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Mafia Band 1: Thriller
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eBook291 Seiten3 Stunden

Mafia Band 1: Thriller

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Über dieses E-Book

"Mafia Band 1" von Silencio Picollo ist der Auftakt einer spannenden Mafia-Reihe, die einen in die dunklen Abgründe von Menschen und Organisationen entführt und Einblicke in die Mafia gibt.
Maximilian-Werner Junker ist schwer alkoholsüchtig und suizidgefährdet, da er unter der Trennung zu seiner Frau und den Kindern leidet. Er beschließt, sein Testament zu schreiben und ihnen das Haus und sein letztes Vermögen zu vererben, da er sie immer noch sehr liebt. Seine Frau Waltraud Junker bekommt davon nichts mit und hat ihre ganz eigenen schwerwiegenden Probleme, mit denen sie sich rumschlagen muss. Sie ist alleinerziehende Mutter, die mit wenig Geld auskommen muss und von einer schwer kriminellen Mafia-Familie terrorisiert wird. Für Maximilian und Waltraud beginnt eine aussichtslose Hölle aus Problemen. Maximilian kämpft gegen sich selbst, seine Selbstmordgedanken und seine Alkoholsucht. Waltraud muss feststellen, dass die Mafia-Familie vor keiner Gewalt-Tat zurückschreckt. Verzweifelt und am Boden zerstört, suchen beide nach einem letzten Ausweg aus dieser brutalen Welt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum21. Jan. 2017
ISBN9783742799845
Mafia Band 1: Thriller

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    Buchvorschau

    Mafia Band 1 - S. Picollo

    1. Kapitel

    Maximilian-Werner Junker parkte den grünen Traktor auf dem Parkplatz des Bauernhofes ein und stieg aus. Es war ein heißer Tag, die Sonne knallte auf seine Haut und wohl war ihm nicht. Er mochte wie immer nicht nach Hause gehen, weil ihn dort jeden Tag die Schattenseite seines Lebens begrüßte und die Probleme immer wieder anfingen, als wenn jemand den Schalter betätigte. 

    Maximilian verzog deshalb sein Gesicht und stempelte sich mit der Karte aus. Er war zwar froh, dass er hier eine sichere Arbeit hatte, aber außerhalb des Betriebs begann für Maximilian eine andere Welt. Sie hatte keine Farbe, war trostlos und voller Probleme. Er freute sich keineswegs auf sein kleines Häuschen am Rand des Dorfes und hatte auch nicht vor, jetzt dort hin zu gehen. Gemütlicher und entspannender erschien ihm die Kneipe, knapp fünf Gehminuten von hier entfernt. Nur dort konnte er die Sonne in sein Leben lassen, die trotz des schönen Sommertages, Maximilian nicht zu treffen schien. Er bekam es nicht mit und blickte in eine verdunkelte Welt, die nur er wahrnahm. Sie war nicht die, die jeder andere wahrgenommen hätte, eine Welt mit bunten Geschäften, gefüllten Straßen, hektischem Verkehr und gut gelaunten Leuten, die lächelnd das Leben genossen, in den Cafes und Bars. Für Maximilian gab es nur den Tunnelblick, der ihm keine Sicht nach rechts und links verschaffte. Er kannte nur noch die Kneipe, sein Zuhause und die Arbeit. Schon seit über einem halben Jahr war er nirgendwo mehr woanders gewesen. Und ihm machte es nichts aus. Er spürte keinen Drang mehr, die Welt und ihr Leben zu sehen, zu genießen und mal den Alltag zu vergessen. Ihm fehlte die Freude und das gute innerliche Gefühl. Nur in der Kneipe fand er es. Warum an etwas anderes denken, wenn das Trinken ihm Erfüllung und eine innere Geborgenheit gab? Maximilian stellte eben keine hohen Ansprüche mehr an sein Leben und so war es gut für ihn. Mochten die anderen doch sagen, was sie wollten. Er hatte nichts zu beklagen, denn es würde ja sowieso nicht mehr anders laufen. Die anderen Leute waren glücklich, gut, aber Maximilian konnte nicht glücklich sein, denn er hatte nichts, was ihm dieses Gefühl gab. Er hatte alles verloren und sein einziger wirklicher Zufluchtsort war die Kneipe.

    Als er sie erreichte und die Tür aufmachte, über deren idyllischen alten Holzfenstern die Schrift ››Zur Rose‹‹ stand, kam ihm der Geruch von frisch gezapften Bier, Zigarettenqualm, das Geräusch der quatschenden Leute und das Dudeln der Spielautomaten entgegen. Hier merkte er sofort, dass er sich wohler fühlte. Sein Tunnelblick verschwand allmählich und er setzte sich an den Tresen. Der ältere Mann hinter dem Tresen, mit dem langen Bart, dem Bierbauch und den grauen Haaren, Alfred Knaus, war der Besitzer der ››Rose‹‹ und begrüßte ihn herzlich. Maximilian war hier Stammkunde und seit mehr als sechs Monaten fast jeden Tag hier gewesen.

    ››Und wie geht es dir Maximilian?‹‹

    ››Immer noch beschissen.‹‹

    ››Du kommst wohl nie über die Trennung hinweg, oder?‹‹

    ››Ich glaube, dass werde ich auch nie.‹‹

    ››Dann brauchst du eine Stärkung für deine Seele. Ein Pils und ein Wodka wie immer?‹‹

    ››Genau Alfred.‹‹

    Alfred machte sich an die Arbeit, während Maximilian an seine Frau Waltraud Junker und seine beiden Kinder Peter und Jochen dachte. Er vermisste sie und wollte sie unbedingt wiedersehen, auch wenn Waltraud und er sich vielleicht nichts mehr zu sagen hatten. Aber momentan sah es ganz und gar nicht danach aus. Er war dem Alkohol verfallen und aus Hoffnung auf einen großen Gewinn, nahm er sich auch heute vor, das Glück an einem Spielautomaten in der Kneipe herauszufordern. 

    Maximilian wusste, dass man dort nicht viel gewinnen konnte, doch schon des Öfteren war das Glück auf seiner Seite gewesen und er konnte mit beträchtlichen Summen nach Hause gehen. In letzter Zeit aber verließ ihn das Glück zunehmend und er versoff und verspielte das gesamte Ersparte seiner Familie. Es war eine Summe von über einhunderttausend Euro, von dem er eigentlich das Haus sanieren lassen wollte. Es kam heraus, als Waltraud schon die Firma bestellt hatte. Als sie zahlen wollte, sah sie die unzähligen Abhebungen vom Sparbuch und konfrontierte Maximilian damit. Sie war außer sich und er hatte keine andere Wahl gehabt, als die Wahrheit zu sagen. Doch das war das Ende der Ehe und auch der Liebe zueinander. Ab jenem Tag stritten sie sich nur noch wegen jeder Kleinigkeit und immer wieder drohte Waltraud damit, ihn zusammen mit den Kindern zu verlassen. Die vergeblichen Versuche und Versprechen von Maximilian, das Saufen und das Spielen aufzugeben, ja sogar eine Therapie zu machen, ignorierte sie, da sie ihn als einen unheilbaren, hoffnungslosen Versager bezeichnete. Eines Tages legte sie ihm einen Abschiedsbrief vor, in dem sie mitteilte, dass sie ihn nie wieder sehen wollte. Dann waren sie weg! Verschwunden! Sie begann ein ganz neues Leben, änderte ihre Telefonnummer und vielleicht sogar ihren Namen und seit jeher hatte Maximilian nie wieder etwas von ihnen gehört. 

    Er fragte sich, was sie machte und ob die Kinder gut in der Schule waren. Aber jedes mal wenn er darüber nachdachte, brach er in Trauer aus und soff und spielte wieder. Die Gedanken daran und sein schlechtes Gewissen machten ihn wahnsinnig. Maximilian hatte nie gewollt, dass seine Kinder ohne einen Vater aufwuchsen und nun war er selbst einer von vielen Vätern, mit denen er dieses Gefühl teilen musste.

    ››Hier ein Bier und ein Wodka‹‹, sagte Alfred und überreichte ihm die Gläser.

    ››Habe vielen Dank‹‹, antwortete Maximilian und trank beide Gläser sofort hinter.

    ››Mach mal noch zwei.‹‹

    ››Kommt sofort.‹‹

    Der Alkohol war seine Rettung für den heutigen Tag. Er spürte die einsetzte Beruhigung und das angenehme Gefühl, benebelt zu sein. So ließ es sich leben und alles Unangenehme ertragen. Er trank immer mehr und fühlte die innere Wärme. Sie gab ihm das alte Gefühl von Freude, Unbeschwertheit und Glück zurück und das jedes Mal aufs Neue. Er wurde immer betrunkener und wandte seinen Blick dem Spielautomaten zu. Wie viel hatte er da schon investiert und vergeblich auf sein Glück gehofft? Tausende von Euro waren dort drin gelandet und fast jedes Mal musste er eine weitere Trinkrunde starten, um das verspielte Geld zu vergessen. Er spürte die Schmerzen in sich und überlegte.

    ››Na willst du es wieder versuchen‹‹, fragte Alfred.

    ››Ich glaube heute mal nicht. Ich habe schon so viel dort verzockt.‹‹

    ››Vielleicht hast du heute aber Glück. Jedenfalls wünsche ich es dir.‹‹

    ››Nein, heute ist es so wie an den anderen Tagen. Lass mal sein Alfred.‹‹

    ››Wenn du meinst.‹‹

    ››Mach mir mal noch zwei Pils und einen Wodka und dann werde ich nach Hause.‹‹

    ››Geht klar.‹‹

    ››Hier hast du schon mal einhundert Euro, stimmt so.‹‹

    ››Danke.‹‹

    Alfred nahm das Geld entgegen und überreichte Maximilian die Getränke. Das musste bis Zuhause reichen, dann würde er weiter trinken. Sich wie jeden Abend vor den Fernseher setzen und hoffen, dass ihn die Gedanken an sein beschissenes Leben nicht wieder einholten. Maximilian trank aus und klopfte auf den Tresen.

    ››Mach's gut Alfred, bis morgen auf jeden Fall.‹‹

    ››Schönen Abend dir noch und passe auf dich auf.‹‹

    ››Geht schon, wenn ich umfalle ist es wenigstens vorbei.‹‹

    Er verließ die Kneipe und torkelte den Gehweg entlang. Aber ihm ging es gut. Er sah die Sonne und die freudigen Menschen. Sein Tunnelblick war verschwunden und er erfreute sich an dem bunten Leben im Dorf. Es war Sommer und somit auch Touristenzeit. Viele saßen auch abends noch und tranken, feierten und genossen ihr Leben. So etwas wollte Maximilian auch mal wieder tun, doch er wusste bereits, dass er solche Gedanken nur im Suff hatte. Dort war die Welt wunderschön und farbenfroh, genauso wie früher. Ach wenn er doch die Zeit zurückdrehen könnte, dann würde er alles anders machen. 

    Er seufzte und ihm stach das Tabak-Geschäft in die Augen. Maximilian war Nichtraucher, aber das Wort ››Lotto‹‹, machte ihn neugierig. Wie wäre es, das ersparte Geld, das er nicht in den Spielautomaten geworfen hatte, für das Lotto auszugeben? 

    Maximilian blieb stehen und kramte in seinem Portmonee. Fünfzig Euro hatte er noch. Sollte er sie dafür investieren? Würde es ihm etwas bringen, oder war es verschwendetes Geld und auch Zeit?

    ››Scheiß drauf, heute probiere ich es‹‹, sagte er zu sich selbst und lief in das Geschäft. Das Geld war sowieso futsch und auch wenn seine Chancen geringer standen, als von einem Blitz erschlagen zu werden, wagte er es. Einmal Millionär sein, sich um nichts mehr kümmern zu müssen, einen professionellen Alkoholentzug machen und richtig schön Urlaub machen! Der Gedanke war es Wert, auch wenn es nicht klappte. Außerdem hatte er schon lange kein Lotto mehr gespielt. Das letzte Mal zusammen mit seiner Frau. Damals hatte es nicht geklappt und es war naiv, jetzt überhaupt darüber nachzudenken. Der gute Wille stand aber im Vordergrund und das war es ihm Wert. Maximilian betrachtete die Lottoscheine und entschied sich, einen komplett ausgefüllten zu nehmen und einen kompletten, den er selbst ausfüllen musste. So waren die Chancen höher, denn auf sein Glück konnte er kein Vertrauen mehr setzten. Er füllte den Schein aus und gab beide der Kassiererin.

    ››Neunundvierzig Euro macht das bitte‹‹, sagte sie.

    ››Das passt ja‹‹, lachte Maximilian und gab ihr das Geld. Er hatte für Samstag und nächste Woche Mittwoch getippt.

    ››Viel Glück.‹‹

    ››Das habe ich sowieso nicht. Glück können sie vergessen bei mir.‹‹

    ››Lassen sie den Kopf nicht hängen mein Herr.‹‹

    ››Ist ja auch egal‹‹, sagte Maximilian und verließ den Laden. Die Scheine beachtete er gar nicht, da er überhaupt keine Hoffnung sah. Im Gegenteil – Vielleicht war es wirklich verschwendete Zeit und er hatte fünfzig Euro in den Sand gesetzt.

    Maximilian merkte, dass er wieder Alkohol brauchte, da der Pessimismus zurückkehrte. Er lief ein wenig schneller und sah sein Haus schon. Er merkte gar nicht, was es für eine Bruchbude war. Im Laufe der Zeit hatte Maximilian es ausgeblendet, da er kein Geld hatte, um es zu sanieren und seine ehemaligen Freunde, ihn wegen des Trinkens verlassen hatten. Er war ganz alleine und sah es nicht ein, unnötiges Geld auszugeben, weil er ja überhaupt nicht wusste, ob er das Spiel des Lebens weiterspielen konnte. Ein Selbstmord war zwar die letzte Möglichkeit, doch angesichts des angehäuften Pechs in den letzten Monaten, war dieser Weg nicht mehr undenkbar. Es gab ja nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Einzig und allein die Arbeit als Landwirt und das gute Gehalt, mit dem er trinken konnte, waren sein Antrieb, überhaupt noch etwas zu machen. Der Rest konnte ihm getrost gestohlen bleiben und die Menschen auch. Er mochte keinen mehr um sich haben und wollte nur noch seine Ruhe. Nicht einmal Anstalten, sein Fahrrad zu reparieren, machte er, denn er konnte auch alles gut zu Fuß ablaufen. Dennoch wusste er nicht, warum er sein Haus noch nicht verkauft hatte, obwohl es doch noch so viel Wert war. Es sah zwar schäbig aus, doch es war ein altes Fachwerkhaus, das den einen oder anderen Liebhaber gefunden hätte. Auch kam die Lage des Grundstücks dazu. In dieser ruhigen Wohngegend in Erlendorf und den Geschäften und Supermärkten, die nicht weiter als fünf Autominuten entfernt waren, gaben die Menschen auch mal das Doppelte für ein Haus aus. Maximilian hatte also das Glück auf seiner Seite, doch etwas hinderte ihn daran, es zu verkaufen. Es hatte eine lange Familiengeschichte hinter sich und wurde immer weiter vererbt. 

    Nachdem sein Vater Erwin Junker starb, vererbte er es in seinem Testament an Maximilian. Und auch zuvor erbte Erwin es von seinem Vater und so weiter, bis drei Generationen davor. Er konnte es nicht verkaufen. Maximilian war stark religiös. Er gehörte den Katholiken an und war fast eine Ausnahme im Norden Deutschlands, wo das Christentum verbreitet war. Aber er gab sich zufrieden, jeden Sonntag in die kleine Kirche am Dorfrand zu gehen, um zu beten. Außerdem war er abergläubisch und dachte daran, dass die Geister seiner Vorväter immer noch das Haus bewohnten und ihm somit noch mehr Unglück brachten, wenn er dem Teufel gehorchte, nur ans Geld dachte und es tatsächlich verkaufte. So war es gut für ihn und er hatte ein reines Gewissen. Und vererbt wurde es auch nur an seine Söhne, wenn er denn eines Tages starb, wie auch immer. Niemand anders sollte dieses Haus haben, denn dann würde alles den Bach runtergehen, da war er sich sicher.

    Maximilian zog den Schlüssel aus seiner Hosentasche und öffnete die Holztür, die schon einige Jahre auf dem Buckel hatte und nur so von Holzwurmlöchern durchzogen war. Eines Tages würde sie wahrscheinlich den Geist aufgeben und in tausende Splitter zerfallen. Sie knarrte laut, als er sie aufschloss. 

    Wie immer, wurde Maximilian an seine Kindheit erinnert, als ihm der Geruch des Holzfußbodens und der alten Möbeln in die Nase zog. Das Haus war innen verziert mit alten Bildern, Vasen und sonstigen Antiquitäten, die seit Erbauung des Hauses hier ihren Platz hatten und schon die Jahre überdauert hatten. Riesige Holzbalken waren an den Wänden und Decken zu sehen und unterbrachen die weiße Tapete mit ihrem kräftigen Braun. Insgesamt machte das Haus einen idyllischen Eindruck und jeder Liebhaber von alten Häusern und speziell Fachwerkhäusern, wäre hier in Ohnmacht gefallen, wäre vor Neid zerplatzt oder hätte ihm sämtliches Vermögen angeboten, um das Haus zu kaufen. Der Eindruck war einfach überwältigend und selbst Maximilian spürte ihn, trotz seiner abgestumpften Gefühle durch den Alkohol. Hier lagen Erinnerungen an seine sonst friedliche Kindheit, die trotz des streng katholischen Vaters, wirklich ein Traum war. Er hatte immer genug zu essen gehabt, konnte behütet aufwachsen und hatte Erlendorf nie wirklich verlassen. Mit fünfzehn Jahren begann er eine Lehre bei ››Ernst Graf‹‹ und war seitdem dort beschäftigt. Zwar hatte er mal im Dorfzentrum eine kleine Wohnung gehabt, doch nach dem Tod seine Vaters, zog er mit Waltraud und den Kindern hier ein. Alles schien wunderschön, doch das Haus strahlte nur auf den ersten Blick eine gewisse Idylle aus. Wenn man genauer hinsah, erkannte man die leeren Flaschen Bier, Wein, Wodka und Schnaps. Es war unordentlich und gewischt wurde auch schon lange nicht mehr. Der Fußboden war staubig und es war eindeutig, dass Maximilian das Haus vernachlässigt hatte. Er selber merkte es nicht und setzte sich auf das verstaubte Sofa. Unter dem Sofatisch holte er eine Bierflasche hervor und öffnete sie mit dem Flaschenöffner, der lieblos in einer Ecke des Tisches lag. Das Bier tat ihm gut, denn während des Weges, war er wieder nüchtern geworden. Er schaltete den Fernseher ein und irgendwie musste er wieder nachdenken. Die Erinnerungen an seine Familie kamen wieder hoch. Er kannte das schon von sich, denn so ging es jeden Tag. Manchmal konnte er sie mit viel Alkohol ersticken, doch heute schaffte er es nicht. Heute waren sie stärker als je zuvor und er begann zu weinen. Er wusste, dass Tränen nichts brachten, denn sie konnten die Zeit auch nicht zurückdrehen, aber verbergen konnte er sie auch nicht. 

    Die Probleme nagten an ihm, immer und immer mehr. Was war nur los mit ihm? War es der schleichende Beginn der absoluten Hoffnungslosigkeit, die das letzte Fünkchen Hoffnung im Keim erstickte? Er überlegte, ob es am Lottospiel lag und fragte sich, warum er nicht noch dreißig Euro versoffen hatte und mit einem Zwanziger den Spielautomaten herausfordert hatte. Vielleicht war es der Alkohol, die Abhängigkeit, die ihm immer mehr abverlangte, immer mehr trinken, für immer weniger schöne Gefühle. Es war teuflisch, was mit Maximilian vor sich ging. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und zog etwa sechs handgeschriebene Zettel aus der Schublade. Es war sein Testament, das er zur Sicherheit verfasst hatte, falls er sein Leben nicht mehr aushielt. Es war fast fertig. Maximilian spürte das Grauen in sich und beschloss, es heute noch zu beenden. Er fühlte, dass er nicht mehr lange durchhielt, dass er den Kampf des Lebens nicht ewig kämpfen konnte. 

    2. Kapitel

    Waltraud Junker stand im Wohnzimmer und bügelte die Wäsche. Vor fünf Minuten war sie von der Arbeit zurückgekommen und ihr stand der Schweiß auf der Stirn. Ihr junges Gesicht und die langen braunen Haare, wirkten blass und farblos an jenem Tag, da man ihr ansah, dass sie acht stunden gearbeitet hatte. Sie war Kassiererin in einem Supermarkt und musste heute ausnahmsweise Regale bepacken. 

    Waltraud war fertig mit den Nerven und die Trennung von Maximilian steckte ihr immer noch in den Knochen. Ihr einziges Glück, das sie vor der Arbeitslosigkeit bewahrt hatte, war ihre Arbeit an sich, da die bekannte Supermarktkette natürlich auch in Hannover vertreten war und sie problemlos die Arbeitsstelle wechseln konnte. 

    Doch dass sie in eine neue Stadt und somit in ein neues Umfeld kam, merkte man ihr und den Kindern an. Sie selber hatte keine Kontakte in der Zeit knüpfen können und die Kinder wurden in der Schule gehänselt und gemobbt, da sie vom Land kamen, ››Dorfkinder‹‹, wie die anderen Kinder sie beschimpften. Peter und Jochen waren in ihrer schulischen Leistung so abgefallen, dass Waltraud sie gar nicht mehr wiedererkannte. Verzweifelt versuchten sie sich dem asozialen Jargon anzupassen, nur um dazuzugehören, doch häufig machte der Versuch noch mehr Probleme. Peter war in der ersten Klasse und Jochen in der zweiten, aber auch schon dort war die Disziplinlosigkeit eingekehrt. Sie hatte auch keine Hoffnung mehr, dass die beiden es auf die Realschule, geschweige denn auf das Gymnasium schafften, wo der Umgangston und die soziale Kompetenz der Schüler und Lehrer etwas höher war. Aber so wie es aussah, mussten beide auf der Hauptschule bleiben und sich entweder versuchen anzupassen, oder in der Gewalt unter den Schülern untergehen, vielleicht früher oder später wegen der Verzweiflung Drogen nehmen, kriminell werden, und schließlich in einer Entzugsklinik landen, oder sich gar umbringen. 

    Waltraud bekam ein unbeschreiblich schreckliches Gefühl, wenn sie nur daran dachte. Sie wollte nie etwas so Schlimmes für ihre Kinder, doch sie hatte auch nicht die finanziellen Mittel, um sie aus diesem verkorksten Umfeld herauszunehmen. Die Schulpflicht bestand und Peter und Jochen waren körperlich und geistig gesund. Sie litten ausschließlich an dem neuen Umfeld. 

    Waltraud ärgerte sich, dass sie kein Abitur gemacht hatte, um beiden Kindern den nötigen Antrieb zum Lernen zu geben. Sie hatte damals einfach keine Lust gehabt, das Abitur zu machen und fing gleich nach Abschluss der zehnten Klasse eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau an. Heute bereute sie es, dass sie damals so faul war. 

    Nun musste sie in einer kleinen Vier-Zimmer-Wohnung mit sechzig Quadratmetern, in einem halbwegs vernünftigen Altbau-Mehrfamilienhaus in der Hannoveraner Südstadt leben. Sie lag im dritten und obersten Stock eines Dreißiger-Jahre-Baus, hatte eine Zentralheizung, Parkettfußboden, ein Bad mit Dusche und WC, in dem man problemlos eine Waschmaschine platzieren konnte und eine Küche, in der sie zu dritt essen konnten. Überall waren die Wände mit einer weißen Tapete verziert, bis auf Jochens Zimmer, das auf seinen Wunsch und viel Hin und Her mit Waltraud, in blau gestrichen wurde. Die Wohnung war mit ihrer knapp siebenhundert Euro teuren Warmmiete relativ günstig und Waltraud musste nicht auf jeden Cent schauen, da sie durch den Kinderzuschlag und der niedrigen Lohnsteuerklasse, knapp zweitausend Euro für die Miete und zum Leben hatte. Sie war nicht besonders glücklich damit, aber für ein Leben als alleinerziehende Mutter war es ausreichend. 

    Waltraud war zudem stolz auf ihre Wohnungseinrichtung, denn sie bot eine Mischung zwischen Alt und Neu. Sie hatte sie bei einem Online-Möbelhaus gekauft, des knappen Geldes halber auf Raten in achtundvierzig Monaten. Sie konnte aufgrund ihrer Flucht von Maximilian so gut wie nichts mitnehmen, da sie es mit ihm nicht mehr aushielt. Eine einzige Ausnahme bildete der große Kleiderschrank in ihrem Schlafzimmer, den sie heimlich auseinandergebaut hatte und in die neue Wohnung nach Hannover geschickt hatte. Er hatte vorher ihrer Mutter gehört. Dort waren alte Erinnerungsstücke und Fotos von Waltrauds Kindheit drinnen, die sie auf keinen Fall hergab, wenn dann nur über ihre Leiche. 

    Waltraud hatte eine ganz gute Kindheit gehabt, aber sie war die jüngste unter vier Schwestern. Sie war in Buxtehude aufgewachsen und hatte es immer schwer gehabt, sich gegen ihre Schwestern durchzusetzen. Sie führte einen ständigen Kampf. Sie lernte aber dadurch, sich durchzusetzen und das half ihr in ihrem späteren Berufsweg.

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