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Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II: Die Augen der Zukunft
Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II: Die Augen der Zukunft
Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II: Die Augen der Zukunft
eBook509 Seiten6 Stunden

Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II: Die Augen der Zukunft

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Über dieses E-Book

Ein hoher Mitarbeiter des BND verschwindet in Tschechien, nachdem er Manipulationen an europäischen Weltraumprojekten auf die Spur gekommen ist. BND-Agent Günter Freysing alias SAX folgt dessen Weg und wird alsbald ins tropische Französisch-Guayana, nach Kourou entsandt. Dort gerät er schnell in ein teuflisches Netz aus Intrigen, Mord und Spionage. Stehen die Russen damit in Zusammenhang, oder bewahrheitet sich ein schrecklicher Verdacht, dass hier eigentliche Verbündete die Drahtzieher sind? "Das Auge der Zukunft" bedroht die gesamte Welt, und bald stößt der Agent auf fragwürdige Menschen aus seiner zum Teil lang zurückliegenden eigenen Vergangenheit - und auch die DEMTAG scheint einmal mehr ihre Finger im Spiel zu haben...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Apr. 2016
ISBN9783738065527
Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II: Die Augen der Zukunft

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    Buchvorschau

    Geheimauftrag für SAX (4) - Hymer Georgy

    Geheimauftrag für Sax (4): „Spectator – Teil II".

    Präambel

    Geheim-Auftrag für „Sax"*) (4): Spectator – Teil II.

    Ein Krimi-Action-Thriller im Spionagemilieu von H. Georgy.

    Hinweis:

    Namen und Handlungen in diesem Werk sind die freie Erfindung des Autors, soweit es sich nicht um bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder historisch dokumentierte Begebenheiten handelt.

    Sofern Bezeichnungen von Behörden oder anderen Einrichtungen Verwendung finden, die realen Hintergrund haben, stehen sie in der Wirklichkeit freilich in keinerlei Zusammenhang mit hier beschriebenen rein fiktiven Vorkommnissen.

    BND

    Der Bundesnachrichtendienst ist eine keiner Polizeidienststelle angegliederte Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Kanzleramtes und sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland Informationen,

    die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung

    für die Bundesrepublik Deutschland sind.

    BND-AGENTEN

    Der Bundesnachrichtendienst vertraut bei seinen „Humint-Aktivitäten – also der Beschaffung von Informationen durch Menschen – in der Regel auf Insider, die von Vertrauensleuten angeworben werden. Es gibt keinen fundierten Nachweis, dass der BND ausgebildete Operativ-Agenten von einem Profil Günter Freysings alias „Sax, wie er in diesem Roman auftritt, tatsächlich einsetzt.

    „Günter Freysing" ist somit eine fiktive Gestalt. Auf der Internetseite des BND kann

    man sich über reale Job-Perspektiven bei Deutschlands Auslandsnachrichtendienst informieren.

    *

    *) „Sax": gesprochen wie [sä:cks]

    Vom gleichen Autor

    Ebenfalls von Hymer Georgy sind bereits erschienen:

    *

    „Geheimauftrag für Sax (1): Die Stahlmann-Verschwörung"

    ISBN 13978-3-7380-2055-7.

    ca. 225 Seiten, ebook, im März 2015 veröffentlicht auf „neobooks".

    *

    „Geheimauftrag für Sax (2): Die Merkantorius-Protokolle"

    ISBN 13978-3-7380-2550-7.

    ca. 460 Seiten, ebook, im Mai 2015 veröffentlicht auf „neobooks".

    *

    „Geheimauftrag für Sax (3): Spectator I – Schatten der Vergangenheit"

    ISBN 13978-3-7380-3745-6.

    ca. 340 Seiten, ebook, im August 2015 veröffentlicht auf „neobooks".

    *

    Weitere Werke (erscheinen im BLITZ-Verlag als Taschenbuch & E-Book):

    Karl May´s Kara Ben Nemsi –

    Neue Abenteuer Band 2: Die Rache des Schut. (Dezember 2015)

    Neue Abenteuer Band 3: Der Fluch des Schut. (Dezember 2015)

    Neue Abenteuer Band 4: In der Gewalt des Schut. (Frühjahr 2016)

    Neue Abenteuer Band 5: Das Geheimnis des Schut (Frühjahr 2016)

    Neue Abenteier Band 6 (mit G.G.Grandt): Der Krieg des Schut (Frühjahr 2016)

    www.blitz-verlag.de

    *

    Die Handlung

    Geheim-Auftrag für „Sax": Spectator – Teil II.

    Ein Krimi-Action-Thriller im Spionagemilieu von H. Georgy.

    2. Teil: Die Augen der Zukunft

    BND-Agent Günter Freysing alias SAX ist zurück im Dienst!

    Nachdem eine europäische VEGA-Trägerrakete mit dem Spionage-Satelliten Spectator I, einem geheimen Gemeinschaftsprojekt von Deutschland und Frankreich zur totalen Überwachung in Europa im Gepäck, kurz nach dem Start in Südamerika über dem Atlantik explodiert, verdichten sich bisherige lose Hinweise zu einem extrem bedrohlichen Szenario.

    War es Sabotage? Ist dies nur Teil einer Serie von mysteriösen „Raumfahrunfällen" der jüngeren Zeit? Wenn ja, wer steckt dahinter? Haben feindselige Mächte die Hände im Spiel, oder bewahrheitet sich ein schrecklicher Verdacht, der auf bisherige Verbündete hinweist?

    Zwei vermeintlich nebensächliche Aufträge, die Sax 2014 in die Ukraine und nach Tschechien führten, scheinen damit in Verbindung zu stehen. Lebt der kalte Krieg wieder auf? Oder steht die Welt siebzig Jahre nach der Naziherrschaft, die Deutschland einst teilte, abermals vor großen Eroberungsfeldzügen?

    Was für Freysing wie ein Erholungsurlaub nach schwersten Verletzungen während eines vorangegangenen Einsatzes beginnt, entwickelt sich schnell zu einem extrem mörderischen Auftrag. Seine Mission, bei der er einmal mehr von seiner attraktiven französischen Kollegin und Geliebten Cathleen Conquête unterstützt wird, ist gefährlicher als je zuvor, denn es geht fast nebenbei auch um Abermilliarden von Euro beim Kampf um die wertvollsten Ressourcen unserer Tage:

    Information und Zeit.

    Welche Rolle in der Angelegenheit haben alte Bekannte inne, die Sax bereits auf seinem frühen Lebensweg als Henry begegneten? Verfolgen abermals perfide verschwörerische Kräfte aus Politik, Wirtschaft und Industrie eigene Interessen? Neben einer erneuten Begegnung mit Dr. Karl Brunner, seinem Gegenspieler bei der DEMTAG, bekommt Sax es mit komplizierten Beziehungen im Spiel der Geheimdienste zu tun. Von Tschechien bis nach Französisch Guayana zieht sich zudem die blutige Spur eines eiskalten Killers in diesem vielschichtigen Fall, in dem Sax nicht nur mit seiner eigenen komplizierten Vergangenheit konfrontiert wird, sondern sich auch erneut zeigt, dass in der Welt der Spionage Vertrauen ein Luxus ist, den man sich nicht leisten kann.

    Und, dass sich die totalen Überwachungspraktiken von heute gar nicht so sehr von denen damals unterscheiden…

    Als Sax den Verschwörern zu nahe kommt, beschließt man dort, ihn endgültig aus dem Weg zu räumen. Beinahe zu spät erkennt der Agent, wer ihn hier wirklich in eine tödliche Falle lockt – denn der nächste Raketenstart ist bereits im Gange, und im Osten Europa nimmt das Schicksal der Welt ebenfalls seinen Lauf…

    Die Frage ist berechtigt:

    Kann Sax auch diesmal seinem dienstlichen Auftrag gerecht werden?

    ***

    Widmung

    Geheim-Auftrag für „Sax (4): „Spectator – Teil II.

    Ein Krimi-Action-Thriller im Spionagemilieu von H. Georgy.

    Für die Guten!

    Sojus neruschimy respublik swobodnych

    Splotila naweki Welikaja Rus.

    Da sdrawstwujet, sosdanny wolei narodow,

    Jediny, mogutschi Sowetski Sojus!

    Slawsja, Otetschestwo nasche swobodnoje,

    Druschby narodow nadjoschny oplot!

    Partija Lenina – sila narodnaja

    Nas k torschestwu kommunisma wedjot!

    Skwos grosy sijalo nam solnze swobody

    I Lenin weliki nam put osaril

    Na prawoje delo on podnjal narody,

    Na trud i na podwigi nas wdochnowil!

    Slawsja, Otetschestwo nasche swobodnoje,

    Druschby narodow nadjoschny oplot!

    Partija Lenina – sila narodnaja

    Nas k torschestwu kommunisma wedjot!

    W pobede bessmertnych idei kommunisma

    My widim grjaduschtscheje naschei strany,

    I krasnomu snameni slawnoi Ottschisny

    My budem wsegda bessawetno werny!

    Slawsja, Otetschestwo nasche swobodnoje,

    Druschby narodow nadjoschny oplot!

    Partija Lenina – sila narodnaja

    Nas k torschestwu kommunisma wedjot!

    (Text der Nationalhymne der Sowjetunion seit 1977 bis zum Zerfall*)

    (*Fußnoten)

    Im weiteren Text des Romans zum besseren Verständnis auf Fußnoten verweisende Ziffern im Klammern sind im Ebook aus technischen Gründen auf den letzten Seiten des Buches, vor der Vorschau auf weitere Bände, erklärt.

    2. Teil: Die Augen der Zukunft.

    Die Augen der Zukunft.

    H. Georgy.

    „Geheimauftrag für Sax (4): Spectator – Teil II"

    Man kann nicht in die Zukunft schauen,

    wenn die Augen noch voller Tränen

    der Vergangenheit sind."

    (unbekannter Autor)

    Prolog: Wohin uns der Wind weht…

    Die Zeit der Muße – vorüber! Bilder seines früheren Lebens waren Günter Freysing alias Sax während seiner langen Zeit im Krankenlager durch den Kopf gegangen. Mit Wehmut erinnerte er sich dabei an Sieglinde Stern, seine Jugendliebe. Nostalgie kam in ihm auf, wenn er an August dachte, jenen Menschen, der ihn vor vielen Jahren in der spannenden Wendezeit für den Geheimdienst des Klassenfeindes angeworben hatte. Traurigkeit und Zorn bemächtigte sich seiner, wenn er an die Hinterlist und Tücke einiger anderer Menschen dachte, die ihm zu jener Zeit begegneten. Doch das war vorbei. Geschichte! Wenngleich Freysing nicht ungern die damalige Zeit rekapitulierte, so verspürte er nun doch deutlich wieder jenen unbändigen Tatendrang, der ihn im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte in immer gefährlichere Aufträge gestürzt hatte. Er wusste allerdings nur allzu gut, dass der Bundesnachrichtendienst durch diverse Umstrukturierungen zu einem müden Beamtenhaufen verkommen war. So konnte er eigentlich kaum auf einen wirklich wichtigen Fall hoffen. Seine Arbeit bestand seit vielen Jahren in der Regel aus nachrichtendienstlicher Routine.

    Als er daher, inzwischen bereits um die fünfundvierzig Jahre alt, in Erwartung dessen - eigentlich noch ohne besonderen Elan und desillusioniert von seiner Tätigkeit - am Morgen des leicht verschneiten Dreikönigstages 2015 das BND-Gebäude in Berlin betrat und dort jene Etage aufsuchte, in der sein gegenwärtiger Vorgesetzter residierte, verdrängte er endgültig die schwermütigen Gedanken an sein früheres Leben, die ihn während seiner Auszeit nun so lange beschäftigt hatten.

    Sax ging, einen neuen Gehstock aus der Spezialabteilung des BND mit gewissen Sondereigenschaften in der Hand, aber nicht wirklich darauf gestützt, durch das von einem ihm lediglich kurz zunickenden bulligen Unteroffizier OA besetzte Vorzimmer hindurch direkt zur Tür des Chefs. Dort klopfte er fest an.

    Sobald das undeutlich-knurrige „Herein" ihn dazu aufforderte, öffnete er die dicke Tür und stand sogleich Generalmajor Stoessner gegenüber, der es sich hinter seinem Schreibtisch im wuchtigen Sessel bequem gemacht hatte und fast darin versank. Die technische Modernisierung war auch am Chefbüro nicht vorüber- gegangen: Nur ein paar wenige Akten lagen auf dem Tisch, ansonsten gab es lediglich einen etwas größeren, aufgeklappten Laptop. An den Wänden hingen die Portraits früherer und gegenwärtiger Deutscher Präsidenten sowie Kanzler. Natürlich war keines von Honecker oder Stoph darunter. Die DDR-Vergangenheit war längst gesamtdeutsch getilgt.

    „Guten Morgen, Freysing!", sagte Stoessner, dabei wohlwollend aufblickend, nachdem die Tür geschlossen war und sich der Agent um eine möglichst gerade Haltung bemühte.

    „Guten Morgen, Herr Generalmajor! Ich melde mich zurück zum Dienst", entgegnete der Begrüßte, obwohl er selbst keine Uniform trug, sondern lediglich gewöhnliche Straßenkleidung. Stoessner liebte es, mit seinem Rang angesprochen zu werden.

    „Ich hoffe, Sie haben sich gut erholt in den letzten beiden Monaten!, fuhr der Chef fort, ohne eine detaillierte Antwort zu erwarten. Freysing nickte daher auch nur knapp und entgegnete spontan: „In der Tat, Herr Generalmajor, das habe ich!

    „Fühlen Sie sich einigermaßen fit für einen neuen Auftrag? Nichts schwieriges, nur ein bisschen Nachforschung", setzte der hohe Offizier hinter dem Schreibtisch hinzu, und bot mit einer Handbewegung Platz auf einem der Besucherstühle an.

    „Selbstverständlich, Herr Generalmajor! Ich wäre froh, endlich wieder aktiv tätig werden zu können. Für Deutschland! In den letzten Wochen ist mir die Decke ziemlich auf den Kopf gefallen." Er setzte sich bequem nieder und legte den Stock quer vor sich über die Knie.

    „Schön. Für Deutschland also. Mal wieder. Dann werde ich sie jetzt kurz instruieren. Während ihres Ausfalls ist einiges passiert, wie sie sich denken können."

    Freysing hob die Augenbrauen. Natürlich war eine Menge passiert. Ständig passierte irgendetwas irgendwo auf dieser Welt. Aber worauf spielte Stoessner explizit an?

    „Spectator!", gab der Generalmajor das Stichwort. Freysing überlegte kurz.

    „Das ist doch dieses neue Weltraum-Überwachungssystem. Eine SIGINT-Kooperation mit Frankreich. Ich habe während der Instruktion für unsere Abteilung vor Weihnachten davon gehört."

    Stoessner nickte: „Eine wesentliche Komponente des Spectator-Systems sollte im November raufgebracht werden, oberflächlich getarnt als Wiedereintrittsphasen-Experiment, für die Medien und so. Aber die VEGA-Trägerrakete ist überraschend kurz nach dem Start in Französisch-Guayana explodiert."

    „Hab´s im Fernseher gesehen gehabt. Sabotage?"

    „Möglicherweise. Ein Expertenteam befindet sich bereits seit dem November dort, um die Trümmerteile zu bergen und zu untersuchen. Ist nicht ganz einfach, die Reste sind im Atlantik außerhalb der französischen Hoheitszone runtergekommen und ziemlich weit verstreut. Aber den Satteliten hat man bislang nicht gefunden."

    „Und jetzt soll ich auch da rüber?", hakte Freysing nach. Er schien nicht begeistert.

    „Ja, genau. Betrachten Sie es nicht nur als Erholungsurlaub, aber überlassen sie den italienischen Kollegen vor Ort die Hauptarbeit. Die finanzieren schließlich das VEGA-Projekt, also sollen die auch was beitragen. Halten Sie bloß Augen und Ohren offen."

    „Klingt nicht sehr aufregend.", murrte Sax. Er mochte nicht länger tatenlos bleiben.

    „Soll es ja auch nicht sein. Sie sind ein Beobachter – schon vergessen?"

    „Warum ich?", erwiderte er resignierend. Befehl war allerdings Befehl.

    „Die paar anderen aus unserer Abteilung sind beschäftigt. An der türkisch-syrischen Grenze ist der Teufel los, wie sie wissen. Und die Ukraine qualmt. So wie ich es sehe, sind Sie noch nicht wieder vollständig einsatzfähig. Also der richtige Job für Sie. Leichter Dienst. Und Sie sollten das Alles wirklich ganz ruhig angehen lassen", beschwörte er seinen Mann. „Der tiefere Grund, warum ich genau sie schicke, ist aber noch ein anderer."

    „Als der wäre?" Sax war bei Stoessners letzten Worten hellhörig geworden.

    „Das Equipment für die Suche auf See wird von der DEMTAG gestellt."

    Aua!", meinte Freysing und verzog das Gesicht. Er erinnerte sich noch allzu gut an die Stahlmann-Verschwörung vom Anfang des letzten Jahres, bei der er bereits mit der DEMTAG aneinandergeraten war – einem führenden deutschen Unternehmen im Bereich der Marinetechnik.

    „Ja, genau. Aua! Irgend so ein Wichtigtuer an leitender Stelle hat das als ´unbedenklich´ abgesegnet. Vielleicht hat von Lauenstein mal wieder seine Finger drinnen. Ich denke, wir sollten ein genaueres Auge darauf werfen."

    „Gab es niemand anderen? Für die Bergung, meine ich?"

    „Wir hätten natürlich die Amerikaner bitten können. Aber angesichts des heiklen Frachtgutes haben wir lieber davon abgesehen. Spectator ist ein Joint-Venture allein von Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland!", mahnte Stoessner eindringlich mit erhobenem Zeigefinger. „Die Amis wollen wir da mal schön raushalten."

    „Verständlich. Das heißt, die geheimen Details kennen auch die Italiener nicht?"

    Stoessner nickte: „Das hoffen wir, und es sollte auch so bleiben. Halten sie sich wegen des Satteliten an die Franzosen."

    „Der Sattelit wurde in Frankreich gefertigt?"

    „Zuständig für die Endmontage war das kleinere Zweigwerk eines sächsischen Unternehmens bei Paris", führte Stoessner aus. „´German Space Robotics, GSR´. Der französische Inlandsgeheimdienst kümmert sich darum, und das BKA nimmt hier den Hauptsitz sicherheitshalber nochmal unter die Lupe. Nur zur Vollständigkeit!"

    „Was wissen die Dienste über das Unternehmen?", hakte Sax nach.

    „Nichts Auffälliges. Ein Start-Up, das in der Zeit des Wiederaufbaus Ost groß geworden ist. Nicht unsere Zuständigkeit. Aber das Problem des VEGA-Zwischenfalls lag nach bisherigen Erkenntnissen nicht im Satteliten, sondern in den Antrieben des Launchers. VEGA wird von Arianespace vermarktet – einem soliden und seriösen Unternehmen. Wenn manipuliert wurde, dann auf der Abschussbasis drüben."

    „Oder unterwegs, auf dem Transport. Na schön. Also tatsächlich nach Guyane? Ist doch aber eigentlich gar nicht mein Arbeitsfeld!", meinte Sax skeptisch. Gleichzeitig musste er allerdings an Augusts damalige Worte denken, als sie sich damals in Leipzig verabschiedeten: ´Wir gehen dahin, wohin uns der Wind weht.´

    Stoessner winkte auch sogleich unwirsch ab und nickte abermals. „Egal. Sie finden in der geheimen Operation-Cloud alles, was sie erst mal brauchen, bis sie dort angekommen sind. Sie werden aber vor Ort auch von den Franzosen weiter informiert, die sind schon seit einiger Zeit in der Angelegenheit aktiv. Und noch etwas sollten Sie wissen: Sie sind mit der Sache im Hintergrund möglicherweise vor ein paar Monaten bereits kurz in Berührung gekommen. Der dritte Grund, warum ich ausgerechnet Sie schicke!"

    „Aha?", hakte Freysing skeptisch nach.

    „Tschechien, letztes Jahr im Spätsommer. An den Auftrag erinnern Sie sich doch wohl noch? Sie haben schließlich nur einen Hüftschaden davon getragen, und keinen Dachschaden!"

    Ja, Sax erinnerte sich: Das war im September 2014 gewesen, direkt vor der Geschichte, die ihn dann leider ins Nürnberger Krankenhaus beförderte. Von den Analysten des Geheimdienstes waren seine Ermittlungen im Nachbarland allerdings schnell als „nicht so bedeutend" eingestuft worden, und er selbst sah es damals zumindest nicht sehr viel anders, auch wenn ein paar Fragen dort offen blieben.

    Die Bilder von seinem erst kaum vier Monate zurückliegenden Aufenthalt in Tschechien waren Freysing sofort wieder präsent…

    ****

    Kapitel 1: Das letzte Rennen vor Ultimo.

    Tschechische Republik. Brno (dt. Brünn), in der Region Südmähren (Jihomoravský kraj). Knappe zwei Monate vor dem Start der VEGA-Rakete mit dem „Spectator"-Satteliten an Bord. 14. September 2014. Das letzte Rennen vor Ultimo.

    Der Lamborghini Gallardo schoss bei einer Geschwindigkeit von nahezu einhundertundsechzig Stundenkilometern mit etwas driftenden Reifen um eine Rechtskurve der Rennstrecke, dicht gefolgt von einem Ferrari 430 GT3 und einem Mercedes SLS. Staubfontänen nebelten die Umgebung ein. Seit einigen Wochen hatte es hier nicht geregnet, der Asphalt wirkte aufgeweicht und flimmerte in der spätsommerlichen Sonne. Der Klimawandel zeigte auch hier seine Wirkung.

    Der Fahrer, der die Spitzengruppe anführte, gab sogleich wieder mehr Gas und raste nun die kurze Gerade in südwestlicher Richtung entlang, während die beiden anderen Fahrzeuge gefährlich dicht in seinem Windschatten blieben. Das sportliche Feld folgte den Ausreißern nur eine knappe Sekunde später. Zuletzt gab es zwei Nachzügler in gehörigem Abstand, die kaum mehr Chancen auf einen Sieg besaßen.

    Der Kurs des WTTC lag seit 1987 im Waldgebiet Podkomorské lesy zwischen Ostrovačice und Žebětín. Zwar hatte es bereits seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Brünn eine Rennstrecke gegeben, lange bevor Mähren dann noch vor dem zweiten Weltkrieg Deutsches Reichsprotektorat wurde, jedoch bestand diese lediglich aus abgesperrten ansonsten öffentlich befahrbaren Straßen. Die ersten Sieger des „Großen Preises der Tschechoslowakei" auf dem insgesamt geschichtsträchtigen Rennkurs wurden zu damaliger Zeit Heinrich-Joachim von Morgen und Prinz Hermann Viktor Maximilian zu Leiningen mit dem legendären Bugatti T35B; zwei deutsche Rennfahrer, die auch hiernach noch einige Erfolge verbuchen konnten. Doch das war Geschichte, und zuweilen versunken im allgemeinen Vergessen. Nur eine kleine bebilderte Ausstellung im Hauptgebäude des Motorsportverbandes erinnerte noch an jene frühen Tage. Im Zuge zunehmenden Sicherheitsbewusstseins hatte man 1985 mit dem Neubau einer Rennstrecke innerhalb des alten Circus begonnen. Seit deren Fertigstellung gab es dort nun jährlich eine Anzahl landeswichtiger motorsportlicher Ereignisse, aber nur wenige von internationalem Rang. Eines der letzteren war der oft immer noch so genannte „Herbstpreis", der inzwischen jedoch offiziell umgetauft war.

    Die „Masaryk Racing Days" waren in vollem Gange. Der finale Lauf der Division 4, bei dem sich die besten Tourenwagenfahrer Mitteleuropas maßen, befand sich in seinen letzten fünf Runden. Es sah im Moment fast so aus, als würde diesmal Lamborghini das Rennen für sich entscheiden, aber noch war das Rennen nicht zu Ende. An die tausend Zuschauer mochten das Geschehen auf dem Gelände verfolgen, verteilt auf die verschiedenen Schikanen der Strecke, der überwiegende Teil davon im Bereich des späteren Zieleinlaufes oder eingangs der berüchtigten „Omega-Kurve". Überall wehten große tschechische Fahnen, die Flaggen des Motorsportverbandes und jene aller anderen beteiligten Nationen von den Masten, und es mangelte auch nicht an Werbebannern zahlreicher Sponsoren.

    Günter Freysing stand inmitten einer lose verteilten, aber nicht geringen Anzahl Schaulustiger unter einem aufgesetzten Strohhut am nordöstlichen Ausläufer der Piste nah am Geschehen und setzte das kleine Fernglas ab, mit dem er die sich etwas entfernter abspielende Szenerie beobachtet hatte. Das, was er dann kurz von oben herab zu dem kleinwüchsigen Einheimischen neben ihm sagte, ging im Lärm der nahenden Motoren und dem aufkommenden Beifall der Zuschauer unter.

    Der angesprochene, Ernö Kicsi, war zwar ungarischer Abstammung, lebte aber seit seinem siebenten Lebensjahr im heutigen Tschechien, welches damals noch Teil der zerfallenen Tschechoslowakei gewesen war. Er mochte mitte fünfzig sein, wirkte aber älter, maß knapp einen Meter siebenundfünfzig, wenn er wie jetzt Schuhe mit extrahohen Absätzen trug, und besaß ein wettergegerbtes, runzeliges Gesicht. Seine dunkelbraun nachgetönten Haare waren an den Stirnseiten schon etwas zurückgegangen und dabei kurz und kraus. Er trug ein fast fieses, offenmundiges Grinsen zur Schau, das jeden halbwegs intelligenten Menschen davon abhalten sollte, einen Gebrauchtwagen von ihm zu erwerben. Das, was er Freysing anzubieten hatte, war jedoch ganz anderer Natur, und der deutsche Agent instinktiv misstrauisch genug für diesen Handel. Sax überlegte, was er aus der Datenbank des BND sonst noch über den gebürtigen Magyaren wusste.

    Ernö Kicsi, Mitte der Neunzehnhundertsechziger Jahre zusammen mit seinen Eltern Arpad und Réka nach Prag übergesiedelt, hatte er dort zunächst die Schulbank gedrückt und war dreisprachig aufgewachsen. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Universität konnte er aufgrund seines ausgezeichneten Hochschulabschlusses in ein bekanntes ursprünglich deutsches Maschinenbauunternehmen eintreten, in welchem er zeitlebens arbeitete. Dieses, bereits 1889 als „Königsfelder Maschinenfabrik" gegründet und zunächst auf den Bau von Straßen- und Eisenbahnwaggons spezialisiert, beschäftigte sich in der Zeit, als sich Ost und West nach dem zweiten Weltkrieg waffenstarrend feindselig gegenüberstanden, zunehmend mit der Entwicklung und Produktion von petrochemischen Stoffen. Vom politischen System der elterlichen Wahlheimat nicht überzeugt und zudem ständig knapp bei Kasse, war Kicsi 1981 eine leichte Beute für die Anwerber des BND in Gestalt eines Mannes, den Günter Freysing einige Jahre später selbst als August in Leipzig kennenlernte, gewesen. Diese suchten zu jener Zeit politikbestimmt im „Ostblock" willfährige Informanten in rüstungsnahen Betrieben für die Humint-Aktivitäten des westdeutschen Auslandsgeheimdienstes. Da man seinerzeit hinter der Entwicklungsabteilung des Unternehmens eine geheime Forschungseinrichtung für Chemiewaffen vermutete, war es ins Visier des BND geraten, und Ernö Kicsi hatte nach seiner Rekrutierung regelmäßig Informationen aus dem Werk beschafft. Das blieb auch so, nachdem der Ostblock längst zusammengebrochen war, nur waren diese Informationen nun nicht mehr so wertvoll wie früher, und wurden freilich auch schlechter bezahlt.

    Günter Freysing kannte dieses Spiel nur zu gut. Auch er war schließlich vor vielen Jahren auf diese Weise angeworben worden, zunächst als „Insider" der Revolution in der DDR; später hatte er Geschmack an der Geheimdienstarbeit gefunden und wurde wegen seiner Fähigkeiten in den operativen Agentendienst berufen. In der Zeit nach der „Wende" und dem baldigen Abschluss seines Studiums war Freysing einige Male im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes im zusammenbrechenden Ostblock tätig gewesen. Stets ging es dabei um heikle, zuweilen gar lebensgefährliche Missionen. Doch seit dem verhängnisvollen Jahr 2001, als islamistische Terroristen zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers von New York steuerten und damit das Gesicht der Welt veränderten, hatte sich auch sein Tätigkeitsbereich schnell verlagert. Anstelle von Osteuropa standen der Nahe Osten und Nordafrika mehr auf seiner Reiseliste. Jedoch kannte er Tschechien sehr gut, und er war auch schon drei, viermal in Brno gewesen. Die heute etwa vierhunderttausend Einwohner zählende Stadt war, das wusste er, neben Prag die bedeutendste Metropole des Landes und mit vielen Forschungseinrichtungen und Industriebetrieben auch ein wichtiger Messeplatz – und damit ein Tummelplatz der Wirtschaftsspionage.

    Der Bundesnachrichtendienst beorderte seinen besten Mann nunmehr eigentlich aus nur einem Grund nach so langer Zeit erneut hierher: Jener Führungsagent, der die Kontrolle über Kicsi ausübte, ein Mann namens Marius Holler, den Freysing nicht persönlich kannte, hatte sich seit einigen Tagen nicht mehr routinemäßig gemeldet. Auch in der deutschen Residentur in Prag, wo der Spion ein offizielles Büro als mittlerer Beamter unterhielt, wusste man nichts über dessen weiteren Verbleib, außer dass er nach Brno hatte fahren wollen, angeblich um sich mit verschiedenen Kontakten zu treffen.

    Früher einmal, im kalten Krieg, wäre ein solches Ausbleiben eines führenden Agenten sehr besorgniserregend gewesen, und man hätte mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Heute jedoch, da sich Ost und West näher gekommen und Internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität und Wirtschaftsspionage mehr in den Fokus der Geheimdienste gerückt waren, bedeutete das Verschwinden eines Mannes in einem osteuropäischen Land nicht mehr unbedingt gleich dessen Entführung oder Ermordung – wenngleich genau jener kalte Krieg zwischen Russland und den westlichen Staaten durch die gefährlichen Entwicklungen in der Ukraine im Laufe des Jahres wieder deutlich angeheizt worden war.

    Ein wichtiger Mensch im Ministerium hatte Generalmajor Stoessner, seit einiger Zeit ja Freysings Vorgesetzter beim BND, jedoch entweder eines Anderen überzeugt oder unter leichten Druck gesetzt, und so war der Agent zu diesem eher unscheinbaren Auftrag von ihm in Marsch gesetzt worden. Schon länger war da ein schöner, leider viel zu kurzer Urlaub mit seiner neuen Lebensgefährtin Katie bei St. Aygulf an der französischen Mittelmeerküste zu Ende gegangen, die er im Zuge der „Stahlmann-Verschwörung" kennen und lieben gelernt hatte. Nun war Sax mitten in seinem neuen Fall drin, immerhin. Wenn auch in einem, wie er fand, eher tristen.

    Sax betrachtete die Suche nach Marius Holler nicht als besonders wichtig. Natürlich verschwanden BND-Führungsagenten nicht jeden Tag, eigentlich kam es so gut wie nie vor. Dieser hier war weder sonderlich bedeutend noch ein außergewöhnlicher Geheimnisträger, und so würde sich am Ende wahrscheinlich herausstellen, dass sein Verschwinden sehr trivialen Gründen unterlag oder auch nur temporär war.

    Freysing hatte in den letzten beiden Tagen bereits drei Kontaktleute, also „Spione" im eigentlichen Sinn dieses Wortes, aus bedeutsamen Werken und verschiedenen Forschungseinrichtungen der Region getroffen, welche Holler in unregelmäßigen Abständen Informationen lieferten. Keiner der Befragten wusste etwas über dessen Verbleib auszusagen. Ernö Kicsi war der vierte Versuch, vielleicht doch etwas Sachdienliches zu erfahren. Der nicht ganz freiwillige Wahltscheche schien allerdings mehr daran interessiert, sein Material zu verkaufen, bevor es durch das Verstreichen von Zeit noch mehr an Wert verlor.

    Die Spitzengruppe des Rennens durchfuhr nun die Omega-Kurve, und in der kurzen Lärmpause bis zum Herannahen des Feldes schrie der vertikal gehandicapte Unsympath ungeduldig zu Freysing hinauf: „Wollen Sie es nun haben, oder nicht?"

    „Geben Sie her!", meinte dieser ruhig, wenn auch ebenfalls laut.

    Ernö lachte. Es war ein recht dreckiges Lachen, das zu seinem stetigen Grinsen passte: „Zeigen sie mir erst mal das Geld. Ich kenne sie schließlich nicht!"

    Freysing fasste genervt in die Tasche seiner beigen Sommerhose, die ihn wie das fast gleichfarbige Poloshirt und der leichte Sommerstrohhut vor der Sonne schützten. Seine Hand kam mit einem zusammengefalteten Briefumschlag heraus, der, wie er wusste, fünfundzwanzig nicht banderolierte Zweitausend-Kronen-Banknoten enthielt. Er hatte sie am Samstagmittag am Bahnhof besorgt, ohne sich von den gewerblichen Geldwechslern dort im Tauschkurs über den Tisch ziehen zu lassen - kurz nachdem er mit Kisci telefoniert und die Verabredung für den Sonntag getroffen hatte. Fünfzig-tausend Tschechische Kronen, das waren gegenwärtig nicht mehr als ungefähr 2000 Euro, aber viel mehr war das, was Ernö zu bieten hatte, wohl auch nicht wert. Den Preis hatte der Informant - angeblich - noch mit Holler ausgemacht gehabt.

    „Wir können es natürlich auch lassen!", sagte Freysing knapp und wollte die Hand mit Umschlag und Geld sogleich wieder in der Hosentasche verschwinden lassen. Seine weiteren Worte gingen im Lärm des auf der Rennstrecke vorbeirasenden Feldes unter, aber als der letzte Wagen, etwas abgehängt, vorbeifuhr, reichte ihm der Mann nicht sichtbar für eventuelle Beobachter und ziemlich heimlich tuend eine kleine, flache Speicherkarte, wie sie noch in Bilderkameras Verwendung findet.

    Freysing nahm sie entgegen, atmete kurz durch und steckte sie dann in einen kleinen Schlitz seines Fernglases, der einigermaßen so aussah, als gehöre er zur Tragschlaufenbefestigung. Dann hielt er das Fernglas in die Höhe und schien den Fahrzeugen hinterher zu blicken, die sich gerade noch weiter durch die Omega-Kurve bewegten. Anstelle der Rennwagen erblickte er darin nach entsprechender Justierung einer Stellschraube jedoch nun den Dateninhalt der eingeschobenen Speicherkarte: Eine Reihe von Dokumenten, die Ernö offenbar heimlich mit einer Digitalkamera fotografiert hatte. Das ermöglichte unter gewissen Lichtverhältnissen bessere Fotos, als die Miniobjektive in einem Smartphone. Die Seiten klickten automatisch annähernd im Sekundentakt weiter.

    Der Inhalt war für Freysing nicht sehr verständlich, offenbar ging es um irgendwelche hitzebeständigen Kunststoffbauteile, und so setzte er das spezielle Fernglas, ein nützliches kleines Agentenwerkzeug, wieder ab, nachdem er ein gutes Dutzend Bilder betrachtet hatte. Er reichte Kisci den Geldumschlag, der sofort etwas verstohlen nachzählte, ohne dass die sie umstehenden Rennzuschauer dies mitbekamen. Der Informant schien zufrieden, aber Freysing war es noch nicht.

    Die Fahrzeuge hatten sich weit von der Schikane entfernt und erreichten in den nächsten Sekunden bereits die gegenüberliegende Seite des Parcours, daher konnten sie sich nun für eine kurze Weile in beinahe gedämpfter Lautstärke unterhalten.

    „Gut!, bestätigte Freysing den nicht ganz astreinen Deal nun schnell. „Aber deswegen bin ich eigentlich nicht hergekommen.

    Kisci knurrte kurz. Dann meinte er: „Sie sagten mir, dass Herbst, der mir sonst das Geld mitbringt, seit ein paar Tagen verschwunden ist. Aber ich habe ihnen bereits am Telefon klar gesagt gehabt, dass ich auch nichts mehr von ihm gehört habe. Nicht mehr, seitdem ich ihm die Kostprobe gegeben hatte."

    Herbst, so war Freysing informiert, lautete der Deckname von Holler gegenüber dessen hiesigen Kontakten. Mit Kostprobe meinte Kisci die Fotografien von zwei Seiten eines Dokuments über die Forschungen in dem Werk, in dem er arbeitete. Wie immer hatte er zunächst nur einen Teil herausgerückt, um sicherzugehen, dass er auch eine korrekte Bezahlung für seine Informationen erhielt. Wenngleich er in den langen Jahren seiner geheimen Tätigkeit eigentlich gute Erfahrungen mit den Deutschen machte, war er stets von Misstrauen geprägt gewesen, ob man sein Engagement wirklich richtig zu würdigen wusste.

    „Erzählen Sie mir etwas über ihn!" forderte Sax.

    Ernö zierte sich nur kurz. Er war fast sicher, die Deutschen diesmal mit seiner Forderung nach fünfzigtausend Kronen etwas übervorteilt zu haben, da waren ein paar zusätzliche Auskünfte durchaus mit im Preis enthalten. „Herbst?", begann er. „Ich kenne ihn nur von den gelegentlichen Treffen persönlich, nicht weiter privat. Er ist bereits seit knapp acht Jahren mein Kontaktmann zu euch. Wir haben uns immer in Brno getroffen, nie außerhalb, oft auch hier, und soweit ich weiß ist er stets in einer kleinen Pension in der Mendlovo náměstí abgestiegen."

    Das war für Freysing alles nicht neu. Genauso stand es in den Unterlagen, die er vom Dienst in Berlin und von der Botschaft in Prag bekommen hatte. Freysing war im gleichen Haus untergekommen und noch in der ersten Nacht vorsichtig in das Zimmer Hollers eingebrochen, um nach Hinweisen zu suchen. Die Pensions-mitarbeiter hatten das Zimmer noch nicht ausgeräumt gehabt, denn Holler war ein zuverlässiger Gast und der Aufenthalt durch Kreditkarte abgesichert – da spielte es keine Rolle, wenn er für ein paar Tage dort nicht nächtigte. Die Aktion blieb ergebnislos, er fand lediglich Hollers Laptop, nahm diesen mit und achtete im Übrigen darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Auch in den Dateien des Gerätes gab es jedoch keine Hinweise zu den Gründen dessen Verschwindens zu entdecken.

    „War diesmal alles genau so, wie sonst auch?", fragte er den Infomanten.

    Kisci nickte: „Außer eben, dass er sich nach dem ersten Kontakt nicht mehr gemeldet hat, schien alles in Ordnung. Nur über den von mir geforderten Betrag hat er wie immer etwas gemault – aber das war normal", grinste er.

    „Und Sie haben sich direkt beim ersten Treffen mit ihm erneut verabredet?"

    „Ja, wie immer. Für letzten Dienstag. Im Lokal auf der Festung. Aber er kam nicht."

    Die barocke Festung Špilberk, gelegen auf einer Anhöhe im Zentrum, ist eines der hervorstechendsten Bauwerke der Stadt an der Svratka. Das gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts renovierte Anwesen besitzt eine genauso wechselvolle Geschichte wie die Stadt selbst und diente als bedeutendstes Bollwerk Mährens im 18. Jahrhundert unter anderem als Kaserne und Gefängnis. Heutzutage als historisches Baudenkmal mit zahlreichen architektonischen Sehenswürdigkeiten Ausflugspunkt vieler Touristen und der einheimischen Bevölkerung, ist sie im Sommer Ort künstlerischer Darbietungen, vor allem klassischer Konzerte. Ein sogenanntes Carrilon, ein großes Glockenspiel, sorgt stündlich durch die hellen Klänge einer von über dreißig verschiedenen Kompositionen für Aufmerksamkeit und ist trotz Verkehrslärms der Umgebung vor allem in den Abendstunden auch noch im näheren Umkreis zu hören. Ein belebter, idealer Ort, um sich zufällig und ohne Aufsehen zu erregen zu treffen, dachte Sax.

    Einige Minuten lang unterhielten sie sich über den gewöhnlichen Ablauf der sonst jeweils geplanten Verabredung und darüber, ob es irgendwelche Auffälligkeiten vor Ort gegeben habe - Vielleicht Personen, die ihn beobachtet hätten. Aber der kleine Informant verneinte sogleich selbstbewusst: „Bin ja kein Anfänger!".

    Die rasenden Fahrzeuge näherten sich erneut dem Standort Freysings und Kicsi´s; die weiteren Worte, die letzterer sagte, gingen für Dritte unhörbar im Lärm unter.

    Der Dreiergruppe voran hatten sich nun zwei weitere Fahrzeuge angeschlossen, aber die Spitzenformation war immer noch die gleiche, wie in der Runde zuvor. Doch das Rennen schien kurz vor dem Ende insgesamt noch einmal schneller zu werden.

    „Was haben Sie dann gemacht?" fragte Freysing, nachdem sich das Feld wieder von ihnen entfernt hatte.

    „Was denken Sie? Ich war sehr haragszik! Es war nicht einfach, das ganze Dokument zu fotografieren, und ich hatte das Geld schon eingeplant!"

    „Haben sie nicht versucht, ihn anzurufen?"

    „Natürlich habe ich das. Aber das Handy war tot."

    „Tot? Keine Mailbox?"

    „Nur die Ansage, dass der Teilnehmer nicht erreichbar sei. Ich konnte nichts hinterlassen. Aber glücklicherweise haben Sie mich ja gefunden!" Er zeigte erneut sein schiefes Grinsen und lachte dabei kurz laut auf.

    „Das ist in der Tat ungewöhnlich! Das mit dem Handy…"

    Freysing dachte nach, während sie gemeinsam weiterhin die finalen Runden des Rennens beobachteten. Keine neue Spur. Wo sollte er weiter suchen? Er fand, dass er hier seine Zeit verschwendete. Selbst wenn der gebürtige Ungar etwas wusste, würde er es ihm wohl nicht unbedingt mitteilen. Vielleicht war es angebracht, mit etwas weiterem Geld nachzuhelfen. Er atmete tief durch und sog die von den Motoren der Tourenwagen verpestete Luft ein, während sein Kontakt schwieg. Als die Fahrzeuge sich schließlich dann zum letzten Mal durch die Omega-Kurve drängten, sagte Ernö doch noch etwas:

    „Ich weiß aber, dass er ein Mädchen hier hatte!"

    *

    Günter Freysing ließ sich von einem Taxi zur Kollárova bringen, die ihm Ernö Kicsi als Adresse des Mädchens genannt hatte. Der Fahrer, ein Student, der das noch aus Ostblockzeiten stammende Vehikel steuerte, war glücklicherweise einer der wortkargeren Sorte. Er chauffierte ihn unmittelbar nach dem Ausgang des Rennens in einer guten halben Stunde zügig und schweigsam über den neugebauten innerstädtischen Autobahnring mit dem Pisárky- und Königsfelder Tunnel in das eng bebaute Gelände nordöstlich des Stadtzentrums. Im Radio spielten sie etwas Älteres von Katka Koščová, einer eher national bekannten Popsängerin.

    Dass Marius Holler eine romantische Beziehung in Brno hatte, war in dessen BND-Dossier nicht vermerkt und auch der Botschaft in Prag offiziell unbekannt. Andererseits war es auch nichts Weltbewegendes – Holler war weder verheiratet noch sonst wie anderweitig fest liiert, sodass er diesbezüglich eigentlich tun und lassen konnte, was er wollte. Solange es keine geheimdienstliche Relevanz besaß! Der Häuserblock, in dem sich die Appartementwohnung der Frau namens Irina Nohydlouhý befand, die Herbst bestieg (wie Kisci sich unfein ausdrückte) lag beinahe direkt an der den hiesigen Ortsteil durchziehenden und auch am Wochenende gut befahrenen Verkehrsader Palackého třída - in unmittelbarer Nähe der technischen Universität. Hier hoffte Freysing die Antwort auf ein paar Fragen zu finden.

    Ernö hatte ihm nicht viel über die Frau erzählen können, lediglich deren Namen, dass sie sehr hübsch sei und mit Marius Holler wohl schon eine ganze Weile zusammen. Vor einem halben Jahr etwa habe er einmal nach einem Treffen mit Herbst ein Stück desselben Weges gehabt und sei ihm dabei eher zufällig gefolgt, bis ihm die gutaussehende, dunkelhaarige Frau mit den langen Beinen aufgefallen war, die zu diesem in der Altstadt in den Wagen einstieg. Daraufhin habe er die beiden in einem von ihm angehaltenen Taxi weiter verfolgt, nur so zum Spaß, wie er behauptete. Sie waren nach Kralovo Pole hinausgefahren und dort gemeinsam in einem Wohnblock verschwunden. Erst sehr viel später habe er einmal versucht, herauszufinden, wer sie sei, und schließlich tatsächlich ihren Namen herausbekommen können.

    Freysing erahnte, dass Ernö den beiden bestimmt nicht nur so zum Spaß gefolgt war, sondern um vielleicht ein wenig mehr über den Deutschen zu erfahren, der ihm seine Informationen abkaufte, und um im Falle eines Falles sich mit diesem Wissen freikaufen zu können. Falls man ihn einmal bei seiner Arbeit erwischte. Er beschloss, Ernö Kicsi in der Zentrale als Sicherheitsrisiko einstufen zu lassen, damit vielleicht nachfolgende Führungsagenten gewarnt seien. Hatte der Informant mit dem Verschwinden zu tun? Und war Holler zu vertrauensselig gewesen?

    Nachdem er den Taxifahrer entlohnt hatte, verharrte Freysing vor dem alten Gebäude in der baumbestandenen Einbahnstraße und betrachtete die vierstöckige alte Fassade, aus der zahllose Fenster mit Scheibengardinen auf die Straße hinunter zu starren schienen. Viele davon standen in Anbetracht der warmen Wetterlage gekippt, bei manchen drang Musik in einer Kakophonie unterschiedlicher Stilrichtungen heraus. Sax trat zum Hauseingang heran und besah sich die etwa dreißig fast ausnahmslos tschechischen für Fremde schier unaussprechlichen Namen der Bewohner an einer oftmals korrigierten Klingelschildgruppierung. Er erblickte den gesuchten nach einem kurzen überfliegen und drückte einmal kurz und einmal lang auf den Knopf. Es handelte sich nicht etwa um ein

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