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AK 47: Österreich Thriller
AK 47: Österreich Thriller
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eBook318 Seiten3 Stunden

AK 47: Österreich Thriller

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Über dieses E-Book

Erzählt wird die Story aus der Perspektive von Hermann Hermann, einem von drei Brüdern, der sich mit der Beute eines Einbruches einen nagelneuen Porsche Carrera geleistet hat, jedoch in einem alten Wohnwagen nächtigt und mit kleineren Überfällen und Drogengeschäften sein Auskommen findet. Bruder Nummer zwei, Herbert Hermann, ist eindeutig die größte Nummer des Trios: Er hat als Strohmann der Russenmafia eine alte Lederfabrik im Herzen der Stadt erworben, in der seine Moskauer Freunde umgehend ein ultramodernes Labor zur Herstellung einer Superdroge installieren.

Gemeinsam mit einem illustren Fabrikanten von rezeptfreien Beruhigungs- und Schlafmitteln soll nun die Mixtur perfektioniert und ein wahrer "Drogenkonzern" geschaffen werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum24. Okt. 2014
ISBN9783902784858
AK 47: Österreich Thriller

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    Buchvorschau

    AK 47 - Michael Scheuermann

    Jung

    Prolog

    Manche Geschichten können überall passieren. Vorausgesetzt, es gibt an diesen Orten eine alte Fabrik, die man in die Luft jagen kann. Und heimische Industrielle, die mit russischen Mafiabanden die Droge des Jahrhunderts zusammenschrauben wollen. Gar nicht zu reden von anderen Typen, die erschossen werden, allerdings nicht vom Mörder. Und von Undercover-Bullen, die plötzlich auch mitspielen wollen.

    Haben Sie Derartiges schon einmal erlebt?

    Nein?

    Nun, dann haben Sie entweder großes Glück oder verdammtes Pech, je nachdem, ob Sie eher zur Gattung der Schaulustigen gehören oder zu jenen Menschen, denen es lieber ist, wenn es auf der Welt ein wenig friedlicher zugeht und alles Böse möglichst weit entfernt ist.

    Doch auch wenn die geschilderten Vorfälle wie gesagt überall passieren können: Ereignet haben sie sich letztendlich in Wels, einer prosperierenden, eigentlich recht friedlichen Stadt mit 62.000 liebenswerten Einwohnern im Herzen des Bundeslandes Oberösterreich. Die Rate an Gewaltverbrechen ist hier nicht weiter erwähnenswert. Sollten Sie mich jetzt fragen, wann der letzte Mord passiert ist: Ich könnte es Ihnen, sieht man von der eingangs erwähnten Bluttat einmal ab, beim besten Willen nicht sagen. Aber ich kann Ihnen dafür viele andere Begebenheiten verraten.

    Falls Sie also ein kleiner Einblick in den Alltag einer ganz durchschnittlichen Familie von Berufsverbrechern interessiert, darf ich Ihnen die folgenden Seiten schwer ans Herz legen.

    Heute

    1.

    Heute wollte ich jemanden abknallen.

    Allerdings nicht grundlos.

    Umlegen wollte ich den Mann, den ich hasste, wie ich noch nie jemanden gehasst hatte, mit unserer Walther PPK aus altem Familienbesitz, die mir schon öfter gute Dienste erwiesen hatte. Etwa bei diversen Überfällen auf Trafiken und Supermärkte. Bei den kleinen Geschäften eben. Denn Banken sind mir ein wenig zu heiß. Zu viele Kameras, zu viele Menschen. Vielleicht wage ich demnächst einen Versuch mit einem Postamt auf dem Land. Das Projekt befindet sich allerdings noch nicht einmal in der Planungsphase.

    Geschossen habe ich mit der Pistole übrigens nie. War auch nie ein Grund dafür vorhanden. Vorzeigen hatte stets gereicht. Das sollte sich hier und jetzt ändern, hatte ich kurz zuvor beschlossen. Diesmal sollte das Ding Feuer und Blei und den heißen Atem des Todes spucken.

    Den ersten Mord meines Lebens wollte ich ganz cool und professionell abwickeln. Und aus ganz bestimmten Gründen von Angesicht zu Angesicht mit dem betreffenden Typen. Obwohl ich auch noch andere, weniger intime Optionen in Reserve hatte. Aber dann wäre es ja Essig gewesen mit der speziellen Täter-Opfer-Beziehung oder wie auch immer Kriminalpsychologen so etwas nennen.

    Also reingehen wie der gute alte Clint, eine mickrige, kleinkalibrige und zum Teil ziemlich rostige Pistole vor des Bösewichtes Gesicht halten, „friss Blei, Arschloch" murmeln, abdrücken und schließlich von meinem Cheeseburger, den ich die ganze Zeit in der linken Hand gehalten hatte, herzhaft abbeißen.

    So hätte es Dirty Harry jedenfalls durchgezogen. Aber leider niemand, der mit Vornamen Herrmann Herbert Herrmann oder umgekehrt heißt. Wie ich zum Beispiel. Aber wahrscheinlich hätte sich diesmal auch Clint schwergetan, die Sache als Eigenproduktion in sein Handarbeitsheft einzutragen. Mit fremden Federn soll man sich nicht schmücken. Als ich das Büro betrat, war der Typ nämlich längst am Abkratzen.

    Unverkennbar.

    Wenn jemand nur noch den halben Kopf auf seinem Hals trägt und das Blut wie ein kleiner Springbrunnen aus ihm herausschießt, ist Schluss mit lustig. Obwohl ich das unheimliche Gefühl hatte, dass mich der Typ angrinste und mir mit seinem einzig verbliebenen Auge zuzwinkerte. Wahrscheinlich waren dies nur die letzten Zuckungen im Todeskampf.

    Bei der Tatwaffe musste es sich, wie es aussah, um eine Art umgedrehte Saturn-5-Mondrakete gehandelt haben. So etwas kann a) keinesfalls gesund und muss b) ganz einfach Mord sein.

    Irgendwie war ich sogar froh, dass mir jemand die Arbeit abgenommen hatte. Meine Pistole war nämlich genaugenommen gar keine mehr, wie ich kurz darauf feststellen musste. Sie war nicht einmal mehr eine Schusswaffe im eigentlichen Sinn.

    Vielleicht hätte im Laufe der Zeit bei meiner Pistole da und dort ein kleiner Tropfen Waffenöl nicht geschadet. Vielleicht hätte man sie zumindest einmal pro Jahr zerlegen sollen, zum Teufel noch mal. Meinen idiotischen Brüdern wäre trotzdem kein Stein aus der Krone gefallen, wenn sie es getan hätten. Oder mir.

    Aber egal, was man hätte tun oder lassen können: Es war nicht einmal das leiseste Geräusch zu hören, als ich den Abzug betätigen wollte, was wohl daran gelegen sein mochte, dass sich der Scheiß-Abzug schlicht und einfach nicht mehr durchziehen ließ. Das Teil wirkte wie am Rest der Pistole festgeschweißt.

    Plötzlich ertönte das Fünftonhorn meines vor dem Haus geparkten Porsche.

    Erwähnte ich vorhin Dirty Harry? Vergessen Sie ihn. Meine Performance passte eher in die Rubrik „Laurel und Hardy".

    Ich vollführte eine 180-Grad-Drehung, gab Fersengeld, dass meine teuren Armani-Slipper schwarze Streifen auf dem sicher ebenfalls nicht billigen Perserteppich hinterließen, rannte zurück zu meinem vor dem Haus geparkten Traum aus Blech und überlegte mir, wie man einem grinsenden Fünfjährigen, der den Tag seinerseits nur knapp überlebt hatte, schonend beibringen könnte, dass er jetzt ganz still sein müsse, weil der Onkel jenen Mann umlegen will, der vor kurzem versucht hatte, ihn, also Jimmy, meinen Neffen, höchstpersönlich, umzulegen. Und dass er dabei im Vorfeld absolut keinen Lärm brauchen konnte.

    „Also, Jimmy, du bist doch ein Profi, oder?"

    Heftiges Nicken.

    „Und darum weißt du natürlich auch, dass man sich bei manchen Überfällen wie ein Indianer möglichst leise anschleichen muss."

    Jimmy nickte verständnisvoll und drehte den CD Player auf volle Lautstärke, was sicher zwei Blocks weit zu hören war. Das Ding hatte 12 Lautsprecher mit einer Gesamtleistung von 1200 Watt und inklusive Navigationssystem weitere 10.000 Euro extra gekostet.

    Soviel zum Thema Überraschungsangriff.

    Irgendwann hatte ich Jimmy alle Hebel und Knöpfe ausgeredet, was sicher eine weitere Viertelstunde meiner wertvollen Zeit in Anspruch genommen hatte, im Übrigen aber ohnehin sinnlos war, weil sich mein potenzielles Opfer zu diesem Zeitpunkt bekanntlich längst auf dem direkten Weg zur Hölle befand.

    Man könnte es auch anders ausdrücken: Jimmy wusste jetzt bis hin zur Nebelschlussleuchte, was zu tun ist, um bei einem 911er Carrera dieses zum Leuchten und jenes zum Piepsen zu bringen.

    Aber selbst wenn es ausnahmsweise einmal nicht um Autos geht, ist der Junge ein Phänomen. Als ich mich verschwitzt und zitternd in den Ledersitz des Porsches fallen ließ, überraschte mich Jimmy mit einer Art Live-Mitschnitt meines nicht stattgefundenen Kapitalverbrechens.

    Streicht man aus seiner Version die die Worte „nochmal und „bumm, ist man punktgenau bei meiner eher einseitigen Konversation mit dem Mordopfer angelangt. Ja, Sie haben mich richtig verstanden: Jimmy könnte im Zeitalter der Globalisierung zum Beispiel Videoaufnahmen von Morden synchronisieren, etwa dann, wenn die Russenmafia irgendeinen japanischen Yakuza-Chef erst häutet und dann in Salzsäure kocht, dabei filmt und großen Wert darauf legt, dass die damit verbundene Botschaft auch wirklich beim Adressaten ankommt.

    „Bumm. Ächz. Uff. Aus. Auch der Typ auf dem mit edelstem braunen Leder bezogenen Chefsessel hatte nach dem Schuss noch „Uff, Ächz und „Aus" gesagt, bevor sich auch der zweite Teil seines Schädels weitgehend auflöste und dessen Einzelteile wie etwa Knochenfragmente und Hirnmasse lautlos auf dem dicken Perserteppich darunter landeten.

    Nach meiner pädagogischen Meisterleistung ließ ich Jimmy Jimmy und den Porsche Porsche sein, brachte erneut meine Slippers zum Glühen und rannte zum Tatort zurück, der eigentlich meiner hätte sein sollen, verdammt noch einmal.

    Ich blickte Jimmy zweifelnd an, machte kehrt und kickte zu meiner Doch-Nicht-Kundschaft zurück. Die neuerliche Inspektion des Zimmers brachte keine weiteren verwertbaren Ergebnisse. Zwei Picassos, ein Hundertwasser und ein ausgestopfter Grizzly-Bär in voller Größe. Kein Killer. Dafür, so schien es mir zumindest, wollte mir der Mann mit dem leicht lädierten Schädel noch etwas sagen. Unglaublich. Ich näherte mich vorsichtig dem Schreibtisch. Tatsächlich: Der Typ bewegte die Lippen. Verstanden habe ich ihn allerdings auch so nicht. Eigentlich war es mir ja auch egal. Ich wusste ohnehin mehr als genug über den Arsch. Und das genügte für – nun, jedenfalls für etwas, das nur mit einer funktionierenden Waffe ging und das, wie es aussah, bereits von jemand anderem so gut wie erledigt worden war.

    Ich positionierte die Punkte auf meiner geistigen Prioritätenliste um. Nummer eins: Fersengeld geben, zum Porsche laufen, Jimmy vom Fahrersitz drängen und hoffen, dass die Kiste anspringt. Sie sprang an und wir waren so schnell weg wie die NCC 1701 mit Wharp 15.

    Nach ungefähr 500 Metern blieb ich in einer Seitenstraße erschöpft stehen. Schweiß rann mir über das Gesicht. Rache ist kein Gericht, das, wie es heißt, am besten kalt genossen wird. Rache ist scheiß-anstrengend und sonst gar nichts, fand ich. Irgendwie war ich mit der Entwicklung der Angelegenheit absolut nicht zufrieden.

    Ich wollte sie zumindest ein wenig mitgestalten, nur für mich selber, um mir für den Rest meines Lebens bei Bedarf einreden zu können, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist. Und plötzlich hörte ich wieder die Stimme eines verlorenen Freundes: „Tu es einfach, verdammte Scheiße!"

    Als ich mich einigermaßen eingekriegt hatte, nahm ich mein Handy und einen Notizzettel zur Hand, wählte die darauf angeführte Nummer, gab den ebenfalls notierten SMS-Text ein, atmete noch einmal tief durch und drückte auf „Senden". Zuerst tat sich gar nichts, dann war für einige Sekunden eine Art Erdbeben zu verspüren, schließlich sah ich im Rückspiegel eine gigantische schwarze Rauchsäule in den Himmel aufsteigen.

    Ich hatte es getan, verdammte Scheiße!

    einige Wochen zuvor

    2.

    Mutter lebte in ihrer eigenen kleinen Welt. Fünf Zimmer mit geblümten Tapeten aus den 60er- und 70er-Jahren. An den Wänden Bilder, die zum überwiegenden Teil bereits vor Jahrzehnten bei Einbrüchen erbeutet worden waren. Überall lagen Spitzendecken, wertvolle Teppiche und bunte Polster auf ebenso bunten Sitzgarnituren herum. Biedermeier pur, selbst wenn man die Herkunft der Sachen nicht hinterfragen durfte. Wohin man auch blickte, standen Figuren aus weißer Keramik. Engel, Pferde, halbnackte Meeresnixen, die verträumt irgendwo hinstarrten, wo garantiert kein Meer zu finden ist. Wenn mich nicht alles täuscht, stammten diese Dinger aus dem Laderaum eines italienischen Sattelzuges, den mein Vater damals ausgeräumt hatte, während dessen Fahrer auf einem Autobahnparkplatz im Führerhaus den Schlaf des Gerechten schlief. Wem er die Kartons mit tausenden dieser Kitschfiguren verkauft hatte, weiß ich bis heute nicht.

    Doch Mama konnte auch ihre strenge Seite zeigen. Wenn man sich zum Beispiel beim Mittagessen um einige Minuten verspätete, weil man kurz zuvor eine Trafik überfallen hatte, erntete man strenge Blicke und die Ermahnung, dass Pünktlichkeit immer auch ein Ausdruck von Höflichkeit sei.

    Wir waren also die wohl bravste Verbrecherfamilie der Stadt gewesen. Allerdings nur hinter der Wohnungstüre. Davor, also vom Fußabstreifer bis zum Nordpol, galten für alle höchstens die Naturgesetze, nicht jedoch jene des Staates. Und so hatte es Mama bisweilen selber kräftig krachen lassen.

    Die Zeitungskritiken ihrer verschiedenen Banküberfälle hatte sie sorgfältig ausgeschnitten und in ein eigenes Album geklebt. Mit der Zeit waren auf diese Weise eine beachtliche Anzahl an Artikeln und überdies eine ziemlich hohe Gesamtbeute zusammengekommen.

    Budgetsorgen hatten wir in meiner Kindheit nie.

    Vor kurzem hörte sie plötzlich auf, ihre geliebten Pflanzen zu pflegen und sich abends den obligaten Wetterbericht anzuschauen. Die Fensterblumen verdursteten, das Gemüse auf dem Dachgarten verwelkte.

    Und dann stürzte der Himmel über uns ein.

    Mama trug eines ihrer geblümten Kleider, die perfekt zu ihren psychedelischen Tapeten aus den frühen 70er-Jahren passten, als wir es offiziell erfuhren. Alzheimer. Eine der größten Plagen des 21. Jahrhunderts und ausgerechnet uns musste es erwischen. Erlebnis für Erlebnis, Gescheites, Dummes, Heiteres und Trauriges, Legales und Illegales, Stück für Stück bricht einem das Leben weg.

    3.

    Nur an meinen Vater kann sie sich trotz allem noch sehr gut und fast ohne Lücken erinnern. Liebe scheint die einzig wirklich wirksame Medizin gegen das Vergessen zu sein.

    Ich habe den Mann allerdings nie kennengelernt. Er musste vor einem knappen Vierteljahrhundert gerade noch Zeit genug gehabt haben, um mich zu zeugen, ehe er einen Ferrari geklaut und damit auf direktem Weg zur Hölle und zuvor noch schnell gegen den einzigen Baum auf fünf Kilometern schnurgerader Landstraße geritten war.

    Die Sache war – wenn ich so zurückrechne – für mich also eine mehr als knappe Angelegenheit gewesen.

    Doch zurück in die Gegenwart. Wir saßen im Sprechzimmer meines Arztes und ich glotzte einen Gummibaum neben seinem potthässlichen Designer-Schreibtisch an, während der Arsch etwas von wegen „er wisse zwar um den Schock nach einer derartigen Diagnose, als Mediziner müsse er jedoch stets einen professionellen Abstand wahren, um seine Arbeit verantwortungsvoll ausüben zu können" faselte. Auf jeden Fall sei die Diagnose eindeutig, er habe erst vor einer Stunde den Befund des Neurologen bekommen.

    Vielleicht sollte er seinen Patienten in diesem Zusammenhang auch gleich erzählen, dass ich ihm im Laufe der Jahre grob geschätzt mindestens zwei Kilo Koks verkauft hatte, nur so als professionelle Ergänzung. In den letzten beiden Jahren sind sie wahrscheinlich von einem permanent völlig zugekoksten Zombie behandelt worden, ob sie nun an böse juckenden Hämorrhoiden, unangenehmen, nicht weniger quälenden Ausschlägen im Genitalbereich, höchst schmerzhaften Verstauchungen oder an simplen grippalen Infekten gelitten hatten.

    Einige Sekunden später läutete, nein, zwitscherte das Hightech-Telefon des Mannes mit dem weißen Mantel und den vielen Kugelschreibern. Nach einer knappen Viertelstunde war der Mediziner noch immer in eine rege Konsultation mit einem anderen Mitglied seiner Zunft über einen völlig anderen Fall vertieft, während er uns dabei den Rücken zudrehte und verträumt aus dem riesigen Fenster blickte.

    Über einen Fall hatten sich die beiden Idioten tatsächlich unterhalten, allerdings nicht über einen medizinischen.

    Bei näherem Hinhören kriegte ich mit, dass sie über „eine super geile Alte, also ich sage dir, die ist sowas von..." sprachen.

    4.

    Ab sofort war der Arsch nicht mehr mein Arzt und jener von Mama schon gar nicht.

    Ich half ihr aus dem Stuhl, staubte 500 Blanko-Rezepte und einen Stempel ab, investierte ein fingerabdruckfreies Säckchen mit 100 Gramm Koks, das ich in seinem Ärztemuster-Schaukasten hinter einer großen Viagra-Schachtel versteckte, ergriff Mamas Hand und verschwand.

    „Das war aber ein netter Herr", freute sich Mutter, als ich ihr in den Pelzmantel half, einem Überbleibsel aus besseren Zeiten.

    Vermutlich würde mich im Rahmen seiner Verhaftung wie in der guten alten Zeit ein reichlich unangenehmes Verhör durch die Polizei erwarten. Ich sage vermutlich, weil es durchaus sein kann, dass sie, was mich betrifft, längst die Flinte ins Korn geworfen haben. Natürlich ist das eine eher unwahrscheinliche Annahme. Die Bullen würden mich ganz im Gegenteil sogar ziemlich intensiv in die Mangel nehmen, weil sie mir seit Jahren auf der Spur waren, aber nicht ums Verrecken irgendwelche Beweise auftreiben konnten und genau deshalb eine Scheiß-Wut auf mich hatten.

    An der Familie Herrmann sind, habe ich aus zuverlässiger Quelle erfahren, zurückreichend bis ins 19. Jahrhundert bereits ganze Polizistenkarrieren zerbrochen. Burnouts, schwere Fälle von Depressionen, Alkoholismus, Nervenzusammenbrüche. Und ein Selbstmord im Jahr 1902.

    Ich hätte ja medikamentös das eine oder andere Mal ein wenig aushelfen können und dies sogar gerne getan. Aber der Zug zwischen der Polizei und mir war, wie man sagt, leider endgültig abgefahren.

    Ein Therapeut würde wohl vorschlagen, es brauchte bloß jeder der Beteiligten nur einen einzigen Schritt auf den anderen zugehen, aber versuchen Sie das einmal, wenn Sie ein geschätztes Dreiviertelkilo allerfeinstes Koks in der Tasche haben und in einem Porsche 911 Carrera sitzen, der mit mindestens 200 Sachen über die Autobahn rast.

    Sicherheitshalber würde ich in unmittelbaren zeitlichen Umfeld meiner polizeilichen Befragung einen Termin bei meinem schwulen Kosmetikstudio-Betreiber, dessen Dienste ich ohnehin viel zu lange nicht mehr in Anspruch genommen hatte, buchen. Ach ja: Einen neuen Arzt würde ich mir wohl auch suchen müssen.

    „Ach Gottchen, bist du unter eine Herde heterosexueller Raubsaurier geraten oder was?", würde die immer gleiche Frage meines Kosmetikers lauten, wenn er wieder einmal mein Gesicht zu restaurieren hatte.

    Er hieß Heinz-Rüdiger, sah verdammt gut aus, arbeitete ab und zu als Model für Versandhauskataloge, stammte aus Berlin und kein Mensch wusste, was er in Wels eigentlich wollte.

    Aus schwuler Sicht war die Stadt jedenfalls so etwas wie die Wüste Gobi, zumindest was das spontane Kennenlernen von Gleichgesinnten betraf. Und dass ihm die Heterosexualität und das Interesse am anderen Geschlecht ausgerecht hier wie der Blitz ins Gehirn und sonstwohin gefahren war und ihn sozusagen umprogrammiert hatte, erschien mir reichlich unwahrscheinlich.

    Aber Ach-Gottchen-Heinz-Rüdiger würde schon seine Gründe haben, und ich würde mich hüten, eine entsprechende Frage zu stellen.

    5.

    Auf der Straße nahm ich eines meiner Spezial-Wertkartenhandys, die jeweils für einen einzigen Anruf und die anschließende Vernichtung vorgesehen waren, wählte die Nummer des Journaldienstes der Kriminalpolizei, beschwerte mich mit verstellter Stimme über die Qualität des sozusagen ärztlich verordneten Kokains (und im Säckchen war, unter uns gesagt, tatsächlich der letzte Dreck) und gab ihnen einen ziemlich detaillierten Tipp, bei wem ich das Zeug gekauft hatte und wo dieser es üblicherweise zu verstecken pflegte.

    Dann holte ich die SIM-Karte aus dem Telefon, hielt mein Feuerzeug darunter, bis sie nur noch ein schwarzer, stinkender Klumpen war, wischte das Handy innen und außen sorgfältig mit einem Taschentuch ab und warf es unauffällig in den nächsten Mistkübel.

    Ich würde die Sache mit Mama auch ohne so genannte Experten hinkriegen, schwor ich mir. Wozu hatte ich schließlich über viele Jahre hinweg Erfahrung mit Psychopharmaka aller Art angesammelt? Ich würde etwas erfinden, und wenn ich dabei einen Pakt mit dem Teufel schließen müsste.

    6.

    Mein Bruder Herbert hatte dies längst getan. Und das Beste daran war: Seine Euphorie schien tatsächlich auf einem nicht völlig instabilen Fundament zu stehen, wie ich gleich erläutern werde. Höchstens auf einem Explosiven. Auch dazu komme ich gleich.

    Was eindeutig und mindestens seit Christi Geburt fehlte, sei laut Herbert

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