Die Hunde im Schatten des Mandelbaums
Von Henky Hentschel
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Über dieses E-Book
Hier erzählt ein Mann, der die Einsamkeit, die Natur und die Hitze des Südens gewählt hat. Er erzählt in acht Episoden von der Freundschaft und dem Respekt, die ihn mit den einzelnen, charakterstarken Hunden verbindet, und von der Trauer über ihren Tod. Von einem Schwein, das sich als "Schweinehund" entpuppt - und auch ein bisschen von dem Schweinehund in ihm selbst.
"In allen Geschichten steckt soviel unbändige Freude am Leben mit Hunden, soviel unsentimentale Begeisterung über dieses wunderbare Wesen Hund, soviel unterschwellige Dramaturgie, daß man das Büchlein nicht aus der Hand legt." Gert Hauke, DIE ZEIT
"Endlich frische Luft, endlich ein Schriftsteller, der ein Bauer ist. So ein Buch kann man nur unter freiem Himmel schreiben. Natürlich hat ein richtiger Bauer auch Hunde, die den Hof bewachen, mit Hühnern streiten und abends ihr Fressen, knurrend oft, teilen mit Katzen und Enten. Henky Hentschel läßt seine Hunde von der Leine los, läßt sie leben, lebt mit ihnen in einer abenteuerlichen Gemeinschaft. Wer nur die Menschen und ihre Hunde aus den großen Städten kennt, den muss hier, in diesen Hundegeschichten, die Sehnsucht packen. Wie alle guten Geschichten sind auch diese lustig und traurig, und sie sind deshalb wahrhaftig. Sie lösen in mir jenen einfachen Wohlgeschmack aus, wie ich ihn liebe: zur summenden Musik der Grillen den Geruch von Oliven, zum Gackern der Hühner dampfende Pasta und zum Glücklichsein das schöne Vergessen. Eine Sehnsucht, die nur ein Autor wie Henky Hentschel in einfachen Geschichten zu Papier bringen kann." Wolf Wondratschek
"Man fühlt sich gut nach der Lektüre: Gesund und zufrieden wie etwa nach einer Mahlzeit aus Schwarzbrot, Ziegenkäse, Oliven und italienischem Bauernwein unter freiem Himmel."
Süddeutsche Zeitung
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Rezensionen für Die Hunde im Schatten des Mandelbaums
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Buchvorschau
Die Hunde im Schatten des Mandelbaums - Henky Hentschel
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Henky Hentschel
Die Hunde im Schatten des Mandelbaums
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Originalausgabe war:
1988 Beltz Verlag, Weinheim und Basel Programm Beltz & Gelberg, Weinheim
Einband von Wolfgang Rudelius unter Verwendung von Fotos von Jane Seitz
E-Book Ausgabe
Copyright © 2019 by Naomi Hentschel
Hrsg. von Ulli Hentschel und Susanne Plath
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Der kleine Gelbfurz
Ich saß in der untergehenden Sonne vor dem geduckten, ockergrauen Häuschen und hörte dem Hundegebell hinter dem Hügel zu. Ich hatte nichts anderes zu tun. Mein Tagwerk war getan. In meinem Kopf kreisten ruhige, friedliche Gedanken, die im abnehmenden Licht langsamer wurden und schließlich ganz zur Ruhe kamen.
Vor ein paar Monaten hatte ich auf dieser paradiesischen Mittelmeerinsel ein Stück Land gefunden. Darauf stand das Häuschen, vor dem ich jetzt im Abendwind saß. Ich hatte Land und Häuschen gemietet und war Bauer geworden.
Von Landwirtschaft verstand ich nichts, aber ich betrieb sie nach bestem Gewissen – so, wie die Bauern hier sie noch vor dreißig Jahren betrieben hatten. Ich hätte sogar auf Dünger verzichtet, wäre es möglich gewesen. Es war nicht möglich. Die Gaststätten droben im Dorf, denen ich meine Erzeugnisse anbot, kauften meine Salate nur, wenn sie die Größe eines Kinderkopfes erreichten. Kleine Kartoffeln zu schälen kostete zu viel Arbeitszeit für die Küchenhilfe. Kleine Tomaten machten nichts her. Ich brauchte also Dünger, und das hieß: Ich brauchte Tiere.
Es gelang mir, ein bisschen Geld aufzutreiben. Ich kaufte Ziegen und Schafe und Hühner und Hasen. Gemeinsam erzeugten sie den besten Dünger der Welt: Stallmist. Aber jetzt fehlte mir ein Hund. Ein Bauernhof ohne Hund ist kein richtiger Bauernhof. Irgendwer muss schließlich auf all die Tiere aufpassen. Irgendwer muss schließlich dafür sorgen, dass das Gelände einen gefährlichen Geruch annimmt, damit der Marder sich nicht in den Hühnerstall traut. Irgendwer muss das unverschlossene Häuschen bewachen. Na ja, und außerdem mag ich Hunde, wenn wir mal von Pekinesen und weißen Zwergpudeln absehen, die nur zur Verschönerung ihrer Besitzer erfunden worden sind. Ja, ich brauchte einen Hund, und der Kläffer hinter dem Hügel hatte mich daran erinnert.
Ich ging ums Haus herum und wusch mich am Wassertrog, denn fließendes Wasser gab es hier nicht. Auch keinen elektrischen Strom, daher zündete ich die Gaslampe an, als ich die Stube betrat. Dann nähte ich wie jede Nacht kleine Lederstückchen mit der Hand zusammen, bis eine Jacke daraus wurde. So verdiente ich ein paar Groschen dazu. Ich schlief ein mit dem Gedanken an meinen zukünftigen Hund.
Am nächsten Morgen kämpfte ich wie jeden Tag mit Brombeeren und Ameisen, machte Land urbar, kümmerte mich um die Tomatenpflanzen, die Zucchini und die jungen Auberginen, um die Pflaumenbäume und die Feigen, versorgte die Hühner, molk die Ziegen und fütterte Hasen und Katzen. Dann machte ich mich auf den Weg ins Dorf.
Es war plötzlich warm geworden. In wenigen Stunden waren Blumen aus der feuchten Erde geschossen wie im Herbst die Pilze. Der Frühling war da. Der Frühling ist hier wie eine Explosion. Immergrüne Wälder wechseln über Nacht die Farbe. Gestern Abend waren sie noch dunkelgrün, heute morgen leuchten sie hellgrün, fast gelb. Es gibt Pflanzen, die wachsen im Frühling so schnell, dass man ihnen dabei zuschauen kann, und das Gelände hier ist voll von ihnen. Grünes Gold liegt in der Luft, und das bloße Atmen kann einen betrunken machen. In den Wäldern singt die Nachtigall, die schönsten Gerüche ziehen über die Insel, und Fische fliegen aus lauter Lust am Leben meterweit über das blaue Meer.
Überall wird geboren, überall wimmelt es von neuem Leben. Im Hühnerstall schlüpfen die Küken, und daneben hat die Häsin neun Junge. An der Sau liegen die Ferkel, und um die Ziege toben die Zicklein. Die Katzenkinder saufen die Mutter leer, und auch die Welpen werden im Frühjahr geboren. Wenn ich einen Hund haben wollte, dann war jetzt der richtige Zeitpunkt, einen zu suchen.
Sonne und Wind tanzten in den Bäumen, links und rechts des Weges wucherten die Blumen um die Wette, die ersten Eidechsen huschten in ihre Verstecke. Alles stimmte zusammen, das Licht, die Luft, die Gerüche und die Geräusche. Nur ein Geräusch war falsch. Es war ein kleines, klägliches Wimmern, in kurzen Abständen ausgestoßen und sehr, sehr schwach.
Ich blieb stehen und horchte. Dann machte ich ein paar Schritte zum Wegrand hin und horchte erneut. Es war nichts mehr zu hören. Alles stimmte wieder zusammen, das Licht, die Luft, die Gerüche und die Geräusche. Ich ging weiter, aber nach ein paar Metern kehrte ich um. Es ließ mir keine Ruhe, dieses Wimmern. Das Stimmchen war so kläglich gewesen, so verzweifelt, so dünn, und es hatte mir gegolten. Sonst war schließlich keiner da. Irgend etwas rief mich um Hilfe.
Nach einer Weile fand ich ihn. Er war gelb wie eine Babywindel, klein wie eine Katze, dreckig wie ein Fußballspieler und voller Wunden, als komme er aus dem großen Hundekrieg. Außerdem war er so gut wie tot. Das einzige, was er noch bewegte, waren die Augen.
Ich zog mein Hemd aus, rollte ihn hinein und trug ihn nach Hause. Er wog soviel wie nichts. Er war schlaff wie ein Salatkopf, der zu lange in der Sonne gelegen hat, und ich fragte mich, wieso er überhaupt noch lebte. Der kleine Gelbfurz in meinem Hemd war höchstens zwei Monate alt. Er musste den Überlebenswillen eines hundertjährigen Kaktus haben.
Den ganzen Weg nach Hause rührte er sich nicht. Er hatte sich ergeben, er wimmerte nicht einmal mehr. Ich kenne dieses Gefühl, wenn einem alles zuviel ist und selbst das Atmen zu einer haarsträubenden Anstrengung wird. Wenn einer so weit gekommen ist, will er nur noch, dass alles aufhört. Aber diesen kleinen Gelbfurz da würde ich nicht sterben lassen, das hatte ich mir schon geschworen. Im Schatten des mächtigen Mandelbaumes vor dem kleinen Häuschen rollte ich ihn sachte aus dem Hemd auf den Frühlingsboden. Da blieb er liegen.
Ich zählte