Oskar trifft die Todesgöttin: Teil 3
Von Jörgen Dingler
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Über dieses E-Book
Warum ist eine Stardesignerin Jobbeschafferin für eine Superkillerin?
Vor allem aber: Warum tötete Kali vor Jahren Christines Mutter?
Der von Greg Norman als 'Lottogewinn' angepriesene Auftrag entwickelt sich zu einer stetig wachsenden Ansammlung einander bedingender Dilemmas. Oskar Randows Optionen sind verheerend. Gibt es überhaupt ein kleinstes Übel? Wie es auch kommen mag, zumindest eins steht für ihn fest:
Das kann kein gutes Ende nehmen!
–
Teil drei: Oskar macht es doch! Aber ist es die Neugier auf die elfenhafte Stardesignerin Christine Vaarenkroog, die ihn einen perversen Auftrag annehmen lässt? Oder ist es doch die immense Kohle, die Viktor Vaarenkroog zur Ermordung der eigenen Tochter springen lässt?
–
Titelillustration zeigt eine Szene aus Kapitel 11
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Oskar trifft die Todesgöttin - Jörgen Dingler
Vorspann
Oskar
trifft die Todesgöttin
Roman von Jörgen Dingler
Teil III / Kapitel 11 bis 16
© 2009-2014 by Jörgen Dingler
Alle Rechte vorbehalten.
Jede – auch teilweise – Vervielfältigung
zur nicht eigenen privaten Nutzung
oder schriftstellerischen Weiterverwendung,
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ohne Einverständnis des Autors oder eines/r Bevollmächtigten
ist untersagt und stellt eine Verletzung des Urheberrechts dar.
Das gilt für alle technischen und nichttechnischen Verfahren,
ob analog oder digital, automatisiert oder manuell.
Titelgestaltung und Illustration:
Design Interventions, Wien
Kali (Göttin)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie (Auszüge)
Kali (Sanskrit, wörtl.: „Die Schwarze") ist im Hinduismus eine bedeutende
Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung.
…
Kalis Bedeutung beschränkt sich nicht auf den Todesaspekt.
Die Gläubigen sehen sie trotz ihrer schrecklichen Gestalt
auch als Beschützerin der Menschen und göttliche Mutter,
als Kalima, da ihre zerstörerische Wut sich nicht gegen die Menschen,
sondern gegen Dämonen und Ungerechtigkeit richtet.
www.joergendingler.com
Was in Teil II geschah (Kapitel 4 bis 10).
Oskar hat Vera getötet und damit Zielperson und Auftrag zu Nicky Tyrons Zufriedenheit erledigt. Kaum zurück in Wien, bestellt ihn sein Geschäftspartner Greg Norman zu sich. Beide sehen eine aufgezeichnete TV-Sondermeldung. Ein Killer hat den mafiösen Präsidenten der Vatikanbank gewaltsam seines Amtes enthoben. Der trinkfreudige Jobvermittler verfügt über ein beeindruckendes Netzwerk. Darüber zog er Informationen ein, nach denen nur Superkillerin ‚Kali‘ für diesen Job infrage kommt. Der Deutsche ist im Gegensatz zu Kali-Fan Greg ein Skeptiker, was die Existenz der legendären Berufskollegin angeht. Ein anderer Berufskollege verwandelt wiederum die Zweifel an Kalis Existenz in vorsichtiges Staunen. Amon Liebermann begegnete Kali vor Jahren in Kasachstan. Der ansonsten sorg- wie skrupellose A-Kategorie-Killer war höchst beeindruckt und hatte die Begegnung mit dem mordenden Phantom nur überlebt, weil er später als sie am Tatort eintraf. Kali hatte bereits alle Anwesenden erledigt – darunter auch den einen, den Amon zu erledigen hatte. Die entschwindende Superkillerin besaß die Geschmeidigkeit und Lautlosigkeit einer Katze.
Nur gut, dass diese Raubkatze ihren Hunger bereits gestillt hatte.
Wochen später kommt Greg aus Hamburg zurück und hat einen Auftrag im Gepäck, den er als ‚Lottogewinn‘ anpreist. Der Auftraggeber, ein gewisser Viktor Vaarenkroog, möchte auch den Ausführenden persönlich kennenlernen. Nach seiner Rückkehr aus Hamburg steht für Oskar fest, dass er den Auftrag nicht annehmen möchte. Der schräge kleine Glatzkopf Vaarenkroog ist ihm nicht geheuer. Zu recht, denn der Auftrag ist so brandgefährlich wie pervers. Es gilt die prominente Ledermodendesignerin Christine Vaarenkroog zu töten. Die ist nicht nur die Tochter des Auftraggebers, sondern insgeheim auch die engste Vertraute von Killerqueen Kali. Und genau diese Kali tötete vor mehr als zehn Jahren Viktors Frau, Christines Mutter.
Ein achtstelliges Honorar verheißt, nie mehr arbeiten zu müssen. Dazu kommen die Ermutigungen seines Partners, der Oskar für den besten Killer hält, den er je traf. Außerdem steht nicht Kali, sondern Christine auf dem Einkaufszettel. Die elfenhafte Designerin kennenlernen zu können, triggert zusätzlich Oskars Neugier. Er kann es nicht erklären, aber irgendwie fühlt er sich zu Christine hingezogen – noch bevor er ihr begegnet ist.
Teil III – Annäherung
Elf.
Zürich, Juli 2011
»Wunderschön.«
Der blonde Gast im hellgrauen Maßanzug blickte über den Zürichsee und ertappte sich dabei, ein Wort der Verzückung zu murmeln. Er leerte sein Bierglas und stellte es ab. Wieder einmal hätte er sich gern eine Zigarette angezündet – und das nach Jahren der Abstinenz. Warum muss man eigentlich komplett mit dem Rauchen aufhören? Einfach nur mal wieder eine Genusszigarette wäre schon etwas Feines. Immer nur dann, wenn man sie bewusst einsetzt. In diesem Moment zum Beispiel – um ein Innehalten, Schwelgen, Genießen noch zu krönen. Aber wenn man einmal Gewohnheitsraucher war, würde es nicht dabei bleiben. Eine Traumkulisse löste seine Verzückung aus, nachdem er in den Außenbereich geschritten war. Im dunklen Zürichsee spiegelten sich hunderte Lichter vom gegenüber liegenden Ufer wider. Hunderte Lichter gab es auch hier: Das Gelände war mit Fackeln und bunten Papierlaternen gesäumt. Er ging weiter in den Gartenbereich hinein. Wie im Innenbereich gab es auch draußen ausladende Buffets, Bars und Tische, an denen man Getränke ausfassen konnte. Alles inklusive, aber teuer erkauft. Eine Wohltätigkeitsveranstaltung der besseren Gesellschaft ist immer auch eine Zurschaustellung derer, denen es ungleich besser als den Empfängern der Wohltätigkeiten geht. In diesem Fall Straßenkindern aus Osteuropa, die zum Beispiel in Bukarest auf Pappkartons unter freiem Himmel schlafen und ihr trostloses Dasein mittels Lösungsmitteldämpfen betäuben. Leistbare Betäubung, auch für die ganz unten, für die Kleinen, im wahrsten Sinn des Wortes.
Die geübten Augen des Wiener Berufsmörders Berliner Herkunft scannten die Gäste. Sein Handy vibrierte in einer Innentasche des Sakkos – es war auf lautlos geschaltet. Er nahm es heraus und rief die SMS ab. Sie war von Greg.
‚Hi dude! Already on location? Latest kali-news. Sie hat gestern nacht wieder zugeschlagen. In milan. Der ceo einer italo-rüstungsfirma. Mein tipp: hat was mit dem hit in rom zu tun. Aint this bitch cool? Take care. G‘
Er schüttelte den Kopf, tippte nur ‚OK‘ als Antwort, steckte sein Handy wieder ein und widmete sich erneut der Beobachtung der Gäste. Sein Kopf verharrte auf einmal, der Blick klebte auf einem Gast, der soeben nach draußen schritt.
»Hmm«, brummte er. Seine körperliche Reaktion konnte man auch dieses Mal mit einem Zitat aus seinem Lieblingsfilm beschreiben: ‚Unfreiwillige Erweiterung der Pupille‘, eine Textzeile des Replikantenschöpfers aus Blade Runner.
Oskar Randow fixierte eine Dunkelbrünette in einem auffälligen, zweifarbigen Businesskostüm – oben schwarz, unten rot. Sah nach Leder aus. Leder, feines teures Leder: ein Indiz. Auffallend war auch, dass der Rock sehr kurz und daher mehr ein ‚Businesskostüm‘ in Anführungsstrichen war. In einer derart aufreizenden Verpackung würde eine bürgerliche Geschäftsfrau ihren Kunden oder Geschäftspartnern eher nicht gegenübertreten. Aber zum einen handelte es sich hierbei um eine Abendveranstaltung, bei der man (vor allem frau) zeigt, was man hat, zum anderen war diese Frau alles andere als bürgerlich. Oskar irritierten gleich zwei Dinge, zusätzlich zur Strahlkraft der Schönen. Nummer eins: burschikos kurze Haare. Nummer zwei: Sie hatte einen ‚Schatten‘. Sie und ihr Schatten bewegten sich zu einem der Tische, an denen Sekt gereicht wurde.
»Warum sieht keiner wie auf den scheiß Fotos aus?«, grummelte er. Und doch: kein Zweifel. »Sie ist es.«
Nix wie hin!
»Verzeihung«, kam es bewusst auf Deutsch, für den Fall, dass sie es wirklich sein sollte. Außerdem war man ja in Zürich.
»Schubsen Sie mich nicht, wenn Sie mich einfach nur kennenlernen wollen, Sie Grobian!«
Deutsch passte. Bingo!
Hm… ganz schön hantig.
‚Hantig‘ nennt man in Wien, was anderswo mit ‚bissig‘ oder ‚giftig‘ beschrieben wird. Insofern handelte es sich um eine Person, die sich nichts gefallen lässt und das auch zum Ausdruck bringt – zuweilen vorauseilend oder übertrieben wie hier. Hantig eben. Obendrein alles andere als an Minderwertigkeitskomplexen leidend: ‚…wenn Sie mich kennenlernen wollen.‘ Jaja…
»Wie belieben?«
»Hahahaha! ‚Wie belieben‘, das hab ich ja noch nie gehört!«
Christine Vaarenkroog schüttete sich vor Lachen aus. Oskar hatte sie am Sektbuffet sacht angerempelt, um mit ihr auf Tuchfühlung zu kommen. Quasi als Entree, um wenigstens irgendwas sagen zu können. Wenn es auch ein dezenter, eher sanfter Rempler war, so war diese Aktion doch ziemlich plump. Ja, sie hatte recht. Er war ein Grobian, ein tollpatschiger, plumper Grobian. Verglichen mit diesem grazilen Wesen, das nicht ging, sondern schwebte, konnte man sogar die Primaballerina des Bolschoi-Ballets als Bauerntrampel bezeichnen. Insofern verschmerzbar. Weniger verschmerzbar war der Umstand, der ihn eine derart plumpe Maßnahme ergreifen ließ. Er verstand sich nicht mehr darauf, wie man Frauen ganz normal anspricht. Er, der Profikiller. Er, der einer Frau Doktor Wallner-Enzi mal so eben zum Einstand an ihrem Tempel der Weiblichkeit rumfingerte – ebenso ungerührt wie unbemerkt vom Beisein ihres höchst eifersüchtigen Mannes. Aber ganz normal eine interessante Frau kennenlernen, gar ansprechen? Oskar Randow war längst nicht mehr im Training, was normale Erstkontakte zu attraktiven Frauen anging. Blickkontakt, ansprechen, Smalltalk. Und überhaupt: Mit Smalltalk tat er sich immer schon schwer. Sein Geschäftspartner machte es sich einfach: Er kaufte sich Frauen, wenn er seine Bedürfnisse nicht mehr ‚manuell‘ unter Zuhilfenahme seiner stattlichen Pornosammlung befriedigen wollte. Vom käuflichen Gunstgewerbe Gebrauch zu machen, kam für Oskar nie infrage. Wohl sah er die Existenzberechtigung eines Gewerbes ein, das einvernehmliche Druckablassmöglichkeit auch für wenig begehrte Zeitgenossen offerierte und daher Schlimmeres zu verhindern imstande sein sollte. Aber es kam für ihn nie infrage. Zurück zur ‚Kundin‘. Man sagt, dass die Ausstrahlung eines Menschen seine wahre Attraktivität ausmacht.
Christine Vaarenkroog war fleischgewordene Faszination, das auch noch äußerst reizvoll verpackt. Die zierliche Designerin mit den frechen kurzen Haaren war zweifelsohne schön und sexy, und doch war es das ‚Gesamtpaket‘, das Oskar beeindruckte. Anmut gepaart mit Persönlichkeit, Individualität und Natürlichkeit. Obwohl sie mehr Star als die meisten war, die man als ‚Star‘ bezeichnete, musste man bei ihr den überstrapazierten Begriff ‚Authentizität‘ noch einmal hervorkramen. Trotz eines schillernden Berufes und ihres gewagten Outfits, wirkte alles an ihr echt und nicht aufgesetzt. Wahrscheinlich hätte man deswegen niemals bei ihr vermutet, was Oskar bereits wusste: ihr ‚kleines‘ Geheimnis. Die brünette Schönheit lachte derweil schallend aufgrund seiner manchmal eigentümlichen Ausdrucksweise. So hatte er sich die erste Annäherung an die Zielperson nicht vorgestellt. Wohl auch, weil er sich sie so nicht vorgestellt hatte. Immerhin, so misslungen war sein Annäherungsversuch dann auch wieder nicht – sie lachte. Das gefiel ihm allerdings weniger: Sie hielt sich an einem jungen Mann fest – groß, blendend aussehend, dunkelhäutig. Der ‚Schatten‘.
»Jean-Pierre, hast du schon mal jemanden getroffen, der ‚wie belieben‘ sagt?«, prustete sie und schüttelte sich erneut. »Hahahahaha!«
»Sowas gibt‘s doch nur im Film«, bestätigte Jean-Pierre trocken, in akzentfreiem Deutsch. »Aber in keinem neuen Film«, fügte der schwarze Beau an. Der gut Einsneunzig-Mann stand wie ein Fels, rührte sich keinen Millimeter, als sich das zierliche Persönchen an ihm festhielt.
Danke, Jean-Pierre!… dass du mich als Dinosaurier abstempelst.
Oskar musste aus der Not eine Tugend machen, die Schmähung nutzen, um sie charmant an sich abperlen zu lassen. Das zeigt Größe!
»Das Leben ist größer als ein Film!« Er hob sein Glas und tat auf ‚sympathisch souverän‘.
»Ohoo«, bemerkte die junge Dame und stoppte ihren Lachanfall. »Hört hört!«
Der kühle Blonde schüttelte abschätzig den Kopf, grinste schief und lieferte die fällige Retourkutsche.
»Wer sagt denn heute noch ‚hört hört‘? Das gibt‘s doch nur noch in Romanen… in alten Romanen.«
Der ominöse Jean-Pierre drehte sich zu Christine Vaarenkroog.
»Da hat er recht«, stellte er fest, trotz seiner Jugend mit angenehmem Bass.
Danke, Jean-Pierre! Diesmal wirklich.
»Okay. Es steht eins zu eins.« Viktor Vaarenkroogs auszuschaltende Tochter hob die Arme und sah sich nach einem Glas um. Sie unterstrich ihre gespielte Verlegenheit, indem sie ihren anmutigen Kopf schräg legte, ihre Augenbrauen hob und den vormaligen Grobian erwartungsvoll ansah. Stimmt. Sein kleiner Rempler hatte sie davon abgehalten, sich einen Sekt zu angeln. Jean-Pierre schien nicht gerade ihr ergebener Diener zu sein. Anstatt ihr ein Sektglas zu organisieren, sah auch er Oskar erwartungsvoll an und blieb dabei absolut kühl. Schon kapiert! Der derart ‚Ermunterte‘ drehte sich zum Sektbuffet und reichte beiden Sektgläser. Anschließend hob er erneut sein Glas.
»Zum Wohl!«
»Nein, nicht ‚zum Wohl‘!«, protestierte die Designerin. »Sagen Sie nochmal den Trinkspruch von vorhin!… Jetzt wo wir alle ein Glas haben.«
Eine Bitte hört sich anders an. Dennoch: einfach süß.
»Das Leben ist größer als ein Film!«
»Auf das Leben!«, rief sie lachend aus.
Jean-Pierre stieß schweigend mit an und musterte kühl den ebenso kühlen Unbekannten. Er ließ ihn auch nicht aus den Augen, als er sein Glas ansetzte und trank. Nein, Jean-Pierre trank nicht, genau genommen nippte er nur. Ein Unterkühlter beäugte den anderen. Oskar befand, dass der ‚Schatten‘ zu den seltenen Männern gehörte, denen ein Ohrschmuck stand. Der große Dunkle trug einen winzigen funkelnden Brillanten im linken Ohrläppchen. Die Größe des Brillantens wurde sicherlich aus Gründen der Dezentheit und nicht der Geldersparnis gewählt. Das männliche Tragen von Ohrschmuck galt Oskar als ebenso peinlich wie provinziell. Etwas, das bereits out war, als es noch in war. Ein Requisit für Leute, die sich interessanter machen wollen, als sie sind, und genau damit ein Eigentor erzielen. Straßenbahnfahrer oder Jungs vom Land denken, dass sowas als cool gilt. Allenfalls Rocker (egal ob Musik oder Motorrad), Naturvölker, Leinwand-Piraten oder Lebenskünstler ließ er als Ausnahmen gelten (letztere verdienten diese Bezeichnung nur, wenn sie sich nicht durch die von ihnen abgelehnte Allgemeinheit erhalten ließen). Und neuerdings Jean-Pierre.
Wer ist dieser Jean-Pierre? Leibwächter? Privatsekretär? Lover? Oder nur ein Freund?
Greg muss das checken!
Unverheiratet war sie auf jeden Fall. Greg und Oskar hatten ihre Hausaufgaben gemacht, aber einen Jean-Pierre hatten sie nirgendwo auf der Rechnung.
»Jetzt können wir uns gern kennenlernen.« Christine Vaarenkroog streckte Oskar Randow ihre Hand entgegen. Er ergriff sie.
Hoppla! Überraschend