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Heideleichen
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eBook421 Seiten5 Stunden

Heideleichen

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Über dieses E-Book

Kurt Hüffner, der Dörfler, und Hauptkommissarin Claudia Plum, Großstätterin, ermitteln um den Fund von vier Skeletten. Der neugierige Kurt wird immer wieder von der Polzei ausgebremst, was ihn jedoch nicht hindert, über weitere Leichen zu stolpern, die irgendwie mit seiner Familie und ihm in Zusammenhang stehen. Unbeeindruckt von Hindernissen und Gefahr ermittelt er weiter.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Nov. 2016
ISBN9783742780027
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    Buchvorschau

    Heideleichen - Herbert Weyand

    Eins

    »Kurt ... komm.« Der Halbstarke packte aufgeregt seinen Arm. »Komm mit!«

    Kurt Hüffner wollte den Jungen zurechtweisen, ihn wenigstens beim Joggen in Ruhe zu lassen. Doch den bittenden Augen des behinderten Heranwachsenden widerstand er nicht. »Leo, was machst du hier? Wissen deine Eltern, dass du so weit von zu Hause weg bist?«

    »Ich darf. Habe gefragt.« Er zeigte mit den schmutzigen Fingern nach hinten. »Kurt, da ist ein Kopf ohne Augen.« Der Körper des Jungen bebte vor Aufregung.

    »Was erzählst du da? Wo?«

    »Dahinten. Komm!«, er zerrte ihn den Weg hinunter.

    Leo lebte als eines der letzten Originale im Ort. Vierzehn oder fünfzehn Jahre alt und auf der geistigen Höhe eines vielleicht Siebenjährigen. Jeder im Dorf kannte ihn von klein an. Seinem Bewegungsdrang wusste niemand etwas entgegenzusetzen. Den Eltern gelang die Kontrolle nicht. Er strolchte überall herum. Der Halbstarke sah erstaunlich gut aus, mit den grünen Augen und dem tiefbraunen, von Wind und Wetter gegerbten, Gesicht. Das dunkle Haar klebte fettig am Kopf. Die ungelenke schlaksige Figur maß ungefähr einssiebzig.

    Drei-, viermal in der Woche klingelte er im Dorf an den Häusern, an deren Bewohnern sein Herz besonders hing. In kurzen abgehackten Sätzen berichtete der Junge über seinen Tagesablauf.

    »Dann lass uns mal sehen, Leo«, Kurt gab gottergeben nach und folgte dem Jungen, der nach wenigen Metern rechts ins Gebüsch ging. Leo zog ihn, mit der immer verschwitzten Hand, in das Gestrüpp. Nach zweihundert Metern blieb er stehen und zeigte auf den Boden.

    Tatsächlich, da lag ein Schädel. Gelblich weiß, mit leeren Augenhöhlen, bot er einen schaurigen Anblick. Kurt beugte sich nach vorn. Ein flaues Gefühl in der Magengegend und Ekel stieg hoch. Ein Zustand, den er vor dem Jungen nicht zeigen wollte.

    »Warum bist du gerade hierhergekommen?«, fragte er.

    »Ein dicker Frosch. Ich bin hinterhergelaufen. Hier gefallen«, er zeigte auf den Totenschädel und sprach mit kieksenden Aussetzern. Typische Symptome des Stimmbruchs. »Hose kaputt. Gibt Ärger.«

    Kurt scharrte mit dem Fuß die dünne Grasnarbe des Bodens beiseite, jeden Augenblick darauf gefasst, dass ihn der oder die Tote packte. »Scheiße.« Er zuckte zurück. Tatsächlich lagen da weitere Gebeine.

    Was sollte er tun? Es war nicht so einfach. Wenn das jetzt kein historischer Fund aus der Steinzeit oder ähnliches war, besaß er die Arschkarte. Die beknackten Knochen lagen tatsächlich vor ihm. Sollte er sich den Ärger mit Polizei oder irgendwelchen Historikern antun? Der Junge war bei ihm. Also konnte er sich nicht einfach vom Acker machen. Er kratzte und stocherte mit einem Ast um die Knochen herum in der Walderde. Wie alt mochten die Gebeine sein? Vielleicht lag hier eine heidnische Begräbnisstätte mit Grabbeigaben? Dann sollte er wohl etwas finden, falls er tiefer in den Boden vordrang. Im Hintergrund grollte der Donner des nahenden Unwetters.

    Die Gewitter der letzten Tage und der damit verbundene Regen hatten einen Teil der Böschung weggespült und das Skelett ans Tageslicht geholt. Wegen des Wetters fuhr er den Weg, den er sonst lief, mit dem Auto zum Parkplatz. An und für sich blöd. Nass wurde er so oder so. Ob im Feld oder im Wald. Fröstelnd zog er die angeblich wasserdichte Softshelljacke fester an den Körper.

    Die Bemühungen zeigten Erfolg. Der Stock stieß auf Widerstand. Dort konnte alles und nichts liegen: ein Stein, ein Schatz oder noch ein Schädel. Mit spitzen Fingern räumte er die nasse sandige Erde beiseite und fühlte unter den Knochen einen schmierigen Gegenstand. Kurt zog erschrocken die Hand zurück. Eine weitere Leiche? Er würgte die bittere Galle hinunter. Mit dem Stock war nichts zu machen. Mittlerweile goss es in Kübeln.

    Er kniete sich in den sandig morastigen Boden und steckte die Hand in die Matsche zwischen den Knochen. Er ertastete einen Griff, den die Finger umschlossen. In dem Augenblick, als er daran zog, schlug der Blitz, wenige hundert Meter entfernt, ein. Der nachfolgende gewaltige Donnerschlag ließ ihn fast ohnmächtig werden. Er suchte gehetzt die Umgebung ab. Langsam kam er wieder zur Ruhe. Unter großer Anstrengung löste er das rechteckige Etwas mit schmatzendem Geräusch. Eine glitschige Ledertasche! In das entstandene Loch lief Wasser und an den Rändern bröckelte der sandige Boden nach.

    Wo war der Junge? Kurt sah sich um. Dahinten, an der Grenze des keimenden Rübenfeldes lief die schlaksige Gestalt in Richtung des Dorfs. Wahrscheinlich hatte Leo die Episode schon abgehakt. Kurt beneidete ihn und ignorierte die bange Ahnung, die Unheil versprach. Er säuberte die Hände im nassen Gras.

    Na ja. Jetzt war nichts mehr zu machen. Er ging nachdenklich zum Auto und öffnete den Kofferraum, um die Schuhe zu wechseln.

    Was trug er da in der Hand? Weshalb schleppte er die Tasche mit? Blöd. Wo blieben seine Gedanken? Was wollte er damit? Sollte er noch einmal zurückgehen? Nein. Er zuckte mit den Schultern. Kurt wühlte in den Plastiktüten, die für die Einkäufe dort vorrätig stapelten, und stopfte das Ding in eine hinein.

    Dann suchte er das Smartphone. Er fand es unter den Bonbonpapieren in der Mittelkonsole. Hoffentlich erhielt er ein Netz. Hier im holländisch – deutschen Grenzgebiet wechselten die nationalen Betreiber laufend oder man bekam überhaupt keine Verbindung. Deutsches Netz – na, wer sagte es?

    »Hallo. Ich habe ein Skelett gefunden.«

    »Wer spricht? Wie ist Ihr Name?«, kam wie aus der Pistole geschossen die autoritäre Antwort.

    »Hüffner. Ich bin hier auf dem Parkplatz der Teverener Heide. Von Grotenrath kommend«, gab er eingeschüchtert zurück, obwohl er ansonsten nicht bange war.

    »Wo liegt die Leiche?«

    »Keine Leiche. Ein Skelett«, stellte er richtig.

    »Ein Gerippe, eine Leiche, das ist doch egal«, gab die Stimme gleichmütig zurück. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Die Kollegen werden gleich bei Ihnen sein.«

    »Okay!« Da hatte er den Schlamassel. Hätte er nicht einfach nach Hause fahren können? Nein! Das kam davon, dass er die Nase überall hineinsteckte. Was soll´s? Er wurde aufgeregt.

    Da schoss schon das blausilberne Polizeiauto auf den Parkplatz und kam mit blockierenden Rädern, kurz vor der Grillhütte, schlitternd zum Stehen. An die neue Farbe konnte er sich nicht gewöhnen. Polizei war grünweiß.

    »Hallo. Ich bin Polizeihauptmeister Schneider und dies ist mein Kollege Möller. Sie haben eine Leiche gefunden?« Der Polizist stellte die Frage, während er agil aus dem Auto sprang. Sie sahen in den blauen Uniformen aus, wie von einem privaten Bewachungsunternehmen.

    »Ein Skelett. Keine Leiche. Ich habe es Ihrem Kollegen am Telefon schon gesagt.«

    »Ist auch egal«, gab Möller zurück. »Zeigen Sie uns, wo die Leiche liegt.«

    Kurt trottete los, um nach einigen Metern zu stoppen. »Sie können mit dem PKW bis fast davor fahren.« Er wies den Heideweg hinunter. Nach wenigen Minuten standen sie vor der Böschung. »Dort oben. Etwa zweihundert Meter weiter rein.« Kurt zeigte zu dem Platz, an den ihn Leo vor annähernd einer halben Stunde schleppte.

    »Ich gehe allein hinauf«, sagte Schneider. »Wegen eventueller Spuren«, bemerkte er fast entschuldigend. Nach kurzer Zeit kam er wieder herunter.

    »Tatsächlich. Dort liegt ein Skelett. Verständige bitte die Kollegen von der Kripo«, sagte er zu Möller. »Hoffentlich gibt das keinen Ärger. Sie haben alles zertrampelt«, äußerte er vorwurfsvoll. »Was haben Sie eigentlich dort gesucht. Das ist doch Naturschutzgebiet. Hüffner sagten die von der Zentrale. Kommen Sie mit zum Fahrzeug.« Er tippte mit einem Finger gegen Kurts Oberarm. »Dort erfasse ich Ihre Personalien, dann dürfen Sie nach Hause. Sie werden ja nicht der Mörder sein. Ha ha …, im Affekt und bis auf die Knochen abgenagt. Die Kripo wird sich bei Ihnen melden.«

    »Im Grunde habe ich das Skelett dort hinten nicht gefunden, sondern Leo«, bemerkte er zu dem Beamten, der nicht alle Tassen im Schrank zu haben schien.

    »Und wo ist der?«

    »Er ist gegangen.«

    »Ja weiß der denn nicht, dass er auf uns warten musste?«

    »Nein«, sagte Kurt kurz und lakonisch.

    Eine halbe Stunde später und nach endlosen Fragen zu Leo fuhr Kurt zuhause vor. Er bewohnte einen Altbau in der Waldstraße. Das Haus lag verdeckt, von der Straße kaum einsehbar, im Hintergrund. Mächtige Obstbäume, deren ausladende Äste über das Dach strichen, begrenzten es. Ein Bauernhaus aus Ziegelsteinen, wie sie in der Gegend seit Jahrhunderten verwendet wurden. Wahrscheinlich so um neunzehnhundert gebaut. Unterlagen gab es auf dem Katasteramt nicht mehr und die Angaben der Alten im Dorf differierten um etwa zehn Jahre.

    Zwei Reihen kleiner Fenster mit Sprossen blitzten aus dem Gemäuer heraus. Rechts von der Haustüre kletterte eine Rose bis zur Dachrinne empor. Im Vorhof stand eine Vielzahl unterschiedlicher Blumentöpfe, deren Pflanzen einen liebevoll gepflegten Eindruck machten.

    Aus den bescheidenen engen Zimmern des Gebäudes wurden im Verlaufe der Zeit große helle freundliche Räume. Der Stall hinter dem Haus beherbergte die kleine Werkstatt und einige Kaninchen sowie Hühner. Die Idee der Selbstversorgung war schnell aufgegeben. Familienmitglieder schlachtete er nicht. Sie gehörten jetzt auf immer und ewig zu ihm. Die beiden Katzen nervten bei jeder Gelegenheit. Ständig miaute eines der Viecher auf der Suche nach Streicheleinheiten. Kurt überlegte, den Bestand um chinesische Laufenten zu erweitern. Die Schneckenplage in den letzten Jahren trieb ihn in den Wahnsinn, wenn wieder eine Gemüsepflanze abgenagt einging. Aufsammeln, mit einem Nagel totstechen oder salzen, fand er eklig. Aber die Enten waren eine Sache. In der weiteren Nachbarschaft liefen einige herum. Der Garten dort sah aus, wie ein Golfplatz mit tausend Löchern. Das musste er nicht haben.

    Kurt saß müde und ausgelaugt am Küchentisch. Die Haut kribbelte und die Gedanken kreisten. Der Donnerschlag … war das ein Zeichen? Die Sache ging ihm mehr an die Nieren, als er sich eingestand. Er ließ Revue passieren, was geschehen war. Ein Skelett? Wie lange musste ein Mensch unter der Erde liegen, bis nur noch die Knochen übrig blieben? Lag ein Verbrechen vor? Er wäre liebend gerne an Ort und Stelle gewesen, um mitzuerleben, was im Moment dort geschah.

    Aus dem Fenster sah Kurt auf den Heiderand. Ein dunkler Strich in der Landschaft. Davor kämpfte das Wintergetreide gegen die Wasserfluten. Ende April. Das Wetter machte dem Monat alle Ehre. Schwarz rückte eine Wolkenwand aus den Niederlanden, wahrscheinlich direkt von der Nordsee, heran. In dieser Gegend kam das schlechte Wetter immer aus Holland.

    Kurt fand keine Ruhe. Die Gedanken kreisten und da war sie wieder, die Ahnung … die ihn vorhin beim Anblick des Totenschädels beschlich. Er wuchtete seine einsneunzig vom Stuhl und trat vor das Fenster. Mit den breiten Schultern, den schmalen Hüften und vor allem dem markanten Gesicht machte er eine eindrucksvolle Figur. Mitte dreißig, fast siebenunddreißig. Seine jungenhafte Unbekümmertheit trat hinter der tiefen Ernsthaftigkeit, die ihm inne lag, zurück. Genauso sorglos, wie er oft wirkte, kleidete er sich: Jeans und Shirt. Wenn es kalt wurde, schon einmal einen Parka. Das mittelblonde halblange Haar stand wirr vorm Kopf.

    Das Hochmoor kannte er seit der Kindheit. Seine Wurzeln lagen in dieser Gegend, und zwar im Feindesland … im benachbarten Teveren. Gern erinnerte er sich der Schlachten, die sie sich als Jugendliche auf den Rübenfeldern lieferten. Die Knollen flogen nur so. Die Kinderjahre wurden durch die unheimlichen Geschichten, die das Hochmoor schrieb, geprägt. Viele der alten Leute besaßen das Zweite Gesicht, wie es prosaisch hieß. Er wusste, was es bedeutete, konnte sich jedoch nichts darunter vorstellen. Dazu fehlte ihm die Fantasie. War es dieser Instinkt, der in den Gedanken nach vorn zu dringen suchte?

    Vielleich sollte er Griet anrufen? Vor Jahresfrist war die niederländische Anthropologin in aller Munde. Sie barg aus einem Keltengrab eine silberne Scheibe mit unbekannten Schriftzeichen, die sie spektakulär entzifferte. Die Wissenschaftlerin blieb im Dorf hängen. Sie lebte mit Paul Grebner zusammen, mit dem ihn lockere Freundschaft verband.

    Ein Auto näherte sich. In diesem Dorf und bei diesem Wetter, ungewöhnlich. Neugierig ging er zum Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster. Ein dunkler Mittelklassewagen. Unbekannte Marke. Ihm entstieg eine Frau in einem Kostüm. Interessiert musterte er sie. Knappe einssiebzig groß, brünettes halblanges Haar und sportliche Figur. Sie strahlte Eleganz aus. Nicht die Art Frau, die ihn reizte. Doch, wie sie dort stand und sich orientierte, konnte er ein Interesse keinesfalls bestreiten. Sie kam auf das Haus zu und entriegelte das Törchen zum Hof. Wer mochte sie sein? Eine Vertreterin? Polizei? Bestimmt nicht. Dazu war sie auf keinen Fall der Typ.

    »Ja.« Er öffnete die Tür, während der Glockenschlag verklang.

    »Hauptkommissarin Plum, Mordkommission Aachen«, sie hielt ihm einen Ausweis entgegen, den er genau musterte. »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie lächelnd.

    »Doch, doch. Hüffner«, stellte er sich vor. Natürlich, mit rotem Kopf, weil er ein Geburtsdatum suchte. Also doch Polizei. Wie man sich täuschen konnte. »Sie kommen wegen der Sache in der Heide?«

    »Richtig«, bestätigte sie. »Darf ich hereinkommen?«

    »Natürlich«, er machte eine Handbewegung ins Haus.

    Die Beamtin trat ein und ließ den Blick aufmerksam kreisen. Sie erfasste die geschmackvolle Renovierung. Trotz der Veränderungen, die die Räume sicherlich erfahren hatten, gaben sie gemütliche Altbauatmosphäre wieder. Die außergewöhnliche Höhe der Decken wurde durch Stuckleisten betont. Ein, wegen des Alters fast schwarzer Schrank, groß und mächtig, fing ihren Blick ein. Der Korpus wies ungewöhnliche Schnitzereien auf, die sie vorher noch nie gesehen hatte. Die Polizistin ließ ihre Augen durch den großen Raum wandern, dessen unterschiedliche Nutzung von der Möblierung bestimmt wurde. Der Parterrebereich bestand aus einem riesigen Zimmer. Kurt Hüffner führte sie zum hinteren Teil. Der mächtige dunkle, fast schwarze Tisch beherrschte das Bild. Offenkundig das gleiche ungewöhnliche Holz wie der Schrank, dachte sie. Rechts sah sie in einen modernen Küchenbereich, auf dessen Arbeitsplatte Kartoffel- und Zwiebelschalen lagen. Ansonsten blitzte alles.

    Ganz anders als bei mir, dachte sie und bemerkte laut, »Gemütlich haben Sie es hier.«

    »Hat auch viel Zeit gekostet«, gab er zurück. »Nehmen Sie Platz«, und zeigte in Richtung des Esszimmertisches. »Kaffee, Tee?« Sie schritt fast lautlos durch das Zimmer. Kurt riskierte einen Blick nach unten, auf schmuddelige, ehemals weiße Sportschuhe. So viel zur Eleganz dachte er kritisch an den ersten Eindruck.

    »Ja gern«, sagte sie in einer mittleren Stimmlage, die einschmeicheln konnte. Ihr Blick wanderte weiter und bemerkte die Treppe. Beim Betreten des Raumes verbarg rechts eine Wand den Aufgang. Die Wände zierten einige Bilder. Sie zeigten immer wieder den gleichen Bereich einer Heidelandschaft zu den unterschiedlichen Jahreszeiten in allen Farbtönen. Eine gewaltige Rotbuche stand im Vordergrund, durch deren Ästegewirr die Sonne schien. Je nach Saison war das Tagesgestirn nur als Schemen zwischen den Blättern, denen es einen goldenen Glanz gab, zu erkennen. Rundherum das typische harte Heidegras mit einer weit gezogenen Wasserfläche im Hintergrund.

    »Milch? Zucker?«

    Sie schüttelte den Kopf.

    »Meine künstlerische Phase.« Er nickte zu den Gemälden und stellte eine Tasse Kaffee auf den Tisch. Dann saß er ihr gegenüber und wartete ab.

    »Eigentlich wollte ich Ihnen berichten. Ich dachte, Sie besitzen ein Recht darauf, weil Sie die Fundstelle ausgemacht haben«, begann sie.

    »Und uneigentlich?«, unterbrach er sie.

    »Sie natürlich befragen«, antwortete sie und lehnte entspannt zurück. Dabei kräuselte sich ihr Mund, der für seine Verhältnisse etwas zu blass war. Vielleicht lag es auch am Wetter, denn blutlos wirkte sie keineswegs. Ihre braunen, dicht bewimperten Augen musterten ihn aus einem ungewöhnlichen Gesicht. Nicht klassisch schön, jedoch ungemein anziehend mit leichten Grübchen in den Wangen, die davon zeugten, dass sie gern lachte. »In der Nähe des Skeletts, das Sie gefunden haben, liegen die Überreste von wenigstens zwei weiteren Toten. Überschlägig seit mindestens dreißig Jahren. Die Rechtsmedizin in Köln wird einen genaueren Zeitpunkt bestimmen. Unsere Techniker glauben nicht daran, Spuren oder verwertbare Zeichen zu finden.«

    »Ich habe es Ihren Kollegen schon gesagt. Leo hat die Leiche gefunden und mich hinzu geholt«, sagte er leicht gereizt.

    »Wer und wo ist Leo?« Sie bemerkte seinen Unmut.

    »Leo ist ein geistig behinderter Junge und wohnt irgendwo im Grenzweg. Er treibt sich überall und nirgends herum und nervt die Leute. Heute erwischte er mich und was habe ich davon? Leichen.«

    »Wenn er behindert ist, halte ich mich doch besser an Sie oder nicht. Er wird kaum etwas Verwertbares sagen, wenn ich Sie richtig verstehe.«

    »Ist schon gut«, gab er zugänglicher zurück. »Zeitlich also, Ende der Siebziger. Da gibt es nichts, woran ich mich erinnern könnte«, knüpfte er zu dem an, was sie vorher sagte.

    »Kommt hin«, sagte sie. Er sah sie überrascht an, bis er bemerkte, dass er seine Gedanken laut äußerte. An und für sich dachte er lediglich nach.

    »Was geschieht jetzt?«

    »Unsere Spurensicherung ist bei der Arbeit. Sie haben das Gelände großräumig abgesperrt. Wir mussten Zelte aufsetzen. Bei diesem Wetter ist es fast unmöglich, draußen zu arbeiten. Ihre Personalien haben wir. Was machen Sie beruflich?« Sie warf einen Rundumblick durch den Bereich, in dem sie sich aufhielten.

    »Hartz IV«, antwortete er. Dabei bildeten sich kleine Lachfältchen um die Augen.

    »Echt?«, fragte sie erstaunt. »Und Sie können das hier alles …« Sie unterbrach sich. »Das glaube ich Ihnen nicht.«

    »Richtig«, gab er zu. »Maschinenbau- und Physikstudium und jetzt bei einer Aachener Firma und der RWTH beschäftigt. Das Geschäft boomt, trotz Finanzkrise und Kreditklemme.«

    »Na gut«, sagte sie. »Ich habe meinen Job erledigt. Bin dann wieder auf dem Abflug.« Sie erhob sich und gewährte ihm einen Blick auf die perfekt geformten Beine und die schmuddeligen Sportschuhe. »Ich versuche, Sie auf dem Laufenden zu halten. Die Untersuchungen dauern bestimmt noch länger. Wenn das Wetter allzu bescheiden ist, wärme ich mich bei Ihnen auf.«

    »Gern. Wann immer Sie wollen.«

    Er brachte sie zur Türe, in der sie stehen blieb und nach draußen auf den Hof wies.

    »Sie machen sich viel Arbeit.« Sie zeigte auf die Pflanzentöpfe.

    »Ich bin verliebt in dieses Haus und denke, es hat die Pflege verdient«, gab er unbefangen zurück.

    Er beobachtete, wie sie langsam losfuhr. Sollte das alles gewesen sein?

    *

    Zwei

    Ein halbes Jahr früher.

    »Sie wollen uns verlassen, Frau Plum.« Kriminaldirektor Reiner Ziegler empfing sie im Besprechungsraum des Bürotrakts, der auf den Rhein zeigte. Zwei, ihr unbekannte männliche Figuren, flankierten Ziegler, am Kopfende des Tisches, an dem zwanzig Personen Sitzgelegenheit fanden.

    Die Hauptkommissarin nahm am anderen Ende Platz und schaffte somit sieben Meter Distanz.

    Du hast keine Eier in der Hose, dachte sie wütend. Vor einigen Monaten beendete sie die heiße Affäre mit ihm. Aber erst nachdem sie erfuhr, dass seine Frau, von der er sich angeblich trennen wollte, ein Kind erwartete. Jetzt wagte dieser Hanswurst nicht, ihr alleine gegenüberzutreten.

    »Von Wollen kann keine Rede sein, Herr Ziegler.« Sie sah ihm kalt in die Augen, die er als erster niederschlug.

    »Ich habe Ihnen gesagt, dass sie schwierig ist.« Er grinste verschwörerisch zum linken und dann zum rechten Nachbarn, in deren Gesichtern kein Ausdruck lag.

    »Was soll das, Ziegler? Du hast meine Beförderung verhindert … reicht das nicht.« Sie nahm alle Kraft zusammen, um nicht zu brüllen. Tatsächlich klangen ihre Worte kalt und beherrscht. Sogar ein Lächeln spielte um ihre Lippen.

    Der Kriminaldirektor warf einen bezeichnenden Blick zur unterstützenden Begleitung.

    »Deine Speichellecker kannst du raus schicken. Die Spatzen pfeifen vom Dach, dass ich so blöd war, mich mit dir einzulassen. Nur deine Frau weiß nichts … noch nicht.«

    »So sind sie, wenn sie verschmäht werden.« Er hielt die beiden zurück, als sie aufstehen wollten. Ihnen wurde der Wortwechsel sichtlich unangenehm.

    Wut und Aufregung fielen von Claudia ab. Sie benahm sich wie eine verlassene Ehefrau. Dabei hatte sie ihn zum Teufel geschickt. Sie schaltete den Verstand ein.

    »Deine Telefonanrufe sind auf meinem Anrufbeantworter«, sie lächelte jetzt echt, weil Schrecken über sein Gesicht zog. »Falls jemals bekannt wird, was du dir als verschmähter Liebhaber leistest, wirst du Schwierigkeiten haben, deinen Job zu halten.« Sie hielt kurz inne. »Richtig. Ich habe mich nach Aachen beworben und weiß nicht, weshalb ich mich mit dir hier abgebe. Meine Stelle dort ist sicher. Also scher dich zum Teufel.

    Jetzt schicke deine Speichel leckenden Wachhunde raus. So naiv sind nur Männer.« Innerlich schüttelte sie den Kopf über die Blauäugigkeit ihres Exlovers. Sie wartete, bis die beiden betreten den Raum verließen. »Du lieferst dich unnötig den Blödmännern aus. Die werden dich bei der ersten Gelegenheit in die Pfanne hauen.« Sie hielt kurz inne und sammelte ihre Gedanken. »Deine Beurteilung zu meiner geleisteten Arbeit entbehrt jegliche Objektivität. Das wirst du ändern.« Ihre Augen blickten eiskalt in sein versteinertes Gesicht.

    »Und wenn nicht?« Durch Ziegler ging ein sichtbarer Ruck.

    »Ich habe deinetwegen Mobbing und Schikane ertragen. Ich liebte dich einmal.« Sie unterdrückte das aufkommende sentimentale Gefühl. »Jetzt ist Schluss. Ich werde meine neue Stelle in Aachen mit sauberer Weste antreten. Dafür wirst du sorgen.«

    »Nichts werde ich tun. Du bist eine Schlampe.« Er erhob sich halb und angriffslustig. Dabei stützte er die Hände auf den Schreibtisch und geiferte in ihre Richtung.

    »Nur ein Name: Rother.«

    Ziegler wurde blass und sank zurück. Sein Gesicht wurde alt und grau.

    »Also scher dich zum Teufel.« Sie stand auf und ging zur Tür, wo sie stehen blieb. Claudia hob den Finger und deutete auf ihn, als wolle sie ihn mit einem Fluch belegen. Sie überlegte es sich anders und schluckte die Worte, die auf ihrer Zunge lagen.

    »Wichser«, fluchte sie halblaut, als sie zur Tiefgarage ging.

    »Welch ein Wort in diesen ehrwürdigen Hallen.« Der etwa einsfünfundsechzig große Mann mit der hohen Stirn und dem schütteren Haar lächelte. Er mochte um die sechzig sein. Er stieg aus dem Fahrstuhl.

    »Wenn es doch wahr ist«, spuckte sie heraus und hielt inne. »Kann ich Ihnen helfen?« Er wirkte nicht so, als wenn er zum Verein gehörte. Die ausgebeulte Jeans spannte über dem Bauch und das zerknitterte Jackett konnte er bestimmt nicht mehr schließen.

    »Ich suche Kriminaldirektor Ziegler.« Er musterte sie freundlich.

    »Das ist der Wichser.« Sie grinste, weil sie sich in die Situation des kleinen Mannes versetzte. Welchen Eindruck musste er von ihr bekommen? »Den Gang hinunter die vorletzte Türe. Da ist das Sekretariat.« Sie zeigte in die Richtung, aus der sie kam. »Ohne Termin haben Sie keine Chance. Viel Glück.« Sie wandte sich ab und forderte per Knopfdruck den Lift an.

    *

    Claudia Plum stand auf dem Feldweg und sah zu dem Dorf hinunter, an das sie keine Erinnerung mehr besaß. Sie kannte es lediglich aus den Erzählungen der Eltern. Über die Zeit, in der sie hier lebten, erzählten sie nichts. In einer Art sentimentaler Anwandlung programmierte sie vor einer guten Stunde das Navi und gab den Ort ihrer Kindheit ein. Jetzt stand sie hier und fragte sich, was sie hier wohl wollte. Ein Straßendorf, stellte sie fest. Das Auto parkte an der Fahrbahn zur NATO Air Base auf einem Wirtschaftsweg, der parallel dazu lief und scheinbar nicht mehr genutzt wurde. Die Häuser verschwanden unter dem Blätterdach der Bäume. Unten am Hang machte sie, aufgrund der Vegetation, einen Bachlauf oder auch nur ein Fleet aus. Über das Dorf hinweg, am Horizont, lag ein Waldsaum der von hier aus, einen dichten Waldbestand versprach. Ungefähr zwei Kilometer links von ihr lag Holland oder die Niederlande, wie es politisch korrekt, hieß. Das hatte sie vorhin auf der elektronischen Karte ihres Navigationsgerätes gesehen. Sie klaubte in ihrer Erinnerung. Ihre Eltern, also auch sie, lebten bis vor ungefähr einem Vierteljahrhundert in der Waldstraße. Als sie vorhin mit dem Auto die Straße befuhr, betrachtete sie die Häuser und überlegte, welches es wohl sei. Nichts, aber auch nichts, kam ihr bekannt vor. Sie wusste nicht, welcher Teufel sie ritt anzuhalten und jetzt auf das Dorf zu schauen.

    Claudia schaute auf die Uhr, gerade Neun. Die Zeit reichte. Sie wollte sich heute bei den Kollegen ihrer neuen Dienststelle in Aachen vorstellen. In vierzehn Tagen würde sie ihren Dienst antreten. Sie stieg ins Auto und fuhr zum Wald. Heide, verbesserte sie den ersten Ausdruck. Auf dem Hinweisschild stand Heideparkplatz. Je näher sie kam, um so verwunderter wurde sie. Bereitschaftsfahrzeuge der Polizei parkten rechts und links der Straße. Es dauerte nicht lange und sie wurde aufgehalten. Gedankenlos hielt sie Ihren LKA-Ausweis hinaus, den sie Ende des Monats abgeben musste. Der Beamte winkte sie durch. Auf dem angekündigten Parkplatz fand sie ohne Probleme eine Möglichkeit, das Fahrzeug abzustellen. Was war hier los? Nach einer Übung sah es keinesfalls aus. Ein verdeckter Einsatz? Heute Morgen im PC stand nichts darüber. Also nichts Offizielles. Sie ging neugierig zum Weg, der in die Heide hineinführte. Sie wurde an dem Hinweisschild zum Naturschutzgebiet gestoppt.

    Ein kleiner Mann, mit Halbglatze, Mitte vierzig, Anfang fünfzig hielt sie auf. »Was haben Sie hier zu suchen? Wie sind Sie durch die Kontrollen gekommen?«

    »Hauptkommissarin Plum. LKA.« Sie hielt ihren Ausweis hin.

    »Und«, sagte er nach einem flüchtigen Blick auf ihre Karte.

    »Was und?«, fragte sie ungehalten.

    »Sie haben hier nichts zu suchen«, antwortete er gelassen und freundlich.

    »Mag sein«, gab sie zu. »Ich sah den Aufstand dort hinten«, sie wies mit dem Kopf zu den Einsatzfahrzeugen, »und dachte, ich schaue mal, ob ich helfen kann.«

    »Können Sie nicht«, stellte er gemütlich fest.

    »Ich will mich keinesfalls aufdrängen«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. »Aber ich bin neugierig. Was ist hier los?«

    Der Kleine lächelte amüsiert. »Das verstehe ich. Aber jetzt gehen Sie bitte.«

    Claudia blieb wie versteinert stehen. Ärger kroch hoch. »Wer sind Sie? Fertigen Sie mich nicht wie eine Idiotin ab.«

    »Tu ich«, meinte er, weiterhin freundlich. »Wer ich bin, wollen Sie nicht wissen.« Er hob die Hand und schon standen zwei Uniformierte neben ihr. »Bringt die Kollegin zu ihrem Auto.« Er ging den Hauptweg in die Heide hinein und ließ Claudia einfach stehen.

    »BKA«, sagte einer der Polizisten leise. »Am besten gehen Sie jetzt. Die werden ganz schön fies.«

    Claudia nickte. Sie wollte keinen Aufstand. Doch ihr kochte das Blut. »Was ist hier los?«

    »Das interessiert mich auch«, sagte der andere. »Wir haben einen Ring um die Heide gezogen und müssen jeden aufhalten, der hinaus oder hinein will. Der Einsatz läuft als Übung, wegen Presse und so.«

    »Wir wurden vergattert den faktischen Grund nicht weiterzugeben.« Der Erstere übernahm wieder. Die beiden wurden mitteilsam, nachdem sie wussten, dass sie eine Kollegin war. »Irgendso ein anthropologischer Quatsch, so viel habe ich mitbekommen.«

    »Ja, danke«, sagte Claudia und stieg in ihr Fahrzeug, an dem sie mittlerweile angekommen waren. Sie fuhr mehr nachdenklich, als aufgebracht auf das Dorf zu. Dieses Gebiet hier war der äußerste nördliche Zipfel ihres zukünftigen Dienstbereichs. Also würde sie doch die Nase daran bekommen, was hier wirklich geschah.

    *

    Claudia Plum wurde nach ihrem Studium an der Hochschule der Polizei in Münster nach Düsseldorf zum LKA versetzt, wo sie bis jetzt ihren Dienst versah. Den Aufstieg in den Höheren Dienst verkniff sie sich. Dafür war sie im Moment noch zu jung. Nachdem ihr dieses blöde Malheur mit Ziegler passierte, überlegte sie kurz. Aber nur sehr kurz. Gegen die Mobbingattacken offiziell vorzugehen, war zu blöd. Sie suchte keinen Job in der Verwaltung, sondern wollte mit Menschen arbeiten. Als die Stelle in Aachen vakant wurde, bewarb sie sich, noch bevor sie ausgeschrieben wurde. Der Zuschlag erfolgte prompt. Sie beabsichtigte, es mit dem kleinen Team zu versuchen, das ihr Vorgänger für die Ermittlungsarbeit um sich gebildet hatte. Falls ihr das nicht reichte, bestand immer noch die Möglichkeit, die Truppe personell zu verstärken. Schließlich wurde sie Chefin. Da waren zwei Oberkommissare: Heinz Bauer und Maria Roemer. Die Personalpapiere der beiden sah sie sich etwas genauer an, während sie die der anderen später intensiver studieren würde.

    Einen großen Vorteil hatte der Job in Aachen, und dafür musste sie Ziegler im Grunde dankbar sein: Sie konnte endlich sesshaft werden. Die weiten Touren und Hotelzimmer wurden Vergangenheit. Auch nicht schlecht.

    Das Navi leitete sie über die holländische Grenze auf eine breit ausgebaute Umgehungsstraße. Sie führte am Kloster Rolduc vorbei und Claudia erhaschte dahinter einen kurzen Blick auf die Burg Rode. Ein eigenartiges Gefühl beschlich sie, das ihr nur allzu bekannt war. Ähnliches geschah auch vorhin in der Heide. Zwischen dem, was dort im Moment geschah und von dem sie keine Ahnung hatte, was es war, bestand eine Verbindung. Zum Kloster? Zur Burg? Sie wusste es nicht. Doch sie hatte gelernt, ihrer Intuition zu folgen. Sie machte eine gedankliche Notiz.

    Sie fuhr weiter durch Kohlscheid, eine alte Zechenstadt, wie sie wusste und von dort, am Paulinenwäldchen vorbei, hinunter in die Soers, wo das Polizeipräsidium lag. Etwas an den Rand, der Sportanlagen von Alemannia und dem Stadion des Aachen Laurensberger Reitvereins, gedrückt und gegenüber der Justizvollzugsanstalt. Jedoch im Moment überblickte sie das weite Tal, in dem Aachen lag. Auf der gegenüberliegenden Seite zogen die Bergrücken der Eifel, mehr wie eine Ahnung, den Horizont entlang. Sie nahm die Atmosphäre auf und verstand, dass dieses Gebiet schon mehr als zweitausend Jahre besiedelt wurde. Wenige Minuten später fuhr sie auf den tristen Hof des Präsidiums und sah auf das ebenso triste Gebäude.

    Angekommen?

    *

    »Hab ich denn nie Ruhe?« Maria brummelte leise und sah der jungen Frau entgegen, die den Büroraum betrat. »Einen Augenblick bitte«, sagte sie etwas lauter. »Ich hab hier

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