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Im Netz: kiss me if you can
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eBook312 Seiten4 Stunden

Im Netz: kiss me if you can

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Über dieses E-Book

Felix ist ins Netz gegangen. Er schreibt Liebesbriefe – auf Instagram. Und er spielt ein Spiel, dessen Regeln er nicht kennt. Schon bald verliert er die Kontrolle. Er packt seine Koffer und wechselt den Kontinent. Was wartet im fernen, heißen Afrika? Die Liebe oder etwas ganz Anderes? Bevor sie sich im Internet verlieben – lesen sie dieses Verhütungsbuch. Im Netz – kiss me if you can - ein Bericht
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Okt. 2020
ISBN9783752918816
Im Netz: kiss me if you can

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    Buchvorschau

    Im Netz - Kurt Felix Weill

    0 Gebrauchsanweisung

    KURT FELIX WEILL - IM NETZ - EIN BERICHT

    „Du wirst ganz viele Menschen kennenlernen. Die besten fordern dich heraus. Sie machen, dass du die Welt mit anderen Augen siehst. (Tilly in „Once upon a time).

    „Eine Reise macht nur Sinn, wenn sie dein Leben verändert. Wenn du erwartest, dass sie das nicht tut, bleib´ zuhause" A.M. (unbekannter Autor, irgendwann in den 1990ern)

    Liebe/r Leser/in!

    Ganz kurz, bevor ich anfange: ich bin am Ende! Ich weiß, wie die Sache ausgegangen ist, von der diese Geschichte handelt. Manche meiner Freunde meinten, es handele sich um eine Reise in ein fernes Land, eine fremde Schönheit zu erobern und nach Hause, ins kuschelige Köln zu entführen. Das ist Unsinn! Das Ziel dieser Unternehmung war nie so klar und ausgemacht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Manchmal ist der eigentliche Grund einer Fahrt ja ein ganz anderer als der vorgeschobene Anlass. Und wer kennt schon alle Gefahren und Fallstricke, die am Wegrand lauern, bevor er sich aufmacht, gerade, wenn es vermeintlich um die Liebe geht? Und: würden wir sie kennen, machten wir uns dann noch auf den Weg? Aber lesen und urteilen sie selbst.

    Gehen sie mit auf diese denkwürdige Reise. Lieben und leiden sie mit Felix. Amüsieren sie sich über ihn, den Narren. Lernen sie aus seinen Fehlern und dem Unfug, den er im Herbst des Jahres 2019 veranstaltet hat. Vielleicht können sie sich, mit ein wenig Humor und Selbstironie, in der einen oder anderen Verirrung selbst wiederfinden. Ein schenkelklopfendes „Haha, das kenn´ ich!" wäre mir angenehm. Schämen sie sich also bitte nicht, auch nicht fremd, wenn ihnen diese oder jene Peinlichkeit bekannt vorkommt. Es ist der mögliche Beginn eines Erkenntnisprozesses und beabsichtigt. Ich übernehme für diese Zumutung die volle Verantwortung.

    Sollten sie in diesem Buch nichts, in diesem Sinne Brauchbares, für sich entdecken, dann lesen sie es einfach, weil sie Lust am Elend anderer haben, ohne größeren Erkenntniswert. Voyeurismus ist menschlich und, da sie hier nicht im Schritttempo an verblutenden Unfallopfern vorbeifahren, völlig in Ordnung. Sie haben das Buch bezahlt. Also können sie damit tun, was sie wollen, solange es in den Grenzen des Rechts und des menschlichen Anstandes geschieht.

    Ein Wort noch zum Text, bevor sie mit Felix gemeinsam ins Netz gehen. Er beruht zum Teil auf Tatsachen, auch autobiografischen, zum Teil auf Erfundenem. Ich überlasse es ihrem Spürsinn und ihrer Klugheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

    Natürlich galt es, um die Geschichte für sie aufzuschreiben und interessant zu machen, gewisse Schwierigkeiten zu überwinden. Alles andere wäre langweilig. Die größte dabei war sicherlich meine eigene Eitelkeit. Mir selbst Dinge einzugestehen, deren Bekanntwerden ich gerne auf den Tag nach meiner Beisetzung verschoben hätte, kostete mich Überwindung. Dazu später mehr.

    Einige handwerkliche Probleme waren ebenfalls delikat. Die Nachrichten des Chats, die zu großen Teilen die Grundlage des Textes bilden, waren ursprünglich überwiegend in Französisch geschrieben. Sie wurden mit Hilfe des Google – Universaltranslaters ins Deutsche übersetzt.

    Haben sie jemals versucht, mit Hilfe der Google - Maschine in einem Restaurant in Frankreich oder Italien eine Mahlzeit zu bestellen? Dann wissen sie, wovon ich spreche, wenn ich sage, dass schon einfache Übersetzungen oft interpretationsbedürftig sind und einige Fantasie erfordern. Der Satz „Sie möchten bitte diese Kerze essen!, beispielsweise, hat bislang eher selten dazu geführt, dass man die eigentlich gewünschte Speise serviert bekam. Auch das Kunstwerk „Wenn einundsiebzig ich kann essen? hatte, neben fragenden Blicken des Kellners Rückfragen zur Folge wie zum Beispiel: „….und wenn nicht? oder „ist eins nicht genug? Ich sehe ihr leises, wissendes Nicken vor meinem inneren Auge und ahne Verständnis.

    Sie werden begreifen, dass ich einige, völlig entstellte Texte lesbar machen musste. Im Großen und Ganzen habe ich aber versucht, die Nachrichten, mit allen Fehlern der Rechtschreibung, Zeichensetzung, Groß- und Kleinschreibung usw., exakt so zu lassen, wie wir, Justine und ich, sie uns geschickt hatten. Leser, die ihre Fehlertoleranz in endlosen WhatsApp – Schlachten gestählt haben, dürften damit kaum Probleme haben. Bei allen anderen entschuldige ich mich schon im Vorhinein für diese Unannehmlichkeiten. Doch nur so bekommen sie einen Eindruck davon, unter welchen Bedingungen eine Französin, die kein Deutsch spricht, sich mit einem Deutschen austauscht, der fast kein Französisch spricht.

    Einem möglichen Missverständnis möchte ich an dieser Stelle ebenfalls gleich vorbeugen: dies ist nicht der Versuch einer Abrechnung mit Justine (für Nichtfranzosen: Schüsstien). Selbstverständlich soll sie für ihre Lügen und Halbwahrheiten in der tiefsten Hölle, am dicksten Spieß, über dem heißesten Feuer schmoren. Niemand soll ihre Schreie hören. Doch ich wünsche ihr gleichzeitig mindestens ebenso viel Gutes. Natürlich wird in diesem Buch auch gerechnet. Doch das ist nicht das Wichtige. Ich bin kein Betriebswirt. Es geht mir um einen möglichst illusionslosen Rückblick. Nicht im Zorn. Und wenn, dann höchstens auf den Unfug, den ich selbst veranstaltet habe. Richten will ich auf keinen Fall über eine Person, weder moralisch noch juristisch, von der ich, nach wie vor, viel zu wenig weiß. Ich bedauere das sehr, weil ich, trotz alledem, immer noch liebevolle Gefühle für diese Frau hege. Zumindest für das Bild, dass sie in meinem Kopf von sich hat entstehen lassen.

    Ein Weiteres sei hier noch erwähnt. Dieses Buch ist kein Roman. Es ist ein Bericht. Diesen habe ich in der Absicht geschrieben, Ruhe und Gleichmut in mein aufgewühltes Seelenleben zurückzubringen, das durch die zu beschreibenden Ereignisse doch in erhebliche Unordnung geraten war. Zweitens hoffe ich durch die Schilderung der Geschehnisse, den Strukturen und Mechanismen nachzuspüren, die den Betrügereien zugrunde liegen, die tagtäglich im Internet ablaufen. Sollte ich dadurch dazu beitragen können, dass die eine oder andere teure Reise nicht unternommen werden muss, hätte sich für mich das Schreiben und für sie der Kauf dieses Buches gelohnt.

    Eine Bitte noch: Ich habe versucht, kurzweilig zu schreiben. Wer jedoch spannende Unterhaltung von Anfang bis Ende erwartet, der möge an dieser Stelle das Buch beiseitelegen und sich anderen, aufregenderen Tätigkeiten widmen. Er wird enttäuscht werden.

    Alle Namen handelnder Personen, noch lebender, wie, versehentlich oder absichtlich getöteter, wurden selbstverständlich zu deren Schutz geändert.

    1 Vorspiel

    Guten Tag! Mein Name ist Weill, Kurt Weill. Ja, genau - wie der Komponist. Ich sehe, sie kennen sich aus. Meine Eltern wollten das so, obwohl wir nicht verwandt sind. Freunde nennen mich bei meinem Zweitnamen Felix. Das ist mir weitaus angenehmer. Felix, der Name meines Onkels und Taufpaten. Ich mochte ihn. Dass meine Initialen KFW identisch sind mit dem Namenskürzel der „Kreditanstalt für Wiederaufbau" ist nicht mehr als eine Laune des Schicksals und für den Fortgang der Geschichte ohne jede Bedeutung. Ihnen stelle ich mich an dieser Stelle vor, nicht, weil ich das für besonders wichtig, sondern weil ich es für ein Gebot der Höflichkeit halte.

    Ich bin Ende 50, habe zwei Töchter mit zwei verschiedenen Frauen. Von der zweiten, die ich geheiratet hatte, lebe ich seit nunmehr fünf Jahren getrennt, allerdings ungeschieden. Alles in allem, man mag das bedauern, ist das heutzutage ja normal. Durchschnitt. Wie, mehr oder weniger, mein ganzes Leben.

    Gesellschaftlich bin ich dort verortet, wo es am wenigsten weh tut. Am unteren Rand der Mittelschicht, knapp oberhalb der Armutsgrenze. Zum (guten) Leben habe ich zu wenig, zum Sterben zu viel. Man wurschtelt sich durch. Reichtümer anzuhäufen ist mir nie gelungen und war auch nie wirklich mein Ziel. Wahrscheinlich wird es nicht einmal für eine vernünftige Versorgung im Alter reichen. Dafür haben aber einige Geldjongleure, sogenannte Finanz- und Anlageberater ganz ordentlich an mir verdient. Immerhin etwas, wenn auch nichts Vorzeigbares.

    Aufgewachsen bin ich in einer öden, scheintoten Kleinstadt, ungefähr zehn Jahre zu spät, um die großen Utopien mitzuerleben. Meine Zeit waren die Siebziger - Zeit der Experimente und Geschmacklosigkeiten – gesellschaftlich, politisch, künstlerisch.

    Das erste Großereignis, dass ich bei vollem Bewusstsein miterlebt habe, war eine Trauerfeier. Die Zeremonie zum Tod von Konrad Adenauer, am 25. April 1967. Der „Alte" trat damals gerade rechtzeitig ab, um den Umbruch in seinem Lebenswerk, dem konservativ restaurierten Restdeutschland, nicht mit ansehen zu müssen.

    Der erste Bundeskanzler, den ich auch als solchen wahrnahm, hieß Willy Brandt. „Mehr Demokratie wagen! wurde in dem Jahr gewählt, als Neil Armstrong den Mond betrat. „It´s one small step for a man…. Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit. Mit wenig Aufwand viel erreichen, das wollte ich auch. Ein lässiger Hüpfer, Softlanding im Mondstaub und zack, wir alle waren im Weltall angekommen.

    Ich saß als Neunjähriger drei Tage lang mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen, nonstop vor der schwarz-weiß-Glotze meiner Tante, bei der ich die Sommerferien verbrachte. Ich lauschte Günther Siefarths klugen Erklärungen. Damals war Fernsehen bis zur völligen körperlichen und mentalen Erschöpfung noch kein pädagogisches Problem. Danach hatte ich nur noch einen Wunsch: Ferne Welten entdecken, Astronaut werden. Wurde ich nicht. Ich arbeite zwar heute in der Reisebranche, aber gegen das Fliegen und gar durchs All, sprach meine notorische Flugangst, die ich einige Jahre später entdeckte. Zu dieser Zeit fuhr der Normalsterbliche noch mit dem VW Käfer ins Grüne, statt mit Ryan Air nach Malle zu jetten. Flugreisen in den Urlaub konnten sich meine Eltern und die meisten anderen Normalverdiener nicht leisten.

    Hart gelandet bin ich, nach langem Anlauf, einigen abgebrochenen Studiengängen und einem erfolglosen Versuch als Kleinunternehmer, in einer großen, deutschen Firma. Sicher, krisenfest, nicht das Schlechteste in diesen Zeiten. Schließlich habe ich Unterhalt für zwei Kinder zu bezahlen und die sind mir das Wichtigste im Leben. Ich sehe diese Zahlungen als Pflicht, aber eine, die ich gerne erfülle, eine Herzenspflicht, auch wenn ich mich über die Summen gelegentlich mit den Müttern streite.

    Mein Bänker hat mich, beim Einrichten des neuen Kontos, mit mitleidigem Blick als armen Mann bezeichnet, als er sah, welche Zahlungen ich monatlich zu leisten habe. Finanziell gesehen mag er recht haben. Aber ich will mich nicht bedauern. Mitleid finde ich nicht nur unangenehm, sondern auch unangebracht. Ich war bei der Entstehung beider Kinder anwesend, körperlich, seelisch und geistig, bin also voll verantwortlich und dazu stehe ich – ohne „Wenn und Aber". Emotional fühle ich mich reich. Auch das hat überwiegend mit den Kindern zu tun. Alles andere würde meine Selbsterzählung grundsätzlich infrage stellen. Das lasse ich nicht zu. Gelegentlich frage ich mich, was sein wird, wenn die Kinder irgendwann ihr eigenes Leben leben und keine Lust mehr haben, ihren Erzeuger mit ihrer Gegenwart zu beglücken. Das macht mir Angst und diese Angst finde ich normal.

    Überhaupt, normal: In meiner Jugend galt es als chic, nicht normal zu sein. Man tat alles, um aus der Masse herauszustechen. Unnormal, crazy, war das Normale für uns. Join your party every day. Heute bin ich der Normalste, Durchschnittlichste, den man sich vorstellen kann. In jeder Beziehung. Nicht, weil ich das besonders aufregend, sondern weil ich es zu anstrengend finde, anders zu sein. Ich sage meine Meinung, wenn es genügend andere gibt, die der gleichen Meinung sind. Ich verdiene ein Durchschnittsgehalt.

    Nicht, dass das Leben mir nicht ein paar Angebote gemacht, ein paar Türen offengehalten hätte. Es war mir nur schlicht zu aufwändig, durch diese Türen auch hindurchzugehen, die Angebote anzunehmen. Karriere und Erfolg haben mich nie interessiert. Wäre ich in einem weniger behüteten Umfeld aufgewachsen, hätte ich das wahrscheinlich anders gesehen. Bin ich aber nicht. Ich war immer safe. Ich musste nie fighten und wenn doch, dann habe ich es gelassen. „Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat auch keine Kraft zum Kämpfen", haben die Spontis noch in den frühen Achtzigern an die Wände unserer Uni gesprüht. Den Mut zum Träumen hatte ich. Das war´s dann aber auch. Zum Kampf ist es nie gekommen. Auch deswegen war Karriere nicht mein Ding. Ich hatte einfach nicht das Gefühl, dass man dadurch glücklicher wird, dass sich der Aufwand lohnt.

    Also habe ich mir meine eigene Komfortzone gebastelt. Ich nenne sie aufgeklärtes Spießertum. Es lebt sich nicht wirklich gut darin, aber angenehm unaufgeregt. Man geht zur Arbeit, zählt die Tage bis zum Renteneintritt und leidet, wenn man am Sonntagabend, nach einem schönen gemeinsamen Wochenende, die Tochter wieder bei ihrer Mutter abliefern muss. Die Große geht ohnehin schon länger ihre eigenen Wege und hat das Interesse an ihrem Biovater verloren, woran ich nicht unschuldig bin.

    Man schreibt abends ein paar WhatsApp-Nachrichten an Freunde und füttert seinen Instagram - Account mit Bildchen, um seine knapp 200 Follower zu bespaßen und ein paar Likes fürs Ego abzuholen. Bei mehr als 50 fühle ich mich für einige Sekunden fame, wie meine Tochter das nennt. So weit, so na ja….bis zu jenem 15. August

    2 Erster Teil: Countdown

    Einige Anfragen hatte ich schon bekommen. Grundsätzlich würde ich mich nicht als alten Hasen bezeichnen, was die Nutzung sozialer Netzwerke angeht, aber ganz unerfahren bin ich nicht. Ich nutze WhatsApp und Instagram. Das ursprüngliche Facebook nicht, weil ich keinen Sinn darin sehe, meinen sogenannten „Freunden mitzuteilen, wann ich scheißen gehe und wie das aussieht, was dabei rauskommt. 99 Prozent aller „News auf Facebook haben exakt diesen Mitteilungswert.

    Meinen Instagram–Account habe ich vor zwei Jahren eingerichtet, nachdem ich ein Buch für meine jüngere Tochter geschrieben hatte. Ziel war, Kontakt aufzunehmen, zu anderen Autoren und potenziellen Lesern, um das Buch zu promoten. Insta -, respektive Bookstagram sind auch nicht die ganz große Welle, aber immerhin eine Möglichkeit, überhaupt in Berührung zu kommen, ohne sich allzu viel bewegen zu müssen.

    Früher hat man sich getroffen in Cafés, in Kneipen, beim alten Leo in der Pizzeria („hatte geschmecke – fumfefuffzisch! D-Mark, natürlich. „Golla Biere? Einse achtzisch!). Das macht man heute nicht mehr. Das habe ich begriffen. Man trifft sich im Chatroom zum Video-Sit-In bei Insta oder WhatsApp. Oder zum virtuellen Smalltalk. Wenn man, als Schüler/in ein Problem hat, zum Beispiel mit den Hausaufgaben, dann läuft man nicht umständlich zu Freundinnen, die drei Häuser weiter wohnen. Auch das habe ich von meiner Tochter gelernt. Man stellt eine Anfrage in den Klassenchat und wartet, bis eine der zwanzig anderen Nasen die richtige Antwort postet. Oder, man schreibt direkt eine WhatsApp an eine, von der man annimmt, sie habe eine Lösung.

    Manchmal muss ich breit grinsen, wenn ich sehe, wie routiniert die Dreizehnjährigen mittlerweile mit diesen Möglichkeiten umgehen und wie, vergleichsweise unbeholfen, wir durch unsere Schulzeit getölpelt sind.

    Ich glaube sogar, dass ein großer Teil der Diskussion um Internet- und Handysucht sich aus dem Gefühl der Älteren speist, von dieser Generation in punkto Internetkompetenz gnadenlos abgehängt zu werden. Die Dinge passieren heutzutage in einer Geschwindigkeit, dass du out bist, wenn du eine Woche zu lange im Urlaub an einem Ort ohne W-Lan warst. Passende Übertragungsrate vorausgesetzt. Da wird die Atari- und C 64- Generation gerade auf der G4- Spur überholt. Demnächst auf G5. Das neue S 10 oder I-Fon locker in der Gesäßtasche, Blinker links, Vollgas. Wir Alten sind wie die Gebrüder Wright, die noch mit ihrem Doppeldecker über den Strand stolpern, während die Kids mit Mach 3 und viel Getöse im Kampfjet an uns vorbeidonnern. Wir haben dagegen keine Chance und das wissen wir. Irgendwann werden wir aussortiert, aber doch bitte nicht bei vollem Bewusstsein. Deswegen, und um unsere Kinder noch ein bisschen bei uns zu behalten, zetteln wir eine völlig überzogene, teilweise hysterische Diskussion um Chancen und Gefahren der neuen Medien an. Nicht, dass es nicht Auswüchse und Gefahren gäbe. Einen Teil ihrer Vehemenz verdankt diese Diskussion aber dem Gefühl der Ü50, nicht mithalten zu können. Und das ist vollkommen richtig. Das können wir nicht. Wir sind 20. Jahrhundert, oder, wie meine Kurze neulich meinte, bemerken zu müssen: „Steinzeit, Faddi! Das ist Steinzeit!"

    Ich fühle mich keineswegs so ausgestorben, wie sie es mir, in ihrem Bedürfnis nach Abgrenzung einreden wollte. Ein wenig zurückgeblieben, leicht geistig behindert, aber lebensfähig. Ich bin kein Idiot. Ich komme klar – dachte ich zumindest. So weit, so….hmmm?!

    3 Schicksal….

    Ich war also nicht ganz unvorbereitet, als mich, an diesem Tag im August, ein blonder Engel, von einem Insta - Profilbild herunter, sanft anlächelte. Brustbild im schwarzen Badeanzug. Im Hintergrund zu erahnen ein Strandbad. Es war nicht das erste Mal, dass mir so etwas geschah. Bislang hatte ich mich für derlei An – oder Auszüglichkeiten nicht interessiert. Ich habe sie entweder genervt weggedrückt, gelöscht oder einfach ignoriert. Auch schon mal böse kommentiert, wenn sie allzu dreist wurden, aber das war´s dann auch. Mit „eh Alda, schwill dein Freund sein. Gib misch fuffzich Geld", konnte und kann ich einfach nichts anfangen. Abgesehen davon, dass ich fuffzig Geld auch nicht einfach so locker habe. Und wenn, gehe ich lieber mit meiner Kurzen ein Eis essen oder Bücher kaufen. Oder mit der Großen zum Vietnamesen. Da ist das Geld sinnvoller angelegt.

    Warum also habe ich auf die Frage „Hallo, guten Abend wie geth es dir heute" am 15. August, in diesem Chat geantwortet? Nach „nur" drei Stunden.

    Vielleicht war es die Höflichkeit, die feine Reserviertheit, die aus dem Bild und diesen paar Worten sprachen, die mich dazu veranlasst haben. Ich weiß es nicht. Das war jedenfalls keine, die mir mit dem ersten Foto ihre Brustwarzen in die Augenhöhlen drückte. Es war auch nicht „eh, isch will dein Freund sein", obwohl es vielleicht sogar das Gleiche meinte. Ich habe seither einige Spekulationen angestellt über die Motive meines Sinneswandels. Ich bin auf Hinter- und Abgründiges gestoßen, auf Naives und Wirres. Eine sinnvolle, nachvollziehbare, rationale Erklärung hat sich mir bis heute nicht aufgedrängt.

    Wir beide haben das später einmal thematisiert. Nach kurzer Diskussion hatte Einigkeit bestanden, dass das Schicksal hier eine entscheidende Rolle gespielt haben musste. Wäre das allerdings alles gewesen, stellte ich hier sofort das Schreiben ein.

    Das Schicksal taugt, um dem Raunen des Unfassbaren, Unkontrollierbaren, Unbeherrschbaren einen Namen zu geben. Ich bezweifle nicht, dass es das gibt – Schicksal. Doch, wenn es etwas ist, das mich alternativlos auf eine Bahn setzt, von der es kein Entrinnen gibt, dann ist es Zeitverschwendung, mich damit zu befassen. Es wird ohnehin geschehen. Dann nehme ich es hin, springe hinein in die Welle und versuche, über Wasser zu bleiben. Die Allmacht wird mir schon rechtzeitig mitteilen, was sie mit mir vorhat. Ich beschäftige mich lieber mit Dingen, die ich beeinflussen kann. Um den Rest sollen sich, von mir aus, die Götter oder ihre Priester kümmern.

    Und wenn ich es wär´, dein Schicksal?", fragte mich das raffinierte Weib eines schönen Abends. Nicht im Traum hatte ich für möglich gehalten, dass die Antwort auf diese Frage mich um die halbe Welt, auf einen anderen Kontinent führen würde.

    Wie kann ein Mensch sich anmaßen, Schicksal für einen anderen sein zu wollen? Hätte ich mich fragen können. Tat ich aber nicht. Und wenn es das Schicksal wäre, das uns beide zusammengeführt hat? Hätte sie fragen sollen. Hat sie aber nicht! Durch diese Unterlassungen kam Unausweichlichkeit im Spiel. Bestimmung. Unsere Lebensfäden hatten sich gekreuzt. Nicht weil wir das gewollt hatten, sondern weil das Universum, die Götter, irgendetwas verdammt Großes, Allmächtiges, gewaltiger als wir beide, dass so verfügt hatte. Wir hatten zu gehorchen. Dem Schicksal stellt man sich nicht entgegen. Man erfüllt es.

    Da war sie also, die Welle. Die Flut. Der Damm gebrochen. Von da an lief die Geschichte wie von allein. Selbstverständlich gab ich mich hin und verließ den Boden vernünftigen Verhaltens. Es geschah, was zu geschehen hatte.

    Hätte ich genauer gelesen. Möglicherweise hätte ich erfahren, dass nicht wir gemeinsam in den Ketten der Allmacht lagen. Sie selbst wollte dieses Schicksal sein. Exakt so hatte sie es geschrieben. „Wenn ich es wär´, dein Schicksal?" (ich komme darauf zurück).

    Damit war die Frage nach „Master und „Slave bereits vorab geklärt. Eigentlich waren die Dinge deutlich. Mir nicht! Niemals wäre mir der Gedanke gekommen, ich könne den Herbst dieses Jahres auf einem Balkon in Abidjan verbringen. Hauptstadt der Elfenbeinküste, Afrika! 32 Grad im Schatten!

    Doch der Reihe nach. Ich will niemanden überfordern, schon gar nicht mich selbst.

    4….und ab

    Wie immer, wenn ich Liebesbotschaften zu vernehmen meine, verfalle ich in zwei eingeübte Rituale. Erstens: mein Großhirn arbeitet auf Überlast. Es erstellt angestrengt diverse Misstrauensszenarien. Man weiß ja, zumindest ahnt man es, welch furchtbare Dinge einem, vor allem im Netz, geschehen können. Natürlich auch anderswo, aber vor allem dort.

    Zweitens: der Rest meiner Existenz begibt sich in eine Art Totenstarre inklusive der völligen Unfähigkeit, auf meine Wahrnehmung einigermaßen angemessen zu reagieren. Dieses Nicht - Verhalten hat mich in meinem Leben schon einige Beziehungsoptionen und sicherlich auch die eine oder andere flotte Nacht gekostet. Ich kann es nicht abstellen. Immer, wenn diese bestimmte Saite in mir zum Schwingen gebracht wird, antworte ich mit komplettem Stillstand, Systemabschaltung, „Shut down, „toter Mann. Ein Mensch will Kontakt? Oh Gott! Selbst jetzt noch, im zarten Alter von fast 60 Lenzen. Mittlerweile habe ich, im täglichen Miteinander, Strategien entwickelt, diese Unfähigkeit zu überspielen. Wer mich nicht näher kennt, merkt es nicht auf den ersten Blick. In diesem Fall war es wieder soweit.

    Ich brauchte exakt 187 Minuten, um auf die Frage, wie es mir denn heute ginge, stolze vier Worte zu erwidern: „Danke gut. Und dir?" In der Zwischenzeit hatte ich ungefähr ein halbes Dutzend Szenarien entworfen, die sich mit möglichen Folgen meiner Antwort beschäftigten. Was wollte dieses Geschöpf von mir? All das fand nur in meinem Kopf statt. Der Rest meines Körpers war mit der Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt noch nicht befasst. Zu meiner Beruhigung ging die Badenixe dann wohl schlafen, sodass ich mich keiner weiteren Befragung ausgesetzt sah.

    Damit, so dachte ich, sei die Sache erledigt. Schwein gehabt! Doch die Dame tat mir keineswegs den Gefallen, mich in Ruhe zu lassen. Sie gönnte mir lediglich eine Pause. Am nächsten Mittag, kurz bevor ich meine Wohnung verlassen wollte, kam die Retoure: „Mir geht es auch gut und wie hast du deinen heutigen Tag verbracht?"

    Was ich ihr nicht erzählen wollte: ich war auf dem Weg zum Spätdienst und hatte noch gar nichts „verbracht. „Leider hatte ich an diesem Tag dann auch „so viel zu tun", dass ich auf keinen Fall, nicht einmal während meiner halbstündigen Arbeitspause, Zeit fand, ihr zu antworten. Das geschah, nach einer weiteren, langen Nacht des Schweigens.

    Längst war klar, dass ich einer Fortsetzung des Dialogs keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen würde. Wozu also die lange Pause?

    Ehrlich? Über diese Frage habe ich mir nie wirklich Rechenschaft abgelegt, obwohl eine sinnvolle Antwort darauf mein Kommunikationsverhalten erheblich zum Positiven verändern könnte. Meine gelegentliche Überkontrolliertheit in Gefühlsdingen war nicht zuletzt einer der Gründe für das Scheitern meiner Ehe. Zumindest sehe ich das heute so. Meiner zukünftigen Exfrau fallen da unter Umständen noch andere Dinge ein. Das ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig.

    Jedenfalls gönnte ich meiner Schönen am nächsten Morgen, gleich nach dem Aufwachen einen Mehrzeiler, in dem ich ihr mitteilte, dass ich bis 21.00 Uhr tapfer im „Reich der Notwendigkeiten" ausgeharrt und danach das Buch einer Autorin gelesen hatte, deren Name ihr unter keinen Umständen etwas sagen konnte. Damit hatte ich zwei wichtige Botschaften abgesetzt. Erstens: ich gehe einer

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