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GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben: Die Liebe in den Zeiten des Positiven Denkens
GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben: Die Liebe in den Zeiten des Positiven Denkens
GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben: Die Liebe in den Zeiten des Positiven Denkens
eBook295 Seiten4 Stunden

GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben: Die Liebe in den Zeiten des Positiven Denkens

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Über dieses E-Book

Lebenskrise – Positives Denken – Abenteuer – Fettnäpfchen – Esoterik – Liebe – Lüge – Glück – Geld – Absturz – Neubeginn.

Stefan gerät in eine Krise. Wer bin ich? Und wenn ja, wie erfolgreich bin ich? Vor allem bei den Frauen. Und besonders bei der schönen, neuen Nachbarin Nicole. – Erst einmal geht gar nichts …

Stefan ist unzufrieden mit seinem Leben: Wie werde ich glücklich?

Er beginnt das Abenteuer des Positivens Denkens. Am Anfang ohne jeden Erfolg. Keep smiling? Nein seine Mundwinkel hängen noch tiefer herunter als vorher: "Mein Gott, ich sehe ja aus wie die Merkel."

Stefan will "genau ins Glück". Leider landet er "knapp daneben". Anfangs tappt er von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, von Reinfall zu Reinfall.

Auf seiner Reise durch die Psycho-Szene lernt Stefan viele bizarre Positiv-Denker kennen. Und viele abgefahrene esoterische Gruppen. Und viele Frauen. Eine will ihn ins Tantra einweisen. Kein Höhepunkt für Stefan.

Aber schließlich ist Stefan ganz oben. Ganz glücklich und ganz reich. Total gut drauf. Doch dann stürzt er ab, ins tiefe Tal der Tränen.

Kommt er wieder hoch? Findet er sein Glück noch? Und was wird mit Nicole? Geht da noch was?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. Dez. 2013
ISBN9783847668398
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    Buchvorschau

    GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben - Bernhard Bohnke

    1 ES WAR EINMAL ...

    Empört schlug Stefan die Wohnungstür zu. Gerade war er im Treppenhaus seiner neuen Nachbarin begegnet, einer attraktiven Dunkelhaarigen. Stefan hatte ihr zugelächelt und versucht, in seinen Blick das gewisse Etwas zu legen. Aber sie hatte ihm nur kurz und kühl zugenickt. Was sich diese Frau eigentlich einbildete!

    Ächzend setzte er seine prallvollen Einkaufstaschen ab. Als er sich wieder aufrichtete, schaute er direkt in den Garderobenspiegel. Stefan trat an den Spiegel heran und beguckte sich. Für seine 36 Jahre sah er wirklich nicht übel aus. Gut, die Geheimratsecken ließen sich nur noch mit einem Trick überdecken, aber viele Männer hatten in seinem Alter schon eine Halbglatze. Seine Haut war auch noch straff, dabei weich wie ein Pfirsich. Und ein Doppelkinn konnte man allenfalls ahnen.

    Ich kann sehr mit mir zufrieden sein, sagte Stefan laut.

    Kannst du nicht, hörte er jemand nörgeln.

    Wer spricht da? fragte er erstaunt.

    Deine innere Stimme, kam die Antwort.

    Stefan war sich bisher gar nicht bewusst gewesen, eine innere Stimme zu besitzen. Und er war keineswegs sicher, dass er sich über eine solche Stimme freuen sollte, schon gar nicht über eine so vorlaute. Jedenfalls musste er sie zurechtweisen.

    - Natürlich sehe ich gut aus. Mit 1,80 Meter habe ich Gardemaß. Und meine blonden, seidigen Haare zeigen noch keine graue Strähne. Ich bin wirklich eine stattliche wie jugendliche Erscheinung. Meine Nachbarin kann sich glücklich schätzen, dass ich mich für sie interessiere.

    - Kann sie nicht.

    - Was soll das heißen?

    Stefan wurde langsam ärgerlich.

    - Du bist zu dick.

    - Unsinn. Ich habe vielleicht zwei, drei Kilo zu viel, aber eigentlich eine Traumfigur.

    - Traumfigur? Dass ich nicht lache. Alptraumfigur! Und anstatt Pfirsichhaut hast du wohl eher Orangenhaut. Außerdem wie unsportlich du bist! Schon nach drei Treppen aus der Puste.

    - Nur, weil ich so irre schnell hochrase.

    Stefan bemühte sich, ganz langsam zu atmen.

    - Nein, es kommt daher, dass du so bewegungsfaul bist. Dein einziger regelmäßiger Fußweg sind die fünfzig Meter zum Autoparkplatz. Aber wie soll man auch von einem Mann, der es beruflich zu nichts gebracht hat, sportliche Disziplin erwarten?!

    Stefan war nun richtig wütend. Fast hätte er die Stimme angeschrien, aber irgendetwas hielt ihn zurück. Hatte sie nicht vielleicht recht? Wollte er sich die Wahrheit nur nicht eingestehen? Musste er der inneren Stimme sogar für ihre schonungslose Offenheit dankbar sein? Plötzlich ganz müde, schlich Stefan zu seinem Lieblingssessel und ließ sich fallen. Fast automatisch wollte seine Hand die Fernbedienung für den Fernseher drücken, aber er legte sie wieder weg. Nein, es war Zeit, dass er mal ernsthaft über sich und sein Leben nachdachte.

    Stefan seufzte: Wenn es auch weh tat, diese Stimme aus seinem Inneren hatte nicht völlig unrecht; sie hatte in manchem recht, nein, sie hatte beinahe vollkommen recht. Klar war er zu dick, zwar nicht fett, aber ein bisschen vollschlank. Ihm schauderte bei diesem Wort. Einen Bauch hatte er - noch - nicht, doch immerhin einen netten kleinen Bauchansatz. So weit, so schlecht.

    Und der Beruf? Sachbearbeiter bei einer Krankenversicherung war sicher nicht gerade seine Berufung, aber es gab Schlimmeres. Allerdings hätte er längst Gruppenführer sein müssen. Doch als vor einem halben Jahr die Position frei wurde, nahm man nicht ihn, sondern einen jungen Schnösel, der - so wurde gemunkelt - über das notwendige Vitamin B verfügte. Stefan hatte zwar mit den Zähnen geknirscht, aber nicht den Mund aufgemacht.

    Überhaupt neige ich zu stark dazu, mich anzupassen und einzuordnen, überlegte Stefan. Bloß nicht unliebsam auffallen. Oder am besten gar nicht auffallen. Als er sich das letzte Mal ein neues Auto gekauft hatte, da wäre er fast einmal ausgebrochen. Er sah beim Händler einen knallroten Alfa Romeo, zwar gebraucht, aber in Topzustand, mit 145 PS. Und fühlte spontan den Wunsch, genau diesen Wagen zu besitzen. Aber schließlich hatte doch die Vernunft gesiegt. Er kaufte sich einen Golf-Jahreswagen, mit 75 PS, in grau. Mausgrau, wie seine damalige Freundin Angela schnippisch anmerkte, die auch mit dem Alfa geliebäugelt hatte. Aber das passt ja zu dir grauen Maus.

    Damit war er am schmerzlichsten Punkt seiner schonungslosen Selbstanalyse angekommen. All die bisherigen Punkte wären nicht so tragisch, hätte er mehr Erfolg bei Frauen. - Unwillig zauste, zupfte und zippelte Stefan an seinem rechten Ohrläppchen. Aber tapfer setzte er seine Selbsterforschung fort.

    Wenn er auch im Kollegenkreis manchmal mit seinen Erfahrungen prahlte und wenn er auch - von einem Schwips beschwingt - schon mal den Draufgänger spielte, im Grunde seines Herzens war er fast schüchtern. Und seine Attraktivität für das andere Geschlecht musste durchaus bescheiden genannt werden.

    Angela verließ ihn kurz nach der Enttäuschung mit dem graumausigen Golf. Seitdem hatte er nur einige flüchtige Bekanntschaften gehabt. Und auch bei der neuen Mieterin schien er nicht gerade offene Türen einzurennen. Seit sie vor einer Woche in die Wohnung über seiner gezogen war, hatte er, wann immer er sie sah, ihr schöne Augen gemacht. Doch die Reaktion war unterkühlt bis eisig.

    N. Frohwein hatte er auf ihrem Türschild gelesen. Er stellte sich vor, sie hieße Nicole, vielleicht weil ihn einmal eine Frau namens Nicole in einem Film völlig bezaubert hatte, und seine Nachbarin ähnelte jedenfalls äußerlich verblüffend dieser Nicole: die gleichen dunkelbraunen Augen, die so gut zur Farbe der lockigen Haare passen. Das Gesicht, das vielfältige und tiefe Gefühle erahnen lässt. Und ein Zauber, eine irgendwie geheimnisvolle Ausstrahlung.

    Unglaublich, aber seine Vorstellung bewahrheitete sich noch am selben Tag, denn er sah ein Päckchen im Hausflur liegen, auf dem groß Nicole Frohwein prangte. Stefan war überzeugt: Dass ich ihren Vornamen intuitiv erraten habe, muss einfach ein gutes Omen sein. Und Frohwein klang in seinen Ohren wie eine Einladung. Aber offensichtlich galt diese Einladung nicht ihm. Oder noch nicht. So frostig, wie sie geguckt hatte.

    Stefan stöhnte nach dieser Seelenpein schmerzlich auf.

    Gottseidank verkabelt, murmelte er und griff wieder zur Fernbedienung. Bei über 50 Programmen würde sich sicher eins finden lassen, das ihn seine missliche Lage und seine trübe Stimmung vergessen ließ. In der Phantasie in ein anderes Leben wegtauchen, sich in einen anderen, glücklicheren, erfolgreicheren Mann zu versetzen, das genau brauchte er jetzt. Doch gerade, als er einschalten wollte, meldete sich wieder die innere Stimme.

    - Stefan, Flucht in die Fernsehwelt ist keine Lösung.

    - Du schon wieder?! Kannst du mich nicht in Ruhe lassen!

    - Ich will dir nur helfen.

    - Danke. Du hast mir klargemacht, dass ich eine Niete bin. Das war sehr hilfreich.

    Stefan genoss seinen Sarkasmus richtig.

    - Ich kann dir aber auch eine Lösung deiner Probleme aufzeigen.

    - So? Wie soll es denn für einen Verlierer wie mich eine Lösung geben?

    - Jetzt ergehst du dich in Selbstmitleid.

    - Ich will nichts mehr von dir hören!

    Trotzig drückte Stefan den 1. Programmknopf. Gerade lief die Sendung Frühstücksfernsehen. Ein Mann, etwa in Stefans Alter, erzählte, wie mies sein Leben verlaufen war, bis er die Methode des Positiven Denkens für sich entdeckte. Das brachte die große Wende, von nun an glückte ihm alles. Er sei sein Übergewicht losgeworden, habe beruflich Erfolg und - wie er augenzwinkernd versicherte - über seine Chancen beim anderen Geschlecht könne er sich nicht beklagen. Eigentlich gegen seinen Willen hörte Stefan gespannt zu, drückte dann aber missmutig das nächste Programm - in seiner depressiven Stimmung wollte er nichts von positiver Problemlösung hören.

    Hier lief Pop-Musik, vielleicht tat ihm das ganz gut. Eine Band spielte eine bekannte Melodie. Der Song gefiel ihm, bis er auf den Text achtete. You can get it, if you really want, but you must try, try and try .... Man kann alles erreichen, wenn man es wirklich wünscht? Als ob das so einfach wäre. Unwillig, aber doch nachdenklich geworden, schaltete Stefan wieder ein Programm weiter.

    Diesmal erwischte er eine Szene aus einer Therapie: Der Patient lag in entspannter Haltung auf einer Couch, die Augen geschlossen, das Gesicht ruhig und heiter wie ein schlafendes Baby. Der Psychologe saß neben ihm und sprach mit sanfter, aber eindringlicher Stimme auf ihn ein: Es geht Ihnen gut, supergut. Sie fühlen sich zuversichtlich und optimistisch. Ihre Probleme fallen von Ihnen ab. Sie gewinnen neues Selbstbewusstsein. Ab sofort denken Sie stets positiv.

    Stefan überlegte: Jetzt bin ich dreimal direkt nacheinander auf das Positive Denken gestoßen. Scheinbar zufällig, aber kann das noch Zufall sein? Doch wer oder was will mir hiermit einen Ratschlag geben? Das Schicksal?

    Jedenfalls nicht die innere Stimme, denn die hatte bestimmt keinen Einfluss auf das Fernsehprogramm. Und das befriedigte ihn, denn er wollte sich nicht von dieser überheblichen Stimme dirigieren lassen. Vielleicht könnte er es ihr mit Positivem Denken zeigen. Und überhaupt, warum sollte er das nicht einfach mal ausprobieren?!

    Stefan dachte an seinen zweiten Vornamen: Candidus: Der kam aus dem Lateinischen und bedeutete soviel wie aufrichtig, unverfälscht, strahlend und vor allem auch glücklich, wie ihm sein Vater schon als 4-Jährigem erklärt hatte. Und dass es diesen Begriff ebenfalls in Englisch und Französisch gab: candid bzw. candide. In der Schule wurde Stefan oft als Candyman aufgezogen. Seitdem hatte er sich angewöhnt, den Zweitnamen zu verschweigen. Aber jetzt fand er neuen Gefallen daran: Mein Name Candidus ist eine Verheißung, ich werde der Strahlende, der Glückliche, der Positive werden. Ich will ausziehen, um das Positive Denken zu lernen.

    Doch wie lernte man das?

    Sofort musste er an seinen Freund Helmut denken. Nun, ein Freund war er eigentlich nicht, nicht mehr. Vor etwa zwei Jahren hatte er verschiedene Psychokurse zur Steigerung von Selbstsicherheit und Selbstbehauptung mitgemacht. Danach ließ er nichts mehr von sich hören.

    Als Stefan ihn trotzdem einmal besuchte, warf Helmut ihm an den Kopf, er verbreite zu viele negative Schwingungen, ähnlich wie ein ungeleerter Mülleimer. Stefan war gekränkt gegangen und hatte sich seitdem bei dem allzu selbstsicheren Frechling nicht mehr gemeldet. Doch erinnerte er sich genau, dass Helmut immer wieder von der Macht des Positiven Denkens sprach, die ihn zum Erfolgsmenschen gemacht habe. Er war also ein Experte.

    Stefan drückte seinen aufbegehrenden Stolz herunter und wählte die prägnante Telefon-Nummer, die er noch genau im Kopf hatte. 44 13 13. Kernig tönte es aus der Muschel:

    - Hier Helmut Schmahl.

    - Hallo Helmut, hier ist Stefan. Wie geht es dir?

    - Welche Frage, natürlich bestens. Jedem positiven Menschen geht es doch blendend. Aber wie sieht es mit dir aus?

    - Na ja, nicht so gut.

    Stefan war etwas kleinlaut.

    - Ich weiß, du musst noch deinen Mülleimer runterbringen.

    - Wie bitte?

    - Deinen Seelenmüll ausleeren.

    Stefan stutzte. Schon wieder der Vergleich mit dem Mülleimer. Am liebsten hätte er den Hörer aufgeschmissen. Aber er wollte ja etwas von Helmut. So presste er mit zusammengebissenen Zähnen hervor:

    - Du kennst dich doch aus mit diesem Positiven Denken. Auch ich möchte damit anfangen. Kannst du mir einen Rat geben, wie ich das am besten mache?

    - Das freut mich aber, mein Alter, dass du jetzt endlich auch den richtigen Weg einschlagen willst. Am klügsten beginnst du mit dem Lesen wichtiger Bücher. Hol dir mal etwas zu schreiben, dann gebe ich dir eine Reihe von Titeln durch! - Fertig? Also dann los: Die Superkraft Positiven Denkens, Die Allmacht Ihres Unterbewusstseins, Pack den Tiger in den Psychotank, Du bist der Größte, Der Kosmos gehört dir ...

    - Vielen Dank, es reicht erst mal. Entschuldige, aber das klingt alles so bombastisch. Was soll denn vor allem heißen: Der Kosmos gehört dir?

    - Du kannst mit Positiv-Denken die kosmische Urkraft anzapfen. Du kannst praktisch das Weltall für dich arbeiten lassen.

    - Ja arbeitet denn für dich das ganze All?

    - Nein, so weit bin ich noch nicht. Aber die Milchstraße ist mein.

    - Gut, Helmut, das wäre es für heute. Wenn ich Fragen habe, rufe ich noch mal bei dir an.

    - Natürlich. Übrigens bekomme ich demnächst eine neue Telefon-Nummer.

    - Wieso? Ziehst du um?

    - Nein, aber zweimal die 13 in 44 13 13 verursacht zu viel negative Ströme. Bald habe ich die Nummer 44 25 25, 25 ist nämlich meine Glückszahl. Die Änderung kostet zwar eine Stange Geld, doch das rentiert sich bestimmt.

    2 SORGE DICH NICHT - LESE

    Der nächste Tag war ein Samstag, Frühlingsanfang. Glänzend blauer Himmel, ein laues Lüftchen, und die Vögel zwitscherten wie die Fischer-Chöre. Stefan hatte für all das kaum ein Auge oder Ohr. Stattdessen eilte er schon am Morgen zu einer großen Buchhandlung, aber nicht zu seiner gewohnten, denn etwas peinlich war ihm die Sache doch. Buchhandel Harmonia las er auf dem Schild über dem Eingang und stolperte herein.

    Ich suche Bücher über Positives Denken, haben Sie etwas darüber da?

    Die Buchhändlerin lächelte nachsichtig. Bitte kommen Sie doch einmal mit. Hier, wie Sie sehen, haben wir etwas da. Sie betonte das Etwas. Fassungslos stand Stefan vor einem riesigen Regal, gut zehn Reihen mit Büchern, jede fast eineinhalb Meter breit.

    Suchen Sie ein bestimmtes Buch? Stefan kramte seine Liste hervor und nannte die Titel. Also, die ‚Superkraft’, die ‚Allmacht’ und der ‚Tiger’ sind vorrätig, die anderen Titel könnte ich Ihnen bis morgen besorgen.

    Zielsicher griff sie die genannten drei Bücher aus dem Regal. Aber schauen Sie doch selbst einmal nach, vielleicht finden Sie ja einen Ersatz für ‚Du bist der Größte’.

    Es schien Stefan, als mache sie sich ein bisschen über ihn lustig, und so nickte er hastig und wandte seinen Blick dem Riesenregal zu. In der Tat: Alternativen gab es da genug. Stirnrunzelnd las Stefan Titel um Titel, in denen es allen von Superlativen nur so wimmelte. Schließlich entschied er sich noch für Ich tue, was ich will: Mind-Power und Die unendliche Megastärke des Megabewusstseins. Das klang unüberbietbar, dafür konnte er sogar auf den Besitz des Kosmos verzichten. Gerne hätte er noch Ultra Sex durch Ultra-Gedanken mitgenommen, aber das traute er sich nicht, dafür musste er zunächst das Buch Ich tue, was ich will studieren.

    Als die Kasse 89,30 Euro ausdruckte, schreckte Stefan zusammen, positiv zu werden, war ihm zwar lieb, aber so teuer? Dennoch, nein gerade darum ging er noch einmal zum Megaregal zurück und holte sich Denke positiv und werde stinkreich. Die zusätzlichen 17,90 Euro würden sich - sicherlich oder wahrscheinlich oder möglicherweise oder wenigstens eventuell - schnell bezahlt machen.

    Als er sich verabschiedete, guckte ihn die Verkäuferin halb aufmunternd, halb mitleidig an, jedenfalls kam es ihm so vor. Schnell verließ Stefan den Laden, froh diesen ersten Schritt überstanden zu haben.

    Kaum zu Hause angelangt, türmte er seine Schätze vor sich auf und begann zu blättern, mal in diesem Buch und mal in jenem. Aber schon nach kurzem stellte sich ein Gefühl der Verwirrung ein. Anscheinend gab es nicht eine Lehre vom Positiven Denken, sondern viele, die sich durchaus widersprachen.

    Welche Kraft sollte denn durch das Positive Denken aktiviert werden? Einmal wurden die Gedanken selbst als Kraft bezeichnet, dann wurde von der Kraft des Unterbewusstseins oder aber des Überbewusstseins gesprochen, andererseits war auch von kosmischer oder gar göttlicher Kraft zu lesen. Und ging es überhaupt in erster Linie um das Denken? Stefan las nämlich auch von Wille und Vorstellung. Positives Wollen - oder positives Vorstellen an statt Positivem Denken. Nun, ich werde mich nicht beirren lassen, beschloss er. Wozu habe ich schließlich die verschiedenen Bücher? Ich werde mir aus jedem das Beste heraussuchen!

    Als erstes griff Stefan sich Pack den Tiger in den Psychotank, da spürte man die Power so richtig. Wie er jedoch nach einigem Lesen feststellte, war die Hauptaussage des Autors: Lass deine Gedanken lächeln. Das enttäuschte Stefan etwas: Den Tiger hatte er nicht gerade mit Lächeln in Verbindung gebracht, sondern mit powerfuller Selbstbehauptung. Und die Aufforderung zum Keep smiling war auch nicht gerade eine Novität ersten Ranges. Aber er durfte nicht so nörgelig sein, so würde er das Positiv-Sein nie lernen. Also las er weiter.

    Der Autor argumentierte: Wenn man positiv denkt, lächelt man. Aber auch das Umgekehrte gilt. Wenn man lächelt, denkt man positiv. Das - innere - Positive Denken ist zwar das Entscheidende, aber man kann es oft am besten über das - äußere - Lächeln lernen. Daher soll man üben zu lächeln, immer und immer wieder, am Anfang vor dem Spiegel.

    Stefan hatte zwar so seine Zweifel. Gab es nicht auch das eiskalte Lächeln oder das falsche Grinsen, die keineswegs positive Gedanken anzeigten? Andererseits schien diese Methode schön einfach, er wollte sie direkt ausprobieren. Entschlossen ging er zu dem großen Spiegel in der Garderobe, vor dem - mein Gott, ein Tag war das erst her - alles angefangen hatte. Das Tiger-Buch nahm er natürlich mit.

    Ziehen Sie die Mundwinkel nach oben, lautete die Anweisung. Stefan versuchte es mit bestem Willen, aber seine Winkel schienen eine natürliche Tendenz nach unten zu haben, so als ob sie der Schwerkraft Tribut zollten. Zog er sie jedoch mit Anstrengung aufwärts, dann verzog sich zugleich sein ganzes Gesicht. Das Resultat war weniger ein Lächeln als vielmehr eine Entgleisung seiner Gesichtszüge. Und dabei mahnte der Tiger: immer schön locker und entspannt bleiben.

    Unverdrossen übte Stefan weiter. Doch dieses schräge Grienen entsprach noch immer nicht gerade dem, was man ein Lächeln nannte. Jedenfalls kein liebenswürdiges, gewinnendes. Allenfalls einem höhnisches Lächeln, falls es ein solches geben sollte.

    Trotzdem war Stefan nicht unzufrieden. Es war immerhin ein Anfang. Der Tag war mit seinen ersten Ausflügen ins Land des Lächelns erstaunlich schnell vergangen. Im Bett versuchte er, vor dem Einschlafen seine Mundwinkel in eine stabile Lächelposition zu bringen, vielleicht würden sie sich über Nacht in die neue Haltung einliegen.

    Um so größer war die Enttäuschung am nächsten Morgen. Die Mundwinkel schienen durch die gestrige Anstrengung völlig abgeschlafft, jedenfalls hingen sie tiefer runter als je zuvor. Ich sehe ja aus wie die Merkel, stöhnte Stefan auf. Kurz ging ihm durch den Kopf, ob er für ein Mund-Lifting zum Schönheitschirurgen gehen sollte, aber das wäre natürlich absurd.

    Dennoch, um zum Erfolg zu kommen, durfte er auch vor etwas drastischen Methoden nicht zurückschrecken. Denn wie schrieb der Tiger-Autor: Wenn der Mund nach oben zeigt, dann zeigt auch der Geist nach oben. Heute war Sonntag, und er hatte nichts Besonderes vor, also war die Gelegenheit günstig. Er ging zum Schreibtisch und holte sich Tesafilm, breit und extra stark. Damit klebte er die störrischen Lippenwinkel nach oben. Nach einer Stunde war er so neugierig, dass er es nicht mehr aushielt. Schnell zog er die Klebstreifen ab und - welche Genugtuung! Die Mundwinkel hatten sich erhoben, strebten aufwärts.

    Nun war es an der Zeit, den zweiten Schritt des Tiger-Lächeln- Programms zu beginnen, und der hieß: Zähne zeigen. Denn für ein überzeugendes, offenes Lächeln genügten keine erigierten Lippen, sondern man musste auch den Blick in das Innere des Mundes freigeben, zumindest den Blick auf die Zähne. Doch als Stefan erwartungsvoll vor dem Spiegel posierte, bekam er den Mund nicht auf. Von einer rätselhaften Scham ergriffen, zierte und genierte er sich, zu peinlich war ihm die eigene Zähnebschau. Was blieb da zu tun?

    Stefan beschloss, seinen Mund zu überlisten: Ich werde mir bzw. ihm einen Witz erzählen. Vielleicht muss ich bzw. er dann spontan lachen und öffnete sich auf diese Weise. Also los: "Ein Skelett geht zum Zahnarzt. Sagt der Zahnarzt: 'Ihre Zähne sind in Ordnung, aber Ihr Zahnfleisch … .''' Gespannt wartete Stefan auf eine Reaktion, aber nichts tat sich. Kein Lachen, seine Zähne wollten sich nicht zeigen. Vielleicht mochten sie keine Zahnarzt-

    witze. Oder sie kannten den schon.

    Als er über eine Lösung nachgrübelte, fiel ihm der alte Kalauer ein: Zähne sind wie Sterne. Abends kommen sie raus. Womöglich sollte er wirklich abends, bei Dunkelheit weiterüben. Niemand wird gerne bei hellem Licht ständig beobachtet, das galt offensichtlich auch für seine Zähne. Und ohnehin hatte er jetzt eine Entspannungsphase verdient. Ja, lächeln zu lernen war richtige Arbeit.

    Am Abend stand Stefan also wieder vor dem Spiegel; nur ein wenig durch das Fenster eindringendes Mondlicht beleuchtete die Szene. Tatsächlich, jetzt konnte er den Mund ganz locker zu einem breiten Lächeln öffnen. Als er jedoch sein Spiegelbild sah, erschrak er so, dass der Mund sofort wieder zuklappte. In dem gespenstischen Halbdunkel sah er aus wie ein Wolf, der die Zähne fletschte. Oder sogar wie ein Vampir, der seine Beißerchen bleckte. Schauderhaft!

    Aber er würde nicht aufgeben. Denn der Tiger versicherte: Wer lächelt, der erobert die Welt. - Und die Eroberung der Welt war allemal eine Mühe wert, die Eroberung von Nicole natürlich erst recht. So legte er vor dem Zu-Bett-Gehen nochmal die Klebstreifen auf, und diesmal fixierte er den geöffneten Mund. Wenn er das Tesa-Lifting über Nacht einwirken ließ, würde er hoffentlich schon morgen das Ziel des chronischen zahnfreien Lächelns erreicht haben.

    Als er am nächsten Morgen wieder an seinem derzeitigen Lieblingsplatz, vor dem großen Spiegel stand, sah er sofort, dass das Mundfixing Erfolg gehabt hatte. Die Tesa-Maske hatte ihm zwar ein etwas maskenhaftes, gefrorenes Lächeln beschert, aber immerhin ein dauerhaftes und offenherziges, mit freiem Blick auf seine Goldkronen. Und es zeigte sich: Das Buch hatte recht. Wenn man lächelt, denkt man auch positiv. Jedenfalls war Stefan in freudiger Erwartung, wie die Kollegen und vor allem Kolleginnen im Büro auf seine neue Ausstrahlung reagieren würden. Ob sie mich direkt darauf ansprechen? überlegte er.

    - Mann Stefan, bist du verprügelt worden?

    - Was soll das denn heißen?!

    - Dein Mund ist so schief und steht offen, als ob

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