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Schattenkind
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eBook264 Seiten4 Stunden

Schattenkind

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Über dieses E-Book

In einer stürmischen Nacht, beobachten Jim und Henry, wie ein Blitz auf einem hügeligen Berg in eine uralte Eiche einschlägt, die dadurch sofort Feuer fängt. Als sie am nächsten Tag die Stelle untersuchen, entdecken sie, dass durch den Einschlag der Eingang zu einer Höhle freigelegt wurde. Da der Eingang, wie es scheint, bodenlos in die Tiefe führt, beschließen sie mit einer Taschenlampe, einem Rucksack und einem Seil ausgerüstet zurückzukehren, um die Höhle zu erkunden. Als Jim in die Höhle hinabsteigt, entdeckt er keinen der erhofften Schätze, die sie sich in ihrer jugendlichen Phantasie eingebildet haben, sondern etwas völlig anderes: Das Skelett eines Kindes. Er trifft die verhängnisvolle Entscheidung, heimlich dessen Totenkopf in seinem Rucksack zu verstauen und mit nach Hause zu nehmen. Zunächst scheint seine Tat keine Konsequenzen nach sich zu ziehen, bis ihm in der Nacht der Geist des Kindes erscheint…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum18. Apr. 2015
ISBN9783737539432
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    Buchvorschau

    Schattenkind - Mo. Moser

    1. Jim und Henry

    Sommer, 1973.

    Es war ein seltsamer Nachmittag, als Jim von der Schule nachhause lief. Die Sommerferien lagen vor ihm und ihn durchströmte ein ungeheueres Gefühl von Freiheit. Unendliche Weiten, wie in Raumschiff Enterprise. Die einzige Serie, die er begeistert verfolgte. Wobei man sagen muss, dass auch sonst nicht viel Besonderes lief. Die Programmauswahl war zu seiner Zeit noch sehr überschaubar und das Meiste, für Kinder ziemlich langweilig. Der Flower Power, das Feeling der USA Hippies, schien gerade langsam über den großen Teich zu schwappen, wovon er aber nichts wusste, und dennoch spürte er eine Stimmung, die in ihrer Lebendigkeit in aufregender Weise von ihm Besitz ergriff. Wie ein kollektiver Geist voll menschlicher Wärme und losgelöster Anarchie, die sich über alle eingestaubten Regeln hinwegsetzt. Ein Geist, der nicht fassbar, aber spürbar war und alles durchdrang. Jim hatte ein Gefühl, als bräuchte er nur noch die Arme ausbreiten, um auf dem Wind zu fliegen und wie ein Adler über alle Grenzen hinweg zu segeln. Unendliche Weiten. Ja, - das war`s.

    Er lief an der kleinen Häuser Siedlung vorbei, die der lang gezogenen, etwas bergauf liegenden Nebenstraße nach dem Dorf mit seiner Schule folgte, als jemand seinen Namen rief. „Hey Jim, du alte Schlafmütze, wieso warst`n nicht beim Bus? Henry, Jims bester Freund, kam an den Gartenzaun gerannt und trug immer noch sein typisches „ich bin ja so brav Hemd, samt brauner Kordhose mit passender Bügelfalte, das er stets in der Schule trug. Er hatte wie so oft, einen leicht sorgenvollen Blick, der alles viel zu ernst nahm und den er irgendwie von seiner Mutter geerbt hatte. Auch wenn Henry nichts dafür konnte, manchmal nervte es Jim. „Musste nachsitzen, grinste Jim und fuhr sich durch seine braunen, halblangen Wuschelhaare, die, dafür das sie immer so aussahen, als wäre er gerade aufgestanden, ihm unglaublich gut standen. „Wie hast´n das geschafft? Fragte Henry und rutschte sich seine Brille zurecht. Eine Angewohnheit, die Henry auf Jim wirken ließ, als wäre er ein Arzt, der seinem Patienten seine Diagnose mitteilt. War Henry mit seinen dreizehn Jahren auch ein Jahr jünger wie er, wirkte er in manchen Momenten auf ihn wie siebzig. Dazu kamen noch seine akkurat geschnittenen, kurzen, schwarzen Haare, die so wirkten, als würden sie nie wachsen, weil seine Mutter ihn alle zwei Wochen zum Friseur schleppte und sein schmal geschnittenes Gesicht. Ein weißer Arztkittel, und das Bild wäre perfekt. „Wollte der alten Schobert noch einen Abschiedsgruß hinterlassen, sagte Jim und grinste noch breiter. „Schöner fetter Kaugummi, gut anvisierte Schleuder und freie Schussbahn, aber ich fürchte, der Schuss war wohl doch etwas zu kräftig. Jedenfalls fasste sich die blöde Tante in ihre fetten Lockenhaare und obwohl ich meine Schleuder sofort weggepackt hab, kam sie trotzdem auf mich. Weiß auch nicht warum, endete Jim und seine leuchtenden, blauen Augen sprachen Bände. Henry kratzte sich nachdenklich am Kopf und bedachte Jim mit einem vorwurfsvollen Blick. „Na, bessere Noten kriegst du damit aber nicht, sagte er in einen fast schon strengen, tadelnden Ton. Jim verbesserte sich in Gedanken. Oberarzt, - neunzig! Er schüttelte den Kopf. „Ist mir doch egal. Das einzige blöde ist, das sie mir die Schleuder weggenommen hat. Jim schien sich kurz zu ärgern, doch dann musste er lachen. „Aber dafür hat sie mit dem Kaugummi gekämpft und ihre ganze Frisur zerzaust, aber raus bekommen hat sie ihn nicht. Und bessere Noten krieg ich von der sowieso nicht, selbst wenn du meine Arbeiten schreibst. Die konnte mich von Anfang an nicht leiden. Jim musste zwangsläufig an ihren entsetzten Blick denken, als sie ihn das erste Mal sah. Wie sie ihn regelrecht abmusterte, als wäre er ein kaum zu ertragender Schandfleck, in ihrem sauberen Klassenzimmer. Ein Bazillus, der sich eingeschlichen hatte, um ihre saubere Welt zu vergiften und den sie die nächsten drei Jahre zu ertragen hatte. Jim riss sich aus seinen Gedanken und wandte sich wieder an Henry. „Was soll’s. Scheiß auf die Schule jetzt sind Ferien. „Ja, bestätigte Henry und schnaufte tief durch, bevor er hinzufügte: Gott sei`s gedankt. Jim verbesserte sich erneut; hundert! „Ich hab gehört, heut soll`n richtiger Sturm kommen. Was hältst du davon, wenn du bei mir übernachtest? Jim hatte schon wieder so ein aufregendes Funkeln in den Augen. Eines, das Henry gar nicht gefiel, weil er es nur allzu gut kannte und es bedeutete für ihn in der Regel nur eins: Schwierigkeiten. „Ich meine, fuhr Jim fort, bei mir unterm Dach, können wir`s so richtig krachen hören wenn’s donnert. Ich sag dir, das wird der Oberhammer. Vielleicht haut`s sogar ein paar Ziegeln runter. Jims größter Wunsch war eigentlich, dass es sein Haus komplett wegfegt, damit sie endlich in ein neues ziehen. Ein schönes, so wie Henrys. „Also ich weiß nicht, sagte Henry zögernd, dem die Sicherheit seines Zimmers in Erwartung eines großen Sturms zehnmal lieber war, als Jims altes Dachzimmer. „Na, dann frag mal deine Mama, vielleicht weiß die`s ja, erwiderte Jim genervt. „Also gut, gab Henry nach, der nicht wusste, wie er aus dieser Nummer wieder herauskommen soll. „Ich komm gleich wieder und sag dir bescheid." Jim schüttelte den Kopf. Jetzt fragt der doch echt seine Mutter um Erlaubnis, dachte er sich, während er Henry ins Haus laufen sah. Vorbei an dem gepflegten Rasen mit den kleinen Gartenzwergen, den hübsch verzierten kleinen Fenstern, mit den gepflegten Blumenkästen davor, durch die bunt verglaste Eingangstür, mit ihrem vergoldeten Griff und hinein in den sauber tapezierten Flur. Manchmal fragte sich Jim ernsthaft, weshalb er schon so lange mit Henry befreundet war. Sie waren so vollkommen anders, so unterschiedlich wie Tag und Nacht und dennoch, irgendwie mochten sie sich von Anfang an. Im Gegensatz zu Henrys zierlicher, beinahe femininer Figur, bei der man Angst haben musste, das ihn der Wind wegweht, wenn er zu stark bläst und man ihn vorher nicht festgebunden hat, wirkte Jim so durchtrainiert wie ein ausgebildeter Zehnkämpfer. Verglichen mit Jims klaren, blauen Augen, die aussahen, als hätten sie das Leben des Sommers eingefangen, wirkten Henrys haselnussbraune Augen, wie die eines Eichhörnchens auf ständiger Fluchtbereitschaft. Selbst in der Kleidung, konnten sie sich kaum mehr unterscheiden. Während Jim immer so aussah, als käme er gerade von einen Rockkonzert, wirkte es bei Henry so, als käme er direkt aus der Oper. Andererseits; wenn Henry sich genauso kleiden würde wie Jim, sähe es bei ihm wahrscheinlich lächerlich aus, während es bei Jim… heute würde man sagen, einfach cool aussah. Jim war einfach ein Rebell. Selbst im Gewand eines Messdieners, wäre einem das sofort aufgefallen. Er hatte etwas in den Augen das…

    Jim erinnerte sich noch gut daran, wie Henry in der Schule Schwierigkeiten hatte, mit so `nem Typen Namens Leo. Mann, dachte er sich, das war noch in der Grundschule. Leo war neu. Typischer Angebertyp. Wollte sich aufspielen, indem er sich den Schüchternsten schnappt und fertig macht. Schupste ihn aus irgend so `nen blöden Grund auf den Boden und Henrys Brille schlitterte über den halben Pausenhof. Er konnte es jetzt noch vor sich sehen, wie Leo langsam hinläuft und genüsslich seinen Fuß auf Henrys Brille stellt. „Sag es. Sag, Leo ist der König der Schule. Wie er seinen Fuß mehr Gewicht verleit, so dass schon der raue Sand unter Henrys Brille knirscht. „Sag es, du Flasche. Leo ist der König der Schule! Jim musste breit grinsen, bei der Erinnerung, wie er ihm auf die Schulter tippt, ihm, als er sich herum dreht seine Faust ins Gesicht schmettert, so dass er mit blutender Nase zu Boden geht und wie er ihm erklärt das es nur einen König an dieser Schule gibt und das der Thron schon besetzt sei. Ach, dachte sich Jim, das waren noch Zeiten. Henry bewunderte ihn dafür und Jim wusste das. Weil er eine Härte hatte, die ihm fehlte und das gefiel Jim. Gleichzeitig war Henry nie unterwürfig, oder demütig vor Jim kriechend, sondern eher... gerissen. Ja, das war das richtige Wort. Ein Angsthase, sicher, aber einer der das Dynamit unter deinem Stuhl versteckt und dich unschuldig anlächelt, während die Lunte bereits brennt. Er war eigentlich das ideale Opfer. Der kleine, schmächtige Intellektuelle mit Brille, aber nur, wenn man ihn nicht kannte. „Ok, sagte Henry, als er wieder zurückgelaufen kam. „Aber erst nach dem Abendessen. Jim musste wieder grinsen. Na das war ja klar. Mamilein hat bedenken. Er konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie Henrys Mutter in ihrer Blümchenschürze und mit ihren perfekt toupierten Haaren, ihm früh seine Haferflocken anröstet, bevor sie, sie mit Zucker kandiert und mit Milch serviert. Wie sie befürchtet, er könnte jemals etwas bei den „Bauers zu sich nehmen. Die mit dem alten Haus, mit dem alten Auto und mit dem verschimmelten Brot, wobei er das letztere ihrer Fantasie zuschrieb. „Dann bis heute Abend, sagte er kurz gebunden aber nicht unfreundlich, sondern eher in froher Erwartung und lief nachhause. Er warf einen freudigen Blick auf die aufkommenden Wolken am Horizont, dachte an Blumenkästen und Gartenzwerge, die ein Tornado mit sich in den Himmel riss und an Henrys Mutter, wie sie kreischend hinterher flog und mit ihrer Blümchenschürze in der Dunkelheit verschwand. Captain Kirk! Unbekanntes Flugobjekt gesichtet. Jim grinste noch breiter. Voller Beschuss.

    2. Der Sturm.

    „Jim, machst du bitte auf? Ich glaube es ist Heinrich. „Er heißt Henry, entgegnete Jim gereizt. Sie konnten es beide nicht leiden, wenn man sie mit ihrem richtigen Namen rief. Johannes und Heinrich, das klang für Jim, wie Arsch und Friedrich. Also hatten sie sich Namen ausgesucht, die zu ihnen passten. Wie Jeans und Coca Cola, wie heiße Autos und Rock and Roll und nicht wie Kuhmilch und Landeier. Auch wenn seine Mutter es nur widerwillig zur Kenntnis nahm, schien sie sich doch die meiste Zeit daran zu halten. Aber eben nur meistens. Er warf vom rustikalen Flur aus einen Blick ins Wohnzimmer und sah das immer gleiche Bild, eingemeißelt für die Ewigkeit. Eine Frau die sich seine Mutter nennt und strickend vor dem Röhrenfernseher sitzt, während der Mann der sich sein Vater nennt, ein Bier nachschenkt und aufpasst das es nicht überläuft und den alten Korkuntersetzer benässt. Das alte und bewährte weißbraune Sofa, mit den kleinen Brandlöchern von Papas Zigaretten. Der abgenutzte Wohnzimmertisch, wo man noch sehen konnte, wo Mama einen zu heißen Topf hastig abgestellt hatte. Die völlig unpassenden giftgrünen Gardinen mit psychedelischen Spiralmustern und die völlig abartige Tapete, entworfen von einen Heroinsüchtigen auf LSD. Jim hatte Verständnis für jeden Terrorristen, der blindwütig versucht die Welt in die Luft zu jagen, wenn er nur in einem Wohnzimmer wie dem ihren aufgewachsen war. Vom Holzesel, dessen Hintern Zigaretten ausspuckt, bis zum potthässlichen, polizeigrünen Telefon, auf einem alten, mit Spitzendecke überzogenen Beistelltisch, war alles dabei, um einen astreinen Psychopaten heranwachsen zu lassen. Die geschmacklosen Wanderpokale und goldverzierten Teller an den Wänden und die kleinen Puppen mit ihren selbst gestrickten Kleidchen samt engelsgleichen Grinsen, die Mama wohl die Tochter ersetzen sollen und einen aus jeder Ecke mit großen toten Glasaugen anstarrten, gaben dem Ganzen den Rest. Der blöde rote Kippvogel, der angeblich für alle Ewigkeiten Wasser aus einem Schnapsglas trinken kann und schon lange nicht mehr funktionierte, hatte da noch etwas tröstendes an sich. „Hy Henry, begrüßte ihn Jim ebenfalls, gehen wir nach oben. Jims Zimmer hatte zumindest eine einigermaßen neutrale Tapete mit braunem Schilfmuster, wenn auch die mit buntem Karomuster versehene, altmodische Deckenlampe, das Ganze in ein surreales Licht tauchte. Von der Tür aus gesehen gegenüber, links unter der schrägen Wand und einem kleinen Dachfenster, stand sein gebrauchtes Jugendbett mit passendem Nachttisch, das sein Vater vor Jahren beim Sperrmüll entdeckt hatte. Gleich rechts neben der Tür, stand ein abgeranzter, alter Schreibtisch. Zu seinen weiteren Schätzen gehörte ein großes, grünes Sofa mit aufgerissener Naht an der Seite, das seinem Bett auf der rechten Zimmerseite gegenüberstand und auf das Henry immer übernachtete wenn er zu Besuch war. Dazu kam ein alter, brauner Ledersessel vor einem immerhin! Man höre und staune, gut erhaltenen Tisch. Sein hellbrauner Kleiderschrank, der gleich links neben der Tür an der flachen Wand stand, war mit Stickern voll geklebt, um den abgeplatzten Lack zu überdecken und an seinen Wänden hingen unzählige Poster. Sein ganzer Stolz war eine Fahne der USA, sowie eine selbst gefertigte Bleistiftzeichnung der Enterprise und natürlich seine unzähligen Comics. „Ich kann richtig spüren, das heute noch was kommt, sagte Jim begeistert und blickte aufgeregt aus dem Fenster. Der Himmel hatte eine seltsam unwirkliche Farbe, wie Kupfer und am Horizont zogen immer mehr dunkle Wolken auf. Selbst die Luft roch irgendwie metallisch. Das funkeln in Jims Augen, machte Henry spürbar nervös. „Habt ihr einen Blitzableiter? Fragte er, nur um seine Gefühle auf eine für ihn sichere, wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Das Jims altes Haus so weit abseits lag, nur umringt von Bäumen und Wiesen, quasi schutzlos dem Sturm ausgeliefert, half ihm nicht gerade dabei sich zu entspannen. „Ja, leider, entgegnete Jim missmutig. Das war immerhin etwas, fand Henry, aber entspannen konnte er sich trotzdem nicht. Irgendetwas näherte sich ihm, wie ein bedrohlicher Schatten und es war nicht nur das Gewitter, das mit seinen dunklen Wolken heranzog. Es hing beinahe spürbar, greifbar in der Luft. Als würde sich etwas nähern, das über das natürliche hinausging. Etwas mächtiges, unkontrollierbares und bedrohliches. Henry schrieb es seinen gereizten Nerven zu, doch wäre Jim nicht da gewesen und damit die Aussicht sich komplett lächerlich zu machen, - er wäre ohne zu überlegen auf der Stelle nachhause gerannt und hätte sich in seinem Zimmer verbarrikadiert. Da sich längere Zeit nichts bemerkenswertes Tat, hörten sie eine Platte von Little Richard, spielten Karten, unterhielten sich über Bekannte, Klassenkameraden und Außerirdische. Zum Schluss unterhielten sie sich über Klassenkameraden die aber in Wirklichkeit Außerirdische waren, eine Invasion aus dem Weltall und die Möglichkeit mit Lichtgeschwindigkeit zu fliegen. Doch die Unterhaltung endete abrupt, als ein greller Blitz den nächtlichen Himmel durchzuckte, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner. Sofort sprang Jim ans Fenster und Henry folgte ihm. Der Himmel war inzwischen pechschwarz. „Das wird ja besser als ich dachte, freute sich Jim, als er sah, wie ein heftiger Wind aufkam und die Bäume sich darin bogen, als würden sie gleich umknicken. „Jim! Rief seine Mutter von unten herauf. „Ich mache die Sicherung heraus. Nur zur Sicherheit, falls der Blitz einschlägt. Seine Mutter hatte irgendwann einmal gehört, dass der Blitz durch die Leitungen kommen könnte und wertvolle elektronische Geräte, wie Fernseher, Radio oder die Waschmaschine zerstört, und da Geld in diesem Haus so selten war, wie Afrikaner in ihrem kleinen Dorf, war das ihre Methode dem Schlimmsten zuvor zu kommen. „Aber wir haben doch einen Blitzableiter! Rief ihr Jim sichtlich enttäuscht zu. „Ach das alte Ding, rief seine Mutter zurück, wer weiß ob das überhaupt noch funktioniert. Das wiederum war Musik in Jims Ohren, auch wenn kurz darauf das Licht ausging. Henry hingegen überkam die blanke Panik. „Lass uns das Fenster aufmachen! Rief Jim aufgeregt. Er hatte ein Glänzen in den Augen, als wäre er wahnsinnig. „Aber Jim, der Donner war viel zu nah und bei dem Sturm zerwüstet der Wind dein ganzes Zimmer. „Ja! Rief Jim begeistert und riss das Fenster auf. Er ballte die Faust und jubelte mit gestrecktem Arm dem Wind entgegen. Henry war fassungslos. Wieder blitzte es auf und wieder donnerte es, schneller folgend, lauter und gnadenlos. Henry hatte das Gefühl, er stünde schutzlos im Freien. „Jim, flehte Henry, lass uns das Fenster zu machen. Bitte, das ist kein Spaß. „Für dich vielleicht nicht, sagte Jim und lachte. „Schau mal dort drüben. Tatsächlich war der Wind jetzt so stark in einen Baum gefahren, das Teile seiner Äste brachen, als wären es Streichhölzer. Die Ziegel auf ihrem Dach klapperten mehr als verdächtig und das Haus ächzte, die Dielen knarrten, als würde es gleich davonfliegen. Ein starker Windstoß fegte Jims Comics vom Regal und schleuderte sie durchs Zimmer, doch Jim schien es gar nicht zu bemerken. Er war wie weggetreten. Henrys Nerven flatterten wie die Dachziegel im Wind. Für ihn war das, das Ende der Welt. „Jim! Schrie er panisch und umfasste seinen Körper, um ihn vom Fenster wegzuziehen, als ein gewaltiger Blitz nicht weit entfernt von ihrem Haus, auf einem freistehenden, hügeligen Berg, in eine uralte Eiche einschlug, die sofort Feuer fing. „Wuha, es brennt! Rief Jim außer sich vor Freude. Das Henry mit aller Kraft an ihm zog, nahm er kaum zur Kenntnis, auch wenn er sich deshalb am Fensterrahmen festhalten musste. „Bitte, flehte Henry, und es war der Klang in seiner Stimme, der Jim aufhorchen ließ. Henry weinte. Jim sah ihm ins Gesicht und sah die nackte Angst, die sich darin spiegelte. „Ok, sagte er, schließen wir das Fenster. Er hatte es kaum geschlossen, als ein starker Regen einsetzte. Das war kein normales Gewitter. Es war, als hätte sich eine infernalische Naturgewalt entfesselt, die mit ihrer zerstörerischen Kraft alles mit sich reißt. Gnadenlos, wie ein hasserfüllter Dämon, der über sie hinweg zieht und seine Krallen an die Fundamente des Hauses legt, um es einfach aus dem Boden zu reißen und in den Himmel zu schleudern. Der Regen peitschte regelrecht gegen die Mauern des Hauses und so direkt unter dem Dach, hörte es sich an, als würden sie von einem Maschinengewehr beschossen, dessen Kugeln gegen die Ziegeln hagelt. Dazu kam der aufheulende Wind, der das Ganze, wie ein Orchester des Wahnsinns begleitete. Pfeifend, tobend durch die Ritzen des Daches ziehend, wie eine Symphonie des Grauens, die in Interwallen lauter und leiser wird, bis sie plötzlich verstummt, nur um mit einem gewaltigen Tusch zurückzukehren und sich mit dem knarren und ächzen des Hauses, auf einen neuen Höhepunkt zu begeben. Henry saß apathisch auf dem Sofa, die zitternden Beine nah an den Körper gezogen und wartete einfach nur noch auf das Ende. Er hatte es längst aufgegeben seine Gefühle zu kontrollieren. Eine Mischung aus Furcht und Resignation lag in seinen Augen. Furcht davor, wie es sein würde, wenn hier gleich alles zusammen fällt und Resignation, weil er eh nichts mehr daran ändern konnte. Noch immer blies der Wind wie ein fauchender Drache und zerrte am ganzen Haus, doch Jim beachtete es nicht mehr. Selbst als der Sturm langsam nachließ, dauerte es noch lange, bis Jims tröstende Worte endlich zu Henry durchdrangen.

    3. Auf Entdeckungstour.

    Als sie am nächsten Morgen aufwachten, war Jim zwar enttäuscht, weil ihr Haus noch stand, aber gleichzeitig auch aufgeregt, weil er sehen wollte, welchen Schaden der Blitz oben auf dem Hügel angerichtet hatte. Er konnte jetzt noch das zersplittern des Holzes hören, hatte den schwefeligen Geruch sengender Hitze in der Nase, auch wenn vieles davon seiner Einbildung entsprang. Das der Regen so schnell das Feuer löschte, war für ihn ein herber Rückschlag, doch so blieben am Ort des Geschehens zumindest die meisten Spuren der zerstörerischen Naturgewalt erhalten. Er war sich sicher, dass sie die Einzigen waren, die davon wussten. Es sei denn, seine Eltern hätten sich im Schlafzimmer aufgehalten, ebenfalls nach draußen gesehen und bemerkt, was gegenüber ihres Hauses vor sich ging. Henry, der einfach nur froh war, dass er noch am Leben war, fand es übertrieben, die Sache wie ein Staatsgeheimnis zu betrachten, und doch musste er Jim feierlich versprechen, niemand etwas davon zu erzählen. Beim Frühstück, es gab Marmeladenbrote mit Milch, versuchte Jim so unverfänglich wie möglich, auf das Unwetter zu sprechen zu kommen. Doch weder seine Mutter, noch sein Vater erwähnten den brennenden Baum. „Ich geh dann mit Henry ein bisschen nach draußen, verkündete Jim. „Wollt ihr nicht warten bis der Regen aufgehört hat? Fragte seine Mutter verwundert, während sein Vater, wie fast immer am Morgen, vertieft in seiner Zeitung seinen Kaffee trank. „Wird uns schon nicht umbringen, entgegnete Jim genervt. Er hasste es bemuttert zu werden und er hatte es ihr schon oft und deutlich genug zu verstehen gegeben. Das sie es immer noch tat, konnte für Jim nur zwei einfache Gründe haben. Entweder war sie strunzdumm, was er keinesfalls ausschloss, oder sie legte es bewusst darauf an, ihn zu provozieren. Nach reichlicher Überlegung, kam er zu dem Schluss, dass beides zutraf. „Ich kann euch aber nur einen Regenschirm mitgeben, den anderen braucht dein Vater, setzte sie nach. Er wusste nicht warum, aber niemand schaffte es ihn so auf die Palme zu bringen, wie seine Mutter. „Regenschirme sind für Weicheier, entgegnete er trotzig, worauf hin sein Vater kurz von seiner Zeitung aufsah, bevor er sich wieder stillschweigend darin vertiefte. „Wenn du schon keinen willst, dann gib ihn wenigstens Heinrich. Müssen ja nicht alle deine Einstellung vertreten, fügte sie bissig hinzu. Wenn sie Krieg will, dann kann sie ihn haben, dachte sich Jim. „Tut er aber, konterte er wütend und stand auf. „Aber du hast ja noch nicht mal aufgegessen! Rief sie ihm entgeistert hinterher, während Jim die Treppe zu seinem Zimmer hoch stapfte, um auf Henry zu warten. Der stopfte sich so schnell es ging sein Brot in den Mund, versuchte irgendwie gleichzeitig den Kaffee in sich hineinzukippen, wodurch er kräftig husten musste als er sich verschluckte und schaffte es gerade noch ein „danke fürs Frühstück herauszupressen, bevor er Jim mit hochrotem Kopf folgte. Henry war ein Harmoniemensch. Er mochte keinen Streit und das hauptsächlich, weil er nicht dazu fähig war, den damit einhergehenden Stress auszuhalten. Es brachte ihn komplett aus dem Konzept und führte in der Regel zu einer tiefen Verunsicherung. Wenn er mal richtig wütend war, dann überrollten ihn seine Gefühle mit einer solchen Wucht, dass er gleich gar nichts mehr sagen konnte. Er hätte es keine Minute mehr länger ertragen, die Spannung am Tisch auszuhalten und dann vielleicht auch noch, für die eine oder andere Position Partei ergreifen zu müssen. Jims Mutter schüttelte nur den Kopf, als sie ihm hinterher blickte. „Und du Hans, sagst wieder mal gar nichts dazu, sagte sie mit entrüsteter, sorgenvoller Miene an Jims Vater gewandt. Der sah nur kurz von seiner Zeitung auf, schüttelte mit einen Ausdruck den Kopf, als wäre sie reif für die Männer mit den weißen Kitteln, um anschließend in aller Ruhe weiter zu lesen. Er hatte andere Probleme im Kopf, als Kinder im Regen. Logistik. Lagerverwaltung. Rückgehende Verkaufszahlen. Ein mickriges Gehalt und eine blonde Sekretärin, mit der er sich am Wochenende vergnügt, wenn er angeblich einen Fortbildungskurs besucht.

    „Jetzt mach doch schon, sagte Jim ungeduldig. Henry war noch keine hundert Meter gelaufen und hatte jetzt schon keine Lust mehr auf diese Erkundungstour. „Ich mach ja schon, keuchte er und wirkte dabei mehr als

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