenüber von einem kleinen, reetgedeckten Haus am Ende des Güterwegs lag. Der Untergrund war notdürftig mit Kieselsteinen aufgefüllt, unbefestigt und mit unzähligen Schlaglöchern übersät, in denen sich bei Regenwetter das Wasser zu großen Pfützen sammelte. Er schlich, sich hin und wieder umschauend, an der Rückseite der für die Region typischen Streckhöfe die Gasse hinunter: lange, schmale Parzellen, eingefasst mit mannshohen Mauern, die den von Osten kommenden, stürmischen Winden aus der Kleinen Ungarischen Tiefebene Widerstand boten. In diesen umschlossenen und geschützten Gärten verbargen sich oft idyllische Oasen, wie er wusste, bepflanzt mit üppigen Tomatenstauden, riesigen Sonnenblumen und Weinstöcken, die zu herrlichen Lauben empor rankten und in der Gluthitze des pannonischen Sommers seinen Bewohnern Schatten spendeten. Zugang zu den Höfen gewährten die schwere Tore in den hohen Steinmauern. Tagsüber standen sie weit offen, und die Weinbauern fuhren mit ihren Traktoren durch sie hindurch. Aber jetzt zur nächtlichen Stunde bildeten sie mit den Mauern eine schützende und geschlossene Wand, in deren Schatten sich der Mann duckte, vorsichtig darauf bedacht, nicht in die mit Wasser gefüllten Schlaglöcher zu stolpern und sich womöglich noch den Fuß zu vertreten! Das hätte ihm gerade noch gefehlt!

    Dennoch entfuhr ihm ein kurzer aber kraftvoller Fluch, als er beim Haus der alten Kroissin auf die andere Seite des Weges wechseln wollte und dabei geradewegs in eine Wasserlache trat. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse! Hoffentlich hatte sie ihn jetzt nicht bemerkt: das alte Weib hörte und sah mehr als es gut war! Er sah kurz zu ihrem Haus hinüber. Es hatte keine Rollos an den Fenstern, weshalb er mit einem raschen Blick registrierte, dass alles dunkel und still war. Dann wandte er sich wieder beruhigt um, huschte schnell weiter auf die andere Seite des Güterwegs und stand endlich an der genossenschaftlichen Abfüllanlage. Erleichtert darüber, dass er sein Ziel erreicht hatte, griff er in seine linke Hosentasche und kramte nach seinem Schlüsselbund.

    So, überlegte er, nachdem er diesen herausgezogen hatte. Welcher war nun der Richtige? ... Ja Heiliger Strohsack, war das dunkel?! Man konnte ja die eigene Hand nicht vor Augen sehen!

    Unter weiterem, leisem Fluchen probierte er einen Schlüssel nach dem anderen aus und wurde immer nervöser, je länger er sich erfolglos abmühte. Schließlich hielt er kurz inne und kratzte sich ratlos am Kopf. Jetzt verliere bloß nicht die Nerven, sondern konzentriere dich!, ermahnte er sich. Was du jetzt brauchst, ist einfach nur mehr Licht!

    Er überlegte. Sollte er die Außenbeleuchtung der Abfüllanlage anmachen? Der Schalter war gleich neben dem Tor; er bräuchte ihn nur umlegen... Er streckte bereits den Arm aus, doch noch in der Bewegung hielt er inne: nein! Keine gute Idee! Viel zu hell! Man würde den Schein der Lampe wahrscheinlich bis Neusiedl sehen. Er brauchte eine Leuchtquelle mit deutlich geringerer Strahlkraft. Ein dezenter Lichtstrahl würde genügen... Eher noch vielleicht ein kurzes Flackern... Beherzt griff er in seine andere Hosentasche, um eine Packung Zündhölzer hervorzukramen. Wie gut, dass er Zigarrenraucher war!, stellte er zufrieden grinsend fest.

    Sicherheitshalber sah er sich noch einmal rasch um, ob ihn auch wirklich niemand bemerkte, und entflammte dann etwas umständlich ein Streichholz. Endlich flackerte ein heller Schein auf die Schlüsselvielfalt, und er konnte nach kurzer Zeit den Richtigen erkennen.

    „Na also! Geht doch!", brummte er leise.

    Rasch schloss er nun das Tor auf. Dann war er auch schon in der Dunkelheit des Gebäudes verschwunden.

    ---

    Ernestine Kroiss sah auf die Uhr auf ihrem Nachttischchen: 0:22 Uhr. Sie seufzte. Das letzte mal, als sie hingesehen hatte, war es 0:15 Uhr gewesen. Die Zeit schlich nachts noch langsamer dahin als tagsüber, musste sie ein ums andere Mal feststellen. Wenn sie doch nur wieder richtig gut schlafen könnte! Es war jeden Tag dasselbe: nachts wälzte sie sich ruhelos von einer Seite zur anderen und war dann tagsüber so müde, dass sie ständig einnickte... um dann nachts wiederum nicht mehr schlafen zu können, weil sie nicht mehr müde genug war. Ein ständiger Teufelskreislauf...

    Aber es half ja eh nichts. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie jetzt doch keinen Schlaf würde finden können. Und mit Gewalt schon gar nicht! Also konnte sie sich genauso gut eine Tasse heiße Milch mit Honig machen. Vielleicht würde es dann klappen! Ernestine Kroiss richtete sich mühsam aus den warmen Bettfedern auf und verharrte einen Moment in sitzender Position, bis sich der Schwindel in ihrem Kopf legte und sie das Gefühl hatte, dass nun alle Knochen wieder an ihrem richtigen Platz waren. Dann schlüpfte sie in ihre abgenutzten Pantoffel und schlurfte aus dem Schlafzimmer hinaus auf den Flur. Licht brauchte sie keins zu machen: die Küche lag gleich ein paar Meter weiter den Gang entlang, und sie kannte sich in dem Haus, in dem sie geboren worden war und Zeit ihres Lebens gewohnt hatte, aus wie in ihrer Westentasche. Schließlich musste man ja Strom sparen! Außerdem sah sie noch sehr gut für ihr Alter. Sogar im Dunkeln! Wozu also Energie verschwenden, wenn es auch ohne ging! Ernestine Kroiss öffnete die quietschende Tür zur Küche, trat ein und tastete sich weiter bis zur Anrichte; ein Teil aus den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, das nicht besonders schön aber dafür sehr solide gebaut war! Sie bückte sich, um im Unterschrank den Simmertopf aus einem ungeordneten Sammelsurium von Küchenutensilien hervor zu kramen. Ernestine stellte ihn auf die Herdplatte und öffnete dann die Kühlschranktür, um eine Milchtüte heraus zu nehmen. Das Kühlschranklicht blendete sie, und sie musste kurz innehalten, bis sich die Augen wieder an die Dunkelheit im Raum gewöhnt hatten. Dabei sah sie beiläufig zum Fenster heraus, das den Blick auf die Halle der Füllgemeinschaft gegenüber freigab. Auf ihrer Seite des Weges gab es keine direkten Nachbarn: es gab nur das Genossenschaftshaus gegenüber und die ummauerten Gärten der Streckhöfe. Alles lag in dunkler Stille da. Ein friedliches, nahezu ausgestorbenes Bild... Aber was war das gerade? Ein Schatten bewegte sich auf das gegenüberliegende Gebäude zu... Der Blick der alten Frau folgte ihm aufmerksam. Eine Weile lang tat sich nichts.

    Dann zuckte sie zusammen: Flackerte da nicht eben ein Licht vor dem großen Tor auf? Da war doch jemand! Ernestine beugte sich neugierig ein Stück vor. Die Gestalt dort unten kam ihr bekannt vor! Das war doch der... natürlich! Unverwechselbar! Das war der... ach, jetzt fiel ihr gerade der Name nicht mehr ein... na, der... wie hieß er doch gleich wieder? Das darf doch nicht wahr sein!, schimpfte sich Ernestine im Stillen. Ihr fiel der Name einfach nicht ein! Es war schon ein Kreuz mit der Vergesslichkeit! Wäre doch ihr Gedächtnis noch so gut wie ihre Augen! Aber egal, was machte der... Dings dort an der Tür? Was hatte der denn zu so später Stunde dort noch zu schaffen? Und warum benahm er sich so sonderbar? Ernestine beobachtete gespannt, wie der Mann im Schein des flackernden Lichts das Tor zur Abfüllanlage aufschloss. Seltsam, dachte sie bei sich. Warum machte er nicht einfach die Außenbeleuchtung an? Da war doch ein Lichtschalter an der Tür! Und nun schaute er sich um, sah geradewegs zu ihrem Fenster hinauf... und verschwand schließlich im Gebäude... Warum verhielt er sich denn so komisch?... Sie würde morgen früh gleich die… na,.. seine Schwester, die Dings, anrufen und fragen, was das alles zu bedeuten hatte! Also, wie hießen die jetzt nochmal... Ja Herrschaft Donnerwetter: das gab es doch nicht, dass ihr jetzt die Namen nicht einfallen wollten!

    Ernestine Kroiss schüttelte resigniert den Kopf, wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ganz ihrer Milch zu und kramte im Oberschrank nach dem Honig. Das Glas, das sie herauszog, war praktisch leer. Sie seufzte. Wie ärgerlich: Jetzt musste sie extra aus dem Keller ein neues Glas Honig herauf holen. Sehr lästig! Aber sie konnte ja Zeit sparen und vorher noch den Simmertopf mit der Milch auf dem Herd stellen. Bis sie aus dem Keller zurück kam, wäre die Milch dann schon schön heiß!

    Ernestine schlurfte durch den Flur zur Kellertür. Sie überlegte kurz, ob sie wegen der steilen Treppe nicht lieber doch Licht machen sollte. Ach was! Wird schon nichts passieren! Also tastete sie sich im Dunkeln vorsichtig die steilen Stufen herunter, weiter zur Vorratskammer, drückte die knarrende Tür auf, spürte die vertrauten Unebenheiten des über die Jahrzehnte festgetretenen Erdbodens unter ihren Füßen und griff in das obere Regalfach, auf dem die Vorratsgläser mit dem Honig, der Marmelade und dem Eingemachten standen.

    Auf einmal schrie sie laut auf! Etwas war ihr flatternd ins Gesicht geflogen, hatte sie erschreckt, und sie verlor kurz den Halt. Reflexartig krallte sie sich mit den Fingern am nächstliegenden Regalbrett fest. Während ihr noch ärgerlich bewusst wurde, dass sie nur eine harmlose Fledermaus aufgeschreckt hatte, spürte sie auf einmal, wie sie nach hinten kippte und das Gleichgewicht verlor. Blitzschnell erkannte sie, dass sie sofort loslassen musste, wenn sie Schlimmeres verhindern wollte... Aber es war zu spät. Wie im Zeitlupentempo sah sie das Regal mitsamt allen darauf befindlichen Vorratsgläsern und Flaschen auf sich zukommen. Es geschah ganz langsam...

    „Hätte ich doch mal lieber Licht gemacht!", blitzte ein letzter Gedanke durch ihr Bewusstsein, bevor sie auf dem harten Fußboden aufschlug, das Regal samt Inhalt auf sie herabregnete und die Fledermaus panisch hin-und-her-flatterte.

    Genau ein Stockwerk über Ernestine hatte die Milch inzwischen die richtige Temperatur bereits überschritten und kroch langsam schäumend den Rand des Simmertopfes entlang hoch...

    1

    „Was haben Sie sich nur dabei gedacht?!"

    Johannes Schniegling, von seinen Freunden Johnny genannt, blickte verwirrt von seinem Schreibtisch auf. Seine Chefin war soeben energisch in sein Büro getreten, das er sich mit seinem Freund und Kollegen Martin Stöcklein teilte, und hatte sich mit verschränkten Armen vor seinem Schreibtisch aufgebaut. Ihr Blick bohrte sich dabei mit einer Mischung aus Vorwurf und Fassungslosigkeit in den seinen, was ihn nun völlig verblüffte.

    „Was meinen Sie?", fragte er verdattert nach. Es musste irgendetwas passiert sein, von dem er keine Ahnung hatte, so viel stand fest! Johnny warf einen unsicheren Blick zu Martin, der ihm gegenüber saß und reflexartig den Kopf eingezogen hatte, als Margit Raab, ihre Abteilungsleiterin, wie ein aufgeregtes Huhn zur Tür herein geflattert kam. Johnny wich unbewusst ein wenig auf seiner Stuhllehne nach hinten aus. Seine Chefin war eigentlich eine sehr angenehme und umgängliche Frau, und seine Kollegen und er schätzten ihre ausgewogene und korrekte Art. Sie war bei ihren Mitarbeitern sehr beliebt. Wie sie nun aber vor ihm stand, gekleidet in ein unauffälliges Kostüm, die langen braunen Haare zu einem geflochtenen Zopf zusammengebunden, die Füße in flachen Schuhen, dabei sichtlich in Aufruhr und mit hochrotem Kopf, erschreckte ihn.

    „Ich meine Ihre Entscheidung zur Umleitung des Verkehrs über den Sebalder Platz!", half sie ihm auf die Sprünge.

    „Was stimmt denn damit nicht?", setzte Johnny nach.

    Er hatte heute bereits einen vollen Arbeitstag im Ordnungsamt der Stadt Nürnberg hinter sich. In seiner Abteilung war er für die Belange der Straßenführung zuständig, wenn Umleitungen, Baustellen, Genehmigungen für befristete Parkverbote zum Zwecke von Umzügen, Entrümpelungen und dergleichen, verkehrstechnisch organisiert werden mussten. Heute, z.B., hatte er kurzfristig eine Sperrung der Burgstraße unterhalb der Kaiserburg, dem Wahrzeichen Nürnbergs, veranlassen müssen, weil es dort einen Rohrbruch gegeben hatte: Fontänen waren aus einem Loch direkt in der Fahrbahnmitte in die Höhe geschossen, als Bauarbeiter versehentlich eine Leitung beschädigt hatten. In kurzer Zeit hatten die Wassermassen das Kopfsteinpflaster unterspült und die Burgstraße in einen reißenden Sturzbach verwandelt, der dann steil bergabwärts in Richtung Sebalder Altstadt geschossen war. Er hatte schnell reagieren müssen, Feuerwehr und Wasserwerke informiert und sich um die notwendige Verkehrsumleitung gekümmert, denn die Fluten schossen bereits auf den Hauptmarkt zu: Nürnbergs „guter Stube mit seiner Frauenkirche und dem „Schönen Brunnen. Hier schlug das touristische Herz der Stadt; an diesem Ort fand täglich der Markt statt, und vor der Frauenkirche warteten Punkt 12 Uhr mittags unzählige Touristen und Einheimische auf das sogenannte „Männleinlaufen": eine Sehenswürdigkeit, die sich an der Kunstuhr über dem Balkon der Frauenkirche befand, und die zu einer jeden anständigen Stadtbesichtigung dazu gehörte.

    Auch alle möglichen Events sportlicher, politischer oder kultureller Art erfreuten sich das ganze Jahr über an der zentralen Lage des Hauptmarkts; Glückssuchende drehten am schmiedeeisernen Ring des „Schönen Brunnens", und natürlich fand auf diesem Platz in den Adventswochen auch der weltberühmte Christkindlesmarkt statt.

    Wenn der Hauptmarkt also unter Wasser stand, dann war das gar nicht gut! Vor allem jetzt, da die ersten Buden bereits aufgebaut wurden. Eine Überschwemmung käme da ganz schlecht, ohne Zweifel!

    Johnny ließ in seinen Gedanken kurz Revue passieren, welche Maßnahmen er nach dem Rohrbruch ergriffen hatte. Alles war ganz nach Plan verlaufen, wie bei solchen Abläufen üblich. Er hatte sich nach den örtlichen Gegebenheiten gerichtet und die nach seinem Ermessen vernünftigste Ausweichroute des Verkehrs über den Sebalder Platz ausgewiesen. So schilderte er nun den Vorfall seiner Chefin, und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie an seiner Vorgehensweise auszusetzen hatte.

    „Und da dachten Sie", unterbrach sie seine Ausführungen, „leite ich mal schnell den Verkehr über die Obere Schmidgasse, den Dürer Platz und den Sebalder Platz auf die Theresienstraße um!"

    „Ja, genau!", Johnny verstand immer noch nicht, was daran falsch sein sollte und schaute seine Chefin verwundert und mit großen Augen an.

    „Oh, Herr Schniegling!, rief diese aus. „Sie haben wohl, sie zeichnete zwei imaginäre Anführungszeichen in die Luft, „nicht mitbekommen", dass da heute auf dem Sebalder Platz eine „Pro-Bundesland-Franken-Demonstration stattfindet? Als spontane Gegenveranstaltung zu der „Pro-Königreich-Bayern-Demonstration an der Lorenzkirche?"

    Margit Raab holte kurz Luft und fuhr dann fort. „Und dass da jetzt der gesamte Umleitungsverkehr hupend durch die wütende Menge der Franken-Demo auf dem Sebalder Platz rollt!" Sie machte eine kurze Pause, damit Johnny die Informationen verarbeiten konnte.

    Johnny ließ das Gehörte überrascht auf sich wirken.

    „Nein, das habe ich wohl nicht mitgekriegt...", antwortete er verblüfft.

    „Wissen Sie, wie das jetzt aussieht?", fuhr sie fort, „ Als ob wir ein politisches Statement abgeben wollten! Das geht gar nicht! Das können wir uns als öffentliches Amt der Stadt Nürnberg nicht erlauben! Können Sie sich vorstellen, was ich jetzt schon für Anrufe entgegennehmen musste?! Und das alles unter den Augen der Presse! Ich sehe schon die morgigen Schlagzeilen vor mir: „Städtisches Amt sabotiert Franken-Demo!" oder „Katalanische Verhältnisse in Nürnberg!" Herr Schniegling, das müssen wir jetzt unbedingt bereinigen! Kommen Sie in mein Büro! Sofort!"

    Sie warf ihm einen eindringlichen Blick zu, öffnete die Tür, drehte sich dann aber nochmals um: „Ach, und übrigens, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!", sagte sie schon wieder lächelnd und verließ dann schwungvoll das Zimmer.

    Johnny warf seinem Kollegen und Freund einen verdutzten Blick zu.

    Kadalanische Verhältnisse in Nemberch! Der war goud!, lachte Martin und haute mit einer Hand auf den Tisch. „Eddzerdla hast mer aber die Marchid fei g'scheit verärcherd! So wüdend hab' ich die noch nie g'seh'n! Das ist heut' ned dei Tag, odder?!, kommentierte Martin im tiefsten fränkischen Dialekt das soeben Gehörte.

    „Nicht wirklich! Was ist denn da eigentlich los in der Sebalder Altstadt?", fragte Johnny nach.

    „Ja hast du denn nix von dera Franken-Demo mitg'richt?", fragte Martin verwundert und beugte sich auf seinem Stuhl zu Johnny vor, die verschränkten Arme auf seinen Schreibtisch gestützt.

    „Nein, habe ich nicht! Ich bin doch wegen des Rohrbruchs den ganzen Morgen im Haus unterwegs gewesen und habe geschaut, dass ich das Problem in den Griff bekomme. Mir hat keiner etwas von einer weiteren Demo gesagt! Du auch nicht! Warum denn nicht um Himmels Willen! Ich muss doch so was wissen, wenn ich eine Verkehrsumleitung anordnen muss! - Wo warst du überhaupt?"

    „Ha, da war fei ganz schee was los, sag ich dir! Wie du des hast verpassen könna, is' mir ein Rätsel! Den Lärm hat ma' doch bis zum Blärrer g'hörd! Mir Franken hamm da an dera Kirch' unsere Franken-Fahne g'schwengt und..."

    „Martin, sag jetzt nicht, dass du auch auf der Demo warst...?", fragte Johnny alarmiert nach.

    „Ja freilich! So was lass ich mir als Frängischer Mensch doch ned entgeh'n!"

    „Während deiner Arbeitszeit?!"

    „Wieso? Ich hab' doch g'ärbert! Ich hab mir des alles in Ruhe oog'schaut, damit des alles sei Ordnung hat! Mir sind doch schließlich vom Ordnungsamt! Hähähä!"

    „Zu deinen Aufgaben gehört aber die Verkehrsumleitung und nicht das Teilnehmen an Demonstrationen während der Dienstzeit! Anstatt mir von der Gegendemo zu berichten...", echauffierte sich Johnny.

    „Des hab' ich halt im Eifer des Gefecht's a weng vergessen!", unterbrach Martin den aufgebrachten Freund. „Und was heißt denn hier eigentlich Deilnahme an Demonstrationen während der Dienstzeit... Ich hab' lediglich a weng die Fahne g'schwengt... und a weng g'sunga."

    „Gesungen...", wiederholte Johnny entgeistert.

    „Na freilich: die Frankenhymne!" Und Martin stand auf, legte die Rechte an seine Brust und setzte mit feierlicher Miene zum Gesang an:

    „O heil’ger Veit von Staffelstein,

    beschütze deine Franken

    und jag’ die Bayern aus dem Land!

    Wir wollen’s ewig danken."

    „Schee, ne?", sagte er dann und strahlte Johnny an, der sich ungläubig die Hände vors Gesicht geschlagen hatte.

    „Das darf doch nicht wahr sein!", stöhnte er.

    „Naja, ganz orginalgetreu is' es ned: dej richtige Fassung vo' unserm Frang'nlied is a weng weichg'schpülter, aber zu dem Anlass hat des scho' basst!", entgegnete Martin zufrieden und setzte sich wieder hin.

    „Und ich darf das jetzt bei der Raab gerade biegen...", sagte Johnny.

    „Da gibt’s überhaupt nix zum G'radebiegen. Des war a ganz spontan genehmigte Demo!"

    „Die durch meine Anordnung gesprengt wurde!, ergänzte Johnny. „Ganz Franken wird mich dafür hassen!

    „Schmarrn! Du gehst eddzerdla schnell zur Marchid hii und ihr beiden bringt des scho' widder in Ordnung! Da habe ich gar keine Bedenken! Ihr könnt ja denne Journalisten sagen, dass iech, also ein Mitarbeiter vom Amt, sich schbondan hat hinreißen lassen und die Demonstrand'n unterstützt hat! Dann bist aff amal a Held, Johnny. Und ich aa!"

    „Dafür wird dich dann die Margit Raab hassen!"

    „Allmächt na! Dass 'd fei schee nedd bist zu meiner Marchid und sie ned noch mehr aufregen dust!! Ach, das ist schon ein Klasse-Weib, die Marchid!", rief Martin.

    Johnny stand auf. „Ich geh dann jetzt mal zur Chefin und rede mit ihr."

    „Tu das, mein Junge! Und immer schee ardig sein, ne! Ich will fei ned, dass sie sich noch mehr ärgern mou!"

    Johnny musste unwillkürlich schmunzeln. Martin war seit längerem in Frau Raab verschossen und malte seinen Freunden phantasievoll gemeinsame Zukunftsbilder von ihr

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