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10357 gelebte Tage! 26552 ungelebte Tage! 2. Auflage: Das kurze Leben des Obersteuermanns Willy Meyer
10357 gelebte Tage! 26552 ungelebte Tage! 2. Auflage: Das kurze Leben des Obersteuermanns Willy Meyer
10357 gelebte Tage! 26552 ungelebte Tage! 2. Auflage: Das kurze Leben des Obersteuermanns Willy Meyer
eBook818 Seiten3 Stunden

10357 gelebte Tage! 26552 ungelebte Tage! 2. Auflage: Das kurze Leben des Obersteuermanns Willy Meyer

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Über dieses E-Book

Nach Erscheinen des vierten Bandes fand die Rubrik "Marineoberstabsarzt Dr. Hans-Eberhard Ebberfeld" ein überraschend großes mediales Echo. Nach interessanten Gesprächen mit Ärzten und anderen Fachleuten u.a. mit der Marinesanität der Bundesmarine hat sich der Autor entschlossen, dem Thema "Medizinische Versorgung und Hygiene auf U-Booten im Zweiten Weltkrieg" in dieser Dokumentation einen größeren Rahmen zu geben.
Ergebnis der Recherchen ist eine Dokumentation der sanitären Gegebenheiten und der Hygiene an Bord von deutschen U-Booten aus Sicht des Autors. Auch die medizinische Versorgung im Mikrokosmos "U-Boot" durch Bordärzte oder den als Sanitätern ausgebildeten Besatzungsmitgliedern wird eingehend betrachtet. Das Thema Motivation, physische und psychische Belastung gehört ebenfalls zu diesem Themenkreis und wird durch die Berichte von Kriegsberichter Dr. Wolfgang Frank über die 9. Feindfahrt von U-47 in seinem Buch "Prien greift an!" und von Prof. Dr.-Ing. Herbert Schneekluth am Beispiel "Feindfahrt als Fähnrich z. See auf U-509" beschrieben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Nov. 2020
ISBN9783347183384
10357 gelebte Tage! 26552 ungelebte Tage! 2. Auflage: Das kurze Leben des Obersteuermanns Willy Meyer

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    Buchvorschau

    10357 gelebte Tage! 26552 ungelebte Tage! 2. Auflage - Wolfgang Meyer

    DIE JUGENDZEIT

    IN KIRCHWEYHE BEI BREMEN AUF DEM MOORDAMM

    Lass dir von der

    Vergangenheit nicht das Leben diktieren,

    aber lass sie dir für die Zukunft

    ein guter Ratgeber sein.

    Chinesische Weisheit

    DIE GEMEINDE KIRCHWEYHE.

    Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren, 1654, Edition Topographia Saxoniae Inferioris.²

    Kaiser Karl der Große hatte im Jahre 787 den aus England stammenden Mönch Willehad zum Bischof mit Sitz in Bremen ernannt. Nach seinem bereits zwei Jahre später erfolgten Tod war er heiliggesprochen worden. Am Orte seines Begräbnisses im Dom zu Bremen, wurde in der Folgezeit besondere Zeichen vernommen, die, wie sein Leben, in einer Handschrift aufgezeichnet worden sind.

    Der Ortsname Weyhe tauchte schon um 860 auf. Grund war ein Bericht über die Wunderheilungen am Grabe Willehads. Erzählt wird im 17. Kapitel der Handschrift von einem Mädchen aus „Wege („Wege villa publica) (Kirch- oder Sudweyhe), das seit langem keine Kraft mehr in ihrem Körper hatte.

    „Porro de Wege villa publica, quaedam puella multo tempore omnibus infirmata membris, nihil omnio virium in proprio retinebat corpore. Ad confessionem itaque deducta Sancti, divinae largitatis munificentia et virium possibilitatem et totius corporis recepit sanitatem."

    „Ferner war im Dorfe Weyhe ein Mädchen, welches lange Zeit an allen Gliedern geschwächt, in seinem ganzen Körper keine Kraft mehr hatte. Dieses wurde dann an das Grab des Heiligen gebracht und erhielt durch Gottes reiche Güte den Gebrauch seiner Kräfte und die Gesundheit seines Körpers zurück. "

    Etwa 400 Jahre später ist in der sogenannten Weserbrückenliste von „zwei Dörfern" die Rede. Man kann ziemlich genau sagen, dass es sich um Kirchweyhe und Sudweyhe handelt.

    Kirchweyhe und Sudweyhe sind bald darauf in anderen historischen Quellen als „Kerckwege (1277) und „Suthweige (um 1300) zu finden.

    In der Westhälfte der heutigen Gemeinde Weyhe erstreckten sich die Ortsteile Angelse, Erichshof, Hagen, Hörden und Melchiorshausen, die der damaligen Gemeinde Leeste angehörten. Früheste schriftliche Hinweise stammen aus der Zeit um 1185. Erwähnt wird dabei unter anderem der Verwalter des erzbischöflich-bremischen Meierhofes in „Leste" (Leeste).

    Um 1800 fand ein reger Warenaustausch zwischen Bremen und Weyhe statt. Nicht nur landwirtschaftliche Produkte, sondern auch gewerbliche Erzeugnisse wurden in der Weserstadt getauscht oder zum Verkauf angeboten. 1873 eröffnete die Reichsbahn die über Kirchweyhe führende Eisenbahnstrecke Bremen–Osnabrück. In der Folge entstand in Kirchweyhe ein sechs Kilometer langer, südwärts bis zum benachbarten Weiler Barrien reichender Rangierbahnhof mit vielen Gleisen.

    Eisenbahner zogen mit ihren Familien nach Kirchweyhe und sorgten für einen rapiden Bevölkerungsanstieg in der Wesergemeinde. Wenn sich die Eisenbahner im Ort begegneten, riefen sie sich gegenseitig den Eisenbahnergruß „Fahrwohl" zu.

    Der 2. August 1914 war für das deutsche Heer der 1. Mobilmachungstag zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Der Aufmarsch der deutschen Streitkräfte konnte durch eine mustergültige Planung und Organisation in allen Einzelheiten reibungslos durchgeführt werden.

    Auch die großen Gleisanlagen des Bahnhofes Kirchweyhe spielten hier eine beachtenswerte Rolle. Bis zum 9. August fuhr auf dem Bahnhof Kirchweyhe fast alle halbe Stunde ein Militärzug ein und später in Richtung Osnabrück wieder aus.

    Früh am 1. Mobilmachungstag wurden auf dem Bahnhof (Westseite) sieben große Baracken (mit Kücheneinrichtungen und Speiseräumen etc.) für die Verpflegung der Truppen errichtet. Damit erhielt der Ort die Aufgabe einer bedeutenden Kriegsverpflegungsanstalt für die gesamte Dauer des Krieges zugewiesen. Alle Truppentransporte erreichten ohne Verzögerung den befohlenen Einsatzort.

    Noch um 1925 ernährte die Eisenbahn rund zwei Drittel aller Einwohner in Kirchweyhe, außerdem viele Familien aus den damaligen Nachbargemeinden. Der Rangierbahnhof ist nach seiner Stilllegung 1968 verkleinert worden, ein Teil der alten Gleisanlage und Reste des Nordschuppens werden auch heute noch von einem Eisenbahnwaggon-Reinigungsunternehmen genutzt.³

    Der Kegelverein „FAHRWOHL" der Eisenbahner in Kirchweyhe im Jahre 1909.⁴

    Dieses Bild zeigt gleich zwei deutsche Redewendungen: 1. Mit Schlips und Kragen; meint komplett angezogen und 2. Er „hat eine weiße Weste"; meint ohne Fehl und Tadel. Die Kegler haben sich für das historische Foto vor dem Gasthaus von Heinrich Koch aufgestellt.

    Mittlere Reihe 2. von rechts Wilhelm Meyer, Willy’s Vater. In der Mitte hinter dem Tisch, der Herr mit den Orden am Revers ist der Pastor der evangelischen Kirche in Kirchweyhe, Superintendent Wilhelm Goßmann.

    In der Gründerzeit (1896) durften nur aktive Eisenbahner Vereinsmitglied werden.

    Die evangelische Felicianus-Kirche in Kirchweyhe im Jahre 1936 mit den zum Hademstorff’schen Gut gehörenden, am 09. April 1945 abgebrannten Fachwerkhäusern.⁵

    Meine Großmutter Lena Austermann ging gerne sonntags in die Kirchweyher Kirche. Aber keines ihrer fünf Kinder wollte sie begleiten. Eines Sonntags lockte sie ihren Sohn Karl mit dem Versprechen, ihm nach dem Kirchgang einen „richtigen" Affen zu zeigen!

    Nun wohnte in einem der auf der oben abgebildeten Postkarte gezeigten Strohdachhäuser der langjährige Kassenwart des Reichsbahn-Turn- und Sportverein RbTSV Kirchweyhe, Emil Tronnier. Er besaß tatsächlich einen kleinen Affen, der mit einer langen dünnen Kette gefangen auf einem Zaunpfahl saß. Karl stimmte begeistert zu.

    Sie kamen zum Gotteshaus, nahmen auf einer der harten Holzbänke in der Kirche Platz und warteten auf die Dinge, die da kommen sollten.

    Dann kam würdevoll der Pastor Hermann Rudloff in den Altarraum, bestieg die Kanzel und wollte gerade mit seiner Predigt beginnen. Karl bekam große Augen und fragte lauthals: „Mutter, ist das der Affe?"

    Lena schnappte mit hochrotem Kopf ihren kleinen Sohn und verließ schnellen Schrittes das Gotteshaus. Seitdem hat sie ihre Kinder nicht mehr um Begleitung gebeten. Oma Lena hat übrigens ihr Versprechen gehalten und ihrem Karl den kleinen Affen später doch noch gezeigt.

    Die unbefestigte Bahnhofstraße in Kirchweyhe in Richtung Bahnhof im Jahre 1929.⁶

    Rechts das Haus des Schlachters Steinbeck. Davor zweigt heute nach rechts die Straße „Auf dem Geestfeld" ab. Deutlich sichtbar sind die Spuren der Pferdefuhrwerke, die damals das Ortsbild Kirchweyhes bestimmten.

    Die Bahnhofstraße in Kirchweyhe in Richtung Bahnhof im Jahre 1929.⁷

    Rechts das Haus von Dr. med. Turner, auf der linken Seite die Abzweigung in den „Heidfeldweg. Rechts zweigt heute die „Kleine Heide ab. Dieser Teil der Bahnhofstraße ist bereits mit sogenannten „Katzenköpfen" aus Basalt gepflastert. Links befindet sich der schmale Radweg und rechts gibt es einen von der Fahrbahn abgetrennten Fußweg. Damals konnte der Fotograf seinen Fotoapparat mit Stativ noch mitten auf der nur wenig befahrenen Hauptstraße aufbauen.

    Blick auf den Richtweg (Schwarzer Weg) in Richtung Bahnhof.⁸

    Bei dieser Aufnahme stand der Fotograf auf dem vorderen Balkon des „Großen Konsums". Im Hintergrund die standardisierten Eisenbahnerhäuser am Papenkamp.

    Links unten mit dem „Pilzeingang" das Elternhaus von Willy’s späterer Frau Lina Sudhop. Der Fahnenmast im Vorgarten durfte natürlich nicht fehlen.

    Eine Mehrbild-Postkarte aus den Vorkriegsjahren mit vier Fotos aus Kirchweyhe.⁹

    Die Bahnhofstraße mit Blick in Richtung Bahnschranke.

    Der Richtweg, auch „Schwarzer Weg genannt, weil als Straßenbelag die schwarze Schlacke aus den Dampfloks benutzt wurde. Mittig im Hintergrund der „Große Konsum der Konsumgenossenschaft Vorwärts e.V. Ganz links das „Ledigenheim" für die Übernachtung des fahrenden Personals der Reichsbahn.

    Der Papenkamp mit seinen standardisierten Mehrfamilienhäusern. Die Häuser haben im hinteren Teil des Grundstücks einen recht großen Garten, mit dem die Bewohner sich in Teilen selbst versorgen konnten.

    Im Goldenen Winkel entstanden ebenfalls Mehrfamilienhäuser für die Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn. Papenkamp und Goldener Winkel sind auch heute noch beliebte Wohngebiete in Kirchweyhe.

    8. März 1915 in Kirchweyhe/Lahausen bei Bremen.¹⁰

    Willy wird als ältestes Kind des damaligen Lokomotivheizers der Deutschen Reichsbahn, Wilhelm Meyer und seiner Frau Hilkea, genannt Käthe, geborene Ostermann, geboren. Wilhelm Meyer war später als Oberlokomotivführer in Kirchweyhe stationiert. Als das kaiserliche Heer in den Augusttagen des Jahres 1914 zu den verschiedenen Einsatzorten transportiert werden mußte, nahm der Bahnhof Kirchweyhe infolge seiner günstigen Aufnahmefähigkeit für die zahlreichen Truppentransporte auf der sogenannten „Renn"-Strecke Hamburg– Bremen–Osnabrück,, einen wichtigen Platz ein. Auch der immense Kohlebedarf der kaiserlichen Marine, sowie der Stahl für den Schiffbau auf den norddeutschen Werften aus dem Ruhrgebiet wurde zu einem großen Teil über den Bahnhof Kirchweyhe geleitet.

    Der Rangierbahnhof Lahausen – Kirchweyhe.¹¹

    Insbesondere fielen diesem Bahnhof als Verschiebe- und Zugbildungsbahnhof in den Kriegsjahren neue Aufgaben zu, deren Bewältigung bei der großen Knappheit an Material und Menschen ganz erhebliche Anforderungen an die Bahnhofsanlagen und das Personal stellte.

    Der Bahnhof Kirchweyhe entwickelte sich nach der Beendigung der großen Erweiterungen und der Ausstattung mit den modernsten Anlagen zu einem der größten Verschiebebahnhöfe in Preußen. Im Jahre 1927 rollten täglich 12 Schnellzüge, 26 Personenzüge und 120 Güterzüge durch Kirchweyhe.¹²

    Schon im Jahre 1922 wurden über 4.900 Waggons in Kirchweyhe zu neuen Zügen zusammengestellt und rollten zu ihren neuen Bestimmungsbahnhöfen in ganz Deutschland.¹³

    Der Moordamm mit seinen Eisenbahnerhäusern im Winter 1927.¹⁴

    Früher gab es bei den Eisenbahnern ein geflügeltes Wort: Lok- und Zugführer wohnen mit ihren Familien in Kirchweyhe; Heizer aber wohnen auf der anderen Bahnseite im Nachbarort Leeste.

    Zu der Zeit war das Denken in Hierarchien eben noch weit verbreitet. So mussten die Heizer auf der Dampflok den Lokführer noch „siezen"!

    Meine Großelternpaare haben sich bis an ihr Lebensende gesiezt, denn Heinrich Austermann war Zugführer,¹⁵ der mit der roten Schirmmütze, und Wilhelm Meyer war Oberlokführer, der mit der schwarzen Lederschirmmütze.

    DIE SCHWEINE VOM MOORDAMM.¹⁶

    Weyhe ist ganz schön urban geworden. Wann sieht man dort mal ein Schwein? Früher war das anders. Da konnten Schweine sogar Mittelpunkt von Anekdoten sein.

    So auch auf dem Moordamm in Kirchweyhe. Da gab es die stabil gebauten, geräumigen Vier-Familien-Eisenbahnerhäuser.

    Und zu diesen Wohnungen gehörten vier Ställe. Das gab natürlich Ansporn, neben dem Fahrdienst bei der Reichsbahn auch noch „Kleinbauer" mit Schweine- und Hühnerstall zu sein. Ein Kleingartenbereich lag etwas weiter entfernt am Bahndamm der Kleinbahn. Man war quasi Selbstversorger.

    Also, je nach Umfang der Familie wurden ein oder zwei Ferkel gekauft und mit einiger Sorgfalt großgezogen. So auch in unserem Haus Gartenstraße 245.

    Ergo vier Familien – vier Schweineställe. Am Sonntagvormittag war dann Visite „von Stall zu Stall. Dann wurde festgestellt, ob sich das „Schlachtobjekt auch „gemacht" hatte und mit Kennerblick das Gewicht geschätzt.

    Absoluter Fachmann war der Nachbar Arthur Beyeler. Er war von Beruf Melker, ist dann aber zur Reichsbahn als „Abrüster" gegangen. Ein Abrüster mußte die aus Osnabrück oder Eidelstedt heimkehrenden Lokomotiven entschlacken und für die nächste Tour vorbereiten.

    Wir hatten in einem Jahr ein ziemlich wildes Borstenvieh im Stall.

    Es mußte, so glaube ich, seinen Stammbaum bei einer Wildschweinfamilie gehabt haben.

    Denn, sowie man die Stalltür öffnete, stand es fast senkrecht im Stall. Die Vorderbeine auf der Tür zum Koben sah es die Besucher mit den kleinen Augen und der rosaroten Steckdose (Schnauze) an und gab wildgrunzende Töne von sich.

    Beyeler kannt diese Art und sagte zu meinem Vater: „Wilhelm, du musst ihm strukeln, denn wird er tamm". Wahrscheinlich hatte Beyeler in der Deutschstunde des Öfteren gefehlt.

    Die Anweisung sollte wohl heißen „Du musst ihn streicheln, dann wird er zahm. Warum Beyeler das Schwein mit „er bezeichnete, war auch stilistisch falsch. Es war doch eine Sau!

    Wenn die Schweine so um die 450 Pfund auf die Waage brachten, nahte das Schlachtfest. Immer in den Monaten mit „R" kam der Hausschlachter, ein alter Bekannter aus Lahausen.

    Wenn das Schwein dann an der vorher ordentlich abgewaschenen Leiter hing, wurde Heini Behrends, auch Dr. Schwein genannt, Bescheid gegeben. Er wohnte in einem Einfamilienhaus an der Moordammstraße und war „Trichinendompteur" – sprich Fleischbeschauer.

    Er hatte also die Gesundheit des Schlachttieres zu prüfen. Arbeitsgerät: ein scharfes Messer, Mikroskop, Stempel und Stempelkissen.

    In den Zeiten bis 1945, also im Tausendjährigen Reich pflegte er als Amtsperson seine Gebührenkunden so zu begrüßen: „Heil Hitler, wo hängt das Schwein?" Heini Behrends war bestimmt kein Brauner!

    Das Foto (oben) aus dem Jahre 1927 zeigt die Gartenstraße in Richtung Kleinbahnberg. Das Foto unten wurde im Jahre 2018 vom gleichen Standort aus aufgenommen.¹⁷

    Rechts in der Mitte das Elternhaus der Meyer-Kinder. Der neunjährige Junge vorne auf der Straße ist Karl-Heinz Meyer. Das sehr schlanke Mädchen im Hintergrund könnte nach der Schilderung auf Seite 28 Traudi Otto sein.

    Übrigens: Die langen Wollstrümpfe und die kurze Hose mussten die beiden Söhne tragen, weil das im Geburtsort ihres Vaters in Groß-Berkel bei Hameln „so üblich" war.

    HAUS DER DICKEN FRAUEN.¹⁸

    In Kirchweyhe in der Gartenstraße auf dem Moordamm gab es ein Haus mit der Nummer 245, dass – wie alle Häuser in der Nachbarschaft – von Eisenbahnern bewohnt wurde. Dieses Haus wurde hinter vorgehaltener Hand, ohne die Männer und Kinder zu erwähnen, dass „Haus der dicken Frauen genannt. Diese Titulierung war natürlich maßlos übertrieben. Wie man weiss, macht der Volksmund gern aus der Mücke einen Elefanten. Vor allem mußte man sich in dem Gewirr der Moordammbeamtenwohnungen ja auch irgendwie zurechtfinden. Diese vier Beamtenfrauen waren nicht dick – sie waren nur „wohlproportioniert.

    Auch die nachfolgende Generation der Damen vom Moordamm feierte gerne. Treffpunkt der Mädels ist der Hof eines Eisenbahnerhauses. Meine Großmütter haben sich „fein gemacht" und schauen dem Nachwuchs huldvoll zu. Foto vom Sonntag, 25. 08. 1940. Archiv Wolfgang

    Also diese vier Damen wollten bei einer Feier, sei es ein Geburtstag oder ein Jubiläum, einen lustigen Vortrag halten – aber in Verkleidung. Was lag für die Maskierung nahe? Die Uniformen ihrer Männer. Gesagt, getan – es passte alles prima. Die Hosen wurden einfach etwas umgekrempelt, der Haardutt fand unter der Mütze Platz. Man mußte zum Papenkamp. Also vom Moordamm am Lokschuppen und dem sogenannten „Führerzimmer" vorbei. In diesem Zimmer debattierte stets lautstark bei offenem Fenster die Lok-Reserve. Diese mußte Tag und Nacht parat sein, wenn mal eine Lok-Besatzung nicht zum Dienst antreten konnte.

    Die vier Damen grüßten im Vorbeigehen höflich: „Tag, Kollegen!. Und, ohne etwas zu bemerken, kam aus dem Zimmer die einstimmige Antwort: Tag!".

    Den Berg bei der „Markenbude (Pförtner) hinunter, dann „links, schwenk, marsch Zwischenstation in Henschen’s Gasthaus im Großen Konsum (Heute: „Nico, der Grieche).

    Beim Konsumwirt Willi stand, gleich wenn man die Tür hinter sich hatte, der runde Stammtisch. Das anschließende Gespräch lautete etwa so: „Was wünschen die Herren? – „Vier Korn, vier Bier – aber Halbe! Nach der zweiten Runde war dem lieben Willi klar, wen er vor sich hatte. Es blieb nicht bei diesen Runden. Ob die vier Damen überhaupt das Ziel Papenkamp erreicht haben, ist zweifelhaft, denn der Stammtisch hatte mitsamt seiner Stühle immer so etwas „Klebriges" an sich, von dem man schlecht loskam. Jedenfalls war dieser Vorfall tagelang Gesprächsthema bei den Lok- und Zugführern zwischen Osnabrück und Eidelstedt bei Hamburg.

    DR. MED. FOLKARD WILLMS SEN. UND SEINE EISENBAHNER.

    Dr. Willms, auch „Kamillen-Fidi genannt, war damals Vertragsarzt der Deutschen Reichsbahn. Er besuchte seine Patienten in seinem großen dunkelgrünen mit schwarz abgesetzten Maybach-Cabriolet; immer in Begleitung seines Hundes „Pepersack. Dieser Hund hatte seinen Stammplatz auf dem Rücksitz und hatte ab und an die Räude. Das Ergebnis waren mit Hundehaaren übersäte Polstersitze.

    Eines Tages machte „Kamillen-Fidi auch Besuch auf dem Moordamm. Geparkt wurde „zwischen den Häusern. Also kurze Pause beim Fußball- oder Schlagballspiel. Beim Aussteigen wurde der Onkel Doktor von Hermann Schmidt gefragt: „Onkel Doktor, darf ich gleich mitfahren? „Ja, mein Junge, wenn du mir was schenkst… „Ich schenk dir einen Apfel! „Prima, dann darfst du auch gleich mit!

    Die Kinder vom Moordamm. Foto von Dr. Willms um ca. 1930.

    Obere Reihe: Berta Grypo, Lina Sudhop (die spätere Frau von Willy Meyer) mit Lore Ritting auf dem Arm. Von links: Fritz Grypo, Anneliese Fierking, Grete Jonas, meine Mutter Erika Austermann, Mariechen Klocke. Untere Reihe: Flelmut Fladeler, Walter Wecker, Luise Austermann, Ingeborg Ritting (Kohle) und Wilma Wrede.

    Der Doktor machte aber vorher noch einen Hausbesuch bei Familie Kloke. Ob die Kinder Masern, Grippe oder Keuchhusten hatten, ist nicht mehr festzustellen. Vielleicht mußte auch „Vadder Dirk – auf dem Moordamm aufgrund seines Charakterkopfes nur „Glatzenkönig genannt – noch behandelt werden.

    Hermann, wartend neben dem Maybach, wurde die Zeit wohl zu lang, und so biss er einmal herzhaft in den Apfel.

    Endlich kam der Doktor zurück. Hermann nahm die abgebissene Stelle des Apfels in die hohle Hand – „Bitte, Onkel Doktor!. Der blinzelte nur verständig mit einem Auge und sagte: Hermann, steig ein, schieb Pepersack man beiseite."

    In Dreye bei der alten Volksschule durfte Hermann dann aussteigen und per pedes den Heimweg antreten. Bekanntlich hatten die Eisenbahner, zumindest auf dem Moordamm und an der Bahnhofstraße, auch einen Schrebergarten, aus dem der Gemüse-, Kartoffel- und Blumenbedarf für die Familien gedeckt wurde. Dieser Garten mußte ja auch beackert werden. Aber dafür fehlte oft wegen des unregelmäßigen Dienstes die Zeit. Wer mußte helfen? Dr. Willms – der kannte seine Pappenheimer und hatte Verständnis für den Notstand. Er fragte dann: „Wie viele Tage wills’te krank sein – haste Deinen Garten schon um?"

    Seine allseits bekannte Behandlungsmethode war: Oberhalb des Bauchnabels Kamillentee, unterhalb des Bauchnabels Rizinus. Hilft immer; hat er wahrscheinlich von den Militärärzten abgeguckt.¹⁹

    Teamwork ist angesagt, alle Glieder dieser Pyramide müssen gemeinsam arbeiten. Die Jungs des RbTSV sind sportlich.²⁰

    Das war sicherlich eine Übungsstunde für ein großes Schauturnen auf der Bühne mit der tollen Waldkulisse des Gasthauses Heinrich Koch in Kirchweyhe am Bahnhof. Willy in der unteren Reihe der vierte von links gehört zu den zentralen Stützen der menschlichen Pyramide.

    Die Fußballmannschaft RbTSV (Reichsbahn Turn-und Sportverein Kirchweyhe).²¹

    Neben dem Umkleidewaggon auf dem Sportplatz am Nordschuppen im Jahre 1930.

    Links stehend: Friedrich Meyer, Walter Kastendiek, Heinrich Timmermann, NN, Willy Meyer, Otto Marx, Wilhelm Kortemeyer, Johann Ficke, Jonny (Charlie) Wiechmann als Schiedsrichter, kniend: Johann Heinrich Preuss, NN, Robert Wachs.

    Ein tragisches Unglück auf dem Ascheplatz am Bahndamm betraf die Familie Marx: Der Sohn von Otto Marx, Günther, starb nach einem Zusammenstoß mit dem Gegenspieler. Sie stießen mit den Köpfen zusammen.

    DIE BRÜDER MEYER MIT IHRER KLEINEN SCHWESTER LIESELOTTE.

    Die drei kleinen Meyer’s.²²

    Karl-Heinz, 12 Jahre und 5 Monate, Lieselotte. 2 Jahre und 7 Monate, Willy 15 Jahre und 7 Monate. Das Foto wurde im Oktober 1930 im Fotoatelier Heinrich Kastens in Leeste aufgenommen.

    Willy und Karl-Heinz hielten eines Tages die kleine Lieselotte aus dem Küchenfenster im ersten Stock des Eisenbahnerhauses auf dem Moordamm in der Gartenstraße 245. Sie wollten testen, ob Lilo vor Angst schreien würde. Das Kommando war: „Wenn du schreist, lassen wir dich fallen! Die kleine Lilo hat nicht geschrien! (Das hat sie mir selbst einmal erzählt.) Oma Käthe’s Gardinenpredigt gipfelte in den Worten: „Nun wollt ich aber wohl! Übrigens: den kleinen schwarzen Teddybären mit Namen „Teufel" habe ich später geerbt.

    ² Photo: Wikipedia, Die Abbildung ist gemeinfrei

    ³ Quelle: Heimatbuch der Gemeinde Kirchweyhe von Rektor Wilhelm Schacht, 1961, Seite 23 ff

    ⁴ Quelle: Gemeindearchiv Weyhe

    ⁵ Quelle: Gemeindearchiv Weyhe.

    ⁶ Foto: Gemeindearchiv Weyhe

    ⁷ Foto: Gemeindearchiv Weyhe.

    ⁸ Foto: Gemeindearchiv Weyhe

    ⁹ Foto: Gemeindearchiv Weyhe

    ¹⁰ Foto: Gemeindearchiv Weyhe.

    ¹¹ Foto: Gemeindearchiv Weyhe.

    ¹² Quelle: Wilhelm Schacht, Heimatbuch der Gemeinde Kirchweyhe, 1961, S. 304 ff.

    ¹³ Karte: Author’s Collection

    ¹⁴ Foto: Gemeindearchiv Weyhe.

    ¹⁵ Zugführer der Deutschen Reichsbahn. Der Zugführer hat vor Abfahrt des Zuges die Wagen seines Zuges aufzuschreiben, die Bremsprozente auszurechen und sie dem Lokführer mitzuteilen. Während der Fahrt ist er der maßgebend für den Zug verantwortliche Beamte.

    ¹⁶ Quelle: „Lieben Gott sein Bleistift". Karl-Heinz Meyer. Seite 41

    ¹⁷ Foto: 1. Gemeindearchiv Weyhe, 2. Authors Collection

    ¹⁸ Quelle: „Lieben Gott sein Bleistift". Karl-Heinz Meyer. Seite 28

    ¹⁹ Foto: Gemeindearchiv Weyhe.

    ²⁰ Foto: Gemeindearchiv Weyhe.

    ²¹ Foto: Sammlung Timmermann im Archiv der Gemeinde Weyhe.

    ²² Foto: Author’s Collection

    AUSBILDUNG ZUM FRISEUR BEI

    FRANZ-LOUIS BORCHERS IN SYKE

    01.04.1930 – 31.03.1933

    DER HERREN-FRISIERSALON-SALON VON FRANZ-LOUIS BORCHERS IN DER HAUPTSTRASSE IN SYKE.

    Um den Ausbildungsplatz seines Sohnes zu sichern, gab Wilhelm Meyer dem Lehrherrn, Friseurmeister Franz-Louis Borchers aus Syke ein Darlehen in Höhe von 700,-- Reichsmark.

    Der finanziell schlecht aufgestellte Friseur war leider nicht in der Lage, diese Summe zurückzuzahlen. Mein Großvater wollte mit diesem Kredit wohl sicherstellen, dass Willy seine Lehre als Friseur erfolgreich abschliessen konnte.

    Eine Reichsmark hatte in den Jahren von 1924 – 1936 einen Wert von 3,32 Euro. Das bedeutet, dass die verliehene Summe von 700,-- RM einen Wert von ca. 2.330,-- Euro plus die angefallenen Zinsen hatte.

    Wenn man nun bedenkt, dass das pensionsfähige Jahresgehalt meines Großvaters Wilhelm 1.300,-- Reichsmark abzüglich 14,40 RM für Bekleidungsgeld = 1.285,60 Reichsmark betrug, hat er dem Friseur Borchers mehr als ein halbes Jahresgehalt als Darlehen zur Verfügung gestellt!

    In dem Text eines Briefes von Franz-Louis Borchers an meinen Großvater wird mehrmals von wichtigen und wertvollen Büchern gesprochen. Ich gehe davon aus, dass diese Bücher als Sicherheit gegeben werden sollten. Leider kann ich heute nicht mehr klären, welche Bücher das waren und welchen eventuellen Wert diese hatten.

    Wie das ganze Geschäft nun wirklich abgelaufen ist, können wir heute nicht mehr sicher nachvollziehen. Es ist jedoch bezeichnend, dass immer auch wieder die wirtschaftliche Lage in Deutschland in den diversen Briefen beschrieben und als einer der Gründe für den Zahlungsverzug herangezogen wird.

    Was es mit dem in den Briefen beschriebenen angeblichen Betrug des Bruders von Borchers auf sich hat, kann ich ebenfalls nicht mehr nachvollziehen. Interessant ist auch die Bemerkung, dass er meinen Großvater nicht persönlich sprechen könne, da er als Friseur bei einem Deutschen Abend bei zwei Terminen tätig sein muß. In weiteren Briefen an meinen Großvater hat Franz-Louis Borchers in ähnlicher Weise um weiteres Geld gebeten.

    Das hat mein Großvater bei seinem Beamtengehalt nicht leisten können und auch nicht leisten wollen.

    Fazit dieser

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