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Oskar trifft die Todesgöttin: Teil 6 – Finale
Oskar trifft die Todesgöttin: Teil 6 – Finale
Oskar trifft die Todesgöttin: Teil 6 – Finale
eBook270 Seiten3 Stunden

Oskar trifft die Todesgöttin: Teil 6 – Finale

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Über dieses E-Book

Von einem bürgerlichen im unbürgerlichsten Beruf schlechthin zu landen, ist kein Pappenstiel. Erst recht dann nicht, wenn es nicht ganz freiwillig geschieht und man eigentlich kein schlechter Mensch ist. Oskar Randow ist genau das passiert. Er ist ein nachdenklicher Profikiller auf dem zweiten Bildungsweg. Und er steht vor seiner größten Aufgabe.

In Teil sechs ist Oskar allein auf sich gestellt und hat jeden gegen sich. Was ihm blieb, ist der Glaube, Kali doch noch erledigen zu können. Obwohl Oskar seine Christine bereits verloren hat, soll sie überleben. An ihrer Stelle muss ausgerechnet die tödlichste Killerin der Welt sterben, damit Papa Vaarenkroog von seinen Mordabsichten absieht. Oskar verfährt nach dem bekannten Muster: Du hast keine Chance, also nutze sie! Das Finale.

Titelillustration zeigt eine Szene aus Kapitel 33
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum24. Sept. 2014
ISBN9783847634324
Oskar trifft die Todesgöttin: Teil 6 – Finale

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    Buchvorschau

    Oskar trifft die Todesgöttin - Jörgen Dingler

    Vorspann

    Oskar

    trifft die Todesgöttin

    Roman von Jörgen Dingler

    Teil VI / Finale

    Kapitel 33 bis 42 + Epilog + Vorschau Fortsetzung

    © 2009-2014 by Jörgen Dingler

    Alle Rechte vorbehalten.

    Jede – auch teilweise – Vervielfältigung

    zur nicht eigenen privaten Nutzung

    oder schriftstellerischen Weiterverwendung,

    Übersetzung zum Zwecke nicht deutschsprachiger Publikation

    ohne Einverständnis des Autors oder eines/r Bevollmächtigten

    ist untersagt und stellt eine Verletzung des Urheberrechts dar.

    Das gilt für alle technischen und nichttechnischen Verfahren,

    ob analog oder digital, automatisiert oder manuell.

    Titelgestaltung und Illustration:

    Design Interventions, Wien

    Kali (Göttin)

    aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie (Auszüge)

    Kali (Sanskrit, wörtl.: „Die Schwarze") ist im Hinduismus eine bedeutende

    Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung.

    Kalis Bedeutung beschränkt sich nicht auf den Todesaspekt.

    Die Gläubigen sehen sie trotz ihrer schrecklichen Gestalt

    auch als Beschützerin der Menschen und göttliche Mutter,

    als Kalima, da ihre zerstörerische Wut sich nicht gegen die Menschen,

    sondern gegen Dämonen und Ungerechtigkeit richtet.

    www.joergendingler.com

    Was in Teil V geschah (Kapitel 26 bis 32).

    Die Liebenden haben sich versöhnt. Als Steigerung der Cinque Terre und Versöhnungsgeschenk lädt Christine ihren Liebsten nach ‚Maryfuego‘ ein. Das Luxusanwesen auf Lanzarote ist ein Wortspiel aus dem spanischen ‚Meer und Feuer‘.

    Oskar lernt während des Fluges die hemmungsfreie Sofia kennen, die auf ulkige Flugbegleiterin macht, aber Fluglinienbesitzerin von Christines bevorzugter VIP-Airline ist. Christine schildert Sofia als ‚Frau mit vielen Talenten‘, was Aufpasser Jean-Pierre ein vorwurfsvolles Räuspern entlockt.

    Klar: Sofia gehört zu Christines Netzwerk. Gehört sie auch zum Kali-Netzwerk?

    Bei der Ankunft lässt Christine es sich nicht nehmen, Oskar und Jean-Pierre mittels ihres Spezialhelikopters – eines ‚Varicopters‘ – nach Maryfuego zu pilotieren. Christine steht dem futuristisch aussehenden Hochleistungsfluggerät in nichts nach. So wie sie sich bei der Verfolgungsjagd als Ausnahme-Autofahrerin herausgestellt hatte, gilt das ebenfalls für ihre Qualitäten als Helikopter-Pilotin.

    Falls die Firmenzentrale in den Cinque Terre eine Festung war, ist es Maryfuego erst recht. Das aufregend gestaltete Anwesen liegt einen halben Kilometer oberhalb des Meeres, ist in Fels gehauen mehr Höhle als Haus. Von Maryfuego geht es küstenseitig senkrecht in einen Abgrund vulkanischen Gesteins.

    Oskar staunt spätestens jetzt Bauklötze über Christines Anwesen und Infrastruktur. Ihre Ansage, all das mit ihr teilen zu können, toppt das Ganze noch.

    Kann das wahr sein? Meint sie das ernst?

    Wie auch immer es sein mag: Diese Liebesbeziehung muss enden. Sollte Christine gewahr werden, dass Oskar ihre Vertraute Kali töten will, wird die Liebe ein jähes Ende nehmen. Aller Voraussicht nach wird sein Vorhaben ohnehin nicht gelingen, da er es ausgerechnet auf die beste Killerin von allen abgesehen hat. Und das nur, damit Auftraggeber Viktor Vaarenkroog Ruhe gibt, seine Rache erfüllt sieht und in weiterer Folge seine eigene Tochter verschont – so der Plan.

    Sollte Oskars Vorhaben scheitern, müsste er Christines Ableben wenigstens nicht mehr erleben. Und sollte sein Vorhaben entgegen aller Wahrscheinlichkeit gelingen, müsste er sich vor Christines Rache in Deckung begeben.

    Kali lässt sich erwartungsgemäß auf Maryfuego blicken. Oskar versucht, ihren Helikopter abzuschießen, sie kann aber entkommen. Auch er muss verschwinden – Wiederkehr ausgeschlossen. Spätestens jetzt wird Christine von seinen Absichten wissen, wird wissen, was ihn wirklich zu ihr führte.

    Barcelona ist die letzte Chance, Kali zu stellen. Die Todesgöttin wird laut dem gut informierten Greg einen ganz speziellen Job in der katalanischen Metropole wahrnehmen.

    Teil VI – Finale

    Dreiunddreißig.

    Barcelona, Juli 2011

    Es hätte auch ein Luxushotel sein können. Aber nein, schon die Umgebung sollte erlebbar machen, dass das Traumleben im Wunderland vorbei war. Das ‚Boquería Hostal‘ führte die Bezeichnung ‚Hotel‘ nicht einmal im Namen. Es war zumindest äußerlich sauber, anonym, hatte WC und Dusche auf dem Zimmer, und vor allem lag es zentral – direkt auf den Ramblas. Der gleichnamige Markt befand sich vor dem Hotel, und auch die nächste Metrostation war in greifbarer Nähe. Die Anonymität eines bestenfalls mittelklassigen Innenstadthotels hatte deswegen ihre Vorteile, weil er unter seinem echten Namen einchecken musste. Es scheiterte weniger an der Infrastruktur, ihm einen gefälschten Pass zu besorgen, sondern eher an der Zeit, diesen anzufertigen. Wer Waffen besorgen konnte, der verfügte zumeist auch über eine Quelle für gefälschte Reisedokumente. Es blieb nur keine Zeit, diese Quellen zu nutzen. Er musste irgendwo unterkommen, und das zur Not unter seinem richtigen Namen, mit seinem echten Pass. Falls Christine Vaarenkroog in Erfahrung bringen wollte, wo Oskar Randow sich befand, würde sie bei den besseren Hotels anfangen. Er ging davon aus, dass auch sie von etwas ausging – nämlich davon, dass er Bescheid wusste, was Kalis nächster Job sein würde und ihn daher in Barcelona vermutete. Ebenso klar war: Sie musste spätestens jetzt wissen, wer – oder besser was – er wirklich war. Aus diesem kühlen Grunde sah er von einer privaten Unterkunft ab, die jemand aus Gregs Netzwerk in Barcelona sicherlich zur Verfügung stellen konnte. Er wollte niemanden in Gefahr bringen, der mit jemandem aus seinem Bekanntenkreis in Verbindung stand. Das, was er vorhatte, war sein eigenes, selbstgewähltes Risiko. Dabei sollte es bleiben. Ein Hotel dagegen – auch eins, das sich in ehrlicher Selbsteinschätzung als ‚Hostal‘ bezeichnete – ging aus Gründen des Gelderwerbs das Risiko ein, wildfremde Menschen bei sich unterzubringen, die wer weiß was im Sinn haben konnten. Das war also etwas anderes.

    Es war Mittwoch, später Nachmittag. Sollte Gregs Information zutreffen, würde das Geheimtreffen der vatikanischen Entscheider morgen abend nach Einbruch der Dunkelheit stattfinden. Zum Glück würde es schon morgen stattfinden. Er war mit dem Nötigsten versorgt, also vorbereitet. Auf dem Bett lag eine Walther, Profianfertigung. Leider nicht so kompakt wie seine Walther in Wien. Aber ansonsten schien alles zu passen: Griffigkeit, Druckpunkt, Zug. Vor dem Ernstfall musste er sie noch richtig testen, quasi einschießen. Für eine derart wichtige Aufgabe muss man sich und sein Werkzeug optimal aufeinander abstimmen. Er hatte genug Munition, die auch für etliche Testschüsse reichte. Auf dem Hotelbett lagen ein Anzug, Hemd, Socken, Unterhosen und Schuhe. Er kam mit nichts als seinem Freizeitoutfit in Barcelona an, mit derselben Kluft, mit der er sich von Maryfuego in die Tiefe gestürzt hatte. Seine kleidungstechnische Erstausstattung war noch in ein handliches Bündel verpackt. Er ging nicht davon aus, dass die Klamotten seinem gewohnten Standard und Geschmack gerecht würden. Aber immerhin: Greg war ein Schatz. Er hatte mitgedacht und für alles gesorgt, obwohl ihm nichts so quer gehen musste, wie Oskars Entscheidung. Der wiederum war so mies drauf wie seit vielen Jahren nicht. War seine Laune überhaupt jemals so mies wie jetzt?

    Er war allein, so allein wie noch nie.

    Oskar hatte das Gefühl, sogar Greg verloren zu haben. Diesen Greg, den er wohl niemals loswerden würde, und das nicht nur aus beruflichen Gründen. Der Amerikaner hatte zweifelsohne einen Narren an seinem deutschen Partner gefressen – wie gesagt, nicht nur aus beruflichen Gründen. Es kam Oskar immer schon so vor, als ob er nicht nur der einzige, sondern auch der erste richtige Freund im Leben dieses gefährlichen, einzelgängerischen Chaoten war. Hätte er den Vaarenkroog-Job auftragsgemäß ausgeführt, würde der Kontakt sicherlich auch dann weiterbestehen, obwohl beide im beruflichen Ruhestand wären. Mörder & Co – wegen Reichtums geschlossen.

    Ja, er wäre Gregory David Norman Morgenstern III wohl niemals losgeworden. Unter normalen Umständen. Und er hätte es wohl auch nicht gewollt. Auch er mochte diesen Chaoten, hatte sich mehr als nur an ihn gewöhnt. Ob sich alles wieder einrenken würde, falls er das nahezu Unmögliche schaffen sollte? Natürlich nur, falls Viktor Vaarenkroog zumindest einen Teil der Gage rüberwachsen ließ. Ginge Greg komplett leer aus, hätte der blonde Deutsche sicherlich auf ewig und drei Tage bei seinem bisherigen Partner verschissen.

    Oskar Randow lehnte in der Fensternische des Hotelzimmers und sah auf die Ramblas hinunter. Sein Zimmer befand sich im dritten Stock. Unten herrschte geschäftiges Treiben. Er hatte sich noch auf dem Flughafen von Arrecife eine Baseballkappe zugelegt. Die und seine Sonnenbrille würde er aufsetzen, sobald er ins Freie ging. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln – Hunger machte sich bemerkbar, richtiger Hunger. Außerdem musste er noch ein paar Dinge besorgen, auch Kleidung. Es war gut, dass Kalis Auftritt schon morgen sein würde. Das verkürzte auch für eine Christine Vaarenkroog die Zeit. Nämlich die Zeit, in der sie rauskriegen konnte, wo er sich aufhielt. Er checkte nicht nur als Oskar Randow im Hotel ein, sondern flog mangels gefälschter Dokumente auch unter seinem richtigen Namen von Arrecife nach Barcelona. Supercheckerin Christine würde all dies bald herausfinden. Er begab sich in Richtung Bett und befreite seine Erstausstattungskleidung von ihrer Verpackung. Das hätte er schon längst tun können, aber er musste wieder mal nachdenken. Teil seines Nachdenkens war auch die Bewusstwerdung darüber, dass morgen der letzte Tag seines Lebens sein könnte. Im Grunde genommen war das bei einem Aufeinandertreffen mit Kali sogar die realistischste Perspektive von allen.

    Barcelona war die Motorradhauptstadt Europas – umso besser. Oskar hatte auch dieses Mal vor, sich trotz seiner Cinque Terre-Erfahrung ein motorisiertes Zweirad als Fortbewegungsmittel zuzulegen. Der Umstand, dass halb Barcelona auf motorisierten Zweirädern (nichtmotorisierte, also Fahrräder, waren deutlich seltener als in nordeuropäischen Metropolen) jeder Bauart und PS-Stärke unterwegs war, bedeutete ein Plus an Unauffälligkeit. Man würde einfach im Meer der Moped-, Motorroller- und Motorradfahrer untergehen. Diesmal bevorzugte er ein Leihmotorrad. Er hatte schon genug Spesen in den Sand gesetzt. Spesen, die alle auf seine Kappe gehen würden – falls er es überleben sollte. Er mietete sich eine BMW F800GS, eine bedingt geländetaugliche Straßen-Enduro. Handlich, nicht zu schwer, mit 85 PS mehr als flott genug – genau das Richtige für den Stadtverkehr und um eventuell auch mal über Bordsteinkanten oder Treppen zu heizen. Im Gegensatz zu vielen anderen Vermietern gab es bei ‚Hispania Tours‘ auch die Ausstattung wie Helm, Handschuhe, Stiefel, Lederjacke und -hose zu mieten. Es tat gut, die Leihlederkluft diesmal nicht exorbitant teuren Vaarenkroog-Ursprungs zu wissen. Das hatte nichts mit Geld zu tun. Etwas zu tragen, was diesmal nicht ihren Namen trug, war einfach besser für die seelische Infrastruktur.

    Er aß ein Doppelwhopper Menü mit Pommes und Cola light und begab sich wieder auf die Straße. Es war das erste Junkfood seit vielen Monaten, und es schmeckte ausgezeichnet. Neben einer Plastiktüte hatte er noch eine große Nylontasche – eine Art Ikea-Tasche – mit der Motorradausstattung über die Schulter geworfen. Vom freundlich zur Verfügung gestellten Erstausstattungsanzug hatte er auf neu gekaufte Freizeitkleidung gewechselt – Kapuzenjacke, Jeanshose, T-Shirt, griffige Freizeitschuhe. Das passte besser zu seiner Baseballkappe als der Anzug. Die Kapuze konnte man noch zusätzlich über den Käppi-bewehrten und sonnenbebrillten Kopf ziehen – herrlich anonymer Ghetto-Style, ideal für enttarnte Profikiller. Daher behielt er die neuen Freizeitsachen gleich an und steckte stattdessen Anzug, Hemd und Schuhe in die Plastiktüte. Die alte Freizeitkluft müffelte schon merklich nach Schweiß und Meerwasser, würde also nicht mehr zum Einsatz kommen. Er wollte noch das Einschießen der Walther erledigen, am besten außerhalb der Stadt. So trug er alles ins Hotel, um sich danach wieder in die Calle Joan Miró zu begeben. Sein Leihmotorrad stand noch beim Verleiher, obwohl er die Schlüssel und Papiere schon in Empfang genommen hatte. Erstmal galt es, die anderen Dinge im Hotel abzulegen, sich motorradtauglich umzuziehen und seine Walther nebst zwei vollen Magazinen – eins in der Waffe, eins extra – in einen kleinen Rucksack zu bugsieren, den er ebenfalls frisch erstanden hatte. So einen, den man beim Motorradfahren bequem auf den Rücken schnallen kann. Wegen der Hitze verzichtete er darauf, die Motorradlederhose und -stiefel anzuziehen und ließ seine neue Jeans sowie sein rustikales Freizeitschuhwerk an. Schließlich ging es diesmal nicht um eine rasante Überlandverfolgungsjagd, die maximale Schutzkleidung erforderte. Auch der Motorradverleih war bequem in Fußweite. Die Wahl des ‚Boquería Hostal‘ hatte sich als richtig erwiesen.

    »Buen viaje, Oskar!« Ein Mitarbeiter des Motorradverleihs war auf die Straße getreten, als Oskar das Motorrad bestieg. Es war kurz nach sieben Uhr abends, er sperrte das Geschäft zu. Wie üblich war man gleich beim Vornamen. Oskar besaß trotz seines kühlen Auftretens für manche Menschen eine distanzfreie, sympathische Ausstrahlung. Außerdem waren hier Motorradfahrer unter sich – alles Brüder und Schwestern, gleich welchen Alters.

    »Gracias, Paco.«

    »Where you go?«, fragte Paco.

    »Outside Barcelona.«

    »I see. Good choice. City is too hot, too full… overcrowded. Have fun, amigo!«

    »Yes, it is. Gracias, amigo.«

    Paco winkte zum Abschied, Oskar hob kurz die Hand und fuhr los. Wrumm!

    »Verdammte Scheiße!«

    Er war gerade erst losgefahren, fuhr auf der Plaça dels Voluntaris in den Kreisverkehr am Yachthafen ein, als es ihn riss. Ein großer SUV drängte sich vor ihm in den Kreisverkehr. Noch bevor er ihn sah, hatte er ein Aufgrollen animalisch-technischer Kraft vernommen, die abgerufen wurde, um spielerisch an der BMW vorbeizuziehen. Dieser SUV war mattschwarz, hatte schwarze Fensterscheiben, keine Zierleisten, kein Chrom, monsterbreite Räder… und war in seiner ursprünglichen Form mal ein VW Touareg. Der große dunkle Klotz fuhr direkt vor ihm. Noch bevor er dessen italienische Kennzeichen mit dem großen SP für ‚La Spezia‘ lesen konnte, riss es ihn schon. Und es riss ihn nicht, weil ihm dieser rollende Bomber die Vorfahrt genommen hatte. Es stach richtig, als der durchgehend schwarze Wagen in sein Blickfeld geriet und mit seiner optischen Erscheinung die Geräuschkulisse bestätigte. Bei ‚Spiderman‘ würde man sagen, dass sein ‚Spinnensinn‘ anschlug – und zwar so laut wie die Glocken der Sagrada Familia. Das war kein Zufall!

    Das Kalimobil befuhr in moderatem Tempo die Ronda del Litoral, die Straße entlang des Hafens. Oskar blieb hinter ihm. Der Stealthbomber auf Rädern hätte seine PS-Power sogar ein wenig abrufen können, da die Straße nicht gerade überfüllt war. Entweder saß jemand am Steuer, der die erlaubte Geschwindigkeit peinlich genau einhielt, oder es wurde darauf geachtet, dass ein Verfolger bequem dranbleiben konnte. Möglichkeit eins schloss Raserin Christine als Pilotin aus, Möglichkeit zwei offerierte zumindest den engsten Kali-Dunstkreis als Lenker: doch Christine, Jean-Pierre und natürlich die Legende höchstselbst.

    Also, was haben wir hier? Ich tippe auf Möglichkeit zwei.

    Oskar wurde langsamer – ein Test der genau das herausfinden sollte. Das Kalimobil wurde ebenfalls langsamer. Die BMW bremste sich weiter ein, der Touareg beschleunigte wieder auf normale Geschwindigkeit. Die Feierabend-Rush hour der Büromenschen war ebenso vorbei, wie der nächtliche Verkehr noch nicht eingesetzt hatte. Diese Kombination sorgte für einen übersichtlichen Großstadtverkehr, der solche Manöver ohne Verkehrsbehinderung zuließ. Zudem war die Straße am Hafen keine der Hauptverkehrsadern der katalanischen Metropole. Der Durchgangsverkehr wurde parallel über den Paseo de Colon geleitet.

    Sie passierten die Anleger für Kreuzfahrtschiffe, um dann weiter über zwei kleine Kreisverkehre direkt auf das Hafengelände zu fahren. Muelle Costa, direkt an der ‚AIDAbella‘ vorbei. Der Touareg strebte weiter zum Containerhafen. Oskar bremste seine BMW ein, hielt. Er drehte seinen Kopf nach links zum weißen Kreuzfahrtriesen mit dem roten Kussmund, tat, als ob er sich das Schiff anschauen wollte, drehte seinen Kopf wieder nach vorn. Gut hundert Meter vor ihm hatte sich das Kalimobil ebenfalls eingebremst, hielt.

    Auf dem Schiff befanden sich vereinzelt Passagiere auf den Balkons vor ihren Kabinen. Manche davon winkten dem augenscheinlich gaffenden Motorradfahrer zu. Oskar hatte sich des öfteren schon gedacht, dass Winken wohl zu den menschlichen Ur-Instinkten gehört. Oder eine Konditionierung im Kleinstkindalter ist, die viele Menschen Zeit ihres Lebens nicht ablegen können oder wollen. Oder beides. So saß er auf der F800GS und frönte einem seiner häufigsten Zeitvertreibe. Er dachte nach. Aber er winkte nicht zurück.

    Das ist eine Falle! Eine zu offensichtliche Falle obendrein.

    Oskar drehte seinen Kopf wieder nach vorn. Das Kalimobil hielt immer noch. Aus den vier kantigen, mattschwarzen Auspuffenden des allradgetriebenen Monsters entsprang das sonore, gleichmäßige Brummen seiner zwölf Zylinder, das man nur aus der Nähe vernahm. Die vom hundert Meter entfernten Verfolger (war er ein Verfolger?) nicht hörbare Geräuschkulisse änderte sich ins dumpf grollende Motorengeräusch, das bei einem Gasstoß des Piloten kurz vor dem Wuuuuh einsetzte. Die Sonderanfertigung fuhr vehement an. Kali – oder wer auch immer sich darin befand (Christine, Jean-Pierre?) – gab Gas. Der gepanzerte Stealthbomber schoss mit gut zehnmal soviel Pferdestärken wie das ihn verfolgende Zweirad dahin und bog dann nach links zu einem Lagerhauskomplex am Containerhafen ab. Oskar hörte Grollen und Wuuuuh und rollte an. Er vernahm noch Gejohle von Passagieren des Kreuzfahrtschiffes, die die sowohl geräusch- als auch beschleunigungstechnisch eindrucksvolle Performance des sonderbaren schwarzen Wagens mitbekommen hatten.

    Kalis Monstervehikel war in Sichtweite abgebogen und würde wohl kaum über die Kaimauern ins Meer hinausrasen. Denn sooo wasserfest waren Christines Geländewagen auch wieder nicht. Das galt wohl auch für Kalis Vehikel.

    Da stand es. Er erreichte den Parkplatz des gepanzerten Boliden zwei Minuten nach dem vehementen Vorauspreschen. Das Sonderfahrzeug stand vor einem Lagerhaus, dessen Stirnseite ein vertrautes weißes Schild mit schwarzen Lettern zierte: ‚Christine Vaarenkroog‘, darunter ‚Italia‘. Ihr Lagerhaus. Oskar wendete, fuhr zwanzig, dreißig Meter zurück, machte den Motor aus, stellte die BMW auf den Seitenständer und stieg ab. Er ging in Richtung Lagerhaus und linste durch die einzig nicht absolut schwarze Fensterscheibe des Kalimobils – die Windschutzscheibe. Es war unbesetzt. Er ging an dem Wagen vorbei, zurück zu seinem Motorrad. Erst jetzt begriff er, dass die schwarzen CV-Zeichen an Front und Heck, die er seinerzeit zuerst für normale VW-Logos gehalten hatte, nicht für die Initialen von Kalis Chefin standen – sicherlich der freundlichen Zur-Verfügung-Stellerin des Dienstwagens. Da hatte er Kalis bürgerlichen Vornamen noch nicht gekannt. Es war Kalis Dienstfahrzeug. Kali und Christine waren ein Team, wie Oskar und Greg ein Team aus operativer und organisatorischer Hälfte. Nein, das runde C mit dem darin befindlichen V bedeutete nicht Christine Vaarenkroog. Es stand für Christine und Victoria. Sicher. Er ging zur BMW zurück. Jetzt erst setzte er den Helm ab und zog die Handschuhe aus.

    Die BMW war um die Ecke geparkt, stand im Schatten des ersten und einzig separat stehenden Lagerhauses. Nach einem Abstand von etwa zwanzig Metern setzte sich eine ganze Reihe dieser Lagerhäuser bis fast zum Ende des Kais fort. Sollte die Person das Lagerhaus gleich wieder verlassen, würde sie

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