Hinter den Spiegeln: Melinas Reise
Von Albertine Gaul
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Buchvorschau
Hinter den Spiegeln - Albertine Gaul
Albertine Gaul
Hinter den Spiegeln
1. Kapitel
Melina und der Spiegel
2. Kapitel
Die Macht des Spiegels
3. Kapitel
Die Reise
4. Kapitel
Der Prozess
5. Kapitel
Die Flucht
6. Kapitel
Die Insel der Seligen oder Aarons Insel
7. Kapitel
Die Stadt
8. Kapitel
Der Kardinal
9. Kapitel
Die Flucht
10. Kapitel
Der Anschlag
11. Kapitel
Erkenntnisse
12. Kapitel
Der Abschied
Impressum neobooks
Albertine Gaul
Hinter den Spiegeln
Gewidmet ist dieses Buch meiner Familie, meinen Freunden und Hans.
1. Kapitel
Melina und der Spiegel
„Hinter den Spiegeln
Wartet eine Welt,
So wunderbar.
Hinter den Spiegeln
Ist das Licht so klar.
Hinter den Spiegeln
Würde ich so gerne sein.
Hinter den Spiegeln
Bist du mein."
Was für ein komisches Gedicht, dachte Melina Loredana ärgerlich. Hinter den Spiegeln? Was soll schon anderes dahinter sein, als die Wand? Blöder Gedanke.
Ärgerlich schüttelte sie den Kopf und klappte heftig das Buch der Lyrik zu, in dem sie gerade gelesen hatte. Nein, heute war nicht der Tag, um sich mit Büchern zu befassen, überlegte sie. Schon gar nicht mit Gedichten.
Seit ihrer Lehre arbeitete sie in dem großen Unternehmen, das Kunststoffteile für die Raumfahrt herstellte. Wie jeden Mittag saß die junge, dunkelhaarige Frau in der Kantine, heute alleine, und las, neben ihrer Mahlzeit, ein Buch.
Sie schob sich die letzte Gabel Salat in den Mund, packte ihr Buch weg und verließ die belebte Kantine des Unternehmens `Sypoor`, nachdem sie das Tablett wieder in einen Wagen befördert hatte.
Draußen auf dem Flur traf sie ihren Arbeitskollegen Jonas Grau, der auch gerade aus der Mittagspause kam.
„Hey, ich habe dich gar nicht gesehen, da drin", sagte er freudestrahlend.
„Ich saß hinten in der Ecke, wie immer und habe gelesen", antwortete Melina, leicht genervt. Sie mochte Jonas, doch nicht als Liebhaber, wie er sich sah. Immer wieder mache er ihr Avancen, die sie aber abblockte.
„Auch wie immer!, rief Jonas und kam dann zu seinem eigentlichen Anliegen. „Warum willst du nicht mit mir ausgehen, Melina? Sag schon, was stört dich an mir?
„Nichts. Aber ich gehe nicht mit Kollegen aus. Ein Grundsatz von mir", antwortete Melina fest.
„Eigentlich sind wir doch keine richtigen Kollegen. Ich sitze in einer anderen Abteilung wie du. Das musst du mir zugutehalten. Also könntest du auch mit mir die Party von Stephan Beil besuchen. Du kennst Stephan? Der Typ, der immer die Post verteilt? Er feiert am Samstag eine riesen Party in der „Disco Japanese. Komm doch auch. Ich würde mich freuen.
Erwartungsvoll sah er sie an.
„Ich überlege es mir", meinte Melina. Für sie schien die Unterhaltung damit beendet.
„Versprochen?", bohrte Jonas nach.
„Ja, du Nervensäge. Ich denke darüber nach." Sie funkelte ihn giftig an.
„Ok, ich rufe dich an." Und weg war er, verschwunden in dem Gewühl, welches immer vor dem vollbesetzten Aufzug herrschte. Seine Abteilung lag eine Etage höher, die er jeden Mittag zu Fuß erreichte.
Melina ging zurück in ihr Büro, wo sie Jonas und die Party völlig vergaß. Es gab genug zu tun, in dem spärlich eingerichteten Büro mit dem winzigen Fenster und der großen Topfpflanze in der Ecke, einem Gummibaum. Relikt ihres Vorgängers. Die junge Frau goss ihn zwar jeden Morgen, mochte ihn eigentlich aber nicht.
Draußen wurde es bereits dunkel, als sie ihren Computer herunterfuhr und Feierabend machte für heute.
Mit dem Bus, der vor dem Firmengelände hielt, fuhrt sie, wie jeden Tag, heim.
In ihrer kleinen Wohnung, in einem ruhigeren Teil der Stadt, erinnerte sie sich wieder an ihr Versprechen. Eigentlich hatte sie keine Lust auf die Feier, andererseits hasste sie es, alleine zu Hause zu sein. Alles war viel zu ruhig hier, niemand der mit ihr redete, und auf sie wartete. Wann kam endlich ihr Mister Right? Viel zu lange war sie nun schon alleine, seit ihr letzter Freund sie verließ. Dabei sehnte sie sich nach Nähe, Wärme und einer Familie. Nur, wo blieb der Loverboy?
In der Nacht hatte sie wieder diesen Traum, und der Kerl sah so unverschämt gut aus, dass sie am ganzen Körper ein Kribbeln verspürte. Und er wollte nur sie. Das macht er ihr auch mit einem Kuss klar. Melina wünschte sich, dass er nie wieder aufhören würde sie zu küssen. Aber dann klingelte irgendwo ein Wecker und der Typ sagte doch glatt: „ Telefon für dich, Baby. Musst du da ran gehen?"
Verschlafen angelte die junge Frau nach dem Wecker, der prompt vom Nachttisch fiel. Melina hechtete hinter dem rappelnden Ding her und landete unsanft auf dem Boden.
Es war kurz nach sechs und wieder Zeit aufzustehen. Morgen, dachte sie sehnsüchtig, morgen kann ich ausschlafen. Denn dann ist endlich Samstag.
Müde zog sie sich an, kochte sich einen Kaffee und fuhr dann wieder mit dem Bus zur Arbeit.
Der Freitag verging so, wie der Donnerstag auch, ruhig und langweilig. In der Mittagspause setzte sich Jonas zu ihr an der Tisch, was Melina mit einem genervten Blick quittierte. Was er aber nicht mitbekam, stattdessen redete Jonas die ganze Zeit über die Party.
„Ich bin so froh, dass du auch mitkommst, Melina. Das wird mega geil. Stephan erzählte mir, dass er einen DJ engagiert hat, der gut auflegen soll. Und Sprit in allen Variationen gibt es auch. Soll ich dich von zu Hause abholen, dann brauchst du nicht zu fahren?" Anscheinend hatte er noch nicht mitbekommen, dass Melina ihm keine Zusage erteilt hatte.
„Nein, nicht nötig. Ich nehme die U-Bahn." Am liebsten hätte die junge Frau ihm gesagt, dass sie nicht mit kommen wollte, unterließ es dann aber. Ein langes und ödes Wochenende wartete auf sie, fern von ihrer Familie, die im Süden Deutschlands lebte. Ihre beste Freundin wollte ihrem Nachbarn Anton helfen, der in eine Alten-WG zog und seine Wohnung leer räumen musste. So würde sie sie dieses Wochenende nicht sehen.
„Das kann gefährlich sein, Melina. Und die U-Bahn fährt auch nicht immer. Es macht mir wirklich nichts aus, dich mitzunehmen. Stephan lächelte sie freundlich an. „Sabine und Roland fahren auch mit.
„Ich sage dir später Bescheid. Im Büro wartet noch eine Menge Arbeit auf mich, Jonas." Melina packte ihr Buch weg, das sie diesmal nicht gelesen hatte, und stand auf.
„Warte, ich helfe dir", sagte Jonas und wollte nach ihrem Tablett greifen.
„Lass nur. Bis Später." Die junge Frau regierte genervt und stöckelte energisch mit ihrem Tablett zum Geschirrwagen. Dann zum Aufzug und zu ihrem Büro.
Erst in ihrem Büroraum konnte sie Luft holen. Hierher folgte er ihr nie.
Dieser Jonas ist echt eine Nervensäge, dachte sie. Wenn er mit mir alleine sein möchte, kann er es ja sagen. Aber, er ist nicht mein Typ. Wie bringe ich es ihm schonend bei?
Erneut setzte sie sich an ihren PC und begann, Rechnungen zu schreiben und Briefe. Eine Tätigkeit, die sie ablenkte von Jonas und der Party. Denn dafür brauchte sie ihre ganze Konzentration, nicht leicht nach dem Mittagessen.
Kurz vor Feierabend bekam sie eine SMS von ihrer Freundin Hannah, die sie bat, sie beim Ausräumen der Wohnung zu vertreten.
„Ich habe mir den Fuß verstaucht und kann nicht laufen. Könntest du Anton helfen? Er hat sonst niemanden und außerdem ist er nicht so gut zu Fuß. Melde dich, wenn es geht. Es wäre super, Melina."
Ärgerlich wollte Melina schon absagen, aber da sie sonst nichts vor hatte, schrieb sie Hannah, dass sie Anton helfen wollte.
Am anderen Morgen war sie froh, aus ihrer Wohnung zu kommen, denn es war kühl und regnete die ganze Zeit. Anton wohnte im Nebenhaus und freute sich, dass ihm jemand half.
„Schön, dass Sie Zeit haben. Ich habe Frau Kaminski gesagt, ich schaffe es alleine, wenn sie krank ist. Aber davon wollte sie nichts wissen. Das meiste von dem Zeug hier geht weg. In der WG habe ich nur ein kleines Zimmer, da passt nicht viel rein", erklärte der grauhaarige Mann und deutete auf die Kartons im Flur.
„Ich freue mich, Ihnen helfen zu dürfen. Vermutlich würde ich bei dem Wetter den ganzen Tag auf der Couch liegen. So komme ich wenigstens raus und habe Bewegung." Melina folgte dem alten Mann in den hinteren Teil der Wohnung. Einige Kisten waren schon gepackt, aber das meiste lag noch verteilt im Zimmer.
Den ganzen Vormittag sortierte und verpackte sie, zusammen mit Anton, der sich von vielen Dingen nicht trennen mochte. Das eine oder andere Teil staubte Melina ab, zumeist Geschirr oder Nippes. Kurz vor Mittag bat sie der alte Mann noch mal auf den Dachboden zu gehen, wo weitere Dinge lagerten.
„Schauen Sie, ob dort noch etwas ist, was ich mitnehmen könnte. Ich denke, das meiste dort kann weg, aber so genau weiß ich das nicht. Seitdem ich so schlecht laufen kann, war ich nicht mehr oben."
Melina stöberte in dem Plunder und fand dabei einen Spiegel, der ziemlich abgegriffen war, aber einen hübschen Rahmen hatte. Sie nahm ihn mit in die Wohnung, Anton aber meinte, er könne auf den Sperrmüll. So fragte sie ihn, ob er ihr den Spiegel überlassen würde.
„Mir gefällt er. Ich könnte ihn aufarbeiten."
„Nehmen Sie ihn mit, ich brauche ihn eh nicht mehr. Meine Frau hat ihn mit in die Ehe gebracht, aber die ist schon zehn Jahre tot."
Zurück in ihrer Wohnung packte Melina die Sachen in die hinterste Ecke, gönnte sich ein leichtes Mittagessen und rief dann Hannah an.
„Auftrag erledigt, Hannah. Wir haben viel geschafft, in den paar Stunden."
„Danke, du hast ihm wirklich geholfen. Leider kann ich nicht laufen, sonst hätte ich dich nicht angerufen."
Eine Weile telefonierte Melina noch mit ihrer besten Freundin, bis jemand versuchte sie zu erreichen. Als ich nach der Nummer sah, erkannte sie Jonas Telefonnummer und fragte sich, wo der ihre Privatnummer her hatte. Wütend rief sie nicht zurück.
Der Abend kam und mit ihr die Party, zu der sie mit der U-Bahn fuhr. Neben Jonas und Stephan, den sie heute erst kennen lernte, traf sie viele nette Männer, aber trotzdem fuhr sie alleine nach Hause, denn der richtige war nicht dabei. Sie mochte dunkelhaarige Kerle mit Charme, Humor und viel Herz.
Viele wollten mit ihr flirten, und sogar die Nacht verbringen, aber Melina hatte ihre eigene Vorstellung von Mr. Right. Ihre Ansprüche waren hoch, sie wollte mit dem Typen auch reden können, und nicht nur Bettgymnastik machen.
Schade, dachte sie, als mit der Bahn um vier Uhr früh heimfuhr, wieder eine Nacht alleine. Ich sollte, meine Ansprüche, über Bord werfen, dann klappt es auch mit dem richtigen Mann. Oder auch nicht! Ist das nicht verschwendete