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Hartkeks & Kaffee: Das Alltagsleben des Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg
Hartkeks & Kaffee: Das Alltagsleben des Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg
Hartkeks & Kaffee: Das Alltagsleben des Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg
eBook583 Seiten6 Stunden

Hartkeks & Kaffee: Das Alltagsleben des Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg

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Über dieses E-Book

"Die Männer sangen beinahe feierlich und aus voller Kehle und von den benachbarten Lagerfeuern stimmten andere Soldaten in die Refrains der Lieder ein. Doch irgendwann kam der Zeitpunkt, da die Natur ihr Recht forderte und allmählich zogen die Männer sich in ihre Behausungen zurück, um vor den morgendlichen Anstrengungen zumindest noch zwei oder drei Stunden Schlaf zu erhaschen. Ist es nicht ein Gnadenakt eines gütigen Schicksals, das Buch des Lebens vor uns geschlossen zu halten und uns lediglich Seite für Seite Einblick in unsere Gegenwart zu gewähren? Einige dieser Männer, deren Stimmen am Lagerfeuer so vergnügt erschallten, sollten noch vor dem Ende der Woche kalt und bleich in der endgültigen Stille des Todes daliegen."

In den Jahrzehnten nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) findet das Bemühen der Nation, die vergangene Tragödie zu begreifen, vermehrt Niederschlag in der Literatur. Die Historiker betreiben Ursachenforschung anhand der bedeutenden Persönlichkeiten und großen Geschehnisse, während die Veteranen sicherstellen wollen, dass ihre eigene, individuelle Rolle nicht in Vergessenheit gerät. Beide diese Vorgehensweisen sind wichtig und richtig, doch zwischen dem kleinsten und dem größten Maßstab der Geschichtsschreibung existiert eine Fülle von Fakten und Informationen, welche dem Historiker zu unbedeutend und dem alten Soldaten aufgrund großer Vertrautheit zu banal erscheinen, um in ihren Schriften nennenswerten Platz auf sie zu verwenden und welche somit Gefahr laufen, mit dem Tode des letzten Kriegsteilnehmers in Vergessenheit zu geraten.

John Davis Billings, selbst ein Veteran der Army of the Potomac, ist einer der ersten, die diese Gefahr erkennen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum23. Aug. 2017
ISBN9783742777386
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    Buchvorschau

    Hartkeks & Kaffee - John Davis Billings

    Vorwort des Übersetzers

    Widmung

    Grafik 0

    Seinen Kameraden der Army of the Potomac, die, so vermute ich, in diesen Seiten vieles vorfinden werden, was bis dato noch nicht zu Papier gebracht worden ist und was hoffentlich ihren Kindern als dauerhafte Quelle an wertvollen, niemals zuvor in dieser Fülle gesammelten Details über das Alltagsleben eines Soldaten dienen kann, widmet dieses Werk in liebevoller Zuneigung ihr Freund,

    Der Autor

    Ich überreiche dieses Buch den Veteranen, deren Kindern und der allgemeinen Bevölkerung als einen wichtigen Beitrag zu einer bodenständigen Sichtweise, welche eine notwendige Alternative zu jenem bombastischen Tonfalle darstellt, der bereits in die Geschichtsschreibung des Bürgerkrieges Einzug gehalten hat. Diese Geschichtsschreibung konzentriert sich bisher auf die Schlachten, die Feldzüge und die Generale. Meine Arbeit stellt den ersten Versuch dar, eine umfassende und detaillierte Schilderung des alltäglichen Soldatenlebens zu Papier zu bringen, wobei der Text und die ihn begleitenden Illustrationen bestrebt sind, eine Art von Informationen zu bewahren, die bisher noch über keinen vergangenen Krieg dergestalt akkurat und umfassend in einem Buche gesammelt wurden.

    John D. Billings

    In den Jahrzehnten nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) findet das Bemühen der Nation, die vergangene Tragödie zu begreifen, vermehrt Niederschlag in der Literatur. Die Historiker betreiben Ursachenforschung anhand der bedeutenden Persönlichkeiten und großen Geschehnisse, während die Veteranen sicherstellen wollen, dass ihre eigene, individuelle Rolle nicht in Vergessenheit gerät. Beide diese Vorgehensweisen sind wichtig und richtig, doch zwischen dem kleinsten und dem größten Maßstab der Geschichtsschreibung existiert eine Fülle von Fakten und Informationen, welche dem Historiker zu unbedeutend und dem alten Soldaten aufgrund großer Vertrautheit zu banal erscheinen, um in ihren Schriften nennenswerten Platz auf sie zu verwenden und welche somit Gefahr laufen, mit dem Tode des letzten Kriegsteilnehmers in Vergessenheit zu geraten.

    John Davis Billings, selbst ein Veteran der Army of the Potomac, ist einer der ersten, die diese Gefahr erkennen. Er beschließt, mit seiner Studie des Unionssoldaten dem durchschnittlichen Billy Yank, lebend wie tot, eine Stimme zu verleihen und ihm ein faktisches, ungeschöntes Gedenken zu bewahren, indem er strukturiert und ausführlich nahezu sämtliche Facetten des Soldatenlebens beleuchtet und den inneren wie äußeren Wandel der Männer im Felde vom romantisierten Kriegsbeginn bis zum letzten, hart ausgefochtenen Feldzug darlegt. Objektivität und Faktentreue sind ihm besondere Anliegen und so basiert der Inhalt des Buches neben Billings' eigener Erinnerung auf zahlreichen Gesprächen mit Veteranen verschiedener Waffengattungen und Kriegsschauplätze (vom einfachen Soldaten bis zum General) und dem umfassenden Studium der relevanten Primärquellen.

    Billings, Sohn eines Handwerkers aus Canton, Massachusetts, zeigt bereits früh ein Interesse an Politik und entwickelt sich zu einem Anhänger der Republikanischen Partei und deren Präsidentschaftskandidaten Abraham Lincoln. Bei Ausbruch des Krieges im April 1861 will sich der 18jährige John zum Heer melden, doch seine Eltern verweigern ihr Einverständnis. Erst im Folgejahr kann er seinem Vater die Erlaubnis abringen und schreibt sich als Artillerist bei der 10th Massachusetts Volunteer Artillery ein. In dieser Einheit dient er bis zum Ende des Krieges und kämpft im Mine Run-Feldzug, der Wilderness, Spotsylvania Court House, Cold Harbor, der Belagerung Petersburgs und im Appomattox-Feldzug.

    Hartkeks & Kaffee ist ein bedeutender Beitrag zur Geschichtsschreibung des Amerikanischen Bürgerkriegs und ein Standardwerk zum Verständnis des einfachen Soldaten.

    Florian Dexheimer

    Vorwort des Autors

    Während der Sommermonate des Jahres 1881 verbrachte ich einige Wochen als Gast in einem gutbesuchten Hotel in den White Mountains. Unter den zweihundert oder gar mehr Hotelgästen, welche die abgeschiedene Lage und das erbauliche Ambiente des Hauses genossen, befanden sich wohl um die zwölf bis zwanzig Knaben im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren. Nachdem der Nachmittagstee eingenommen war und die Dunkelheit dem lebhaften, ungestümen Treiben der Kinder im Freien ein Ende gesetzt hatte, nahmen diese stets einen Gentleman aus Chicago, ehemals ein tapferer Soldat in der Army of the Cumberland, in Beschlag und lauschten in einer stillen Ecke des geräumigen Gesellschaftszimmers oder einem ruhigen Fleckchen des Vorplatzes mit gebannter Aufmerksamkeit den Anekdoten aus dem Bürgerkriege.

    Es waren nicht einmal zwei Tage vergangen, bevor die Knaben dem Schreiber dieser Zeilen das Geständnis entlockt hatten, dass auch er damals in Onkel Sams Diensten gestanden hatte. Dieser Enthüllung folgten sogleich Bitten, mich allabendlich mit dem Veteranen vom westlichen Kriegsschauplatze abzuwechseln und mit meinen Kriegserlebnissen zur Unterhaltung beizutragen. Ich stimmte diesem Ansinnen bereitwillig zu und man kann sich schwerlich ein faszinierenderes und interessierteres kleines Publikum vorstellen als jenes Knäuel kleiner Knaben, welche sich jeden Abend um uns versammelten, um unseren spontan erinnerten Erlebnissen zu lauschen, die überwiegend aus alltäglichen Gewöhnlichkeiten bestanden und deswegen noch keinen Eingang in die allgemeine Geschichtsschreibung gefunden hatten.

    Die Schilderung dieser unbedeutenden Geschehnisse legte den Grundstein zur Niederschrift des vorliegenden Werkes und ist wohl auch größtenteils für dessen lehrbuchartigen Aufbau verantwortlich zu machen. Dieses Buch kann beileibe keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Etliche interessante Aspekte sind unbeachtet geblieben – bei der Lektüre werden einem jeden Veteranen sofort einige solche einfallen. Es schien jedoch angeraten, das vorliegende Werk nicht über seinen gegenwärtigen Umfang hinaus aufzublähen. Das auf seinen Seiten versammelte Wissen kann wohl als repräsentativ für das Leben des durchschnittlichen Soldaten gelten. In diesem Glauben überreiche ich dieses Buch den Veteranen, deren Kindern und der allgemeinen Bevölkerung als einen wichtigen Beitrag zu einer bodenständigen Sichtweise, welche eine notwendige Alternative zu jenem bombastischen Tonfalle darstellt, der bereits in die Geschichtsschreibung des Bürgerkrieges Einzug gehalten hat. Diese Geschichtsschreibung konzentriert sich bisher auf die Schlachten, die Feldzüge und die Generale. Meine Arbeit stellt den ersten Versuch dar, eine umfassende und detaillierte Schilderung des alltäglichen Soldatenlebens zu Papier zu bringen, wobei der Text und die ihn begleitenden Illustrationen bestrebt sind, eine Art von Informationen zu bewahren, die bisher noch über keinen vergangenen Krieg dergestalt akkurat und umfassend in einem Buche gesammelt wurden.

    Ich bin zahlreichen Veteranen für ihre freundlichen Vorschläge und Kritiken während der Entstehung dieses Buches zu Dank verpflichtet, ebenso dem Verlage Houghton & Mifflin für die Nutzungserlaubnis von Oliver Wendell Holmes' Gedicht Der verzärtelte Mann, ferner danke ich in besonderem Maße meinem Kameraden Charles W. Reed für seine vielen wahrheitsgetreuen und munteren Illustrationen. Die Unzahl an Skizzen, welche er im Jahre 1865 aus dem Felde zurückbrachte, ermöglichten ihm, ausgesprochen anschauliche Darstellungen etlicher Geschehnisse und Alltäglichkeiten anzufertigen, die einem jeden Veteranen des Unionsheeres vertraut erscheinen werden und ihm lebhafte Erinnerungen an sein Soldatenleben ins Gedächtnis rufen werden.

    In der festen Überzeugung, dass die vorliegenden Seiten sowohl den Veteranen als auch einer großen Zahl von Lesern, die den Bürgerkrieg nicht aus eigener Erfahrung kennen, eine gewinnbringende Lektüre sein werden, lege ich die Früchte vieler vergnüglicher und arbeitsreicher Stunden vor. Sie erheben keinen Anspruch auf literarische Exzellenz, doch ich kann guten Gewissens versichern, dass sie eine bisher in der Bürgerkriegsliteratur klaffende Lücke füllen.

    Cambridgeport, Massachusetts, 30. März 1887.

    Kapitel 01: Die Sturmglocke des Krieges

    "Millionen hören den Appell

    Erschallen nah und fern.

    Sieg oder Tod! Zur Waffe schnell!

    Für Freiheit und den Herrn."

    – E. P. Dyer, 'Die Nebel der Nation'

    "Und sie melden sich alle und marschieren davon!

    Gibt es nur noch Soldaten in dieser Nation?

    Sohn und Vater sind hier!

    Auch der Müller marschiert,

    Mit dem Mehlstaub noch klebrig und weiß in den Haaren;

    Wohin eilen sie alle mit entschloss'nem Gebaren?"

    – F. E. Brooks, 'Potomac'

    Am 6. November des Jahres 1860 konnte sich Abraham Lincoln, der Kandidat der Republikanischen Partei, gegen drei Konkurrenten durchsetzen und wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Im Herbst besagten Jahres erlebte die Nation den hitzigsten Wahlkampf ihrer Geschichte. Die Demokratische Partei, die in den Jahren zuvor kontinuierlich die Oberhand in der Politik gehabt hatte, zersplitterte und nominierte zwei konkurrierende Präsidentschaftskandidaten. Die Nord-Demokraten stellten Stephen A. Douglas aus Illinois auf, der ein Befürworter der Volkssouveränität war, also für das Recht der Bevölkerung eines Territoriums eintrat, bei ihrer Aufnahme in den Staatenbund selbst entscheiden zu können, ob sie die Sklaverei innerhalb ihres Staatsgebietes gestatten wollte oder nicht.

    Die Süd-Demokraten nominierten John C. Breckinridge aus Kentucky, zu jenem Zeitpunkt Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Er und seine Parteigenossen setzten sich für das Recht der Sklavenhalter ein, ihre Sklaven gänzlich ungehindert in jeden Staat und jedes Territorium der Union mitführen zu können. Dann gab es da noch eine weitere Partei, von manchen die Friedenspartei genannt [Anm. d. Übers.: Der offizielle Name lautete Konstitutionelle Unionspartei], welche auf die Verfassung als einzigen Leitfaden für die Lenkung der Geschicke des Landes verwies, zu der von den übrigen Parteien so lebhaft diskutierten Frage der Sklaverei aber keine konkrete Position anzubieten hatte. Sie hatte sich John Bell aus Tennessee zu ihrem Kandidaten auserkoren. Edward Everett aus Massachusetts trat für das Amt des Vizepräsidenten an. Die Anhänger dieser Partei bestanden aus unzufriedenen Mitgliedern der beiden anderen Parteien, die meisten von ihnen waren jedoch ehemalige Demokraten.

    Grafik 2

    Auf Stimmenfang für Bell und Everett

    Diese Zersplitterung der Opposition ermöglichte es der Republikanischen Partei, die erst wenige Jahre zuvor gegründet worden war, ihrem Kandidaten zum Siege zu verhelfen. Die Republikaner hatten nicht die Absicht, die Sklaverei in jenen Gebieten anzutasten, in welchen sie bereits existierte, wollten jedoch ihre Ausweitung auf neue Staaten und Territorien verhindern. Letztere Tatsache war den Sklavenhaltern wohlbekannt und so stimmten sie nahezu geschlossen für John C. Breckinridge. Sie waren sich jedoch durchaus bewusst, dass die Republikaner nach der Spaltung der Demokratischen Partei den Sieg davontragen würden und so wurden bereits lange vor der eigentlichen Wahl erste Drohungen laut, man werde aus der Union austreten, falls Lincoln zum Präsidenten gewählt werden würde. Man maß der Redefreiheit in diesen Staaten keine sonderlich große Bedeutung bei und legte Leuten aus den Nordstaaten, die sich geschäftlich oder zum Vergnügen im Süden aufhielten und von der dortigen Mehrheit abweichende Ansichten äußerten, unmissverständlich die sofortige Abreise nahe. Hunderte flüchteten in Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit zurück in den Norden, wobei sie gelegentlich sogar persönliche Besitztümer von beträchtlichem Werte zurückließen.

    Grafik 3

    Gentlemen aus dem Süden erörtern die politische Lage

    Selbst alteingesessene Südstaatler, die fest an den Fortbestand der Union glaubten (und es gab hunderte von ihnen), durften diese Überzeugung nicht öffentlich kundtun. Diese Leute mussten aufgrund ihrer Treue zum Sternenbanner im Laufe des Krieges etliche Anfeindungen erdulden. Viele von ihnen wurden unter Beleidigungen und Demütigungen dazu genötigt, für eine Sache zur Waffe zu greifen, an die sie nicht glaubten und einige desertierten bei der ersten Gelegenheit, während andere bis zum bitteren Ende im konföderierten Heere ausharrten oder sich der Wehrpflicht durch Flucht auf nordstaatliches Gebiet gleich gänzlich entzogen.

    Bereits am 25. Oktober trafen sich einige namhafte Südstaatenpolitiker in South Carolina und kamen einstimmig zu dem Entschlusse, dass der Staat aus der Union austreten solle, falls Lincoln die Wahl gewinnen würde (was bereits nahezu gewiss schien). Um die gleiche Zeit fanden auch in anderen Staaten derartige Treffen statt. Zu diesem frühen Zeitpunkt bereiteten die Rädelsführer der Verräter den Süden also schon auf die Sezession vor. Diese Männer wurden damals als Feuerfresser bezeichnet.

    Sobald Lincolns Wahlsieg verkündet war, machten sich die hitzköpfigen Anführer des Südens sogleich daran, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen, ohne auch nur abzuwarten, wie die Politik des neuen Präsidenten hinsichtlich der Sklavenfrage sich gestalten würde. Dem Austritte South Carolinas aus der Union folgten, in mehr oder minder kurzen Abständen, Georgia, Alabama, Mississippi, Louisiana, Florida und Texas und sie schlossen sich zu den sogenannten Konföderierten Staaten von Amerika zusammen. In den folgenden Monaten fielen auch Virginia, North Carolina, Arkansas und Tennessee von der Union ab. Die Bevölkerung des Nordens war vor Erstaunen schier gelähmt angesichts der rasenden Geschwindigkeit, mit welcher der Verrat wider die Regierung sich ausbreitete und die loyalen, unionstreuen Männer fragten sich, was der amtierende Präsident Buchanan zu tun gedenke, da es ja seine Pflicht sei, eine derartige Rebellion im Keime zu ersticken. In jenen Tagen wurde oft der Klageruf: Oh, säße doch Andrew Jackson nur für eine Stunde wieder im Weißen Haus! laut, denn jener war ein entschlossener und unnachgiebiger Präsident mit militärischer Erfahrung gewesen, der bereits während seiner Amtszeit eine drohende Rebellion in South Carolina zerschlagen hatte, als man sich dort weigern wollte, in Charleston die erhobenen Zölle einzutreiben. Jenes Ärgernis verhielt sich jedoch zu dem gegenwärtigen Aufstande wie ein Kleinkind zu einem Riesen und man darf bezweifeln, ob selbst Old Hickory (wie Jackson genannt wurde) mit seiner charakteristischen Tatkraft in Notfällen in der Lage gewesen wäre, die zornigen Wogen der Rebellion zu glätten, welche die gesamte Nation hinfortzuspülen drohten. Es kann jedoch als sicher gelten, dass er es zumindest versucht hätte, selbst wenn der Kampf seinen Untergang bedeutet hätte – so dachte zumindest die Bevölkerung.

    James Buchanan war das exakte Gegenteil eines solchen Präsidenten. Er schien nur noch das Ende seiner Amtszeit herbeizusehnen und unternahm keine nennenswerten Anstrengungen, das Land zu retten. Tatsächlich legte er derartigen Bestrebungen anderer Männer anfangs sogar Steine in den Weg. Sein Kriegsminister war einer der Verräter und versorgte den Süden direkt vor den Augen des alten Buchanan mit jeder Menge Waffen. Ferner waren unsere Kriegsschiffe (von denen wir zugegebenermaßen nur wenige besaßen) vom ebenfalls verräterischen Marineminister auf Posten in entfernten Gewässern entsandt worden, von wo aus sie nicht zügig zurückgerufen werden konnten. Währenddessen hatte der Verräter von Finanzminister die Staatskasse geleert. Dann begannen die Sezessionisten mit der Besetzung der innerhalb der abtrünnigen Staaten gelegenen Arsenale, Prägeanstalten, Zollhäuser, Postämter und Garnisonsgebäude ... noch immer unternahm der Präsident nichts. Ja schlimmer noch, er verkündete, dass die Taten des Südens Unrecht seien, er selbst als Präsident jedoch nicht das Recht habe, Verrat und Sezession zu verhindern, da er (so die damalige Wortwahl) nicht befugt sei, Zwang auf einen souveränen Einzelstaat auszuüben. Er schied schließlich als entehrter, alter Mann aus seinem Amte, für den kaum jemand noch ein freundliches Wort zu erübrigen hatte.

    Derart gestaltete sich, grob skizziert, die politische Lage des Landes, als Abraham Lincoln, der nach mehreren Morddrohungen bereits um sein Leben fürchten musste, im Schutze der Nacht in Washington eintraf und in aller Stille seine Amtsgeschäfte aufnahm. Niemals zuvor hatte sich die Bevölkerung dieses Landes in solcher Unruhe befunden. Auch im Norden vertraten viele die kühne Ansicht, dass die kriegstreiberischen Abolitionisten und die Neger-Republikaner den Konflikt herbeigeführt hätten. Ich selbst war zum Zeitpunkt jener Wahl noch nicht stimmberechtigt, doch nahm ich bereits an den Fackelzügen der Wide-awakes und Rail-splitters, wie die politischen Vereinigungen der Republikaner genannt wurden, teil. Hierbei empfing ich auch meinen Anteil an den Schmähungen, mit welchen die Anhänger des neuen Präsidenten überschüttet wurden.

    Grafik 4

    Einer von Lincolns Wide-awakes

    Sooft in den lokalen Tageszeitungen von neuen Akten der Gewalt und neuen Aggressionen wider die Zentralregierung berichtet wurde, verkündete in dem Geschäft, in welchem ich angestellt war, irgendjemand, der sich nicht zu den Lincoln-Anhängern zählte, mit zorniger Stimme: Ich hoffe, ihr Kerle seid jetzt endlich zufrieden! Ich mache dem Süden nicht den geringsten Vorwurf! Die Leute dort sind bis zum Äußersten getrieben worden und zwar von gefährlichen Irren wie Garrison und Phillips! Dafür sollte man diese Burschen aufhängen! [Anm. d. Übers.: William Lloyd Garrison war ein führender Abolitionist und Herausgeber der abolitionistischen Zeitschrift The Liberator; Wendell Phillips, aufgrund seiner Eloquenz auch als die Goldene Trompete des Abolitionismus bekannt, war ein Mitbegründer der Amerikanischen Anti-Sklaverei-Gesellschaft.] Weitere beliebte Tiraden waren: Falls es zum Krieg kommen sollte, hoffe ich, dass ihr und eure Freunde bei den Neger-Republikanern allesamt an die Front geschickt werdet! Dort könnt ihr dann nach Herzenslust für die Nigger kämpfen! ... Du liebst die Nigger so sehr, eines Tages wirst du mal einen von ihnen heiraten! und: Ich hoffe, dass all die hitzköpfigen Abolitionisten in die erste Reihe gestellt und als Erste niedergeschossen werden! Dies sind noch harmlose Auszüge aus den tagtäglichen Konversationen, die nicht nur an meinem Arbeitsplatze, sondern in jedem Geschäft und jeder Fabrik im Norden geführt wurden. Diese wortreichen Streitgespräche waren jedoch keineswegs einseitige Angelegenheiten, denn die derart Gescholtenen waren zwar nicht kriegslüstern, scheuten den Krieg aber auch nicht und verfügten über ihr eigenes Repertoire an Schmähungen, mit denen sie ihre Widersacher überzogen. Wenn die Streitenden ihre Gegner auch nicht immer zum Schweigen bringen konnten, so verleiteten sie sie doch zu immer weiteren, den oben genannten ähnlichen, lächerlichen Ausbrüchen.

    Würde man mich nach der Identität dieser Männer fragen, so würde ich mich weigern, ihre Namen preiszugeben. Sie waren meine Nachbarn und meine Freunde und heute sind sie gewandelte Männer. Es gibt unter ihnen keinen einzigen, der in Anbetracht der folgenden Katastrophe nicht zutiefst über sein damaliges Verhalten beschämt ist. Etliche von ihnen haben im Felde gedient und es schmerzt mich zu sagen, dass einige nicht wieder heimgekehrt sind. Es war dies eine Zeit der unüberlegten und feindseligen Worte. In den folgenden Monaten erhielten die Südstaatensympathisanten den Spitznamen Copperheads, also Kupferköpfe. Ihre Verachtung für Lincoln und seine Partei kannte keine Grenzen und nur ihr persönliches Schamgefühl und ihre Selbstachtung hielten sie von den ärgsten Untaten ab; doch manche besaßen nicht einmal dieses Mindestmaß an Charakter. Keine Schmähung war zu würdelos, um sie den Republikanern entgegenzuspeien. Kein Missgeschick war zu grausam, um es dem politischen Gegner zu wünschen.

    Natürlich war es den Hitzköpfen nicht vollkommen ernst mit ihren Verwünschungen, aber ihre Ausbrüche wirkten wie ein Gift auf das Bewusstsein der Allgemeinheit. Die Situation des neuen Präsidenten, die ohnehin bestenfalls als verwirrend und prekär zu bezeichnen war, wurde dadurch nur noch weiter erschwert, da der Eindruck entstand, dass ein beträchtlicher Teil der nordstaatlichen Bevölkerung Lincolns Politik ablehnen würde, anstatt sie zu unterstützen. Zudem gelangten die Sklavenhalter zu der Überzeugung, ein Großteil der Männer des Nordens würde mit ihren verräterischen Absichten sympathisieren. Die rasche Abfolge der folgenden Ereignisse führte jedoch einen Wandel in der Denkweise beider Lager herbei.

    Die führenden Abolitionisten hatten bis dato behauptet, der Süden sei zu feige, aktiv für den Erhalt der Sklaverei zu kämpfen, während der Bevölkerung der Südstaaten von den Feuerfressern und deren Freunden im Norden weisgemacht wurde, die Nordstaaten würden niemals für ihre Überzeugungen eintreten und hätten im Kriegsfalle bereits alle Hände voll zu tun, die Zwietracht in ihren eigenen Reihen im Zaume zu halten. Ach, wie wenig verstanden beide Seiten die Entschlossenheit ihrer Gegner! Das Ganze erinnerte an die Geschichte der zwei Iren: Die beiden trafen sich eines Tages im Lager und der eine fragte: Wie geht's dir, Mike?, worauf der andere entgegnete: Wie geht's dir, Pat? Der erste stutzte: Aber ich heiße doch gar nicht Pat! und erhielt die Antwort: Und ich heiße nicht Mike! Da geriet der erste ins Grübeln und verkündete: Ei verdammich, dann ist wohl keiner von uns beiden, wer er ist!

    Grafik 5

    Keiner von uns beiden

    Diese Anekdote dient als treffliche Veranschaulichung jener Haltung, mit welcher der Norden und der Süden einander begegneten. Man könnte sich schwerlich etwas Vollkommeneres vorstellen als die Verständnislosigkeit beider Seiten für die Entschlossenheit des jeweils anderen ... dies sollte der Lauf der Dinge bald zeigen.

    Die Geschichte von Major Anderson und dem sicherheitsbedingten Rückzuge seines kleinen Häufleins US-Truppen von Fort Moultrie nach Fort Sumter im Hafen von Charleston dürfte wohl jedem interessierten Leser bekannt sein. Ebenso die Tatsache, dass die Rebellen ein Schiff unter Beschuss nahmen, welches der Präsident entsandt hatte, um das Fort mit Nachschubgütern zu versorgen und dass die US-Garnison nach einem mehrtägigen, schweren Bombardement schließlich zur Kapitulation gezwungen war. Diese Ereignisse öffneten endlich die Augen der nordstaatlichen Teiggesichter (wie die Yankees mit Südstaatensympathien spöttisch genannt wurden) für die wahren Absichten der Sezessionisten. Ihre politische Weltanschauung durchlief einen tiefgreifenden Wandel. Sie erkannten, dass Patriotismus und die Liebe zur Union noch immer den höchsten Stellenwert für sie besaßen. Sie hatten die Vorschläge vernommen, das alte Sternenbanner aufzuteilen und jeder Partei einen Teil davon zu überlassen. Sie sahen das Bild der zerrissenen Fahne vor sich und der Gedanke wurde ihnen unerträglich. Der Großteil von ihnen stellte also den Spott und die Verwünschungen ein und schloss sich den Forderungen der Allgemeinheit an, dass unverzüglich etwas getan werden müsse, um die Autorität und Befehlsgewalt der Zentralregierung durchzusetzen. Selbst Präsident Lincoln, der in seiner Amtsantrittsrede seine Landsleute dazu aufgerufen hatte, sich Zeit zu nehmen, um die Lage ruhigen Blutes und sorgfältig zu durchdenken, war zu der Ansicht gelangt, dass weitere Langmut nicht mehr fruchtete und dass die Achtung vor dieser großen Nation sowie sein Präsidentenamt von ihm forderten, nun rasch entschlossene Taten folgen zu lassen. Folglich rief er am 15. April 75.000 Soldaten der Miliz für die Dauer von drei Monaten zu den Waffen, um die Rebellion zu unterdrücken und das geltende Recht durchzusetzen.

    Da ich selbst als Soldat in einem Massachusetts-Regiment diente, ist es wohl verständlich, dass ich gelegentlich speziellen Bezug auf die Rolle jenes Staates in der Anfangsphase dieser monumentalen Krise des Landes nehmen werde, da mir jener Aspekt enger vertraut ist als die Abläufe in den anderen Staaten. Und doch ist es nicht mein Bestreben (so stolz ich auch auf das hervorragende Betragen meines Staates in den frühen Kriegsmonaten sein mag), Massachusetts über Gebühr und auf Kosten der Staaten Pennsylvania, New York und Rhode Island zu lobpreisen, da jene ebenfalls bereitwillig und prompt Hilfe im Notfalle des Landes leisteten. Auch sollen die ehrenvollen westlichen Staaten nicht unerwähnt bleiben, deren standhafte Patrioten so entschlossen in dichten Formationen die Mason-Dixon-Linie überschritten, als Vater Abraham sie um Hilfe anrief.

    Es sorgt oft für Verwunderung, warum gerade Massachusetts, das ja weiter von der Hauptstadt der Nation entfernt liegt als die anderen genannten Staaten, so prompt zu deren Rettung eilte. Ich möchte mich an dieser Stelle an einer Erklärung versuchen. Im Dezember des Jahres 1860 schlug der Generaladjutant des Staates, William Schouler, dem Gouverneur (und späteren General) N. P. Banks vor, angesichts der gegenwärtigen Entwicklung der Dinge weitere Milizeinheiten aufzustellen, die Kommandeure der einzelnen Kompanien zu veranlassen, eine vollständige Stammrolle mit Namen und Wohnort der Angehörigen im Hauptquartier einzureichen und zahlenmäßig schwache Kompanien bis zur gesetzlich zulässigen Maximalstärke (damals 101 Mann pro Infanterieeinheit) mit frischen Rekruten aufzufüllen. Kurze Zeit später trat John A. Andrew, der als der große Kriegsgouverneur von Massachusetts in die Geschichtsbücher eingegangen ist, sein Amt an. Er war nicht nur bereits vor dem Kriege ein führender Republikaner gewesen, sondern auch ein überzeugter Abolitionist. Er scheint klar vorausgesehen zu haben, dass die Zeit der Drohungen und Streitgespräche vorüber war und dass die Zeit der Taten bevorstand. Am 16. Januar erließ er also eine Order (Nr. 4), mittels welcher festgestellt werden sollte, wie viele der in der Miliz dienenden Offiziere und Männer bereit wären, einem eventuellen Rufe zu den Waffen durch den Präsidenten unverzüglich Folge zu leisten. Ein jeder, der nicht zu sofortigem Handeln bereit war, wurde aus den Diensten der Miliz entlassen und sein Platz von einem tatkräftigeren Gesellen eingenommen. So geschah es, dass Massachusetts zum zweiten Male in seiner Geschichte seine Minutemen auf den prompten Einsatz im Bedarfsfalle vorbereitete. [Anm. d. Übers.: Minutemen wurden jene Milizeinheiten des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges genannt, die sich durch ihre rasche Einsatzbereitschaft (binnen einer Minute) auszeichneten.]

    Grafik 6

    Ein Minuteman des Jahres 1861

    Obgleich diese Order des Gouverneurs sich als ausgesprochen sinnvoll erweisen sollte, trug sie doch einigen Unmut in die Reihen der Milizionäre, denn es gab in Massachusetts, wie auch in den anderen Staaten, sehr viele Männer, die in Friedenszeiten gute und disziplinierte Soldaten abgegeben hatten, nun jedoch, da die Miliz ihren eigentlichen Zweck erfüllen musste, kein weiteres Bedürfnis nach militärischem Ruhme verspürten. Ihr Stolz stand ihrer Aufrichtigkeit allerdings im Wege. In dieser Stunde der Gefahr schämten sie sich, der Miliz den Rücken zu kehren, da sie um ihren Ruf fürchteten. Doch es gab auch Männer, die gute und berechtigte Gründe hatten, sich nicht unvermittelt in militärische Dienste zu stellen, solange der Bedarf an Soldaten noch anderweitig zu decken war. Sie waren loyale und ehrbare Bürger, die nicht einfach binnen kürzester Zeit von ihren geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen ablassen konnten. In rationaleren und besonneneren Zeiten hätte man dies auch nicht von ihnen erwartet, aber die Gemüter der Öffentlichkeit waren erhitzt und die Vernunft musste sich mit ihrem Platze in der zweiten Reihe begnügen.

    Die Order Nr. 4 war, so glaube ich zumindest, der erste wichtige Schritt, den der Staat in Richtung einer organisierten Vorbereitung auf den drohenden Konflikt unternahm. Der nächste Schritt war die Verabschiedung eines Gesetzes durch die Legislative, welches der Gouverneur am 3. April bestätigte und welches die Anschaffung von Mänteln, Decken, Tornistern, 200.000 Schuss Munition und weiterer Ausrüstung für 2.000 Soldaten im Werte von 25.000 Dollars vorsah. Diese Ausrüstungsgüter waren rasch beschafft. Die Soldaten der Miliz stellten damals ihre eigenen Uniformen und da keine exakten Vorschriften über deren Aussehen existierten, trugen keine zwei Kompanien desselben Regiments die gleiche Uniform. Erst seit wenigen Jahren ist die Uniform der Miliz von Massachusetts gesetzlich vereinheitlicht.

    Doch wenden wir uns nun wieder jenem denkwürdigen 15. April zu. Die vieldiskutierte, gefürchtete Katastrophe des Krieges war schließlich doch über uns gekommen. Konnte es denn wirklich wahr sein? Wir wollten es nicht glauben und doch nötigten uns die tagtäglichen Geschehnisse zur widerwilligen Akzeptanz der Tatsache. Es erschien uns unbegreiflich. Niemand von uns hatte jemals etwas auch nur annähernd Vergleichbares erlebt. Zwar vermochten einige von uns sich noch vage an die Ereignisse des Mexikokrieges während unserer frühen Kindheit zu erinnern, aber da Massachusetts lediglich ein einziges Regiment in diesen Krieg entsandt hatte, welches zudem nicht an den Kampfhandlungen teilgenommen hatte und bei der Bevölkerung des Staates nicht gerade auf allgemeine Bewunderung und Unterstützung gestoßen war, kannten wir Scott, Taylor und Santa Aña nur von den kolorierten Drucken, die man von diesen ehrwürdigen Herren angefertigt hatte. Wenn wir uns also ein halbwegs lebendiges Bild von den bevorstehenden Geschehnissen machen wollten, so mussten wir im Geiste noch weiter zurückgehen, zu den Geschichten und Legenden der Revolution und des Krieges von 1812, in welchen unsere Vorfahren gedient hatten. Diese Beispiele hielten einem Vergleich mit dem kommenden Konflikt natürlich in keiner Weise stand.

    Wie bereits erwähnt, pflanzte die Order Nr. 4 den Unmut in so manches Herz und veranlasste die zaghafteren Männer, sich unverzüglich aus der Miliz zu verabschieden. Etliche weitere hätten der Miliz ebenfalls sofort den Rücken gekehrt, hätten ihr Stolz und die vage Hoffnung, der Krieg möge wohl doch nicht kommen, sie nicht bei der Fahne verharren lassen. An jenem Tage, dem 15. April, erließ Gouverneur Andrew seinen Sonderbefehl Nr. 14, in dem er anordnete, das 3rd, 4th, 6th und 8th Regiment sollten sich unverzüglich auf dem Boston Common, dem Parkgelände der Stadt, versammeln. Es war dies der letzte Test der Courage und Kampfeslust der Milizionäre und für viele erwies er sich als zu streng, denn diese letzte Generalprobe vor dem Ernstfalle führte noch einmal zu etlichen Austritten aus der Miliz. Sobald jedoch der Unwille eines Mannes für weiteren Militärdienst offenbar wurde, hatte er besser eine ausgesprochen gute Begründung parat, oder er wurde für seine Feigheit verspottet und die Verachtung seiner Nachbarn machte ihm das Leben zuhause sauer. Hatte der Drückeberger einen Offiziersposten bekleidet, so musste er damit rechnen, dass sein Gesicht in einer der illustrierten Tageszeitungen auftauchte und mit der Unterschrift versehen war, er habe die weiße Feder gezeigt, was ein populärer Ausdruck für einen Feigling war. Man kann eine beliebige Ausgabe einer beliebigen Zeitung aus jener Zeit zur Hand nehmen und wird zweifellos ein entsprechendes Beispiel finden. Diese unnötigen Bloßstellungen durch die unionstreue und ereiferte Presse fügten einigen Männern grobes Unrecht zu, denn wie bereits angedeutet, gehörten viele der derart Geächteten durchaus zu den ehrbarsten und loyalsten Bürgern des Staates. Zu einem späteren Zeitpunkt verfasste Oliver Wendell Holmes, Sr. das folgende Gedicht, in dem er seiner Meinung bezüglich einer bestimmten Klasse der Gesellschaft Ausdruck verlieh:

    "Der verzärtelte Mann

    (Den daheimgebliebenen Helden gewidmet)

    Uns're Soldaten, im Felde sie fechten,

    Ein jeder von ihnen so gut er es kann.

    Sie ringen mit den Rebellen, den schlechten,

    Doch was tust du, oh verzärtelter Mann?

    Die Tapf'ren, sie leben in Zelten aus Leinen,

    Ein jeder mit gutem Beispiel voran,

    Derweil ihre Liebchen zuhaus um sie weinen,

    Was hält dich noch hier, oh verzärtelter Mann?

    Du trägst deines prächtigen Schnurrbartes Zierde

    Gleich einem stolzen Armeeveteran,

    Doch ist um deine Hüfte kein Säbel gegürtet;

    Wo ist deine Uniform, verzärtelter Mann?

    Gebt Kleider ihm, Hosen sind für ihn zu schade!

    Schützt sein blasses Gesicht vor der Sonne sodann.

    Mustert ihn ein in die Weiberrock-Garde!

    Das rechte Regiment für den verzärtelten Mann!

    Ein Trupp junger Mädchen sei seine Eskorte!

    Bewaffnet mit je einem Stock aus Rattan;

    Zu schützen vor jedem verächtlichen Worte

    Der spottenden Knaben den verzärtelten Mann.

    Sammelt euch um ihn herum, all ihr Schönen,

    Pflückt aus euren Hauben die Federn, wohlan!

    Flechtet zum Kranz sie, um damit zu krönen

    Zum Fürsten der Feigheit den verzärtelten Mann.

    Oh, sie sind wahre Helden, uns're Weiberrock-Garde!

    Sie drillten bereits, als der Krieg erst begann.

    'Präsentiert den Spazierstock! Rechtsum zur Promenade!'

    Derart spielt er Krieg, der verzärtelte Mann!

    Gilt das Land es zu retten? Vorneweg ist es wichtig

    Sich selbst nur zu schützen, so lautet sein Plan.

    Wo geschossen wird, stirbt man, ja das ist schon richtig,

    Drum bleibt er zuhause, der verzärtelte Mann.

    'Mein Leben soll jenen wohl ich anvertrauen,

    Die einst so schmählich gefloh'n am Bull Run;

    Auf die schützende Heimat will lieber ich bauen!'

    So spricht und so tut er's, der verzärtelte Mann.

    Er sieht sich vom Schlage der Malakoff-Stürmer,

    Männer wie er fochten auf dem Redan.

    Blutdürstige Quäker und sonstige Würmer,

    Fürchtet den Zorn vom verzärtelten Mann!

    Ihr Zofen und Ammen, steht ihm nicht im Wege!

    Sauve qui peut! Rette sich, wer noch kann!

    Kühn wie ein Tiger im Streichelgehege

    Stolziert er einher, der verzärtelte Mann.

    Der Flegel des Krieges, er wütet im Felde,

    Drischt das Menschengetreide mit blut'gem Elan;

    Die Spreu der Rebellen wird verweht sein in Bälde,

    Doch was wird dann aus ihm, dem verzärtelten Mann?

    Was wird er empfinden, wenn die Kämpfer heimkehren

    Und mit wissenden Blicken starren sie ihn an?

    Und was sagt er ob seines Liebchens Begehren

    Ihn nie wieder zu sehen, den verzärtelten Mann?

    Um ihn sei euch nicht bange, er riskiert nicht sein Leben;

    Zu kurz ist bereits dessen kostbare Spann'!

    Würden Frauen zum Schutze den Besenstiel heben,

    Er ließe sie für sich kämpfen, der verzärtelte Mann.

    Ein Hoch dem Beschützer von Witwen und Waisen!

    Stoßt in die Tröte! Trommelt auf der Pfann'!

    Du versteckst dich zuhause bei den Kindern und Greisen,

    Dir gebührt die weiße Feder, verzärtelter Mann!"

    Grafik 7

    Die verzärtelten Männer des Jahres 1861

    Der 16. April war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte des alten Neuenglandstaates. Das Wetter stand dem trostlosen Anlasse mit unablässigem Regen und Graupel in nichts nach. Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag. Beseelt von dem typischen Eifer und Enthusiasmus der Jugend, hatte ich meinen Vater um seine Zustimmung gebeten, mich zur Kompanie A des 4th Regiment melden zu dürfen, welche in meinem Heimatorte aufgestellt wurde. Der alte Herr wollte jedoch von meinem Unsinn nichts hören und da ich erzogen worden war, seinen Anordnungen Folge zu leisten, schloss ich mich der ersten Freiwilligenwelle noch nicht an, obgleich ich bereits das wehrfähige Alter von 18 Jahren erreicht hatte. Die Kompanie zog nicht mit voller Stärke ins Feld, tatsächlich konnten die meisten Einheiten ihre Ränge nicht vollständig füllen. Mehrere meiner Mitarbeiter waren der Kompanie beigetreten. Jene von uns, die ihrem Abmarsch an diesem stürmischen Vormittage von den Fenstern aus zusahen, erfüllte der Anblick mit allerlei düsteren Vorahnungen.

    Die Truppen brachen also aus den kleinen Städtchen der küstennahen Counties von Massachusetts auf. Die meisten Kompanien der einberufenen Regimenter meldeten ihre Einsatzbereitschaft an jenem 16. April in Boston; zwei Kompanien aus Marblehead waren die ersten, die dort eintrafen. Eine dieser Kompanien wurde von Captain Knott V. Martin angeführt, welcher gerade damit beschäftigt gewesen war, ein Schwein zu schlachten, als der Adjutant (und spätere Major-General) E. W. Hincks geritten kam und ihn anwies, so bald als möglich auf dem Boston Common vorstellig zu werden. Der Captain zog sein Messer aus der Kehle des Schweins, stieß seinen Ruf aus, welcher in die Geschichtsbücher einging, warf das Messer zu Boden und eilte unverzüglich davon, um seinen Ordonnanz-Sergeant zu benachrichtigen, bevor er sich endlich wieder seiner Schlachtung zuwandte. Am folgenden Morgen waren er und seine Kompanie abmarschbereit. [Anm. d. Übers.: Laut der Legende rief Martin nach kurzem Zögern aus: Ach, zum Teufel mit dem Schwein! und stürzte sich mit ungeteiltem Eifer in seine militärischen Pflichten.]

    Grafik 8

    Adjutant Hincks benachrichtigt Captain Knott V. Martin

    Die zurückbleibenden Angehörigen konnten dem Abmarsche ihrer Lieben, die einem ungewissen Schicksale entgegenzogen und womöglich nicht mehr zurückkehren würden, nicht ruhig zusehen. So spielten sich an den verschiedenen Bahnsteigen zahlreiche anrührende Szenen ab, als die Männer die Züge nach Boston bestiegen. Als die Kompanien aus Marblehead die Stadt erreichten, brandete ihnen ein beispielloser Jubel entgegen und bei jeder neuen Abteilung von Soldaten, die auf den Straßen erschien, erschallten von den Gehsteigen entlang der gesamten Marschkolonne donnernde Hochrufe. In den ersten Monaten des Krieges ging es in Boston hoch her, denn nicht nur marschierte die Mehrzahl der Regimenter aus Massachusetts auf dem Wege an die Front durch die Straßen der Stadt, sondern auch jene aus Maine und New Hampshire. Ein auf dem Parkgelände rastendes Regiment oder eine zu den schmetternden Klängen einer Militärkapelle zu einem Bahnhofe marschierende Einheit war dort in jenen Tagen ein alltäglicher Anblick.

    Grafik 9

    Captain Knott V. Martins Kompanie auf ihrem Weg zur Faneuil Hall in Boston

    Ich

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