Geschichten zum Vorlesen - Gutenachtgeschichten
Von epubli
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Buchvorschau
Geschichten zum Vorlesen - Gutenachtgeschichten - epubli
Impressum
Geschichten zum Vorlesen: Gutenachtgeschichten
Copyright: © 2012 epubli GmbH
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-84423-908-9
Vorwort
Wer kann sich nicht daran erinnern, im warmen Bett zu liegen, sich an die Seite seiner Eltern zu schmiegen und gespannt deren Erzählungen zu lauschen. Das Abtauchen in ferne Welten, aufregende Abenteuer und fremde Wesen hat unsere Fantasie und Träume beflügelt. Bei vielen weckten gerade diese Erlebnisse das Interesse an Büchern und machten einige zu regelrechten Bücherwürmern.
Vorlesen fördert das kindliche Interesse für das geschriebene Wort und hilft dadurch, Lesekompetenz zu vermitteln. Aus diesem Grund wurde 2004 durch die Stiftung Lesen und die Wochenzeitung DIE ZEIT der bundesweite Vorlesetag ins Leben gerufen. An diesem Tag finden deutschlandweit Lesungen in Kindergärten, Bibliotheken und Buchhandlungen statt. 2012 wurden bundesweit mehr als 35.000 Vorleseaktionen registriert, an denen auch zahlreiche Prominente teilnahmen. Bereits 2011 beteiligte sich epubli mit einer Online-Lesung am Vorlesetag. In diesem Jahr rief epubli Autoren und Geschichtenerzähler auf, Gutenachtgeschichten für ein Vorlesebuch einzusenden. Mehr als 100 Autoren kamen dem Aufruf nach und sendeten ihre Geschichten ein. Alle Einsendungen wurden auf der Internetseite www.geschichten-zum-vorlesen.de veröffentlicht und stehen Eltern als Lesematerial für ihre Kinder zur Verfügung. Die besten Geschichten wurden für dieses Buch liebevoll ausgewählt, aufbereitet und illustriert.
Die Erlöse dieses Buches werden zu 100% an den Vorleseclub der Stiftung Lesen gespendet. Dieser Vorleseclub unterstützt bundesweit Vorlesepaten durch Fortbildungsveranstaltungen zum Vorlesen, Leseempfehlungen und methodisch-didaktische Handreichungen. Mit dem Kauf dieses Buches tun Sie daher nicht nur Ihren Kindern etwas Gutes, sondern unterstützen auch die bundesweite Leseförderung anderer Kinder. Dafür möchten wir uns bei Ihnen bedanken.
Außerdem möchten wir uns herzlichst bei allen Autoren bedanken, die sich an dieser Aktion beteiligt und ihre Geschichte eingeschickt haben. Wir hätten gerne alle Geschichten abgedruckt, mussten uns aber aus Platzgründen für einige wenige entscheiden. Die Geschichten werden aber weiterhin auf www.geschichten-zum-vorlesen.de abrufbar sein.
Ein besonderer Dank geht auch an alle Partner und Freunde, die dieses Projekt unterstützt haben. Besonders an den Verlagsservice „text + taler" (textundtaler.de) für die Korrektur einiger Texte, sowie an Jeannette Zeuner von Bookdesigns (www.bookdesigns.de) für die Übernahme der eBook-Konvertierung und an Corinna Ehrlich für die Illustration. Wir danken außerdem der Schauspielerin Karen Suender (www.karen-suender.de), die die Geschichten im Rahmen des Vorlesetages gelesen hat. Und wir bedanken uns beim Berliner Büchertisch (www.buechertisch.org) für die Bereitstellung der Räumlichkeiten für die Lesung.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Kindern viel Spaß beim Lesen und eine gute Reise in die Traumwelten dieses Buches.
Antonius
Jessica Peterson
Dies ist die Geschichte von dem kleinen Klopfgeist namens Antonius. Jetzt fragst du dich sicher, was genau ein Klopfgeist ist. Du kennst bestimmt alle möglichen Arten von Geistern: Poltergeister, Kettenrasselgeister, Geister mit abnehmbaren Köpfen, Wassergeister, Waldgeister und natürlich auch die ganz besonders schaurigen Heulgeister. Aber ein Klopfgeist ist dir mit Sicherheit noch nicht begegnet. Klopfgeister sind nämlich besonders selten. Eigentlich kennt kaum jemand Klopfgeister. Und genau hier liegt das Problem. Antonius kannte leider auch keine weiteren Klopfgeister. Das machte ihm sehr zu schaffen, denn er fühlte sich oft sehr einsam. Nirgendwo schienen andere Klopfgeister zu wohnen. Und Antonius hatte schon sehr lange gesucht und war dafür sehr weit gereist.
Er hatte viele Poltergeister getroffen in alten Häusern, in denen sich kein Mensch mehr zu wohnen traute aus Angst vor den unheimlichen und lauten Mitbewohnern. Er traf Kettenrasselgeister in Burgen und Schlössern, die dort seit Jahrhunderten ihr Unwesen trieben und die Menschen gerne bei den Besichtigungen und Führungen erzittern ließen, wenn sie die kalten Schauer spürten und das Rasseln hörten. Antonius lernte ein paar wirklich nette Waldgeister kennen, die die Wälder bei Nacht so schaurig wirken ließen, dass die Menschen bis heute lieber an den Waldrändern lebten, als mitten im Wald ein Häuschen zu bauen – mit Ausnahme ein paar mutiger Hexen natürlich, die sich vor gar nichts fürchteten.
Die Geister mit den abnehmbaren Köpfen blieben lieber unter sich. Sie lebten in verlassenen Dörfern oder Ruinen und spielten sehr sonderbare Spiele wie Kopfweitwurf oder Kopfkegeln und Köpflein-versteck-dich. Was natürlich nur ihnen vorbehalten war, da alle anderen Geister, so sehr sie sich auch bemühten, ihre Köpfe nicht einfach so durch die Gegend rollen konnten. Verirrte sich durch Zufall mal ein Mensch zu ihnen, wurde er selbstverständlich fortgegruselt, wie es sich für einen anständigen Geist gehörte.
Die Heulgeister waren die anspruchslosesten unter den Geistern. Sie lebten überall dort, wo es jemanden zum Erschrecken gab. In Kellern, auf Dachböden, in Kirchen und Schulen, in Bibliotheken hinter den Regalen, ja sogar im Theater hatte man sie schon gehört. Ihnen allen ist Antonius auf seiner Suche schon begegnet. Aber am angenehmsten waren ihm die Wassergeister. Sie liebten es, den ganzen Tag zu schwimmen und in der Nacht am Ufer von kleinen Waldseen zu sitzen und die Sterne zu beobachten. Es lag ihnen fern, Menschen zu erschrecken. Sie waren der Meinung, die Menschen hätten so viel Aufmerksamkeit überhaupt nicht verdient. Die Wassergeister erzählten den Fischen ihre wundersamen Märchen und tanzten Wassertänze und tauchten bis an den Grund des Sees, um die Dunkelheit zu genießen. Antonius saß oft bei ihnen am Ufer und lauschte ihren Geschichten. Er liebte es, mit ihnen zu schwimmen, doch das Wasser war ihm immer etwas zu kalt. Durchgefroren hockte er dann im Wald und fühlte sich wieder ganz einsam.
Er war sehr schlecht im Menschenerschrecken, denn die Menschen taten ihm dann immer etwas leid. Eigentlich mochte er sie sogar. Was sich für einen richtigen Geist natürlich überhaupt nicht gehörte! Deswegen sagte er es den anderen Geistern lieber nicht. Geschichten liebte er sehr, aber er selbst konnte keine guten erzählen. Er fand es wundervoll, wenn es um ihn herum dunkel war, und Schwimmen war seine große Leidenschaft. Doch nichts, wirklich gar nichts, liebte er mehr als das Klopfen. Ja, er klopfte für sein Leben gern. An Bäumen, auf Dächern, an Wänden, er klopfte Steine aneinander und mit Stöcken an Zäune. Er klopfte auf Töpfe, an Türen und Rohren und überall, wo sich so ein wunderschönes Klopfgeräusch ergab.
Jedoch machte er sich dadurch bei den anderen Geistern nicht sehr beliebt. Die Wassergeister und die Waldgeister waren von seinem Klopfen ziemlich genervt. Sie liebten eben die Ruhe. Die anderen Geister machten sich über ihn lustig, da man doch mit der zaghaften Klopferei niemals einen Menschen so richtig erschrecken könnte.
Nirgendwo fühlte sich Antonius zu Hause, nirgendwo gehörte er dazu. Die anderen Geister wussten, wo sie hingehörten und wie sie geistern sollten. Aber Antonius kannte keine anderen Klopfgeister und so wusste er auch nicht, wie man als Klopfgeist sein musste und vor allem wo ein Klopfgeist überhaupt hingehörte.
Er überlegte lange hin und her, wo er sich als kleiner Klopfgeist wohl fühlen würde, wo er schwimmen könnte, ohne zu frieren, Geschichten lauschen und, was besonders wichtig war, wo er sich nicht einsam fühlte und trotzdem nach Herzenslust klopfen könnte, ohne jemanden damit zu verärgern.
Umso mehr er darüber nachdachte, umso unmöglicher schien es ihm, so ein Zuhause jemals finden zu können. Da die anderen Geister inzwischen nur noch über sein Klopfen schimpften und ihn immer wieder fortscheuchten, beschloss Antonius, sich auf den Weg zu machen, um irgendwo auf der Welt ein geisterloses Plätzchen zu finden, das die Menschen noch nicht für sich entdeckt hatten, um dort für alle Zeit allein zu klopfen und niemanden zu stören.
Der Gedanke an die Einsamkeit machte ihn traurig und so beschloss er, eine Pause einzulegen, und setzte sich auf einen kleinen Zaun, der einen fast verwilderten Menschengarten umgrenzte. Er nahm sich einen Kieselstein und klopfte einen ganz traurigen Rhythmus an die Zaunlatte, auf der er saß. Das Geräusch war so zart und leise, dass er mit Sicherheit niemanden stören würde. Ein Eichhörnchen sah zu ihm hinauf und sammelte weiter ein paar Nüsse im Garten. Niemand verscheuchte ihn oder lachte ihn aus. Und da Antonius schon sehr müde war von der langen Wanderung, beschloss er, die Nacht in diesem Garten zu verbringen. Er kühlte seine kleinen Füße in dem Wasser der Vogeltränke, sehr zum Ärger eines Buchfinks, der ihn misstrauisch beobachtete, sammelte sich ein paar herabgefallene Beeren und schaute sich um nach einem Plätzchen zum Schlafen. Als er den Garten durchstreifte, kitzelte es plötzlich ganz angenehm in seiner Nase. Er folgte dem wundervollen Duft und kam zu einem kleinen Beet voller Kräuter und Blumen.
Antonius setzte sich zwischen all die schönen weißen Blüten und atmete tief ein. Er hatte sich noch nie wohler gefühlt. Mit einem Mal wurde er ganz schläfrig. Er kuschelte sich in die weichen Blätter und ihm fielen die kleinen müden Augen zu.
Als er am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich pudelwohl und ausgeschlafen wie schon lange nicht mehr. Hinter dem kleinen Wäldchen färbte sich langsam der Himmel, um den Sonnenaufgang anzukündigen. Antonius hatte das Gefühl, sein kleines Geisterherzchen würde Luftsprünge machen, und vor lauter Glück setzte er sich auf einen großen Stein und begann, mit einem kleinen Stöckchen einen lustigen Rhythmus zu klopfen. Da öffnete sich plötzlich die Tür des kleinen Menschenhauses, zu dem der Garten gehörte, und ein Junge trat in die kühle Morgenluft. Er rieb sich verschlafen mit einer Faust die Augen und kam dann auf das Beet zu, in dem Antonius so wunderbar geschlafen hatte. In der Hand hielt er einen kleinen Korb. Dann hockte er sich zwischen die Blüten und begann einzelne Stängel zu pflücken und in den Korb zu sammeln.
„Nein, dachte sich Antonius plötzlich, „was tut er denn da? Er nimmt mir ja meine wundervollen Düfte. Er stielt mein Bettchen!
Vor lauter Zorn klopfte er besonders laut auf den Stein, immer schneller und schneller. Da drehte sich der Junge plötzlich um, und suchte mit seinen Augen den Garten ab, woher dieses Klopfen wohl kommen möge. Als er Antonius entdeckte, stellte er seinen Korb ab und kam zu ihm herüber. Der kleine